Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 130/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 144/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 112/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 2. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin aufgrund eines Arbeitsunfalls Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1963 geborene Klägerin arbeitete seit März 1996 als chemisch-technische Assistentin in einem Physiklabor der Fa. B. Maschinenbau GmbH. Sie bemerkte am 14. Februar 2001 an ihrem Arbeitsplatz einen starken, stechenden Geruch und Rauchentwicklung. Durch einen defekten Abzug sowie eine fehlerhafte Klimaanlage im Labor sind Salpetersäuredämpfe ausgetreten. Die Klägerin gab mit Schreiben vom 2. August 2002 gegenüber der Krankenkasse an, es seien folgende Symptome aufgetreten: brennende, tränende und gerötete Augen, Brennen in der Nase, Beschwerden und Schmerzen beim Atmen, gereizte Gesichtshaut, Lösen der Haut von Gaumen und Zunge, Übelkeit, Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden und Krämpfe. Sie habe seit dieser Zeit massive körperliche Beschwerden, die sich schleichend nach diesem Vorfall eingestellt hätten. Im August 2001 wurde sie zunächst für sechs Wochen arbeitsunfähig geschrieben. Die Arbeitgeberin bestätigte mit Schreiben vom 14. November 2002 den Vorgang; es könne jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob, wann, mit welcher Intensität und über welchen Zeitraum die Klägerin den schädlichen Stoffen ausgesetzt gewesen sei.
Seit 7. August 2001 ist die Klägerin in hausärztlicher Betreuung. Es hätten sich keine organische Ursachen für die bestehenden Beschwerden gefunden. Sie suchte am 4. Februar 2002 den Allgemeinarzt Dr. R. auf und gab an, die Abzugsanlage im Labor funktioniere nicht richtig. Sie fühle sich seit etwa einem Jahr nicht wohl. Die Toxikologische Abteilung des Klinikums rechts der Isar gelangte am 16. April 2002 zu dem Ergebnis, dass eine toxikologische Ursache der Beschwerden unwahrscheinlich sei. Der Methämoglobin-Wert habe nicht im pathologischen Bereich gelegen. Ein erhöhter Methämoglobinwert sei nicht im Zusammenhang mit einer Schadstoffexposition zu sehen. Mit Bericht vom 27. Mai 2002 wurde eine endokrinologische sowie entzündliche Ursache ausgeschlossen. Entsprechend lautete auch der Befundbericht des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie vom 31. Mai 2002. Dieses vertrat allerdings am 7. November 2002 die Ansicht, aufgrund festgestellter erhöhter Schilddrüsenautoantikörper (TRAK) sei es nicht auszuschließen, dass ein vorübergehender Hypogonadismus (Rückbildung der Geschlechtsmerkmale), ausgelöst durch Nitrosegase, bestanden habe. Aus endokrinologischer Sicht bestünden somit keine Bedenken gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Das Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation T. diagnostizierte am 7. Mai 2002 ein unklares Erschöpfungssyndrom.
Die Beklagte holte eine Arbeitsplatzanalyse des technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 15. April 2003 sowie ein arbeitsmedizinisches Gutachten des Dr. W. vom 13. Oktober 2003 ein. Dieser diagnostizierte einen Zustand nach Salpetersäuredampfexposition mit vorübergehender Reizung von Haut und Schleimhäuten einschließlich der Atemwege. Spätestens nach acht Wochen sei von einer völligen Genesung auszugehen. Im Frühjahr bzw. Frühsommer 2001 habe vermutlich eine Borreliose-Infektion stattgefunden, die auch jetzt noch als chronischer Infekt vorliege und unfallunabhängig sei.
Mit Bescheid vom 25. November 2003 erkannte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls an, es bestehe jedoch kein Anspruch auf eine Rente. Das seit August 2001 bestehende Beschwerdebild sei im Sinne einer Lyme-Borreliose-Infektion gegeben und sei nicht Folge des Unfalls. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2004 zurück.
Im Rahmen eines Verfahrens auf Anerkennung einer Berufskrankheit holte die Beklagte ebenfalls ein Gutachten des Dr. W. vom 13. Oktober 2003 sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 5. März 2004 ein. Danach sei die Diagnose einer Borreliose gesichert.
