Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 139/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 64/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 98/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine am 15. August 2003 operierte Rotatorenmanschettenruptur Folge des Sturzes am 21. Juli 2003 und von der Beklagten zu entschädigen ist.
Der 1953 geborene Kläger - von Beruf Maurer - stürzte am 21. Juli 2003 bei Ausschalungsarbeiten auf die rechte Schulter. Der noch am Unfalltag aufgesuchte Durchgangsarzt Dr. B. stellte eine Prellung im Bereich der rechten Schulter fest. Eine knöcherne frische Läsion konnte anhand der Röntgenaufnahmen ausgeschlossen werden. Es zeigte sich röntgenologisch lediglich eine operativ versorgte Schlüsselbeinfraktur rechts (1974) mit Dislokation. Die Funktion der Rotatorenmanschette konnte wegen Schmerzhaftigkeit nicht überprüft werden. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 29. Juli 2003 offenbarte einen nahezu vollständigen Ausriss der Supraspinatussehne sowie eine Teilrupturierung der Infraspinatussehne. Beide Sehnen gehören zur Rotatorenmanschette. Zudem zeigte sich ein deutlicher Humeruskopfhochstand, eine Flüssigkeitsansammlung im Schultergelenk und eine Schleimbeutelentzündung (Bursitis) unter dem Schulterdach (Acromium). Die Muskeln waren nicht retrahiert. Am 5. August 2003 wurde in den A.-Kliniken AG eine diagnostische Arthroskopie des rechten Schultergelenks und eine offene Rekonstruktion der Rotatorenmanschette durchgeführt. Im Operationsbericht wird eine deutliche Einengung des subacromialen Raumes erwähnt. Die Sehnen wurden als deutlich retrahiert beschrieben. Die stationäre Behandlung dauerte bis zum 10. August 2003, ein anschließendes Reha-Verfahren bis 15. September 2003.
Im Auftrag der Beklagten erstattete der Orthopäde Dr. L. am 12. November 2003 ein Gutachten. Der Kläger gab bei der Untersuchung an, er sei direkt auf die rechte Schulter gestürzt; es sei so schnell gegangen, dass er sich nicht mehr mit der Hand habe abstützen oder irgendwo festhalten können. Dr. L. kam zum Ergebnis, der vom Kläger beschriebene Unfallhergang sei nicht geeignet gewesen, die durch die Schulterhöhe und Deltamuskeln gut geschützte Rotatorenmanschette zu verletzen. Zwar könne infolge unterlassener histologischer Aufarbeitung des entnommenen Gewebes ein degenerativer Vorschaden nicht eindeutig bewiesen werden. Jedoch sprächen gewichtige Gründe gegen eine traumatische Läsion. So seien sowohl im MRT als auch im Operationsbericht Schäden nicht nur an der Supra- sondern auch an der Infraspinatussehne beschrieben worden. Es handle sich um Sehnenanteile und Muskeln, die antagonistisch wirkten. Die Supraspinatussehne sei für das Heranführen, die Infraspinatussehne für das Wegführen des Arms zuständig. Ein einheitliches Unfallereignis könne nicht zum Riss von in zwei verschiedene Richtungen wirkenden Sehnen führen. Unfallbedingt sei lediglich eine Prellung, die zu keiner rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und zu einer Arbeitsunfähigkeit bis lediglich 14. August 2003 geführt habe.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2003 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall mit folgenlos abgeheilter Prellung der rechten Schulter und unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit sowie Behandlungsbedürftigkeit bis 14. August 2003 an. Darüber hinaus lehnte sie Verletztengeld und Behandlung ab, da kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Ruptur der Rotatorenmanschette und dem Arbeitsunfall bestehe.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er habe vor dem Unfall keinerlei Probleme mit der rechten Schulter gehabt. Der Sachverständige habe selbst eingeräumt, dass degenerative Vorschäden mangels durchgeführter Histologie nicht nachzuweisen seien. Wenn allein auf den Unfallhergang und dessen angebliche Ungeeignetheit abgestellt werde, so sei zu berücksichtigen, dass ihm ein eindeutiger Ablauf nicht mehr erinnerlich und damit ein solcher nicht beweisbar sei. Er könne sich, da alles so schnell gegangen sei, nicht erinnern, auf welche Schulterteile er zuerst und in welchem Winkel er darauf gestürzt sei. Die operierte Rotatorenmanschettenruptur sei Folge des Unfalls. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2004 zurück.
Dagegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage mit dem Antrag, Verletztengeld und Heilbehandlung über den 14. August 2003 hinaus und Rente auf unbestimmte Zeit zu gewähren. Zur Begründung bezog er sich auf sein bisheriges Vorbringen.
Das SG zog Röntgenaufnahmen, das MRT, den Operationsbericht, den Reha-Entlassungsbericht sowie einen Befundbericht des Dr. D. bei und ernannte den Orthopäden Dr. F. zum Sachverständigen. In seinem Gutachten vom 21. August 2004 führte Dr. F. aus, einen isolierten, traumatisch bedingten Supraspinatussehnenriss gebe es nicht. Stets handle es sich um eine degenerativ vorgeschädigte Sehne, die bei entsprechendem Unfallmechanismus vollständig reiße. Es sei dann abzuwägen, welchen Umständen, den degenerativen Vorschäden oder dem traumatischen Ereignis, die wesentliche Ursache zukomme. Der im MRT beschriebene Hochstand des Oberarmkopfes passe nicht zu einer frischen Verletzung, da sich ein solcher frühestens drei Monate nach einer Rotatorenmanschettenruptur einstelle. Hingegen könnten der vom Durchgangsarzt bzw. im MRT festgestellte Gelenkerguss und die noch nicht eingetretene Retraktion des Muskels Zeichen einer frischen Verletzung sein. Dagegen spreche aber, dass der Operateur etwas anderes, nämlich eine retrahierte Sehne gesehen habe. Dies korreliere mit dem für einen Rotatorenmanschettenriss ungeeigneten Unfallhergang und dem eingetretenen Hochstand des Oberarmkopfes. Die bei der Erstuntersuchung erhobenen klinischen Befunde wie Pseudoparalyse, aktiv erhaltene Beweglichkeit der Schulter und ein blutiger seröser Erguss deuteten zwar auf eine teilweise frische Rissbildung hin. Diese seien aber lediglich Zeichen einer frischen Zerreißung von Gewebe und nicht Beweis für einen traumatischen Riss. Ein solcher könne bei ungeeignetem Unfallmechanismus nicht wesentlich durch das angeschuldigte Ereignis sondern nur durch den Vorschaden verursacht oder mitverursacht worden sein.
Auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erstattete der Orthopäde Dr. N. am 1. März 2005 ein weiteres Gutachten. Er führte aus, die Ruptur der Supraspinatus- und Infraspinatussehne sei auf die Schulterprellung infolge des Sturzes zurückzuführen und habe nach der bis 7. März 2004 dauernden Arbeitsunfähigkeit eine MdE um 10 vH zurückgelassen. Zwar sei davon auszugehen, dass die vorgenannten Sehnen schon zum Unfallzeitpunkt degenerativ, aber nur in geringem Ausmaß, vorgeschädigt gewesen waren. Auch wenn sich jetzt auf beiden Seiten, also an der rechten und der linken Schulter, degenerative Veränderungen abzeichneten, bleibe er bei seiner Beurteilung. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger als Maurer und Nebenerwerbslandwirt bis zum Ausheilen der rechten Schulter den linken Arm und die linke Schulter verstärkt habe einsetzen müssen. Dieser Umstand sei für den vorzeitigen Abnutzungsprozess verantwortlich.
Mit Urteil vom 9. Januar 2007 wies das SG die Klage ab. Es schloss sich der Beurteilung des Dr. F. und des Dr. L. an. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. hielt es nicht für überzeugend. Auch unter Abwägung aller für und gegen eine traumatische Läsion sprechenden Tatsachen komme es nicht zur Wertung, dass der Sturz eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Schaden an der rechten Rotatorenmanschette gewesen sei.
Dagegen legte der Kläger Berufung ein. Die Ausführungen des Dr. N. stünden im Widerspruch zu den Ausführungen der anderen Sachverständigen. Diese hätten nicht berücksichtigt, dass ein symptomloser Defekt bei degenerativen Veränderungen die absolute Ausnahme sei. Allenfalls sei ein Obergutachten einzuholen.
