L 7 R 1013/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4607/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1013/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über ein Recht zur Nachzahlung von Beiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die am 1941 geborene Klägerin (Geburtsname Sch.) war in den Zeiten vom 3. November 1958 bis 31. Juli 1959, vom 3. August 1959 bis 12. August 1961, vom 25. September bis 4. Oktober 1961, vom 23. Oktober 1961 bis 27. Februar 1963 sowie vom 1. April 1963 bis 21. Januar 1964 als Arbeiterin rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Am 16. Juni 1964 heiratete sie in erster Ehe Albert U. (i.F. A. U.), dessen Nachname auch ihr Ehename wurde. Aus der Verbindung mit A.U. gingen die Töchter Carmen (geb. 1962) und Sabine (geb. 1964) sowie die Söhne Markus (geb. 2. Mai 1968) und Matthias (geb. 1973) hervor. Anlässlich der Eheschließung ließ sich die Klägerin ihren Angaben zufolge die bis zur Heirat entrichteten Beiträge erstatten, wobei sich der im Juni 1964 erstattete Betrag auf 1.065,10 DM belief.

Vom 22. Januar 1964 bis 30. September 1977 ging die Klägerin keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Danach arbeitete sie vom 1. Oktober 1977 bis 30. September 1980, vom 12. Januar bis 5. Februar 1981 sowie vom 9. März bis 27. November 1981 erneut arbeiterrentenversicherungspflichtig. Im Zeitraum vom 14. Dezember 1981 bis 31. Dezember 1987 bezog die Klägerin - unterbrochen durch die Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 1. April 1985 bis 11. August 1986 - Leistungen wegen Arbeitslosigkeit nach dem Arbeitsförderungsgesetz; insoweit wurden von der Bundesanstalt für Arbeit bis 31. Dezember 1982 Pflichtbeiträge (§ 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung des 20. Rentenanpassungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl. I S. 1040)) gezahlt. Vom 1. Januar 1988 bis 12. November 1993 war die Klägerin, allerdings ohne Leistungsbezug, weiterhin arbeitslos gemeldet. In der Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Oktober 2004 zahlte sie freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Ab 1. November 2004 bewilligte die Beklagte eine Altersrente für langjährig Versicherte (Bescheid vom 26. Oktober 2004).

Die mit A.U. geschlossene Ehe wurde durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 18. Mai 1982 (46 F 109/81) geschieden. Im Rahmen dieses Verfahrens war zur Durchführung des Versorgungsausgleichs u.a. von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden die Auskunft vom 5. Januar 1982 erhoben worden; im Versicherungsverlauf vom selben Tage waren lediglich Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1977, vom 1. Januar 1979 bis 30. September 1980 sowie vom 12. Januar bis 31. Mai 1981 (Ehezeitende) verzeichnet. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht vom 12. März 1982 gab die Klägerin im Rahmen der Erörterung des Versorgungsausgleichs auf Frage an, dass sie sich bei Eingehung der Ehe die bis dahin erworbenen "Versorgungsanwartschaften" habe auszahlen lassen. Weiter ist in der Niederschrift vom 12. Mai 1982 vermerkt, dass die Klägerin auf die "Möglichkeit zur Nachentrichtung" hingewiesen worden sei. Ein entsprechendes Begehren wurde indes von der Klägerin an die LVA Baden in der Folgezeit nicht herangetragen. Die LVA erteilte der Klägerin unter dem 9. August 1982 eine Auskunft über die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs auf Grund des Urteils des Amtsgerichts - Familiengerichts - Freiburg.