Gegen die Ablehnung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 14. Februar 2001 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München. Sie begehrte die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. Das Sozialgericht holte ein arbeitsmedizinisches Gutachten des Prof. Dr. N. vom 9. Dezember 2004 ein. Zwar könnten die von der Klägerin geschilderten Verletzungen im Haut- und Schleimhautbereich des Gesichts, ein Brennen der Augen sowie die einige Zeit später aufgetretene Atemnot mit Ein- und Ausatemschwierigkeiten und Übelkeit auf die Salpetersäureinhalation zurückgeführt werden. Allerdings handele es sich nur um eine vorübergehende Körperschädigung. Es seien im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung keine körperlichen oder klinisch-chemischen Befunde mehr erhoben worden. Abweichungen von der Norm in der Lungenfunktionsprüfung sowie ein hyperreagibles Bronchialsystem seien nicht gegeben. Der Haut- und Schleimhautbefund seien regelrecht. Es sei im Übrigen auch zu erwarten, dass nach Einwirkung von Salpetersäuredämpfen die aufgetretenen Beschwerden nach einigen Wochen wieder vollständig abklingen. Eine MdE über die 26. Woche hinaus sei nicht anzunehmen.
Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Internist, Nephrologe und Umweltmediziner Prof. Dr. H. vertrat in seinem Gutachten vom 12. September 2005 die Ansicht, es sei durch den Arbeitsunfall zu deutlichen kognitiven Störungen im Sinne einer Encephalopathie Schweregrad II B gekommen. Dies zeige sich durch einen Zustand nach postviralem Erschöpfungssyndrom. Die MdE betrage 50 v.H ... Die Beklagte wies darauf hin, dass die Klägerin nicht Salpetersäureesterdämpfen, sondern Salpetersäuredämpfen ausgesetzt gewesen sei.
Das Sozialgericht verband mit Beschluss vom 2. Februar 2006 das Verfahren mit dem Verfahren (Az.: S 24 U 376/04), das die Anerkennung einer Berufskrankheit betrifft, und wies die Klagen mit Urteil vom 2. Februar 2006 ab. Es folgte dabei weitgehend dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N ... Dieser habe trotz umfangreicher, auch laborfunktionsanalytischer und lungenfunktionsanalytischer Untersuchungen, keinen objektiven krankheitswertigen Befund erheben können. Die nicht belegbaren Symptome und Beschwerden seien allenfalls im Rahmen einer Somatisierungsstörung erklärbar. Der Nachweis einer entsprechenden somatischen Erkrankung könne jedoch ebenfalls nicht geführt werden. Eine mögliche Somatisierungsstörung wäre ferner auch nicht als Folge einer Schadstoffexposition durch den Arbeitsunfall anzunehmen. Die Annahme des Prof. Dr. H. , es läge eine lösungsmittelbedingte Enzephalopathie Schweregrad II B vor, könne nicht nachvollzogen werden. Dies sei durch keine objektiven Untersuchungsbefunde gedeckt. Im Übrigen könne damit das umfangreiche Beschwerdebild wie u.a. Gelenkschmerzen, Ödeme, Ausbleiben der Periode, Haarausfall usw. nicht erklärt werden. Neurologische Befunde bzw. Symptome seien nicht beschrieben oder diagnostiziert. Schließlich sei die Klägerin Salpetersäure und nicht Salpeterester ausgesetzt gewesen.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, eine genaue Zusammenstellung und Zusammensetzung der Einzelinhaltsstoffe aller Lösungsmittel, Chemikalien und Versuchsmaterialien, mit der sie während ihrer Tätigkeit in Kontakt kam bzw. die durch die Abzugsrohre in das Folienlabor zu ihr gelangten, sei nicht möglich. Sie hat eine Stoffliste vorgelegt. Es sei richtig, dass die unmittelbar mit der Salpetersäuredampfexposition entstandene Reizung von Haut und Schleimhäuten abgeklungen sei. Sie habe jedoch durch den Unfall einen absoluten gesundheitlichen Zusammenbruch erlitten; der Unfall sei nur das "i-Tüpfelchen" für den an sich schon absolut geschwächten und belasteten Körper aufgrund jahrelanger Aussetzung gegenüber gesundheitsschädigenden Stoffen und Dämpfen gewesen. Dabei habe es sich um ein Zusammenspiel verschiedenster Chemikalien und Dämpfen gehandelt. Nach dem Salpetersäureunfall habe sich ihr Gesundheitszustand drastisch verschlechtert. Die Symptome könnten nicht auf eine Borreliose zurückgeführt werden. Prof. Dr. N. stelle primär auf die Überprüfung der Lungenfunktion und des Bronchialsystems ab. Die Beschwerden hätten jedoch nicht in diesem Bereich gelegen. Dem Gutachten des Prof. Dr. H. sei zu folgen.