Der Senat bat Dr. F. zum Gutachten des Dr. N. Stellung zunehmen. Der Sachverständige führte am 8. Mai 2007 aus, entscheidend sei, dass bei dem vom Kläger beschriebenen Sturz keine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Supraspinatussehne aufgetreten war. Ein geeigneter Verletzungsmechanismus liege nicht vor. Vielmehr sei es zu einer direkten Gewalteinwirkung gekommen. Diese sei nach der wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur allein oder wesentlich mitursächlich herbeizuführen. Der schon im MRT und bei der Operation erkennbare Hochstand des Oberarmkopfes und die deutlich retrahierte Sehne seien Zeichen einer lange zurückliegenden Defektbildung und nicht eines Traumas. Die Behauptung, in der Fachliteratur werde ein symptomloser Defekt bei degenerativen Veränderungen als absolute Ausnahme beschrieben, sei nicht haltbar und werde von Dr. N. auch nicht durch eine Quellenangabe belegt. Ganz im Gegenteil werde in der Unfallliteratur, z. B. von Schönberger - Mehrtens - Valentin, ausdrücklich hervorgehoben, dass die Degeneration typischerweise bis zu einem Ereignis klinisch stumm bleibe. Er halte seine frühere Beurteilung aufrecht.
Auf seinen Antrag, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, wurde dem Kläger mitgeteilt, sein Recht sei durch Einholung des Gutachtens von Dr. N. verbraucht. Der Kläger erwiderte, § 109 SGG sei auch in der Berufungsinstanz anwendbar. Ablehnungsgründe könne er nicht akzeptieren, zumal widersprüchliche Gutachten vorlägen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Januar 2007 sowie Abänderung des Bescheids vom 2. Dezember 2003 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2004 zu verurteilen, eine Ruptur der rechten Supera- und Infraspinatussehne als weitere Folge des Unfalls vom 21. Juli 2003 festzustellen; hilfsweise eine Stellungnahme des Prof.Dr.C. und Dr. S. der A.-Kliniken AG zur Feststellung einzuholen, dass die Ruptur der rechten Supra- und Infraspinatussehne Folge des Arbeitsunfalls vom 21. Juli 2003 ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Januar 2007 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommenen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Zutreffend entschied das SG, dass es bei dem Unfall vom 21. Juli 2003 lediglich zu einer Prellung der rechten Schulter gekommen war, die mit Ablauf des 14. August 2003 folgenlos ausgeheilt war. Eine Ruptur der Rotatorenmanschette und zwar eine Ruptur der Supra- und Infraspinatussehne rechts ist nicht wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den streitgegenständlichen Sturz zurückzuführen. Dies führte das SG bereits eingehend aus. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
Dem Antrag des Klägers, eine Stellungnahme des Prof. Dr. C. und des Operateurs Dr. S. , beide A.-Kliniken AG, einzuholen, um festzustellen, dass die Ruptur der Sehnen Folge des Arbeitsunfalls vom 21. Juli 2003 ist, war nicht zu entsprechen. Denn der Kläger hat von seinem Recht nach § 109 SGG bereits in erster Instanz Gebrauch gemacht. Das SG holte auf seinen Antrag ein Gutachten des Dr. N. ein. Dabei macht es keinen Unterschied, dass der Kläger nunmehr lediglich eine Stellungnahme und nicht ausdrücklich ein Gutachten wünschte. Die Fragestellung, die beiden Sachverständigen vorgegeben werden soll, macht deutlich, dass es ausschließlich um die Kernfrage des Rechtsstreits geht, nämlich ob die Schäden an der Rotatorenmanschette Folge des streitgegenständlichen Unfalls sind.
Es ist zwar richtig, dass § 109 SGG auch in der Berufungsinstanz gilt. Jedoch ist dies nicht dahin zu verstehen, dass in jeder Instanz jeweils ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden müsste. Vielmehr ist der Instanzenzug als einheitliches Verfahren zu betrachten. Auch aus anderen Gründen, etwa aus dem Gebot auf rechtliches Gehör im Sinne der Waffengleichheit und der prozessualen Fairness, lässt sich ein solcher Anspruch nicht herleiten. In seinem Beschluss vom 5. März 2007 (B 2 U 347/06 B) führte das Bundessozialgericht (BSG) aus, eine Verletzung des Gebots der Waffengleichheit scheide in derartigen Fällen schon deswegen aus, weil dieses lediglich beinhalte, es den Beteiligten eines Verfahrens zu ermöglichen, ihren Standpunkt vor dem Gericht unter gleichen Bedingungen vortragen zu können. Dies beinhalte kein Gebot der Waffengleichheit zwischen verschiedenen Sachverständigen eines Rechtsstreits und erst recht nicht zwischen einem Beteiligten und dem Gericht. In seiner Entscheidung hielt das BSG dem dortigen Kläger entgegen, er habe keine Rechtsgrundlage für ein Gebot der prozessualen Fairness genannt und dargelegt, welchen Inhalt es haben solle. Dieser Vorwurf trifft auch den Kläger.
Dass der Kläger zuletzt beantragte, Professor Dr. C. und Dr. S. , die an der Operation am 5. August 2003 beteiligt waren, um Stellungnahme zu bitten und nicht erneut Dr. N. , ändert nichts. Gründe, die eine zweite Begutachtung - zumal auf dem selben bzw. verwandten Fachgebiet der Chirurgie und Orthopädie (vgl. Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG Kommentar 8. Aufl. § 109 Nr. 10 b) - nach § 109 SGG rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht vorgebracht. Solche besonderen Umstände können dann vorliegen, wenn entscheidungserhebliche Fragen nicht oder nicht vollständig von dem zuvor benannten Arzt beantwortet wurden. Ähnliches gilt, wenn sich neue rechtserhebliche Tatsachen ergeben, wie etwa neue medizinische Erkenntnisse. Dass zwischenzeitlich ein Gutachten von Amts wegen eingeholt oder der Prozessgegner eine Stellungnahme vorgelegt hat, begründet i.d.R. nicht das Erfordernis, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen (Meyer-Ladewig, a.a.O.). Auf die Frage, ob der erst in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag im Sinne des § 109 Abs. 2 SGG verspätet ist, braucht bei dieser Sachlage nicht weiter eingegangen zu werden.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass weitere als die im angefochtenen Bescheid vom 2. Dezember 2003 festgestellten Unfallfolgen nicht wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Sturz vom 21. Juli 2003 zurückzuführen sind, so dass ein Feststellungsanspruch des Klägers scheitert.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 9. Januar 2007 war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es liegen keine Gründe vor, die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine am 15. August 2003 operierte Rotatorenmanschettenruptur Folge des Sturzes am 21. Juli 2003 und von der Beklagten zu entschädigen ist.
Der 1953 geborene Kläger - von Beruf Maurer - stürzte am 21. Juli 2003 bei Ausschalungsarbeiten auf die rechte Schulter. Der noch am Unfalltag aufgesuchte Durchgangsarzt Dr. B. stellte eine Prellung im Bereich der rechten Schulter fest. Eine knöcherne frische Läsion konnte anhand der Röntgenaufnahmen ausgeschlossen werden. Es zeigte sich röntgenologisch lediglich eine operativ versorgte Schlüsselbeinfraktur rechts (1974) mit Dislokation. Die Funktion der Rotatorenmanschette konnte wegen Schmerzhaftigkeit nicht überprüft werden. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 29. Juli 2003 offenbarte einen nahezu vollständigen Ausriss der Supraspinatussehne sowie eine Teilrupturierung der Infraspinatussehne. Beide Sehnen gehören zur Rotatorenmanschette. Zudem zeigte sich ein deutlicher Humeruskopfhochstand, eine Flüssigkeitsansammlung im Schultergelenk und eine Schleimbeutelentzündung (Bursitis) unter dem Schulterdach (Acromium). Die Muskeln waren nicht retrahiert. Am 5. August 2003 wurde in den A.-Kliniken AG eine diagnostische Arthroskopie des rechten Schultergelenks und eine offene Rekonstruktion der Rotatorenmanschette durchgeführt. Im Operationsbericht wird eine deutliche Einengung des subacromialen Raumes erwähnt. Die Sehnen wurden als deutlich retrahiert beschrieben. Die stationäre Behandlung dauerte bis zum 10. August 2003, ein anschließendes Reha-Verfahren bis 15. September 2003.
Im Auftrag der Beklagten erstattete der Orthopäde Dr. L. am 12. November 2003 ein Gutachten. Der Kläger gab bei der Untersuchung an, er sei direkt auf die rechte Schulter gestürzt; es sei so schnell gegangen, dass er sich nicht mehr mit der Hand habe abstützen oder irgendwo festhalten können. Dr. L. kam zum Ergebnis, der vom Kläger beschriebene Unfallhergang sei nicht geeignet gewesen, die durch die Schulterhöhe und Deltamuskeln gut geschützte Rotatorenmanschette zu verletzen. Zwar könne infolge unterlassener histologischer Aufarbeitung des entnommenen Gewebes ein degenerativer Vorschaden nicht eindeutig bewiesen werden. Jedoch sprächen gewichtige Gründe gegen eine traumatische Läsion. So seien sowohl im MRT als auch im Operationsbericht Schäden nicht nur an der Supra- sondern auch an der Infraspinatussehne beschrieben worden. Es handle sich um Sehnenanteile und Muskeln, die antagonistisch wirkten. Die Supraspinatussehne sei für das Heranführen, die Infraspinatussehne für das Wegführen des Arms zuständig. Ein einheitliches Unfallereignis könne nicht zum Riss von in zwei verschiedene Richtungen wirkenden Sehnen führen. Unfallbedingt sei lediglich eine Prellung, die zu keiner rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und zu einer Arbeitsunfähigkeit bis lediglich 14. August 2003 geführt habe.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2003 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall mit folgenlos abgeheilter Prellung der rechten Schulter und unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit sowie Behandlungsbedürftigkeit bis 14. August 2003 an. Darüber hinaus lehnte sie Verletztengeld und Behandlung ab, da kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Ruptur der Rotatorenmanschette und dem Arbeitsunfall bestehe.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er habe vor dem Unfall keinerlei Probleme mit der rechten Schulter gehabt. Der Sachverständige habe selbst eingeräumt, dass degenerative Vorschäden mangels durchgeführter Histologie nicht nachzuweisen seien. Wenn allein auf den Unfallhergang und dessen angebliche Ungeeignetheit abgestellt werde, so sei zu berücksichtigen, dass ihm ein eindeutiger Ablauf nicht mehr erinnerlich und damit ein solcher nicht beweisbar sei. Er könne sich, da alles so schnell gegangen sei, nicht erinnern, auf welche Schulterteile er zuerst und in welchem Winkel er darauf gestürzt sei. Die operierte Rotatorenmanschettenruptur sei Folge des Unfalls. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2004 zurück.
Dagegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage mit dem Antrag, Verletztengeld und Heilbehandlung über den 14. August 2003 hinaus und Rente auf unbestimmte Zeit zu gewähren. Zur Begründung bezog er sich auf sein bisheriges Vorbringen.
Das SG zog Röntgenaufnahmen, das MRT, den Operationsbericht, den Reha-Entlassungsbericht sowie einen Befundbericht des Dr. D. bei und ernannte den Orthopäden Dr. F. zum Sachverständigen. In seinem Gutachten vom 21. August 2004 führte Dr. F. aus, einen isolierten, traumatisch bedingten Supraspinatussehnenriss gebe es nicht. Stets handle es sich um eine degenerativ vorgeschädigte Sehne, die bei entsprechendem Unfallmechanismus vollständig reiße. Es sei dann abzuwägen, welchen Umständen, den degenerativen Vorschäden oder dem traumatischen Ereignis, die wesentliche Ursache zukomme. Der im MRT beschriebene Hochstand des Oberarmkopfes passe nicht zu einer frischen Verletzung, da sich ein solcher frühestens drei Monate nach einer Rotatorenmanschettenruptur einstelle. Hingegen könnten der vom Durchgangsarzt bzw. im MRT festgestellte Gelenkerguss und die noch nicht eingetretene Retraktion des Muskels Zeichen einer frischen Verletzung sein. Dagegen spreche aber, dass der Operateur etwas anderes, nämlich eine retrahierte Sehne gesehen habe. Dies korreliere mit dem für einen Rotatorenmanschettenriss ungeeigneten Unfallhergang und dem eingetretenen Hochstand des Oberarmkopfes. Die bei der Erstuntersuchung erhobenen klinischen Befunde wie Pseudoparalyse, aktiv erhaltene Beweglichkeit der Schulter und ein blutiger seröser Erguss deuteten zwar auf eine teilweise frische Rissbildung hin. Diese seien aber lediglich Zeichen einer frischen Zerreißung von Gewebe und nicht Beweis für einen traumatischen Riss. Ein solcher könne bei ungeeignetem Unfallmechanismus nicht wesentlich durch das angeschuldigte Ereignis sondern nur durch den Vorschaden verursacht oder mitverursacht worden sein.
Auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erstattete der Orthopäde Dr. N. am 1. März 2005 ein weiteres Gutachten. Er führte aus, die Ruptur der Supraspinatus- und Infraspinatussehne sei auf die Schulterprellung infolge des Sturzes zurückzuführen und habe nach der bis 7. März 2004 dauernden Arbeitsunfähigkeit eine MdE um 10 vH zurückgelassen. Zwar sei davon auszugehen, dass die vorgenannten Sehnen schon zum Unfallzeitpunkt degenerativ, aber nur in geringem Ausmaß, vorgeschädigt gewesen waren. Auch wenn sich jetzt auf beiden Seiten, also an der rechten und der linken Schulter, degenerative Veränderungen abzeichneten, bleibe er bei seiner Beurteilung. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger als Maurer und Nebenerwerbslandwirt bis zum Ausheilen der rechten Schulter den linken Arm und die linke Schulter verstärkt habe einsetzen müssen. Dieser Umstand sei für den vorzeitigen Abnutzungsprozess verantwortlich.
Mit Urteil vom 9. Januar 2007 wies das SG die Klage ab. Es schloss sich der Beurteilung des Dr. F. und des Dr. L. an. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. hielt es nicht für überzeugend. Auch unter Abwägung aller für und gegen eine traumatische Läsion sprechenden Tatsachen komme es nicht zur Wertung, dass der Sturz eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Schaden an der rechten Rotatorenmanschette gewesen sei.
Dagegen legte der Kläger Berufung ein. Die Ausführungen des Dr. N. stünden im Widerspruch zu den Ausführungen der anderen Sachverständigen. Diese hätten nicht berücksichtigt, dass ein symptomloser Defekt bei degenerativen Veränderungen die absolute Ausnahme sei. Allenfalls sei ein Obergutachten einzuholen.
Der Senat bat Dr. F. zum Gutachten des Dr. N. Stellung zunehmen. Der Sachverständige führte am 8. Mai 2007 aus, entscheidend sei, dass bei dem vom Kläger beschriebenen Sturz keine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Supraspinatussehne aufgetreten war. Ein geeigneter Verletzungsmechanismus liege nicht vor. Vielmehr sei es zu einer direkten Gewalteinwirkung gekommen. Diese sei nach der wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur allein oder wesentlich mitursächlich herbeizuführen. Der schon im MRT und bei der Operation erkennbare Hochstand des Oberarmkopfes und die deutlich retrahierte Sehne seien Zeichen einer lange zurückliegenden Defektbildung und nicht eines Traumas. Die Behauptung, in der Fachliteratur werde ein symptomloser Defekt bei degenerativen Veränderungen als absolute Ausnahme beschrieben, sei nicht haltbar und werde von Dr. N. auch nicht durch eine Quellenangabe belegt. Ganz im Gegenteil werde in der Unfallliteratur, z. B. von Schönberger - Mehrtens - Valentin, ausdrücklich hervorgehoben, dass die Degeneration typischerweise bis zu einem Ereignis klinisch stumm bleibe. Er halte seine frühere Beurteilung aufrecht.
Auf seinen Antrag, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, wurde dem Kläger mitgeteilt, sein Recht sei durch Einholung des Gutachtens von Dr. N. verbraucht. Der Kläger erwiderte, § 109 SGG sei auch in der Berufungsinstanz anwendbar. Ablehnungsgründe könne er nicht akzeptieren, zumal widersprüchliche Gutachten vorlägen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Januar 2007 sowie Abänderung des Bescheids vom 2. Dezember 2003 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2004 zu verurteilen, eine Ruptur der rechten Supera- und Infraspinatussehne als weitere Folge des Unfalls vom 21. Juli 2003 festzustellen; hilfsweise eine Stellungnahme des Prof.Dr.C. und Dr. S. der A.-Kliniken AG zur Feststellung einzuholen, dass die Ruptur der rechten Supra- und Infraspinatussehne Folge des Arbeitsunfalls vom 21. Juli 2003 ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Januar 2007 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommenen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Zutreffend entschied das SG, dass es bei dem Unfall vom 21. Juli 2003 lediglich zu einer Prellung der rechten Schulter gekommen war, die mit Ablauf des 14. August 2003 folgenlos ausgeheilt war. Eine Ruptur der Rotatorenmanschette und zwar eine Ruptur der Supra- und Infraspinatussehne rechts ist nicht wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den streitgegenständlichen Sturz zurückzuführen. Dies führte das SG bereits eingehend aus. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
Dem Antrag des Klägers, eine Stellungnahme des Prof. Dr. C. und des Operateurs Dr. S. , beide A.-Kliniken AG, einzuholen, um festzustellen, dass die Ruptur der Sehnen Folge des Arbeitsunfalls vom 21. Juli 2003 ist, war nicht zu entsprechen. Denn der Kläger hat von seinem Recht nach § 109 SGG bereits in erster Instanz Gebrauch gemacht. Das SG holte auf seinen Antrag ein Gutachten des Dr. N. ein. Dabei macht es keinen Unterschied, dass der Kläger nunmehr lediglich eine Stellungnahme und nicht ausdrücklich ein Gutachten wünschte. Die Fragestellung, die beiden Sachverständigen vorgegeben werden soll, macht deutlich, dass es ausschließlich um die Kernfrage des Rechtsstreits geht, nämlich ob die Schäden an der Rotatorenmanschette Folge des streitgegenständlichen Unfalls sind.
Es ist zwar richtig, dass § 109 SGG auch in der Berufungsinstanz gilt. Jedoch ist dies nicht dahin zu verstehen, dass in jeder Instanz jeweils ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden müsste. Vielmehr ist der Instanzenzug als einheitliches Verfahren zu betrachten. Auch aus anderen Gründen, etwa aus dem Gebot auf rechtliches Gehör im Sinne der Waffengleichheit und der prozessualen Fairness, lässt sich ein solcher Anspruch nicht herleiten. In seinem Beschluss vom 5. März 2007 (B 2 U 347/06 B) führte das Bundessozialgericht (BSG) aus, eine Verletzung des Gebots der Waffengleichheit scheide in derartigen Fällen schon deswegen aus, weil dieses lediglich beinhalte, es den Beteiligten eines Verfahrens zu ermöglichen, ihren Standpunkt vor dem Gericht unter gleichen Bedingungen vortragen zu können. Dies beinhalte kein Gebot der Waffengleichheit zwischen verschiedenen Sachverständigen eines Rechtsstreits und erst recht nicht zwischen einem Beteiligten und dem Gericht. In seiner Entscheidung hielt das BSG dem dortigen Kläger entgegen, er habe keine Rechtsgrundlage für ein Gebot der prozessualen Fairness genannt und dargelegt, welchen Inhalt es haben solle. Dieser Vorwurf trifft auch den Kläger.
Dass der Kläger zuletzt beantragte, Professor Dr. C. und Dr. S. , die an der Operation am 5. August 2003 beteiligt waren, um Stellungnahme zu bitten und nicht erneut Dr. N. , ändert nichts. Gründe, die eine zweite Begutachtung - zumal auf dem selben bzw. verwandten Fachgebiet der Chirurgie und Orthopädie (vgl. Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG Kommentar 8. Aufl. § 109 Nr. 10 b) - nach § 109 SGG rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht vorgebracht. Solche besonderen Umstände können dann vorliegen, wenn entscheidungserhebliche Fragen nicht oder nicht vollständig von dem zuvor benannten Arzt beantwortet wurden. Ähnliches gilt, wenn sich neue rechtserhebliche Tatsachen ergeben, wie etwa neue medizinische Erkenntnisse. Dass zwischenzeitlich ein Gutachten von Amts wegen eingeholt oder der Prozessgegner eine Stellungnahme vorgelegt hat, begründet i.d.R. nicht das Erfordernis, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen (Meyer-Ladewig, a.a.O.). Auf die Frage, ob der erst in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag im Sinne des § 109 Abs. 2 SGG verspätet ist, braucht bei dieser Sachlage nicht weiter eingegangen zu werden.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass weitere als die im angefochtenen Bescheid vom 2. Dezember 2003 festgestellten Unfallfolgen nicht wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Sturz vom 21. Juli 2003 zurückzuführen sind, so dass ein Feststellungsanspruch des Klägers scheitert.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 9. Januar 2007 war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es liegen keine Gründe vor, die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen.
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