In den folgenden Jahren erfolgten Kontenklärungsverfahren wegen der Feststellung von Kindererziehungszeiten (Bescheid der LVA Baden vom 4. Dezember 1987) sowie wegen der Feststellung weiterer rentenrechtlicher Zeiten bis 31. Dezember 1988 (Bescheid vom 26. Juni 1989); beide Bescheide wurden bestandskräftig. Am 3. August 1998 wurde von der LVA ein weiterer Versicherungsverlauf versandt.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 5. März 2001 (eingegangen bei der Beklagten am 6. März 2001) beantragte die Klägerin, die sich zwischenzeitlich wieder verheiratet hatte, u.a. erneut eine Kontenklärung und machte außerdem sinngemäß geltend, dass sie zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge wegen der erfolgten Heiratserstattung berechtigt sei. Sie sei unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zur Nachzahlung zuzulassen, weil sie im Zuge der diversen Kontenklärungsverfahren nicht über die Möglichkeit zur Beitragsnachzahlung hingewiesen worden sei. Durch Bescheid vom 23. Dezember 2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen wegen Heiratserstattung nach § 282 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ab, weil der Nachzahlungsantrag nur bis 31. Dezember 1995 habe gestellt werden können und die Voraussetzungen für eine Nachzahlung unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vorlägen. Im Zeitpunkt der in den Jahren 1987 und 1989 anhängigen Kontenklärungsverfahren und der Erteilung der Feststellungsbescheide vom 4. Dezember 1987 und 26. Juli 1989 sei die Klägerin nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, was jedoch Voraussetzung für eine Heiratserstattung nach der damaligen Bestimmung des Art. 2 § 28 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) gewesen sei.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, zum Zeitpunkt des Kontenklärungsverfahrens am 26. Juli 1989 sei der LVA Baden bereits bekannt gewesen, dass eine Neuregelung bezüglich der Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen bei Heiratserstattung erfolgen werde. Außerdem hätte die LVA im Rahmen der für das Familiengericht erteilten Auskunft zum Versorgungsausgleich nachfragen müssen, was mit den von ihr auf dem - dem Fragebogen zum Versorgungsausgleich beigefügten - Zusatzformular angegebenen Beiträgen für ihre Tätigkeit als Arbeiterin geschehen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein konkreter Anlass zur Beratung über die Nachzahlungsmöglichkeiten des § 282 SGB VI habe bei Abschluss des Kontenklärungsverfahrens im Juli 1989 nicht bestanden, weil das Rentenreformgesetz 1992 zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschlossen gewesen sei und ferner die erstatteten Beiträge wegen Heirat vom 3. November 1958 bis 21. Januar 1964 seinerzeit weder im Versicherungskonto gespeichert gewesen seien noch die Versicherungskarten mit Erstattungsvermerk bzw. der Eintrag im Erstattungsbuch der LVA Baden dem Versicherungskonto der Klägerin ohne einen Antrag hätten zugeordnet werden können. Gegen die Auskunft im Versorgungsausgleich vom 5. Januar 1982 habe die Klägerin im Übrigen keine Einwände erhoben und ferner in den Kontenklärungsverfahren 1987 und 1989 keine Angaben zu den erstatteten Rentenversicherungsbeiträgen wegen Heirat gemacht; außerdem sei sie zu diesen Zeitpunkten auch nicht versicherungspflichtig beschäftigt oder tätig gewesen. Auf das neue Nachentrichtungsrecht nach § 282 SGB VI seien die weiblichen Versicherten über die Medien umfassend und mehrfach hingewiesen worden.

Deswegen hat die Klägerin am 28. Dezember 2004 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat vom Amtsgericht Freiburg die Akten der Verfahren 46 F 109/81 und 46 F 62/82 beigezogen; es hat die Beteiligten auf die Niederschrift des Familiengerichts vom 12. März 1982 hingewiesen. Mit Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen; in den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Begehren der Klägerin scheitere - ungeachtet eines etwaigen Beratungsfehlers bzw. Beratungsversäumnisses - bereits an der Kausalität einer derartigen Pflichtverletzung, nachdem die Klägerin vom Familiengericht auf die Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen hingewiesen worden sei.

Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 24. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 26. Februar 2007 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung der Klägerin. Sie ist der Auffassung, dass der Hinweis des Familienrichters die Kausalität des Beratungsmangels der Beklagten, von welcher sie nicht eindringlich und ausreichend informiert worden sei, nicht beseitige. Im Übrigen fänden sich auch in den Bescheiden vom 4. Dezember 1987 und 26. Juli 1989 keinerlei Belehrungen zu den Nachentrichtungsmöglichkeiten bei Heiratserstattung.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2004 zu verpflichten, sie zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 3. November 1958 bis 21. Januar 1964 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Durch die Gerichtsakten des Amtsgerichts Freiburg sei eindeutig bewiesen, dass die Klägerin Kenntnis über eine Nachentrichtung von Beiträgen wegen Heiratserstattung gehabt habe.

