L 3 U 159/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 68/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 159/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2003 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers am 25.09.2001 ein Arbeitsunfall ist.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Der 1955 geborene Kläger, der in der Physiotherapiepraxis seiner Lebensgefährtin A. J. als Praxisverwalter sowie als Pferdepfleger und Trainer hinsichtlich der zu Therapiezwecken gehaltenen Pferde beschäftigt war, erlitt am 25.09.2001 gegen 3.30 Uhr als Fußgänger auf der rechten Fahrbahnseite der Staatsstraße auf der Strecke von A. nach H. einen Verkehrsunfall, als er von einem LKW erfasst und schwer verletzt wurde.

Zum Unfallzeitpunkt befand er sich auf dem Heimweg vom Stall, wo er die Verletzung eines Pferdes kontrolliert hatte, nachdem er seit ca. 20.00 Uhr mit Frau J. und Frau E. in verschiedenen Gaststätten Alkohol konsumiert hatte. Den Kontrollgang trug er in ein Arbeitsnachweisheft mit "Beginn der Arbeitszeit 3.00 Uhr" ein.

Zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 8.40 Uhr wurde eine Blutalkoholkonzentration von 1,65 Promille (Mittelwert) festgestellt.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die Akten der Staatsanwaltschaft R. (Az.: 126 Js 20964/01), einschließlich eines Gutachtens des Dipl.Ing.S. , D. Automobil GmbH, vom 25.06.2002 und eine Auskunft der Arbeitgeberin, A. J. , mit der entsprechenden Kopie aus dem Arbeitsnachweisheft vom 19.09.2002, bei.

Die Arbeitgeberin hat ausgeführt, dass sich am 23.09.2001 ein Therapiepferd beim Sicherheitstraining verletzt habe. Es seien daher Kontrollgänge durchzuführen gewesen. Die Dokumentation der Tätigkeit sei nicht ungewöhnlich oder sonst auffällig gewesen. Auch andere Gegebenheiten im Stall hätten keine Anzeichen von mangelnder Arbeitsweise gezeigt.

Mit Bescheid vom 14.11.2002 lehnte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ab. Der Alkoholeinfluss stelle die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall dar. Der in den polizeilichen Feststellungen dokumentierte Unfallhergang spreche eindeutig für ein rein alkoholbedingtes Fehlverhalten (Torkeln). Andere (äußere) Einflüsse, zum Beispiel Verkehrswidrigkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers, seien aus den polizeilichen Ermittlungsakten nicht erkennbar.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass auch nach dem unfallanalytischen Gutachten des Dipl. Ing. S. die tatsächliche Bewegungslinie des Fußgängers nicht rekonstruierbar sei. Das Vorliegen eines Torkelns sei ausschließlich auf eine Aussage des LKW-Fahrers gegründet, die dieser vor der Polizei getätigt habe. Später habe er die Aussage verweigert bzw. zu A. J. gesagt, er könne sich die Kollision nicht erklären. Es sei vielmehr die mangelnde Aufmerksamkeit des Fahrers die wesentliche Ursache für den Unfall gewesen. Dieser hätte bei einem eingeleiteten Seitenversatz nach links bei Erkennbarkeit des Fußgängers den Unfall vermeiden können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Da eine betriebliche Ursache nicht erkennbar sei und eine nachgewiesene erhebliche Alkoholkonzentration mit entsprechendem Fehlverhalten (Torkeln) vorlag, spreche nach der Erfahrung des täglichen Lebens der erste Anschein dafür, dass die Alkoholbeeinflussung die allein rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall sei.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2003 zu verurteilen, das Ereignis vom 25.09.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen.

