Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 13 KR 219/06
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 174/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine stationäre Behandlung ist nicht bereits deshalb notwendig, weil eine ambulante Behandlung der Krankheit nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse ausgeschlossen ist. Vielmehr muss die stationäre Behandlung, ungeachtet des Ausschlusses der ambulanten Behandlung nach § 135 SGB V, im konkreten Fall aus medizinischen Gründen notwendig sein.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 24.08.2007 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der zwischenzeitlich stationär durchgeführten Liposuktionen (Fettabsaugungen) hat.
Die 1981 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an einem schmerzhaften Lipödem an den Armen und Beinen. Sie beantragte unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. C , Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Phlebologie, Lymphologie, vom 24.02.2006 die Gewährung einer Liposuktion. Dr. C führte aus, aufgrund der ausgeprägten Verformungen, die alimentär nicht zu beeinflussen und diätetisch nicht korrigierbar seien, bestehe eine deutliche Einschränkung der Klägerin im täglichen Leben. Schmerzlosigkeit sei durch eine komplexe Entstauungstherapie nicht erreicht worden. Als Therapie der Wahl zur Verhinderung der Chronizität gelte bei der Klägerin die Liposuktion, die ambulant oder stationär durchgeführt werden könne und erfolgversprechend sei. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag für eine ambulante Behandlung in Höhe von 12.037,20 EUR. Die Beklagte holte eine Stellungnahme der Ärztin Dr. G , Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), vom 21.03.2006 ein. Diese führte aus, bei einer Liposuktion handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, zu der der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Eine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung einer Liposuktion bestehe bei der Klägerin nicht. Nach wie vor ständen die Bewegungstherapie, die Kompressionstherapie und die komplexe physikalische Entstauungstherapie an erster Stelle. Mit Bescheid vom 30.03.2006 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme für eine Liposuktion ab. Hiergegen legte die Klägern Widerspruch ein und reichte ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W vom 30.03.2006 zu den Akten, in dem ausgeführt wird, die Klägerin leide unter einem ausgeprägten Lip- und Lymphödem. Bei "stehender Berufsausübung" komme es trotz Kompressionsmaßnahmen und regelmäßigen Lymphdrainagen zu erheblichen Schmerzzuständen. Durch Widerspruchsbescheid vom 19.05.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, es bestehe kein Anspruch auf Übernahme der Kosten, die im Zusammenhang mit einer ambulanten Behandlung mittels Liposuktion bei Dr. C entstehen würden. Denn es handele sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die eine Empfehlung des Gemeinsames Bundesausschusses nicht vorliege.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.06.2006 Klage erhoben. Das Sozialgericht Speyer hat weitere Unterlagen über die bisherigen Behandlungen der Klägerin beigezogen. Durch Urteil vom 24.08.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Liposuktion als Sachleistung. Nach § 135 Abs. 1 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) könnten neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben habe. Eine ausdrückliche Empfehlung für die Liposuktion habe der Gemeinsame Bundesausschuss nicht abgegeben. Ein so genanntes Systemversagen i. S. d. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege nicht vor. Auch psychische Beeinträchtigungen durch Schmerzen und das äußere Erscheinungsbild der Klägerin begründeten keinen Leistungsanspruch. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98).
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 28.11.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.12.2007 Berufung eingelegt.
Sie macht geltend, das Sozialgericht habe sich auf die Bestimmungen des § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V gestützt, die ambulante Behandlungen betreffe. Bei einer Behandlung im stationären Bereich komme es nach § 137c Abs. 1 SGB V nicht darauf an, ob der Gemeinsamen Bundesausschuss die Behandlungsmethode in die Richtlinien aufgenommen habe. Sie, die Klägerin, habe zwar unter Vorlage eines Kostenvoranschlages einen Antrag auf eine ambulante Behandlung gestellt, eine stationäre Behandlung jedoch nicht abgelehnt. Es gebe aber zumindest eine Klinik, in der die Behandlung auch stationär durchgeführt werde. Es wäre die Aufgabe der Beklagten gewesen, sie auf die Möglichkeit einer stationären Behandlung hinzuweisen. Die von ihr bisher durchgeführten konservativen Behandlungen hätten keine grundlegende Besserung bewirkt und die Schmerzzustände nicht beseitigen können. Die Klägerin hat inzwischen die Operationen auf eigene Kosten stationär durchführen lassen und hierfür aufgrund von privatärztlichen Rechnungen, die der Gebührenordnung für Ärzte entsprechen, 18.462,10 EUR gezahlt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 24.08.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der selbst beschafften Liposuktion an Armen und Beinen in Höhe von 18.462,10 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, ein Beratungsbedarf der Klägerin für eine stationäre Behandlung sei nicht ersichtlich gewesen. Die Klägerin habe einen Antrag für eine ambulante Behandlung gestellt. Darüber hinaus sei, wie der MDK bestätigt habe, eine Liposuktionsbehandlung auch nicht medizinisch notwendig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der selbst beschafften Liposuktionen.