Der Senat hat vom Amtsgericht Freiburg erneut die Gerichtsakten der Verfahren 46 F 109/81 und 46 F 62/82 beigezogen. Ein weiteres beim SG anhängiges Klageverfahren (S 6 R 1523/05), das den Rentenbescheid vom 26. Oktober 2004 (Widerspruchsbescheid vom 7. April 2005) zum Gegenstand hat, ruht derzeit mit Blick auf das vorliegende Verfahren (Beschluss des SG vom 13. Juli 2007).

Zur weiteren Darstellung wird auf die beigezogenen Akten, die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes bis 31. März 2008 (BGBl. I S. 444)) nicht eingreifen.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin vermag mit dem zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG; dazu Bundessozialgericht (BSG) BSGE 41, 38, 39 = SozR 2200 § 1418 Nr. 2) verfolgten Begehren auf Verpflichtung der Beklagten, die Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit vom 3. November 1958 bis 21. Januar 1964 zuzulassen, nicht durchzudringen. Eine rechtliche Grundlage für dieses Begehren besteht nicht. Dabei geht der Senat zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass die im Juni 1964 erfolgte Erstattung der Beiträge auf der Grundlage des § 1304 RVO (in der ab 1. Januar 1957 geltenden Fassung des ArVNG vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 45)) geschah, obgleich der Erstattungsbescheid nicht vorliegt und sich bei der Beklagten als einziger Beleg der Eintrag in das Erstattungsbuch befindet. Nach § 1304 Abs. 1 RVO waren einer Versicherten bei Heirat auf Antrag die Hälfte der Beiträge zu erstatten, die (u.a.) für die Zeit nach dem 20. Juni 1948 im Bundesgebiet bis zum Ende des Monats entrichtet worden waren, in dem der Antrag gestellt wurde; der Antrag konnte nur binnen drei Monaten nach der Eheschließung geltend gemacht werden (Abs. 2 a.a.O.). Da die Erstattung im Falle der Klägerin noch im Jahr der Eheschließung durchgeführt worden war und seinerzeit die Voraussetzungen der ebenfalls zum 1. Januar 1957 eingeführten allgemeinen Erstattungsregelung des § 1303 Abs. 1 RVO - schon wegen des diesbezüglich vorausgesetzten Zwei-Jahreszeitraums seit dem Wegfall der Versicherungspflicht (vgl. Satz 3 a.a.O.) - noch nicht verstrichen waren, spricht hier mithin alles für die Erstattung der Beiträge nach der Bestimmung des § 1304 RVO.

a) Auf die - mit dem Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 eingeführte und mit Wirkung vom 1. Januar 1998 durch das Rentenreformgesetz 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998) gestrichene - Bestimmung des § 282 SGB VI über die Nachzahlung wegen Heiratserstattung kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen. Nach § 282 Abs.1 Satz 1 SGB VI konnten Frauen, denen anlässlich der Eheschließung Beiträge erstattet worden waren, bis zum 1. Januar 1924 zurück freiwillige Beiträge nachzahlen, sofern die Zeiten nicht bereits mit Beiträgen belegt waren. Der betreffende Antrag konnte allerdings nur bis zum 31. Dezember 1995 gestellt werden (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.). Diese Frist war aber, als die Klägerin im März 2001 mit ihrem Nachzahlungsbegehren an die Beklagte herangetreten ist, bereits längst verstrichen. Auch das richterrechtlich entwickelte Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, der auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet ist, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenen Pflichten zur Betreuung und Beratung ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 9 m.w.N.), vermag der Klägerin hinsichtlich der genannten Fristversäumnis nicht weiterzuhelfen. Denn nach ihrer eigenen Darstellung fanden zuletzt Kontakte mit der LVA Baden allein in den Jahren 1989 sowie 1998 statt; 1998 war die vorgenannte Antragsfrist des § 282 Abs. 2 Satz 1 SGB VI indes ebenfalls schon mehrere Jahre abgelaufen.