Der Kläger hat ausgeführt, ein alkoholbedingter Leistungsabfall sei nicht nachgewiesen. Ein Torkeln in die Fahrbahn habe nicht vorgelegen. Er sei vielmehr auf dem äußerst rechten Begrenzungsstrich gegangen. Die rechte Fahrbahnseite habe er benutzt, weil er seinen Bekannten, Herrn L. A. , nicht verfehlen wollte, der ihn vereinbarungsgemäß mit dem Auto abholen wollte. Um Herrn A. zu sehen bzw. von diesem gesehen zu werden, sei er am äußerst rechten Fahrbahnrand an der weißen Begrenzungslinie gegangen. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn er sich auf dem einige Meter links im Wald befindlichen Nebenweg bewegt hätte. All dies hätte auch ein nüchterner Fußgänger getan. Die Alkoholisierung könne also nicht als unfallursächlich gelten. Auch würden Fußgänger des Öfteren auf der falschen Fahrbahnseite gehen. Auch einem nüchternen Fußgänger wäre der Unfall bei sonst gleichen Bedingungen passiert. Der Verkehrsunfall beruhe allein auf dem Umstand, dass der LKW-Fahrer trotz einer Erkennbarkeitsweite von 70 Metern in einer Zeitdauer von 3,76 Sekunden nicht reagiert habe, sondern auf Grund von Übermüdung den Unfall verursacht habe.

Mit Urteil vom 18.03.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Aus dem Verhalten des Klägers sei zu schließen, dass er aufgrund der Alkoholisierung verunglückt sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Allein der Alkoholgenuss führe nicht zur Aufhebung eines bestehenden Versicherungsschutzes. Alkoholtypische Ausfallerscheinungen seien nicht gegeben. In einem Verfahren vor dem Landgericht S. wegen Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung des Klägers habe der Zeuge H. , der Fahrer des LKW, ausgesagt, er habe entgegen den Ausführungen in den Strafakten niemals gesagt, dass der Kläger in die Straße hineingetorkelt sei. Er habe nur gesagt, dass er in der Straße drinnen gewesen sie, als er ihn entdeckt habe. Auch sei in dem im dortigen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Dipl.Ing. R. vom 12.04.2005 festgestellt worden, dass sich der Kläger im Zeitpunkt der Kollision maximal 0,5 m von der rechten Fahrbahnbegrenzungslinie entfernt innerhalb der Fahrbahn befunden habe. Die ursprüngliche Annahme aus der polizeilichen Ermittlungsakte, der Kläger sei mindestens 1 m in der Fahrbahn gewesen, als es zur Kollision kam, sei daher unrichtig. Der Kläger sei vielmehr äußerst rechts auf der insgesamt 7 m breiten Fahrbahn gegangen. Da der LKW des Zeugen H. 2,52 m breit sei, habe der LKW-Fahrer am Fußgänger auf der eigenen, 3,5 m breiten Fahrbahnhälfte, vorbeifahren können, ohne diesen zu berühren. Da dies dem Fahrer H. nicht gelungen sei, müsse es andere als die bisher angenommenen Unfallursachen geben, nämlich den "Sekundenschlaf" des Fahrers H. , der nach eigenem Bekunden vom Kläger nur ein paar Schritte mitbekommen habe, obgleich er ihn aus einer Entfernung von 70 m bereits hätte erkennen können.

Der Senat hat die Akten der Staatsanwaltschaft R. (Az.: 126 Js 20964/01) und die Akten des Landgerichts und Oberlandesgerichts S. (Az.: 22 O 476/04; 7 O 161/05) beigezogen und zur Beweiserhebung ein rechtsmedizinisches Gutachten des Prof.Dr.E. vom 21.06.2006 eingeholt. Der Kläger legte ein Gutachten des Dipl.Ing.K. vom 16.08.2005 vor.

