L 14 B 571/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 6111/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 571/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
„Dem Grunde nach“ förderungsfähig nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ist eine Ausbildung auch dann, wenn Ausbildungsförderung nicht geleistet wird, weil die Ausbildung nicht an einer öffentlichen Einrichtung oder einer genehmigten Ersatzschule durchgeführt wird, sondern an einer Ausbildungsstätte, deren Besuch nicht als gleichwertig anerkannt ist, öffentliche Einrichtungen oder als gleichwertig anerkannte Ausbildungsstätten aber diese Ausbildung anbieten.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird als unzulässig verworfen, soweit sie Zeiträume vor Erlass dieser Entscheidung betrifft. Im Übrigen werden auf die Beschwerde der Antragsgegnerin der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2008 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist als unzulässig zu verwerfen, soweit sie zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits in der Vergangenheit liegende Zeiträume betrifft (§ 572 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 202 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]); insoweit fehlt ihr das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

Die (einstweilige) Anordnung des Sozialgerichts hat sich insoweit erledigt. Die Antragsgegnerin hat kein rechtlich schützenswertes Interesse an ihrer Aufhebung. Sie war aufgrund dieser Anordnung und der Ablehnung der Aussetzung ihrer Vollziehung verpflichtet, vorläufig Leistungen zu erbringen. Soweit es ihr darum gehen sollte, dementsprechend ausgezahlte Beträge zurückzuerhalten und festgestellt zu wissen, dass sie – endgültig – nicht zur Gewährung dieser Leistung verpflichtet sei, steht das gerichtliche Eilverfahren dafür nicht zur Verfügung.

Eine einstweilige Anordnung ist stets nur ein Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen einer daraufhin erbrachten Leistung. Ob dem von der einstweiligen Anordnung Begünstigten diese Leistung endgültig zusteht, ist gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären, sofern die Entscheidung der Behörde nicht ohnehin bestandskräftig wird (so bereits Beschlüsse des Senats vom 4. November 2005 – L 14 B 1147/05 AS ER – und vom 2. Februar 2006 – L 14 B 1307/05 AS ER – im Anschluss an den Beschluss des Thüringischen OVG vom 17. Juli 1997 – 2 ZEO 356/97 –, FEVS 48 [1998], 129 [130]; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – L 10 B 1144/05 AS ER –; vgl. auch OVG Berlin, Beschluss vom 15. September 1997 – 2 SN 11/97 –, NVwZ 1998, 85).

Im Übrigen – soweit in der Zukunft liegende Zeiträume betroffen sind – ist die Beschwerde zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 Satz 1 SGG) und begründet. Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht.

Für die Ausbildungsförderung besteht ein eigenes, im Bundesausbildungsförderungsgesetz bzw. im Fünften Abschnitt des Vierten Kapitel des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB III) geregeltes Leistungssystem. Dementsprechend haben nach § 7 Abs. 5 Satz 1 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) "dem Grunde nach" förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs. Aufgrund dieser Bestimmung kann der Antragsteller von der Antragsgegnerin keine Leistungen beanspruchen. "Dem Grunde nach" förderungsfähig nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ist eine Ausbildung, wenn sie überhaupt – abstrakt – nach jenem Gesetz gefördert werden kann. Es kommt nicht darauf an, ob oder aus welchen Gründen sie tatsächlich nicht gefördert wird, insbesondere nicht darauf, ob Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz etwa aus Gründen, die in der Person des Auszubildenden liegen, nicht gewährt werden (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B14/7b AS 28/06 –). Ebensowenig ist entscheidend, ob bzw. dass der Leistung von Ausbildungsförderung im konkreten Fall entgegensteht, dass die Ausbildung an einer Ausbildungsstätte (Ergänzungsschule oder nichtstaatliche Hochschule) stattfindet, deren Besuch nicht als dem Besuch einer in § 2 Abs.1 BAföG aufgeführten Ausbildungsstätte gleichwertig anerkannt ist (§ 2 Abs. 2 BAföG). Auch diese Regelung schließt nicht aus, dass die Ausbildung als solche – nach Prüfung und Anerkennung der Gleichwertigkeit des Besuchs der Ausbildungsstätte (die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Bafög auch "von Amts wegen im Rahmen des Bewilligungsverfahrens" erfolgt) oder auch an einer anderen Ausbildungsstätte – "dem Grunde nach" ("grundsätzlich") forderungsfähig ist. Ein Schüler oder Student, der einer Ausbildung nachgeht, die – beim Besuch bestimmter, ggf. als gleichwertig anerkannter Ausbildungsstätten – "dem Grunde nach" forderungsfähig ist, kann den in § 7 Abs. 5 SGB II bestimmten Ausschluss von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs nicht dadurch umgehen (oder ihm entgehen), dass er – aus welchen Gründen auch immer – eine andere Ausbildungsstätte wählt, für deren Besuch Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht geleistet wird.

Der Antragsteller geht derzeit einer nach diesen Maßstäben "dem Grunde nach" forderungsfähigen Ausbildung nach. Die Ausbildung zum "TV-Producer" wird nicht nur von der "Akademie", die er besucht, angeboten, sondern – worauf die Antragsgegnerin bereits im Antragsverfahren hingewiesen hat – auch von einer privaten Berufsfachschule (L 4 Berufsakademie), die von der (Berliner) Senatsverwaltung für Schulwesen als Ergänzungsschule anerkannt ist, so dass für ihren Besuch Ausbildungsförderung geleistet werden kann (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BAföG). Außerdem bietet die DEKRA Medienakademie, die ebenfalls als gleichwertige Ausbildungsstätte anerkannt ist, diese Ausbildung an – und zwar gleichfalls in Zusammenarbeit im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft ("public private partnership") mit der Akademie für multimediale Ausbildung und Kommunikation (AMAK AG) an der Hochschule Mittweida.

Einen Anspruch kann der Antragsteller nicht daraus herleiten, dass anderen Auszubildenden, die dieselbe "Akademie" (die im Übrigen wohl keine Hochschule sein dürfte) besuchen, augenscheinlich in Verkennung der rechtlichen Gegebenheiten Ausbildungsförderung gewährt wird. Der Antragsteller hat – nur – Anspruch auf die gesetzlich vorgesehenen Leistungen, aber nicht auf "Gleichbehandlung im Unrecht".

Die nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II mögliche Gewährung von Leistungen als Darlehen hat der Antragsteller nicht (auch nicht hilfsweise) beantragt; im Übrigen ist nicht ersichtlich und nicht glaubhaft gemacht, dass ein besonderer Härtefall vorliegt. Ein solcher ist jedenfalls nicht bereits aufgrund dessen anzunehmen, dass der Antragsteller seine Ausbildung aufgenommen hat, ohne vorher hinreichend geklärt zu haben, wovon er währenddessen seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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