b) Bezüglich des Kontenklärungsverfahrens im Jahr 1989 gilt im Ergebnis nichts anderes. Die Klägerin hat ein ausdrückliches Beratungsbegehren an den Rentenversicherungsträger nie gerichtet. Zwar ist der Versicherungsträger insbesondere auf Grund seiner Beratungs- und Auskunftspflichten nach den §§ 14, 15 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch auch ohne ein ausdrückliches Auskunftsersuchen gehalten, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses den Versicherten auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 15; BSG SozR 3-1200 § 14 Nrn. 5 und 6; BSG SozR 3-5750 Art. 2 § 6 Nr. 7); ein derartiger Anlass kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch aus einem Kontenklärungsverfahren ergeben (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 15; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 46). Indes wurde das vorgenannte Kontenklärungsverfahren mit der Erteilung des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 26. Juli 1989 abgeschlossen. Demgegenüber ist das Rentenreformgesetz 1992, mit dem die Bestimmung des § 282 SGB VI mit Wirkung vom 1. Januar 1992 eingeführt worden war, vom Bundestag erst am 9. November 1989 beschlossen, und - nach Passierung des Bundesrats (1. Dezember 1989) - am 18. Dezember 1989 vom Bundespräsidenten ausgefertigt und am 28. Dezember 1989 im Bundesgesetzblatt (Teil I) verkündet worden. Auch wenn der entsprechende Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und der FDP vom 7. März 1989 datierte (vgl. Bundestags-Drucksache 11/4124 S. 143 unter V.4 und S. 204 zu § 275), konnte die LVA mithin zum Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids vom 26. Juni 1989 die gesetzliche Neuregelung des Nachzahlungsrechts wegen Heiratserstattung in seiner endgültigen Gestalt noch nicht kennen. Spätere - für den Versicherungsträger wegen des Standes des Gesetzgebungsverfahrens in ihren Einzelheiten nicht voraussehbare - Rechtsänderungen vermögen aber einen Beratungsfehler von vornherein nicht zu begründen (vgl. BSG SozR 3-5750 Art. 2 § 6 Nr. 7). Der Leistungsträger ist in diesen Fällen zu Gunsten des Betroffenen auch nicht verpflichtet, die Sache ohne konkreten Anlass außerhalb eines Verwaltungsverfahrens (z.B. eines Renten- oder Kontenklärungsverfahren) später wiederaufzugreifen und auf eine entsprechende Antragstellung hinzuwirken (vgl. BSG SozR 3-3200 § 86a Nr. 2). So liegt der Fall hier, sodass an dieser Stelle nicht weiter darauf einzugehen ist, dass die Klägerin, der spätestens seit dem Scheidungsverfahren mit den im Rahmen der Durchführung des Versorgungsausgleichs erteilten Auskünften der LVA Baden vom 5. Januar und 9. August 1982 klar sein musste, dass ihre aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwartende Rente sehr gering sein werde, noch nicht einmal behauptet hat, in den Jahren 1992 bis 1995 bei einer entsprechenden Beratung zur Nachzahlung von Beiträgen bereit und in der Lage gewesen zu sein (siehe hierzu auch die nachfolgenden Ausführungen unter c und d).