Der Senat hat die Klagen mit Beschluss vom 20. Juli 2006 getrennt und eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. N. vom 28. Dezember 2006 eingeholt. Eine Salpetersäureexposition sei von einer Exposition gegenüber Salpetersäureestern zu unterscheiden. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Enzephalopathie aufgrund langjähriger hoher Einwirkung neurotoxischer Lösemittel im Sinne einer Haftungsbegründung für die Berufskrankheit Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorgelegen habe. Darüber hinaus sei das Krankheitsbild nicht mit einer toxischen Enzephalopathie zu erklären. Bei einer derartigen Erkrankung läge ein weitaus weniger variables Krankheitsbild vor. Ergänzend hat er am 15. Februar 2007 ausgeführt, die komplexe Beschwerdesymptomatik sei nach naturwissenschaftlich-arbeitsmedizinischer Einschätzung nicht ursächlich auf das einmalige Ereignis vom 14. Februar 2001 zurückzuführen.
Die Klägerin hat eingewandt, es sei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen; die komplexe Symptomatik dürfe nicht auf das einmalige Ereignis vom 14. Februar 2001 mit Salpetersäuredämpfen reduziert werden. Der Sachverständige behandele nicht die durch die Salpetersäuredämpfe verursachten Vorschädigungen und treffe keine Abgrenzung zwischen der langwierigen Einwirkung im Sinne einer Berufskrankheit und der plötzlichen einmaligen Einwirkung. Der Arbeitsunfall sei Auslöser für die Erkrankung und damit wesentliche Ursache gewesen.
Die Klägerin hat ein privat in Auftrag gegebenes Gutachten des Dr. M. vom 21. Oktober 2007 übersandt. Dieser hat bestätigt, dass das Ereignis vom 14. Februar 2001 "die Folgen in der Tat nicht bestätigt". Es sei jedoch als Auslöser anzusehen. Sie hat die Klage aufrecht erhalten. Der TAD habe die Expositionssituation nicht aufgeklärt. Insbesondere sei die chronische Exposition nicht beachtet worden. Krankheitsverlauf und Charakteristik seien komplex. Durch den Unfall sei es zu einer Langzeitwirkung gekommen. Zwar könne die Wirkcharakteristik von Salpetersäure die Chronifizierung der Erkrankung nicht erklären, der Unfall sei jedoch hierfür der Auslöser.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 2. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2004 zu verurteilen festzustellen, dass das bestehende Beschwerdebild Folge des Arbeitsunfalls vom 14. Februar 2001 ist und ihr wegen dieser Folgen Rente zu gewähren ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage zulässig (§§ 54 Abs. 4, 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 SGG). Es besteht kein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H.
Nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), der in dem Ereignis vom 14. Februar 2001 zu sehen ist. Dabei war die Klägerin einem Austreten von Salpetersäuredämpfen ausgesetzt. Es handelte sich um ein plötzliches Ereignis im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII. Die Klägerin erlitt dadurch einen Primärschaden in Form von einer Reizung von Haut und Schleimhäuten einschließlich der Atemwege. Unstreitig ist, dass diese Schäden bis spätestens acht Wochen nach dem Unfall abgeklungen sind. Die darüber hinaus sowie derzeit noch bestehenden Beschwerden sind nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen, so dass sie keinen Rentenanspruch zu begründen vermögen.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26.11.1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30.05.1988, a.a.O., Nr. 28).
Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.