Dr.E. hat ausgeführt, dass zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls wahrscheinlich eine BAK im Bereich von 2,4 Promille, mindestens eine wirksame BAK von 2,0 Promille vorgelegen habe. Der Kläger sei nachts und bei Dunkelheit auf der falschen Fahrbahnseite gegangen sei, wobei entscheidend erscheine, dass er sich darüber hinaus auch zumindest 0,5 m von der Fahrbahnbegrenzung auf der Fahrbahn bewegt habe. Wenn er das Motorengeräusch eines von hinten nahenden Fahrzeugs erkannt und lokalisiert habe, sei eindeutig zu erwarten gewesen, dass er sich in dieser Situation von der Fahrbahn nach rechts auf einen ohne Weiteres begehbaren Grünsteifen begebe.

Der Sachverständige K. hat dargelegt, es sei nicht auszuschließen, dass der Fußgänger bis zu 0,5 m in die Fahrbahn geragt sei. Mit großer Wahrscheinlichkeit habe der Fußgänger einen geringeren Abstand zum Fahrbahnrand gehabt oder sei auf der Fahrbahnrandlinie gegangen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die vor Eintritt des Heimwegs ausgeübte Tätigkeit nicht nachgewiesen sei. Es bestünden Anzeichen dafür, dass das Arbeitsnachweisheft später ergänzt worden sei. Das Tätigkeitsprotokoll vom 25.09.2001 zeige das gleiche Schriftbild wie bereits an den Tagen zuvor. Unter Alkoholeinfluss verändere sich jedoch ein Schriftbild nicht unwesentlich. Auch die Zeitangaben seien nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe die Arbeit nach seinen Angaben um 3.00 Uhr begonnen und nach erledigter Arbeit bereits gegen 3.10 Uhr die Zeugin A.J. angerufen. Dies spreche dagegen, dass er die angegebenen Arbeiten tatsächlich verrichtet habe. Zumindest habe der Kläger aufgrund seiner Alkoholisierung keine Arbeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet. Der festgestellte Blutalkoholwert mit wahrscheinlich 2,4 Promille, wenigstens jedoch 2,0 Promille ergebe ohne Zweifel einen alkoholbedingten Leistungsabfall.

Dem Vorwurf der Fälschung hat der Kläger entgegengehalten, dass er in der Zeit über den 11.12.2001 hinaus an einer Amnesie gelitten habe. Außerdem habe er sich ununterbrochen bis zum 14.01.2002 in verschiedenen Krankenhäusern befunden. Das Arbeitsnachweisheft sei jedoch bereits zweieinhalb Monate nach dem schweren Verkehrsunfall aktenkundig geworden. Dies ergebe sich aus einem Telefonvermerk des Mitarbeiters der DAK vom 11.12.2001 über ein Gespräch mit Frau A.J. , der der Beklagten übersandt worden sei.

Eine alkoholbedingte Verursachung liege auch nicht in der Annahme, dass ein nüchterner Fußgänger beim Herannahen eines Fahrzeugs den rechten Fahrbahnrand völlig verlassen hätte. Diese Annahme stelle eine bloße Vermutung dar. Die Straße sei an der Unfallstelle mindestens 7 m breit. Auch ein nüchterner Fußgänger dürfe daher davon ausgehen, dass das von hinten nahende Fahrzeug am Fußgänger vorbeifahren werde, zumal auf der rechten Fahrbahnhälfte hierfür ebenso ausreichend Platz gewesen sei wie auf der gesamten Fahrbahn, weil sich unstreitig kein Gegenverkehr genähert habe.