Der Antrag der Klägerin vom Februar 2006 war unfassend dahingehend auszulegen, dass sie alternativ eine ambulante oder stationäre Maßnahme begehrte. Die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten der zwischenzeitlich stationär durchgeführten Operationen sind indessen nicht erfüllt. Gemäß § 13 Abs. 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V hat die Krankenkasse die Kosten zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Voraussetzung für einen Kostenerstattungs-anspruch ist, dass ein Anspruch auf die Sachleistung bestand. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlungen einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Voraussetzung ist, dass die stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25.09.2007 - GS 1/06, juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn bei der Klägerin konnte die Liposuktion auch ambulant durchgeführt werden. Dies ergibt sich aus der ärztlichen Bescheinigung des Dr. C vom 24.02.2006, in der ausdrücklich festgestellt wird, die Liposuktion könne bei der Klägerin ambulant und stationär durchgeführt werden. Eine stationäre Behandlung war danach nicht aus medizinischen Gründen notwendig.
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Liposuktion als ambulante Behandlung nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldet ist. Es handelt sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode i. S. d. § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V, die der Gemeinsame Bundesausschuss nicht empfohlen hat; ein so genanntes Systemversagen i. S. d. Rechtsprechung des BSG (vgl. z. B. Urteil vom 26.09.2006 - B 1 KR 3/06 R, juris, Rn. 24 m. w. N.) liegt nicht vor. Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug. Es ist zwar grundsätzlich denkbar, dass ein Anspruch auf Durchführung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode als ambulante Leistung nicht besteht, die Krankenkasse aber zur Gewährung der begehrten Leistung im Rahmen einer stationären Behandlung verpflichtet ist. Denn es bestehen grundsätzliche rechtliche Unterschiede für die Leistungserbringung im ambulanten und stationären Bereich. Während für den Bereich der ambulanten Versorgung bezüglich neuer Behandlungsmethoden ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt, ist die rechtliche Konstruktion für den stationären Bereich durch § 137c SGB V so ausgestaltet, dass neuartige Behandlungsverfahren im Rahmen einer Krankenhausbehandlung keiner besonderen Zulassung bedürfen und nur dann ausgeschlossen sind, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat (BSG 26.09.2006 - B 1 KR 3/06 R, juris, Rn. 21 m. w. N.). Da der Gemeinsame Bundesausschuss keine negative Stellungnahme zur Liposuktion abgegeben hat, ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass diese als stationäre Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht wird. Voraussetzung ist jedoch, dass eine stationäre Behandlung im konkreten Fall medizinisch notwendig ist. Der Versicherte hat kein Wahlrecht zwischen der Durchführung der begehrten Maßnahme als ambulante oder stationäre Leistung. Der Umstand, dass eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht als ambulante Sachleistung von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen ist, führt nicht dazu, dass die begehrte Maßnahme im Rahmen einer stationären Behandlung zu erbringen ist, wenn sie im konkreten Fall auch ambulant durchgeführt werden kann. Denn Voraussetzung für die Gewährung einer stationären Behandlung bleibt gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V, dass die stationäre Behandlung objektiv medizinisch notwendig ist (vgl. allerdings auch BSG 04.04.2006 - B 1 KR 5/05 R, juris, Rn. 17; LSG Schleswig-Holstein 28.06.2006 - L 5 KR 66/05, juris). Da diese medizinische Notwendigkeit im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, scheidet ein Anspruch der Klägerin schon aus diesem Grund aus. Es kann daher dahinstehen, ob sie auf die Durchführung weiterer konservativer Behandlungsmöglichkeiten verwiesen werden konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da der Rechtssache - insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen des BSG im Urteil vom 04.04.2006 (B 1 KR 5/05 R) - grundsätzliche Bedeutung zukommt.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der zwischenzeitlich stationär durchgeführten Liposuktionen (Fettabsaugungen) hat.
Die 1981 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an einem schmerzhaften Lipödem an den Armen und Beinen. Sie beantragte unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. C , Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Phlebologie, Lymphologie, vom 24.02.2006 die Gewährung einer Liposuktion. Dr. C führte aus, aufgrund der ausgeprägten Verformungen, die alimentär nicht zu beeinflussen und diätetisch nicht korrigierbar seien, bestehe eine deutliche Einschränkung der Klägerin im täglichen Leben. Schmerzlosigkeit sei durch eine komplexe Entstauungstherapie nicht erreicht worden. Als Therapie der Wahl zur Verhinderung der Chronizität gelte bei der Klägerin die Liposuktion, die ambulant oder stationär durchgeführt werden könne und erfolgversprechend sei. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag für eine ambulante Behandlung in Höhe von 12.037,20 EUR. Die Beklagte holte eine Stellungnahme der Ärztin Dr. G , Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), vom 21.03.2006 ein. Diese führte aus, bei einer Liposuktion handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, zu der der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Eine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung einer Liposuktion bestehe bei der Klägerin nicht. Nach wie vor ständen die Bewegungstherapie, die Kompressionstherapie und die komplexe physikalische Entstauungstherapie an erster Stelle. Mit Bescheid vom 30.03.2006 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme für eine Liposuktion ab. Hiergegen legte die Klägern Widerspruch ein und reichte ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W vom 30.03.2006 zu den Akten, in dem ausgeführt wird, die Klägerin leide unter einem ausgeprägten Lip- und Lymphödem. Bei "stehender Berufsausübung" komme es trotz Kompressionsmaßnahmen und regelmäßigen Lymphdrainagen zu erheblichen Schmerzzuständen. Durch Widerspruchsbescheid vom 19.05.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, es bestehe kein Anspruch auf Übernahme der Kosten, die im Zusammenhang mit einer ambulanten Behandlung mittels Liposuktion bei Dr. C entstehen würden. Denn es handele sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die eine Empfehlung des Gemeinsames Bundesausschusses nicht vorliege.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.06.2006 Klage erhoben. Das Sozialgericht Speyer hat weitere Unterlagen über die bisherigen Behandlungen der Klägerin beigezogen. Durch Urteil vom 24.08.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Liposuktion als Sachleistung. Nach § 135 Abs. 1 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) könnten neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben habe. Eine ausdrückliche Empfehlung für die Liposuktion habe der Gemeinsame Bundesausschuss nicht abgegeben. Ein so genanntes Systemversagen i. S. d. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege nicht vor. Auch psychische Beeinträchtigungen durch Schmerzen und das äußere Erscheinungsbild der Klägerin begründeten keinen Leistungsanspruch. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98).
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 28.11.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.12.2007 Berufung eingelegt.
Sie macht geltend, das Sozialgericht habe sich auf die Bestimmungen des § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V gestützt, die ambulante Behandlungen betreffe. Bei einer Behandlung im stationären Bereich komme es nach § 137c Abs. 1 SGB V nicht darauf an, ob der Gemeinsamen Bundesausschuss die Behandlungsmethode in die Richtlinien aufgenommen habe. Sie, die Klägerin, habe zwar unter Vorlage eines Kostenvoranschlages einen Antrag auf eine ambulante Behandlung gestellt, eine stationäre Behandlung jedoch nicht abgelehnt. Es gebe aber zumindest eine Klinik, in der die Behandlung auch stationär durchgeführt werde. Es wäre die Aufgabe der Beklagten gewesen, sie auf die Möglichkeit einer stationären Behandlung hinzuweisen. Die von ihr bisher durchgeführten konservativen Behandlungen hätten keine grundlegende Besserung bewirkt und die Schmerzzustände nicht beseitigen können. Die Klägerin hat inzwischen die Operationen auf eigene Kosten stationär durchführen lassen und hierfür aufgrund von privatärztlichen Rechnungen, die der Gebührenordnung für Ärzte entsprechen, 18.462,10 EUR gezahlt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 24.08.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der selbst beschafften Liposuktion an Armen und Beinen in Höhe von 18.462,10 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, ein Beratungsbedarf der Klägerin für eine stationäre Behandlung sei nicht ersichtlich gewesen. Die Klägerin habe einen Antrag für eine ambulante Behandlung gestellt. Darüber hinaus sei, wie der MDK bestätigt habe, eine Liposuktionsbehandlung auch nicht medizinisch notwendig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der selbst beschafften Liposuktionen.
Der Antrag der Klägerin vom Februar 2006 war unfassend dahingehend auszulegen, dass sie alternativ eine ambulante oder stationäre Maßnahme begehrte. Die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten der zwischenzeitlich stationär durchgeführten Operationen sind indessen nicht erfüllt. Gemäß § 13 Abs. 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V hat die Krankenkasse die Kosten zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Voraussetzung für einen Kostenerstattungs-anspruch ist, dass ein Anspruch auf die Sachleistung bestand. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlungen einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Voraussetzung ist, dass die stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25.09.2007 - GS 1/06, juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn bei der Klägerin konnte die Liposuktion auch ambulant durchgeführt werden. Dies ergibt sich aus der ärztlichen Bescheinigung des Dr. C vom 24.02.2006, in der ausdrücklich festgestellt wird, die Liposuktion könne bei der Klägerin ambulant und stationär durchgeführt werden. Eine stationäre Behandlung war danach nicht aus medizinischen Gründen notwendig.
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Liposuktion als ambulante Behandlung nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldet ist. Es handelt sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode i. S. d. § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V, die der Gemeinsame Bundesausschuss nicht empfohlen hat; ein so genanntes Systemversagen i. S. d. Rechtsprechung des BSG (vgl. z. B. Urteil vom 26.09.2006 - B 1 KR 3/06 R, juris, Rn. 24 m. w. N.) liegt nicht vor. Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug. Es ist zwar grundsätzlich denkbar, dass ein Anspruch auf Durchführung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode als ambulante Leistung nicht besteht, die Krankenkasse aber zur Gewährung der begehrten Leistung im Rahmen einer stationären Behandlung verpflichtet ist. Denn es bestehen grundsätzliche rechtliche Unterschiede für die Leistungserbringung im ambulanten und stationären Bereich. Während für den Bereich der ambulanten Versorgung bezüglich neuer Behandlungsmethoden ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt, ist die rechtliche Konstruktion für den stationären Bereich durch § 137c SGB V so ausgestaltet, dass neuartige Behandlungsverfahren im Rahmen einer Krankenhausbehandlung keiner besonderen Zulassung bedürfen und nur dann ausgeschlossen sind, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat (BSG 26.09.2006 - B 1 KR 3/06 R, juris, Rn. 21 m. w. N.). Da der Gemeinsame Bundesausschuss keine negative Stellungnahme zur Liposuktion abgegeben hat, ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass diese als stationäre Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht wird. Voraussetzung ist jedoch, dass eine stationäre Behandlung im konkreten Fall medizinisch notwendig ist. Der Versicherte hat kein Wahlrecht zwischen der Durchführung der begehrten Maßnahme als ambulante oder stationäre Leistung. Der Umstand, dass eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht als ambulante Sachleistung von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen ist, führt nicht dazu, dass die begehrte Maßnahme im Rahmen einer stationären Behandlung zu erbringen ist, wenn sie im konkreten Fall auch ambulant durchgeführt werden kann. Denn Voraussetzung für die Gewährung einer stationären Behandlung bleibt gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V, dass die stationäre Behandlung objektiv medizinisch notwendig ist (vgl. allerdings auch BSG 04.04.2006 - B 1 KR 5/05 R, juris, Rn. 17; LSG Schleswig-Holstein 28.06.2006 - L 5 KR 66/05, juris). Da diese medizinische Notwendigkeit im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, scheidet ein Anspruch der Klägerin schon aus diesem Grund aus. Es kann daher dahinstehen, ob sie auf die Durchführung weiterer konservativer Behandlungsmöglichkeiten verwiesen werden konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da der Rechtssache - insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen des BSG im Urteil vom 04.04.2006 (B 1 KR 5/05 R) - grundsätzliche Bedeutung zukommt.
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