Unstreitig ist, dass die Klägerin salpetersäurehaltigen Dämpfen ausgesetzt war. Andere Emissionen spielten bei der Bewertung des Ereignisses als Arbeitsunfall keine oder nur eine untergeordnete Rolle, insbesondere ist aber aufgrund der unterschiedlichen chemischen Substanz Salpetersäure von Salpetersäureesther zu unterscheiden. Dadurch wurden Reizungerscheinungen an den Augen, der Haut, den Schleimhäuten einschließlich der Atemwege wesentlich verursacht, ferner kam es zu Kopfschmerzen und Übelkeit. Nach den Ergebnissen der medizinischen Sachverhaltsaufklärung unter Bezugnahme auf die Fachliteratur sind diese Folgeerscheinungen nach einer Salpetersäureexposition nach maximal acht Wochen abgeheilt.
Dokumentiert ist darüber hinaus eine komplexe Symptomatik mit einem Beschwerdebild, das von den Gutachtern unterschiedlich eingeordnet wird - von einer Borreliose, wie sie Dr. W. annahm, über eine Encephalopathie Schweregrad II B, wovon Prof. Dr. H. ausging, bis hin zu einem Verdacht auf eine Somatisierungsstörung wie sie Prof. Dr. N. beschreibt. Der Senat teilt allerdings die Einwendungen des Sozialgerichts gegenüber der Einschätzung des Prof. Dr. H. , dass es durch den Unfall zu einer Encephalopathie gekommen sei. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist auf die vom Senat eingeholten Stellungnahme des Prof. Dr. N. hinzuweisen, der hierzu u.a. ausführte, dass das Krankheitsbild mit einer toxischen Enzephalopathie nicht zu vereinbaren ist. Insoweit ist das bei der Klägerin vorliegende Krankheitsbild weitaus komplexer und variabler als dies bei einer toxischen Enzephalopathie der Fall sein könnte.
Soweit die Klägerin - wie im Übrigen auch die Beklagte - darauf abstellt, dass der Arbeitsunfall der Auslöser für das folgende komplexe Beschwerdebild ist, vermag dies einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Folgeschäden im Sinne einer haftungsausfüllenden Kausalität nach unfallversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu begründen. Es mag zutreffen, dass zumindest subjektiv der Arbeitsunfall eine besondere Rolle für den weiteren Krankheitsverlauf darstellt. Entscheiden ist jedoch, dass die damit verbundenen Gesundheitsschäden zweifelsfrei zunächst vollständig abgeklungen sind. Dabei ist nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung nicht nur darauf abzustellen, ob eine Ursache äquivalent-kausal im Sinne einer "conditio sine qua non" ist, sondern es ist auch wertend zu prüfen, ob die weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen durch den Unfall mit hinreichender Wahrscheinlich wesentlich (mit-)verursacht wurden. Dies ist vorliegend nicht nachgewiesen. Vor allem nach den Gutachten des Prof. Dr. N. und des Dr. W. , aber auch nach dem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Privatgutachten des Dr. M. , das als Parteivortrag zu werten ist, vermag das Unfallereignis vom 14. Februar 2001 diese gesundheitlichen Folgen nicht zu verursachen. Maßgebend ist auch nach dem Privatgutachten die chronische Expositionsbelastung der Klägerin bei der Arbeit in dem Labor. Dr. M. legte dar, dass es sich bei der Exposition gegenüber Salpetersäure am Unfalltag um eine nebensächliche Substanz gehandelt hatte und der damit verbundene Zeitabschnitt zu eng gefasst ist. Die Klägerin gesteht mit Schriftsatz vom 22. Januar 2008 ebenfalls zu, dass nach den Gutachten die Wirkcharakteristik von Salpetersäure die Chronifizierung der Erkrankung nicht erklären kann. Eine Langzeitwirkung, wie von der Klägerin angenommen, wurde durch den Unfall gerade nicht erzielt. Im Übrigen kann eine Einwirkung schädigender Stoffe über Wochen, Monate oder gar Jahre nicht mehr unter den Versicherungsfall Arbeitsunfall im Sinne der §§ 7, 8 SGB VII fallen. Die wesentliche Ursache kann deshalb, wenn überhaupt, dann allenfalls in der beruflichen Dauerbelastung durch belastende Stoffe gesehen werden. Insoweit ist ein Verfahren der Klägerin auf Anerkennung einer Berufskrankheit derzeit noch anhängig.
Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung bestehender Gesundheitsschäden als Folgen des Unfallereignisses vom 14. Februar 2001 und auf Zahlung einer Verletztenrente hat. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts war daher zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin aufgrund eines Arbeitsunfalls Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1963 geborene Klägerin arbeitete seit März 1996 als chemisch-technische Assistentin in einem Physiklabor der Fa. B. Maschinenbau GmbH. Sie bemerkte am 14. Februar 2001 an ihrem Arbeitsplatz einen starken, stechenden Geruch und Rauchentwicklung. Durch einen defekten Abzug sowie eine fehlerhafte Klimaanlage im Labor sind Salpetersäuredämpfe ausgetreten. Die Klägerin gab mit Schreiben vom 2. August 2002 gegenüber der Krankenkasse an, es seien folgende Symptome aufgetreten: brennende, tränende und gerötete Augen, Brennen in der Nase, Beschwerden und Schmerzen beim Atmen, gereizte Gesichtshaut, Lösen der Haut von Gaumen und Zunge, Übelkeit, Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden und Krämpfe. Sie habe seit dieser Zeit massive körperliche Beschwerden, die sich schleichend nach diesem Vorfall eingestellt hätten. Im August 2001 wurde sie zunächst für sechs Wochen arbeitsunfähig geschrieben. Die Arbeitgeberin bestätigte mit Schreiben vom 14. November 2002 den Vorgang; es könne jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob, wann, mit welcher Intensität und über welchen Zeitraum die Klägerin den schädlichen Stoffen ausgesetzt gewesen sei.
Seit 7. August 2001 ist die Klägerin in hausärztlicher Betreuung. Es hätten sich keine organische Ursachen für die bestehenden Beschwerden gefunden. Sie suchte am 4. Februar 2002 den Allgemeinarzt Dr. R. auf und gab an, die Abzugsanlage im Labor funktioniere nicht richtig. Sie fühle sich seit etwa einem Jahr nicht wohl. Die Toxikologische Abteilung des Klinikums rechts der Isar gelangte am 16. April 2002 zu dem Ergebnis, dass eine toxikologische Ursache der Beschwerden unwahrscheinlich sei. Der Methämoglobin-Wert habe nicht im pathologischen Bereich gelegen. Ein erhöhter Methämoglobinwert sei nicht im Zusammenhang mit einer Schadstoffexposition zu sehen. Mit Bericht vom 27. Mai 2002 wurde eine endokrinologische sowie entzündliche Ursache ausgeschlossen. Entsprechend lautete auch der Befundbericht des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie vom 31. Mai 2002. Dieses vertrat allerdings am 7. November 2002 die Ansicht, aufgrund festgestellter erhöhter Schilddrüsenautoantikörper (TRAK) sei es nicht auszuschließen, dass ein vorübergehender Hypogonadismus (Rückbildung der Geschlechtsmerkmale), ausgelöst durch Nitrosegase, bestanden habe. Aus endokrinologischer Sicht bestünden somit keine Bedenken gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Das Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation T. diagnostizierte am 7. Mai 2002 ein unklares Erschöpfungssyndrom.
Die Beklagte holte eine Arbeitsplatzanalyse des technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 15. April 2003 sowie ein arbeitsmedizinisches Gutachten des Dr. W. vom 13. Oktober 2003 ein. Dieser diagnostizierte einen Zustand nach Salpetersäuredampfexposition mit vorübergehender Reizung von Haut und Schleimhäuten einschließlich der Atemwege. Spätestens nach acht Wochen sei von einer völligen Genesung auszugehen. Im Frühjahr bzw. Frühsommer 2001 habe vermutlich eine Borreliose-Infektion stattgefunden, die auch jetzt noch als chronischer Infekt vorliege und unfallunabhängig sei.
Mit Bescheid vom 25. November 2003 erkannte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls an, es bestehe jedoch kein Anspruch auf eine Rente. Das seit August 2001 bestehende Beschwerdebild sei im Sinne einer Lyme-Borreliose-Infektion gegeben und sei nicht Folge des Unfalls. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2004 zurück.
Im Rahmen eines Verfahrens auf Anerkennung einer Berufskrankheit holte die Beklagte ebenfalls ein Gutachten des Dr. W. vom 13. Oktober 2003 sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 5. März 2004 ein. Danach sei die Diagnose einer Borreliose gesichert.