Dem Kläger sei lediglich vorzuwerfen, dass er nachts auf der falschen Fahrbahnseite und nicht ganz am äußersten Rande der Fahrbahn gegangen sei. Dies lasse jedoch entgegen den Ausführungen des Dr.E. nicht den Schluss zu, dass die Alkoholisierung am Verkehrsunfall schuld gewesen sei. Eine Auswertung der Unfälle in den Jahren 2000 bis 2006 mit Fußgängern, die nicht die vorgeschriebene Straßenseite eingehalten haben, ergebe, dass in 50 % der Fälle die Fußgänger nüchtern gewesen seien und trotzdem Opfer eines Verkehrsunfalls geworden seien. Er legte dazu eine entsprechende Auswertung der Polizeiinspektion C. vom 18.07.2006 vor.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall vom 25.09.2001 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2005 zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakten beider Instanzen, der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft R. , der Akten des Landgerichts S. und des Oberlandesgerichts S. sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg ist aufzuheben, weil der Kläger einen Anspruch auf Feststellung hat, dass der Unfall vom 25.09.2001 ein Arbeitsunfall ist. Der Bescheid vom 14.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2003 ist rechtswidrig.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs.1 und § 55 Abs.1 Nr.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen (BSG, Urteil vom 15.02.2005, B 2 U 1/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr.12; BSG, Urteile vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R, SozR 4-2700 § 2 Nr.3, B 2 U 45/03, SozR 4-2700 § 2 Nr.2; BSG, Urteil vom 28.04.2004, B 2 U 21/03 R, SozR 4-5671 Anlage 1 Nr.5101 Nr.2).

Die Feststellungsklage ist begründet. Der Kläger hat am 25.09.2001 einen Arbeitsunfall erlitten.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 11/04 R, BSGE 94, 262; BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R).

Diese Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind für den Unfall des Klägers am 25.09.2001 erfüllt. Der Kläger war, als er an diesem Tag gegen 3.30 Uhr verunglückte, auf dem Heimweg von seiner Arbeit. Dieser Weg stand nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII als sog. Wegeunfall unter Versicherungsschutz.

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger vor Antritt des Heimweges eine versicherte Tätigkeit ausübte. Im Rahmen der Physiotherapie wurde in der Praxis der Lebensgefährtin A.J. auch die sog. Hippotherapie angeboten. Zu diesem Zweck wurden Therapiepferde gehalten. Der Kläger, der für die Ausbildung der Pferde und deren Versorgung zuständig war, kontrollierte an diesem Tag die Wunde eines verletzten Pferdes. Dies ergibt sich aus dem Eintrag des Klägers in das Arbeitsbuch, wonach er um 3.00 Uhr eine Kontrolle der Verletzungen durchgeführt hat. Entgegen dem Einwand der Beklagten hat der Senat keine Zweifel an der Richtigkeit dieses Eintrags. Die Lebensgefährtin des Klägers hatte bereits am 11.12.2001 gegenüber der Deutschen Angestelltenkrankenkasse telefonisch angegeben, dass ein entsprechender Vermerk im Arbeitsbuch eingetragen war. Der Kläger befand sich aber seit dem Unfall bis zum 14.01.2002 auf Intensivstationen verschiedener Krankenhäuser und litt an Amnesie. Das Aufsuchen des Stalles ist außerdem bestätigt auf Grund der Aussage der Frau P. E. gegenüber der Polizeiinspektion K. am 17.10.2001. Der Kläger äußerte ihr gegenüber am Unfallabend, dass er noch in den Stall wolle.

Die Tatsache, dass diese Kontrolle nicht sehr viel Zeit in Anspruch nahm, möglicherweise nur zehn Minuten, steht dem Versicherungsschutz nicht entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Tätigkeit keinen wirtschaftlichen Wert darstellt, wie dies die Beklagte meint, sind nicht gegeben. Der zeitliche Faktor ist dabei nicht von Bedeutung.

Auch der nach den Feststellungen des Dr. E. durch die BAK von 2,00 Promille belegte Alkoholgenuss führt nicht dazu, dass die Ausübung einer dem Unternehmen dienenden Verrichtung ausgeschlossen werden kann. Eine Lösung von der versicherten Tätigkeit aufgrund der Alkoholisierung ist nicht gegeben. Ein alkoholbedingter Leistungsausfall liegt nur dann vor, wenn der Versicherte derart betrunken ist, dass er keine dem Unternehmen an sich förderliche Tätigkeit verrichten kann, das heißt, dass er die wesentlichen mit seiner Beschäftigung oder Tätigkeit verbundenen Arbeitsabschnitte nicht mehr leisten kann (BSGE 45, 176, 178; BSGE 48, 224 = SozR 2200 § 548 Nr.45).