c) Soweit die Klägerin sich auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch deshalb berufen möchte, weil sie während der Kontenklärungsverfahren in den Jahren 1987 und 1989 von der LVA Baden nicht auf die seinerzeit geltende Heiratserstattungsregelung des Art. 2 § 28 Abs. 1 Satz 1 ArVNG (mit Wirkung vom 1. August 1969 eingeführt durch das Dritte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 28. Juli 1969 (BGBl. I S. 956)) hingewiesen worden sei, vermag sie damit ebenfalls nicht durchzudringen. Nach der genannten Bestimmung konnten weibliche Versicherte, die eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausübten und denen auf Grund des § 1304 RVO in der am 31. Dezember 1967 geltenden Fassung Beiträge erstattet worden waren, abweichend von der (Fristen-)Regelung des § 1418 RVO für die Zeiten, für die Beiträge auf Grund der genannten Vorschriften erstattet worden waren, bis zum 1. Januar 1924 zurück Beiträge nachentrichten, soweit die Zeiten nicht bereits mit Beiträgen belegt waren. Die Bestimmung des Art. 2 § 28 ArVNG wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1992 abgelöst durch die oben dargestellte Regelung in § 282 SGB VI, die freilich den Kreis der Nachzahlungsberechtigten erweiterte. Denn während es nach der letztgenannten Vorschrift - sofern die Voraussetzungen des § 209 Abs. 1 SGB VI erfüllt waren - ausreichte, dass die Erstattung aus Anlass der Heirat erfolgt war (vgl. hierzu etwa BSGE 76, 250 = SozR 3- 2600 § 282 Nr. 2), stand das Nachentrichtungsrecht nach der Vorläuferregelung in Art. 2 § 28 ArVNG nur den Versicherten zu, die zum Zeitpunkt der Antragstellung eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausübten (vgl. im Übrigen zur Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung Bundesverfassungsgericht BVerfGE 36, 237). Einem Nachentrichtungsrecht nach Art. 2 § 28 ArVNG stand aber vorliegend entgegen, dass die Klägerin in den Jahren 1987 und 1989 keine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausübte. Sie bezog vielmehr vom 28. November 1981 bis 30. März 1985 und vom 12. August 1986 bis 31. Dezember 1987 - lediglich unterbrochen durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung vom 1. April 1985 bis 11. August 1986 - Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit; ab 1. Januar 1988 war sie noch bis 12. November 1993 ohne Leistungsgewährung arbeitslos gemeldet. Eine Pflichtversicherung wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit lag in den Jahren 1987 und 1989 mithin nicht vor, was jedoch - wie dargestellt - Voraussetzung für das Nachentrichtungsrecht wegen Heiratserstattung nach Art. 2 § 28 ArVNG gewesen wäre. Schon deswegen musste sich der LVA hinsichtlich der genannten Bestimmung ein Beratungsbedarf sowohl während des im Jahr 1987 als auch des im Jahr 1989 durchgeführten Kontenklärungsverfahrens nicht aufdrängen; denn eine Nachentrichtungsberechtigung war bei der Klägerin wegen des fehlenden Tatbestandsmerkmals der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit von vornherein nicht gegeben. Eine entsprechende Auskunft des Rentenversicherungsträgers hätte im Übrigen damals nur darauf gerichtet sein können, dass die Voraussetzungen des Art. 2 § 28 ArVNG nicht gegeben seien; über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vermag die Klägerin indes ein Nachzahlungsrecht nicht zu erlangen, das ihr bei korrekter Aufklärung nicht zugestanden hätte. Auf die unter den Beteiligten umstrittene Frage, ob die LVA Baden seinerzeit die in früheren Jahren erfolgte Beitragserstattung hätte erkennen können, kommt es unter diesen Umständen ebenso wenig an wie darauf, ob die Klägerin, die jahrelang arbeitslos war und deren Versicherungsverlauf für die Zeit nach dem 12. November 1993 keine rentenrechtlichen Zeiten bis zur Zahlung freiwilliger Beiträge ab dem 1. Januar 2000 aufzuweisen hat, in der fraglichen Zeit der Kontenklärungsverfahren überhaupt zur Nachentrichtung der anlässlich der Eheschließung erstatteten Beiträge bereit und in der Lage gewesen wäre; die entsprechenden Zweifel an ihrer Nachentrichtungsbereitschaft hat sie jedenfalls - wie nachstehend noch ausgeführt wird - nicht auszuräumen vermocht.

d) Auch hinsichtlich des in den Jahren 1981/82 beim Amtsgericht - Familiengericht - Freiburg durchgeführten Scheidungsverfahrens, an dem die LVA Baden als damals für die Klägerin zuständiger Rentenversicherungsträger zu beteiligen war, fehlt es an den Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt würde, dass damals eine Beratungspflicht der LVA über die Vorschrift des Art. 2 § 28 ArVNG bestanden hätte - was aber jedenfalls wegen der bereits ab 28. November 1981 bestehenden Beschäftigungslosigkeit zweifelhaft sein könnte - vermag die Klägerin den Herstellungsanspruch auch insoweit nicht mit Erfolg geltend zu machen. Denn dieses Rechtsinstitut setzt neben einer Pflichtverletzung des Versicherungsträgers des Weiteren die Ursächlichkeit der unterbliebenen Beratung für den geltend gemachten sozialrechtlichen Nachteil voraus (vgl. BSG SozR 5070 § 10 Nr. 30; BSG SozR 3-1200 § 14 Nrn. 9 und 15). Lässt sich die Kausalität des Beratungsfehlers für das nachfolgende Verhalten des Betroffenen nicht feststellen, geht dies - wie bei allen anspruchsbegründenden Tatsachen - zu Lasten desjenigen, der hieraus Rechte herleitet (vgl. BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 29; BSG SozR 4-2600 § 115 Nr. 2). Von der Kausalität des behaupteten Beratungsmangels für die unterbliebene Beitragsentrichtung durch die Klägerin vermochte sich der Senat indessen nicht zu überzeugen. Die Lücken im Versicherungsverlauf der Klägerin waren schon im Termin vor dem Amtsgericht Freiburg vom 12. März 1982 (46 F 109/81) angesprochen worden; sie war zudem vom Familienrichter darauf hingewiesen worden, dass es auf Grund der Heiratserstattung die Möglichkeit zur Nachentrichtung von Beiträgen gebe. Die Klägerin ist danach jedoch jahrelang bis 2001 untätig geblieben; sie ist auch nie an den Rentenversicherungsträger mit einem entsprechenden Beratungsbegehren herangetreten und dies, obgleich sie aus den Auskünften der LVA Baden vom 5. Januar und 9. August 1982 ersehen konnte, dass ihre zu erwartende Rente trotz des Versorgungsausgleichs sehr niedrig sein werde. Mit Bezug auf ihre Untätigkeit hat sie keine - für ihr jetziges Begehren sprechenden - Gründe anzugeben vermocht. Auf die Verfügung des Senats vom 1. Juni 2007 mit der Anfrage, weshalb sie trotz des Hinweises in der Sitzung des Amtsgerichts vom 12. März 1982 von der Nachentrichtungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, ist die Klägerin - trotz wiederholter Erinnerung - nicht eingegangen. Sie hat noch nicht einmal - auch nicht im Schriftsatz vom 10. Juni 2008 - behauptet, dass sie bei einer entsprechenden Beratung durch die LVA Baden von der Nachentrichtungsmöglichkeit des Art. 2 § 28 ArVNG - so sie denn seinerzeit auf Grund ihrer Beschäftigungslosigkeit ab 28. November 1981 überhaupt bestanden hätte - Gebrauch gemacht hätte; sie hat im genannten Schriftsatz lediglich auf ihre damalige schwierige emotionale Verfassung hingewiesen. Möglicherweise war für die Passivität der Klägerin aber auch ihre damalige finanzielle Situation mitentscheidend. So bezog sie nach Ende der letzten Beschäftigung (27. November 1981) ab 14. Dezember 1981 Arbeitslosengeld und ab Anfang Mai 1982 Arbeitslosenhilfe (vgl. Schriftsatz ihres sie im Scheidungsverfahren vertretenden Rechtsanwalts vom 5. Mai 1982; Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 2004). Auf Grund des beim Familiengericht im Termin vom 11. Mai 1982 (46 F 109/81) vereinbarten Unterhaltsverzichts sowie des gleichzeitig vereinbarten Verzichts auf den Zugewinnausgleich bestanden insoweit gegen A.U. keine Ansprüche. Schon die damaligen persönlichen und finanziellen Verhältnisse der Klägerin nähren mithin Zweifel daran, dass sie seinerzeit zur Nachentrichtung von Beiträgen bereit und in der Lage gewesen wäre und bei einer entsprechenden Beratung durch den Rentenversicherungsträger einen Nachentrichtungsantrag gestellt hätte. Diese Zweifel hat die Klägerin nicht ausgeräumt. Für die Kausalität der angeblichen Pflichtverletzung durch die LVA Baden - diese wiederum unterstellt - trägt sie indes die (objektive) Feststellungs- und Beweislast.

Aus all den vorgenannten Gründen vermag die Klägerin ihr Nachzahlungsbegehren auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu stützen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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