Gegen die Ablehnung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 14. Februar 2001 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München. Sie begehrte die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. Das Sozialgericht holte ein arbeitsmedizinisches Gutachten des Prof. Dr. N. vom 9. Dezember 2004 ein. Zwar könnten die von der Klägerin geschilderten Verletzungen im Haut- und Schleimhautbereich des Gesichts, ein Brennen der Augen sowie die einige Zeit später aufgetretene Atemnot mit Ein- und Ausatemschwierigkeiten und Übelkeit auf die Salpetersäureinhalation zurückgeführt werden. Allerdings handele es sich nur um eine vorübergehende Körperschädigung. Es seien im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung keine körperlichen oder klinisch-chemischen Befunde mehr erhoben worden. Abweichungen von der Norm in der Lungenfunktionsprüfung sowie ein hyperreagibles Bronchialsystem seien nicht gegeben. Der Haut- und Schleimhautbefund seien regelrecht. Es sei im Übrigen auch zu erwarten, dass nach Einwirkung von Salpetersäuredämpfen die aufgetretenen Beschwerden nach einigen Wochen wieder vollständig abklingen. Eine MdE über die 26. Woche hinaus sei nicht anzunehmen.
Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Internist, Nephrologe und Umweltmediziner Prof. Dr. H. vertrat in seinem Gutachten vom 12. September 2005 die Ansicht, es sei durch den Arbeitsunfall zu deutlichen kognitiven Störungen im Sinne einer Encephalopathie Schweregrad II B gekommen. Dies zeige sich durch einen Zustand nach postviralem Erschöpfungssyndrom. Die MdE betrage 50 v.H ... Die Beklagte wies darauf hin, dass die Klägerin nicht Salpetersäureesterdämpfen, sondern Salpetersäuredämpfen ausgesetzt gewesen sei.
Das Sozialgericht verband mit Beschluss vom 2. Februar 2006 das Verfahren mit dem Verfahren (Az.: S 24 U 376/04), das die Anerkennung einer Berufskrankheit betrifft, und wies die Klagen mit Urteil vom 2. Februar 2006 ab. Es folgte dabei weitgehend dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N ... Dieser habe trotz umfangreicher, auch laborfunktionsanalytischer und lungenfunktionsanalytischer Untersuchungen, keinen objektiven krankheitswertigen Befund erheben können. Die nicht belegbaren Symptome und Beschwerden seien allenfalls im Rahmen einer Somatisierungsstörung erklärbar. Der Nachweis einer entsprechenden somatischen Erkrankung könne jedoch ebenfalls nicht geführt werden. Eine mögliche Somatisierungsstörung wäre ferner auch nicht als Folge einer Schadstoffexposition durch den Arbeitsunfall anzunehmen. Die Annahme des Prof. Dr. H. , es läge eine lösungsmittelbedingte Enzephalopathie Schweregrad II B vor, könne nicht nachvollzogen werden. Dies sei durch keine objektiven Untersuchungsbefunde gedeckt. Im Übrigen könne damit das umfangreiche Beschwerdebild wie u.a. Gelenkschmerzen, Ödeme, Ausbleiben der Periode, Haarausfall usw. nicht erklärt werden. Neurologische Befunde bzw. Symptome seien nicht beschrieben oder diagnostiziert. Schließlich sei die Klägerin Salpetersäure und nicht Salpeterester ausgesetzt gewesen.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, eine genaue Zusammenstellung und Zusammensetzung der Einzelinhaltsstoffe aller Lösungsmittel, Chemikalien und Versuchsmaterialien, mit der sie während ihrer Tätigkeit in Kontakt kam bzw. die durch die Abzugsrohre in das Folienlabor zu ihr gelangten, sei nicht möglich. Sie hat eine Stoffliste vorgelegt. Es sei richtig, dass die unmittelbar mit der Salpetersäuredampfexposition entstandene Reizung von Haut und Schleimhäuten abgeklungen sei. Sie habe jedoch durch den Unfall einen absoluten gesundheitlichen Zusammenbruch erlitten; der Unfall sei nur das "i-Tüpfelchen" für den an sich schon absolut geschwächten und belasteten Körper aufgrund jahrelanger Aussetzung gegenüber gesundheitsschädigenden Stoffen und Dämpfen gewesen. Dabei habe es sich um ein Zusammenspiel verschiedenster Chemikalien und Dämpfen gehandelt. Nach dem Salpetersäureunfall habe sich ihr Gesundheitszustand drastisch verschlechtert. Die Symptome könnten nicht auf eine Borreliose zurückgeführt werden. Prof. Dr. N. stelle primär auf die Überprüfung der Lungenfunktion und des Bronchialsystems ab. Die Beschwerden hätten jedoch nicht in diesem Bereich gelegen. Dem Gutachten des Prof. Dr. H. sei zu folgen.
Der Senat hat die Klagen mit Beschluss vom 20. Juli 2006 getrennt und eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. N. vom 28. Dezember 2006 eingeholt. Eine Salpetersäureexposition sei von einer Exposition gegenüber Salpetersäureestern zu unterscheiden. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Enzephalopathie aufgrund langjähriger hoher Einwirkung neurotoxischer Lösemittel im Sinne einer Haftungsbegründung für die Berufskrankheit Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorgelegen habe. Darüber hinaus sei das Krankheitsbild nicht mit einer toxischen Enzephalopathie zu erklären. Bei einer derartigen Erkrankung läge ein weitaus weniger variables Krankheitsbild vor. Ergänzend hat er am 15. Februar 2007 ausgeführt, die komplexe Beschwerdesymptomatik sei nach naturwissenschaftlich-arbeitsmedizinischer Einschätzung nicht ursächlich auf das einmalige Ereignis vom 14. Februar 2001 zurückzuführen.
Die Klägerin hat eingewandt, es sei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen; die komplexe Symptomatik dürfe nicht auf das einmalige Ereignis vom 14. Februar 2001 mit Salpetersäuredämpfen reduziert werden. Der Sachverständige behandele nicht die durch die Salpetersäuredämpfe verursachten Vorschädigungen und treffe keine Abgrenzung zwischen der langwierigen Einwirkung im Sinne einer Berufskrankheit und der plötzlichen einmaligen Einwirkung. Der Arbeitsunfall sei Auslöser für die Erkrankung und damit wesentliche Ursache gewesen.
Die Klägerin hat ein privat in Auftrag gegebenes Gutachten des Dr. M. vom 21. Oktober 2007 übersandt. Dieser hat bestätigt, dass das Ereignis vom 14. Februar 2001 "die Folgen in der Tat nicht bestätigt". Es sei jedoch als Auslöser anzusehen. Sie hat die Klage aufrecht erhalten. Der TAD habe die Expositionssituation nicht aufgeklärt. Insbesondere sei die chronische Exposition nicht beachtet worden. Krankheitsverlauf und Charakteristik seien komplex. Durch den Unfall sei es zu einer Langzeitwirkung gekommen. Zwar könne die Wirkcharakteristik von Salpetersäure die Chronifizierung der Erkrankung nicht erklären, der Unfall sei jedoch hierfür der Auslöser.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 2. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2004 zu verurteilen festzustellen, dass das bestehende Beschwerdebild Folge des Arbeitsunfalls vom 14. Februar 2001 ist und ihr wegen dieser Folgen Rente zu gewähren ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage zulässig (§§ 54 Abs. 4, 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 SGG). Es besteht kein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H.
Nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), der in dem Ereignis vom 14. Februar 2001 zu sehen ist. Dabei war die Klägerin einem Austreten von Salpetersäuredämpfen ausgesetzt. Es handelte sich um ein plötzliches Ereignis im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII. Die Klägerin erlitt dadurch einen Primärschaden in Form von einer Reizung von Haut und Schleimhäuten einschließlich der Atemwege. Unstreitig ist, dass diese Schäden bis spätestens acht Wochen nach dem Unfall abgeklungen sind. Die darüber hinaus sowie derzeit noch bestehenden Beschwerden sind nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen, so dass sie keinen Rentenanspruch zu begründen vermögen.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26.11.1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30.05.1988, a.a.O., Nr. 28).
Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.