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Eine BAK, bei der eine zweckgerichtete Arbeit keinesfalls mehr möglich ist, hat sich wissenschaftlich gesichert nicht festlegen lassen. Es sind Fälle ungewöhnlicher Alkoholtoleranz bekannt, die dazu führen, dass trotz hoher BAK nur geringe oder keine Trunkenheitssymptome erkennbar sind (BSGE 48, 224, 227; vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Rdnr.71). Folglich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalles und die Person des Handelnden zu beurteilen und neben der BAK weitere beweiskräftige Umstände zu belegen, die auf ein alkoholtypisches Fehlverhalten schließen lassen, um den Ausschluss des Versicherungsschutzes begründen zu können.

Eine Lösung vom Betrieb auf Grund des Vorliegens eines Vollrausches kann bei einer BAK von 2,00 Promille nicht angenommen werden. Darüber hinaus fehlen auch sonstige Tatsachen, aus denen abzuleiten wäre, dass der Kläger zu einem zielgerichteten Handeln außer Stande gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine Tätigkeit im Pferdestall alkoholbedingt nicht verrichten konnte, sind nicht gegeben. Irgendwelche Auffälligkeiten sind nicht belegt. Der Kläger hat damit vor dem Unfall eine versicherte Tätigkeit ausgeübt.

Auch der Zusammenhang zwischen dem der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Weg als Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis ist gegeben, obwohl beim Kläger zum Unfallzeitpunkt eine BAK von 2,00 Promille vorgelegen hat.

Ein alkoholbedingter Leistungsausfall liegt nicht vor. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt zu einer zweckgerichteten Absolvierung des Weges nicht mehr im Stande gewesen wäre. Bezüglich des inneren Zusammenhangs gibt es für alle Verkehrsteilnehmer keine festen Promillegrenzen (vgl. Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 Rdn 277). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann indessen nicht einmal allein eine Blutalkoholkonzentration von 2,7 Promille für sich genommen bei einem Fußgänger die Annahme eines Vollrausches rechtfertigen (BSG, Urteil vom 22.01.1976, 2 RU 239/73). Ein Fußgänger ist nur dann nicht wegefähig, wenn er sich alkoholbedingt nicht zielgerecht in der Richtung auf das gewählte Ziel fortzubewegen vermag, zum Beispiel, wenn er nur ziel- und planlos hin und her irren kann. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass ein alkoholbedingter Leistungsabfall die allein wesentliche Unfallursache gewesen ist. Wegen Trunkenheit ist der ursächliche Zusammenhang bei Unfällen im Straßenverkehr nur zu verneinen, wenn im Unfallzeitpunkt ein alkoholbedingter Leistungsabfall vorliegt, der die allein wesentliche Ursache des Unfalls ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R). Voraussetzung ist, dass der alkoholbedingte Leistungsabfall derart stark ist, dass ihm im Vergleich zur versicherten Ursache - der Verrichtung zur Zeit des Unfalls - überragende Bedeutung für das Eintreten des Unfallereignisses beizumessen ist und die versicherte Ursache nicht mehr als wesentlich für das Unfallereignis zu bewerten und die Unfallkausalität zu verneinen ist (ständige Rechtsprechung des BSG, BSGE 12, 242; BSGE 38, 127; BSGE 59, 193; BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R).

Hat sich das Unfallgeschehen auf einem versicherten Weg ereignet, muss, damit die Trunkenheit eine rechtliche Relevanz hat, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt sein, dass der Versicherte absolut oder relativ verkehrsuntüchtig war. Ist eine dahingehende eindeutige Feststellung nicht möglich, ist die versicherte Tätigkeit, entsprechend den Grundsätzen zur möglichen Mitwirkung einer inneren Ursache am Eintritt des Unfallereignisses, ohne weiteres als Unfallursache im Rechtssinne zu betrachten (vgl. BSGE 45, 285 ff., 290).

Bei Fußgängern im Straßenverkehr gibt es keinen allgemeinen Grenzwert der BAK, der für sich auf Verkehrsuntüchtigkeit schließen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 26.04.1977 8 RU 92/76, BSGE 43, 293; BSG, Urteil vom 30.04.1991, 2 RU 11/90 SozR 3-2200 § 548 Nr.9; BSG, Urteil vom 25.06.1992, 2 RU 31/91, RegNr. 20432). Anders als bei Kraftfahrern liegen für Fußgänger keine gesicherten Erkenntnisse vor, die bei einer bestimmten BAK allgemein die Annahme von (absoluter) Verkehrsuntüchtigkeit rechtfertigen.

Entscheidend für die Annahme relativer Verkehrsuntüchtigkeit ist die Gesamtheit aller Beweisanzeichen. Erforderlich ist entweder ein so typisches Beweisanzeichen für Verkehrsuntüchtigkeit, dass andere Erklärungen ausgeschlossen sind, oder eine erhebliche Anzahl von Tatsachen, die in ihrer Summe die Verkehrsuntüchtigkeit beweisen - sog. Summationsbeweis (BSG, Urteil vom 02.02.1978, 8 RU 66/77, SozR 2200 § 548 Nr.38, BSGE 45, 285; Keller in Hauck/Noftz, a.a.O., § 8 Rdnr. 353). Ein Fehlverhalten des Verkehrsteilnehmers belegt nur dann alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit, wenn es keine andere Erklärung für die betreffende Verhaltensweise gibt. Bei Fußgängern kommen nur solche Verhaltensweisen als Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit im Betracht, die typisch für einen unter Alkoholeinfluss stehenden Fußgänger sind und nicht ebenso gut andere Ursachen haben können wie Unaufmerksamkeit, Leichtsinn, Übermüdung, körperliche Verfassung und Ähnliches (BSG, Urteil vom 25.06.1992, a.a.O.).

Bei der Feststellung alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit kommt zwar der festgestellten Höhe der BAK insoweit Bedeutung zu, als an den Beweiswert dieser sonstigen Beweisanzeichen höhere Anforderungen zu stellen sind, je geringer die festgestellte BAK ist (BSGE 43, 110, 113; BSGE 45, 285, 289). Bei Fußgängern ist jedoch zu beachten, dass an diese die geringsten Anforderungen für die Teilnahme am Verkehr gestellt werden (BSG, Urteil vom 30.04.1991, a.a.O.). Bei Fußgängern ist daher der Nachweis von Verkehrsuntüchtigkeit nur unter besonders strengen Voraussetzungen möglich, zum Beispiel bei nachgewiesenem Torkeln, schwankendem Gang oder lallender Sprache (vgl. Keller in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB VII, § 8 Rdnr.353).

Das Vorliegen eines solchen alkoholtypischen Fehlverhaltens ist vorliegend nicht belegt. Dem Kläger ist zwar vorzuwerfen, dass er entgegen der Straßenverkehrsordnung als Fußgänger die rechte Fahrbahnseite benutzt hat. Die verkehrswidrige Benutzung der rechten Fahrbahnseite außerhalb geschlossener Ortschaften durch Fußgänger kann indessen nicht als alkoholtypisch angesehen werden. Die Lebenserfahrung zeigt, dass auch nüchterne Verkehrsteilnehmer auf der falschen Fahrbahnseite gehen. Auch ist es für den Senat nachvollziehbar, dass der Kläger die Fahrbahn und nicht den parallel verlaufenden Rad- und Fußweg benutzte, damit er von seinem Bekannten, Herrn A. , der ihn abholen sollte, gesehen wird. Dass der Kläger dem Herrn A. entgegen gehen wollte, stellt ebenfalls kein alkoholtypisches Verhalten dar.

Auch ein Torkeln bzw. ein schwankender Gang ist nicht nachgewiesen. Im Gegenteil, der LKW-Fahrer H. bestätigte ausdrücklich, dass er zu keinem Zeitpunkt angegeben hat, der Kläger sei getorkelt. Der Senat verwertet die insoweit gegenüber dem Landgericht S. abgegebene Aussage im Wege des Urkundsbeweises.

Der Kläger ging auch nicht mitten auf der Fahrbahn, sondern am rechten Fahrbahnrand. Er befand sich nach dem Gutachten des Sachverständigen R. höchstens 0,5 m von der Fahrbahnrandlinie entfernt. Dieses Gutachten ist ausführlich und nachvollziehbar begründet und dem Gutachten des Dipl.Ing. S. überlegen, wenngleich auch dieser davon ausgeht, dass sich der Kläger lediglich knapp einen Meter vom rechten Fahrbahnstreifen entfernt bewegte. Das Gutachten des Sachverständigen K. bestätigt dieses Ergebnis. Ein alkoholtypisches (Fehl-)Verhalten ist darin nicht festzustellen.

Allein die Tatsache, dass der Kläger die Fahrbahn bei herannahendem Verkehr nicht verlassen hat, genügt nicht zum Nachweis einer relativen Verkehrsuntüchtigkeit. Das Verbleiben auf der Fahrbahn kann auch bei nüchternen Verkehrsteilnehmern gegeben sein, beispielsweise aus Unsicherheit wegen eines möglichen Abgrundes am Grünstreifen oder in der Überzeugung, das herannahende Fahrzeug werde ausweichen, wozu es verpflichtet ist. Ein etwaiges Fehlverhalten ist aber nur dann beweiskräftig für einen alkoholbedingten Leistungsabfall als die allein wesentliche Bedingung des Unfalls, wenn es typisch für einen unter Alkoholgenuss stehenden Versicherten ist und nicht ebenso gut andere Ursachen haben kann (BSGE 45, 176, 179).

Soweit Prof.Dr.E. davon ausgeht, dass der Kläger auf Grund alkoholischer Enthemmung keine Reaktion auf das herannahende Fahrzeug mit Verlassen der Fahrbahn gezeigt hat, kann dies allenfalls als Spekulation angesehen werden. Es ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger - alkoholbedingt - eine erhöhte Risikobereitschaft an den Tag gelegt oder die Situation an der Straße falsch eingeschätzt hätte. Sein Verhalten ist zwar in hohem Maße als vernunftwidrig zu bezeichnen, da die Gefahr bestand, von einem vorbeifahrenden Fahrzeug erfasst zu werden. Es ist aber allein ein hoher Alkoholisierungsgrad nicht die einzige Möglichkeit, um vernunftwidriges Verhalten erklären zu können. Ursache für ein vernunftwidriges Verhalten können auch Unaufmerksamkeit, Leichtsinn oder Übermüdung sein.

Die von Dr.E. dargelegten regelhaften alkoholbedingten Leistungsabfälle bei einer BAK von 2,0 Promille, die auch eine erhöhte Risikobereitschaft beinhaltet, können ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Aus allgemeinen Erfahrungssätzen kann nicht auf einen alkoholbedingten Leistungsabfall als allein wesentliche Unfallursache geschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1991, a.a.O.). Es müssen vielmehr im Zusammenhang mit der konkreten Unfallsituation alkoholbedingte Verhaltensweisen vorgelegen haben, die dann den Unfall wesentlich verursacht haben. Dr.E. hat gleichzeitig dargelegt, dass die Auswirkungen einer Alkoholisierung im Bereich von 2,0 bis 2,4 Promille beim Fußgänger erheblich von der individuellen Alkoholtoleranz und den situativen Bedingungen abhängig sind. Der Nachweis entsprechender alkoholtypischer Ausfallerscheinungen und damit von Verkehrsuntüchtigkeit des Klägers als Fußgänger ist indessen nicht geführt.

Die sog. objektive Beweis- und Feststellungslast für das Vorliegen eines alkoholbedingten Leistungsabfalls, die als konkurrierende Ursache die versicherte Ursache verdrängt, trägt die Beklagte (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R m.w.N.). Die Beklagte hat daher nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die Konsequenz aus der Nichterweislichkeit alkoholbedingter Ausfallerscheinungen zu tragen und den Unfall des Klägers vom 25.09.2001 als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Auch nach den Grundsätzen der selbstgeschaffenen Gefahr ist der Versicherungsschutz des Klägers nicht ausgeschlossen, da dieser Begriff nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eng auszulegen und nur mit größter Zurückhaltung anzuwenden ist. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte sich bewusst einer höheren Gefahr aussetzt und dadurch zu Schaden kommt, gibt es nicht. Auch leichtsinniges unbedachtes Verhalten beseitigt den bestehenden inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit nicht (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2002, SozR 3-2700 § 7 Nr.2, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 11/04 R). Die Beklagte kann ebenso wenig wie die alkoholbedingten Ausfallerscheinungen belegen, dass nur durch den Alkoholisierungsgrad des Klägers eine Gefahr geschaffen worden ist, die als allein rechtlich wesentliche Ursache für das Unfallgeschehen angesehen werden könnte.

Selbst wenn man vorliegend von einer alkoholtypischen Ausfallerscheinung und damit einem Leistungsabfall ausgehen würde, käme der Trunkenheit nicht der Stellenwert der allein wesentlichen Ursache des Unfalls zu. Nicht in allen Fällen, in denen die Trunkenheit eine Ursache des Unfalls im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ist, ist ein Arbeitsunfall zu verneinen. Sind anteilige Ursachen erwiesen, bedarf es der Abwägung, ob die Verkehrsuntüchtigkeit des Verletzten gegenüber der Fahrweise des LKW-Fahrers als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls zu werten ist (vgl. dazu Urteil des BSG vom 30.12.1962, R 2 U 205/61, BSGE 18, 101 ff.; Keller in Hauck/ Noftz, § 8 Rdnr. 282). Dies wäre vorliegend zu verneinen. Der LKW-Fahrer ist trotz verkehrsfreier und übersichtlicher Straße, und obwohl er den Kläger auf eine Entfernung von ca. 70 m erkennen hätte können, diesem nicht rechtzeitig ausgewichen, wodurch der Kläger von dem Fahrzeug erfasst wurde. Das Verhalten des LKW-Fahrers ist damit als wesentliche Mitursache des Unfalls anzusehen. Er hätte den Unfall durch entsprechendes Ausweichen ohne weiteres vermeiden können. Als wesentliche Unfallursache lag demnach zusätzlich ein alkoholunabhängiger Faktor vor, weil der Unfall vermieden worden wäre, wenn der LKW-Fahrer zeitnah reagiert hätte (vgl. auch Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 03.04.2001, L 3 U 154/00). Im Rahmen der Abwägung könnte hier nicht davon ausgegangen werden, dass das Fehlverhalten des LKW-Fahrers durch die Auswirkungen der Alkoholisierung als rechtlich unerheblich zurückgedrängt werden könnte. Dieses ist vielmehr ebenfalls als rechtlich mitursächlich zu werten. Insbesondere darf der LKW - Fahrer nicht darauf vertrauen, dass ein Fußgänger die Fahrbahn verlässt.

Die Alkoholisierung des Klägers wäre daher vorliegend nicht als rechtlich allein wesentliche Ursache für das Zustandekommen des Unfalls zu werten, so dass der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen geblieben wäre.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved