L 20 B 16/08 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AS 429/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 16/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Duisburg vom 16.01.2008 werden zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerden des Antragstellers, denen das Sozialgericht mit Beschluss vom 28.01.2008 nicht abgeholfen hat, sind zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat es das Sozialgericht abgelehnt, der Antragsgegnerin Kosten des Antragstellers aufzuerlegen.

Gemäß § 193 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden, wenn - wie hier - das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Diese Vorschrift ist aufgrund der gleichgelagerten Interessenlage analog auf Eilverfahren anzuwenden.

Die Frage, nach welchen Kriterien sich die Kostenentscheidung im Rahmen der Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 2 SGG zu richten hat, ist im SGG nicht näher definiert. In der Rechtsprechung besteht aber weitgehende Einigkeit darüber, dass die Verteilung der Kosten nach Ermessen zu erfolgen hat (vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG, 5. Auflage 2005, § 193 Rn. 12 m.w.N.), wobei der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung maßgeblich ist. Diese Rechtsauffassung stützt sich auf die Prinzipien, nach denen in der Zivilprozessordnung (ZPO) Kostenentscheidungen zu treffen sind. Hiernach ist in erster Linie die Erfolgsaussicht im Zeitpunkt der Erledigung maßgeblich (Rechtsgedanke des § 91a ZPO). Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussicht, dass ein Beteiligter teilweise obsiegt, kann es auch zu einer verhältnismäßigen Kostenaufteilung kommen (Rechtsgedanke des § 92 ZPO). Schließlich ist auch die Idee des § 93 ZPO zu beachten. Danach fallen dem Beklagten keine Kosten zur Last, wenn er keine Veranlassung zur Klage gegeben hat und nach der Klageerhebung sofort ein Anerkenntnis abgibt. Diese Vorschrift verlangt, das Verhalten des Beklagten vor dem Prozess und im Prozess zu berücksichtigen. Aus all diesen Regelungen wird ein allgemeines Prinzip erkennbar, wonach derjenige die Kosten tragen soll, der sie zu Unrecht veranlasst hat (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13.02.1997 - L 2 Sb 8/97= ZfS 1997, 143 f). Auch die Frage nach der Erfolgsaussicht ist im Kern nur die Frage danach, wer die Aufwendungen des anderen zu Unrecht veranlasst hat. Denn der Beteiligte, der den Prozess mutmaßlich verloren hätte, hat die Gegenseite zu Unrecht in Kosten gestürzt und muss sie daher erstatten (LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hätte es nicht billigem Ermessen entsprochen, die Antragsgegnerin mit den Kosten des Antragstellers zu belasten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der vorliegende Eilantrag als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 86b Abs. 1 Nr. 2) oder Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 86b Abs. 1 Nr. 3) oder als hiernach analog zu behandelnder Antrag bei so genanntem "faktischen Vollzug" aufzufassen ist. In jedem Fall stand einer aus Sicht des Antragstellers positiven Entscheidung des Sozialgerichts entgegen, dass der streitbefangene Bescheid vom 28.08.2007 bestandskräftig geworden ist. Denn ein Bescheid, gegen den ein Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG gerichtet wird, darf noch nicht bestandskräftig geworden sein (vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG, 5. Auflage 2005, § 86b Rn. 7). Nach Aktenlage kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass der angefochtene Bescheid bestandskräftig geworden ist. Nach der aktenkundigen Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid am 14.09.2007 in den zur Wohnung des Antragstellers gehörenden Briefkasten eingeworfen. Dass der Antragsteller diesen Bescheid gleichwohl möglicherweise nicht zur Kenntnis genommen hat, hindert die ordnungsgemäße Zustellung entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht. Soweit der anwaltlich vertretene Antragsteller sich auf zivilgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Zustellung bei Einschreiben beruft, liegen diese Ausführungen neben der Sache, weil die Zustellung vorliegend mit Postzustellungsurkunde erfolgte und gerade nicht durch ein Einschreiben. Zwar trägt der Antragsteller vor, den Bescheid erst am 15.10.2007 persönlich durch Aushändigung seiner Mutter erhalten zu haben. Dies kann jedoch als zutreffend unterstellt werden, ohne dass dies die Feststellung einer vorherigen Zustellung hindert. Denn dass ein zum Haushalt gehörender Familienangehöriger einen zugestellten Bescheid zunächst nicht weitergibt und der Adressat diesen deshalb später erhält, hindert die Zustellung zu einem früheren Zeitpunkt nicht (Rechtsgedanke des § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 202 SGG, vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG, 5. Auflage 2005, § 63 Rn. 13d). Im Übrigen gilt für öffentliche Postzustellungsurkunden gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 202 SGG, dass sie den vollen Beweis für die darin bezeugten Tatsachen erbringen (vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 5. Auflage 2005, § 118 Rn. 13a, § 63 Rn. 19). Den erforderlichen Gegenbeweis hat der Antragsteller nicht erbracht. Insbesondere wird die Beweiskraft der Urkunde nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Antragsteller gegenüber dem Sozialgericht im Eilverfahren die Beweisanregung formuliert hat, den Postzusteller zu vernehmen. Denn es spricht alles dafür, dass der Bescheid vom 28.08.2007 tatsächlich am 14.09.2007 zugestellt worden ist. Bereits auf der aktenkundigen Ablichtung des Bescheides findet sich der Vermerk "ab am 10.09.2007 mit PZU". Dies korrespondiert mit dem Vermerk auf der Postzustellungsurkunde, wonach der Bescheid wenige Tage später tatsächlich zugestellt wurde. Weil der Kläger auch selbst erklärt hat, der Bescheid sei ihm von einer Familienangehörigen ausgehändigt worden, ist nicht nachvollziehbar, warum ein Beweis darüber erhoben werden sollte, dass Post aus dem Briefkasten entwendet werden könnte.

Auch das Schreiben des Antragstellers vom 17.09.2007 kann nicht als fristwahrender Widerspruch aufgefasst werden. Denn dieses Schreiben nimmt ausdrücklich nur Bezug auf das Anhörungsschreiben vom 13.08.2007. Zudem kann das Schreiben auch deshalb nicht als Widerspruch ausgelegt werden, weil der Antragsteller im Eilantrag vom 05.11.2007 selbst vorträgt, von dem Bescheid erst am 15.10.2007 erfahren zu haben, als seine Mutter ihm diesen ausgehändigt habe. Dies erscheint auch nicht ausgeschlossen, denn aus den vorliegenden Verwaltungsvorgängen gehen Hinweise darauf hervor, dass der Antragsteller seine Wohnung zumindest gelegentlich wochenlang nicht aufsuchte. So hat der Antragsteller in seinem Schreiben vom 17.09.2007 im Rahmen des Anhörungsverfahrens selbst vorgetragen, "14 Tage in I" gewesen zu sein. Selbst wenn diese Aussage sich auf den Zeitraum März 2007 beziehen sollte, wie der Antragsteller später vorgetragen hat, schließt dies die Möglichkeit nicht aus, dass der Antragsteller ein solches Verhalten wiederholt an den Tag gelegt hat.

Wenn die Antragsgegnerin trotz dieser Umstände bereit ist, dem Begehren des Antragstellers abzuhelfen, so kann das unter Berücksichtigung der o.g. Billigkeitserwägungen nicht dazu führen, sie auch noch mit den Kosten des Antragstellers zu belasten.

Aus den o.g. Gründen fehlte dem Eilantrag auch die hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. §§ 73a SGG, 114 Abs. 1 ZPO, so dass auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt worden ist. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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