Unstreitig ist, dass die Klägerin salpetersäurehaltigen Dämpfen ausgesetzt war. Andere Emissionen spielten bei der Bewertung des Ereignisses als Arbeitsunfall keine oder nur eine untergeordnete Rolle, insbesondere ist aber aufgrund der unterschiedlichen chemischen Substanz Salpetersäure von Salpetersäureesther zu unterscheiden. Dadurch wurden Reizungerscheinungen an den Augen, der Haut, den Schleimhäuten einschließlich der Atemwege wesentlich verursacht, ferner kam es zu Kopfschmerzen und Übelkeit. Nach den Ergebnissen der medizinischen Sachverhaltsaufklärung unter Bezugnahme auf die Fachliteratur sind diese Folgeerscheinungen nach einer Salpetersäureexposition nach maximal acht Wochen abgeheilt.
Dokumentiert ist darüber hinaus eine komplexe Symptomatik mit einem Beschwerdebild, das von den Gutachtern unterschiedlich eingeordnet wird - von einer Borreliose, wie sie Dr. W. annahm, über eine Encephalopathie Schweregrad II B, wovon Prof. Dr. H. ausging, bis hin zu einem Verdacht auf eine Somatisierungsstörung wie sie Prof. Dr. N. beschreibt. Der Senat teilt allerdings die Einwendungen des Sozialgerichts gegenüber der Einschätzung des Prof. Dr. H. , dass es durch den Unfall zu einer Encephalopathie gekommen sei. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist auf die vom Senat eingeholten Stellungnahme des Prof. Dr. N. hinzuweisen, der hierzu u.a. ausführte, dass das Krankheitsbild mit einer toxischen Enzephalopathie nicht zu vereinbaren ist. Insoweit ist das bei der Klägerin vorliegende Krankheitsbild weitaus komplexer und variabler als dies bei einer toxischen Enzephalopathie der Fall sein könnte.
Soweit die Klägerin - wie im Übrigen auch die Beklagte - darauf abstellt, dass der Arbeitsunfall der Auslöser für das folgende komplexe Beschwerdebild ist, vermag dies einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Folgeschäden im Sinne einer haftungsausfüllenden Kausalität nach unfallversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu begründen. Es mag zutreffen, dass zumindest subjektiv der Arbeitsunfall eine besondere Rolle für den weiteren Krankheitsverlauf darstellt. Entscheiden ist jedoch, dass die damit verbundenen Gesundheitsschäden zweifelsfrei zunächst vollständig abgeklungen sind. Dabei ist nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung nicht nur darauf abzustellen, ob eine Ursache äquivalent-kausal im Sinne einer "conditio sine qua non" ist, sondern es ist auch wertend zu prüfen, ob die weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen durch den Unfall mit hinreichender Wahrscheinlich wesentlich (mit-)verursacht wurden. Dies ist vorliegend nicht nachgewiesen. Vor allem nach den Gutachten des Prof. Dr. N. und des Dr. W. , aber auch nach dem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Privatgutachten des Dr. M. , das als Parteivortrag zu werten ist, vermag das Unfallereignis vom 14. Februar 2001 diese gesundheitlichen Folgen nicht zu verursachen. Maßgebend ist auch nach dem Privatgutachten die chronische Expositionsbelastung der Klägerin bei der Arbeit in dem Labor. Dr. M. legte dar, dass es sich bei der Exposition gegenüber Salpetersäure am Unfalltag um eine nebensächliche Substanz gehandelt hatte und der damit verbundene Zeitabschnitt zu eng gefasst ist. Die Klägerin gesteht mit Schriftsatz vom 22. Januar 2008 ebenfalls zu, dass nach den Gutachten die Wirkcharakteristik von Salpetersäure die Chronifizierung der Erkrankung nicht erklären kann. Eine Langzeitwirkung, wie von der Klägerin angenommen, wurde durch den Unfall gerade nicht erzielt. Im Übrigen kann eine Einwirkung schädigender Stoffe über Wochen, Monate oder gar Jahre nicht mehr unter den Versicherungsfall Arbeitsunfall im Sinne der §§ 7, 8 SGB VII fallen. Die wesentliche Ursache kann deshalb, wenn überhaupt, dann allenfalls in der beruflichen Dauerbelastung durch belastende Stoffe gesehen werden. Insoweit ist ein Verfahren der Klägerin auf Anerkennung einer Berufskrankheit derzeit noch anhängig.
Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung bestehender Gesundheitsschäden als Folgen des Unfallereignisses vom 14. Februar 2001 und auf Zahlung einer Verletztenrente hat. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts war daher zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved