Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 5060/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 162/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.04.2005 und der Bescheid der Beklagten vom 21.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2001 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine Berufskrankheit nach Nr 2103 BKV anzuerkennen und dem Kläger eine Rente nach einer MdE von 20 vH nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1967 geborene Kläger ist gelernter Straßenbauer. Er arbeitete in diesem Beruf bis Ende 1996 (1983 bis Juni 1992 bei der N. Baugesellschaft und danach bis Ende 1996 bei der Baufirma P.). Anschließend übte er in der Zeit vom 24.03.1997 bis Ende 1997 die Tätigkeit eines Pflasterers bei dem Garten- und Landschaftsbauunternehmen W. aus; ab dem 08.12.1997 bestand Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer rechtsseitigen Lunatum-Malazie (Mondbeinnekrose) IV. Grades. In der Folgezeit war der Kläger nach Absolvierung einer Weiterbildungsmaßnahme als Straßenbauer/Werkspolier und Baumaschinenführer beschäftigt.
Am 09.02.1998 erstattete der Chirurg Dr. B. eine Anzeige über eine Berufskrankheit. Er führte die beim Kläger festgestellte Lunatum-Malazie auf dessen Tätigkeit als Straßenbauer und das regelmäßige Arbeiten mit Pressluftgeräten und Rüttelplatten zurück. Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren hinsichtlich der BK Nr 2103 ein. Die Firma W. teilte der Beklagten mit, dass der Kläger Arbeiten mit Pressluftschlagwerkzeugen (Elektrobohrhammer, Stampfer und Rüttelplatte) ausgeführt habe. Der zeitliche Umfang der Arbeiten mit Rückstoßerschütterungen habe etwa zwei Stunden täglich betragen.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 19.06.1998 ein, derzufolge der überwiegende Teil der Arbeit des Klägers auf Wegebauarbeiten entfiel, die vom Tätigkeitsprofil entsprechend der Aufgabenstellung und der verwendeten Maschinen nahezu identisch mit denen eines Straßenbauers im Tiefbau gewesen seien. Durchschnittlich habe der Kläger ein bis zwei Stunden täglich Verdichtungsgeräte bedient. Es seien Vibrationsstampfer sowie Vibrationsplatten eingesetzt worden. Für die Anerkennung der BK werde eine mindestens 2-jährige regelmäßige Arbeit mit Druckluftwerkzeugen gefordert. Diese Voraussetzung sei im Mitgliedsbetrieb der Beklagten (Firma W.) allein nicht gegeben, aber unter Einbezug der vorherigen Beschäftigungen als Straßenbauer erfüllt.
Die Gewerbeärztin Dr.S. kam in der Stellungnahme vom 19.11.1998 zum Schluss, dass sowohl die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Auftreten der BK Nr 2103 als auch die medizinischen Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Der Nachweis von Zysten im Röntgenbild als Zeichen für eine anlagebedingte Erkrankung könne ausgeschlossen werden. Sowohl das Tätigkeitsprofil als auch die Dauer der Tätigkeit würden das Auftreten der Lunatum-Malazie durchaus wahrscheinlich machen, so dass der ursächliche Zusammenhang zu bestätigen sei.
Der TAD der Tiefbau-Berufsgenossenschaft (-BG) berichte unter dem 27.11.1999 für das Mitgliedsunternehmen N. Baugesellschaft, dass der Kläger etwa eine Stunde in der Woche mit einem druckluftbetriebenen Abbruchhammer gearbeitet habe, also im Beschäftigungszeitraum 1984 bis 1992 0,2 Stunden täglich durch Arbeiten mit Pressluftwerkzeugen schwingungsexponiert gewesen sei. Diese sehr kurze tägliche Expositionsdauer könne nach allen Erfahrungen nicht als gefährdend angesehen werden. Die Berechnung der Gesamtzeit der Arbeiten mit dem Presslufthammer in den zwölf Jahren ergebe eine Gesamtdauer von 528 Stunden (0,2 Std. x 220 Arbeitstage x 12 Jahre). Eine Gefährdung liege aber erst bei mindestens 2.500 Arbeitsstunden mit Pressluftwerkzeugen innerhalb von zwei Jahren vor.
Die Beklagte holte ein Gutachten der Orthopäden Dres.B. und T. vom 08.02.1999/12.05.1999 ein. Zwar liege beim Kläger eine anerkennungsfähige BK nach Nr 2103 vor. Allerdings habe die Expositionsdauer der belastenden Tätigkeiten nur 528 Stunden betragen, so dass die Gesamtbelastungsdosis nicht erreicht werde und daher eine kausale Verknüpfung zwischen Belastung und Erkrankung zu verneinen sei.
Die Gewerbeärztin Dr. S. äußerte sich erneut (Stellungnahme vom 14.07.1999). Sie empfahl wiederum die Anerkennung als BK. Von einer Mindestarbeitsdauer könne abgesehen werden, wenn der ursächliche Zusammenhang mit einer kürzeren gefährdenden Tätigkeit nachgewiesen sei. Das von Dres.B. und T. gefundene Ergebnis beruhe einzig auf eine nur vordergründig genau errechnete Expositionsdauer.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.10.1999 die Anerkennung und Entschädigung einer BK 2103 ab. Nach den Ausführungen der Dres.B. und T. vom 12.05.1999 bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Lunatum-Malazie und der versicherten Tätigkeit.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass er seit 1984 und auch über das Jahr 1992 hinaus mehr als die Hälfte seiner täglichen Arbeitszeit mit Rüttelplatten, Bohrhämmern, Pressluftwerkzeugen und anderen schweren Rüttelmaschinen gearbeitet habe.
Im Widerspruchsverfahren nahm der TAD der Bau-BG Bayern und Sachsen (Mitgliedsunternehmen: Baufirma P.) unter dem 05.03.2001 Stellung. Der Kläger sei im Zeitraum Juni 1992 bis Ende 1996 einer Exposition gegenüber Hand-Arm-Schwingungen ausgesetzt gewesen. Die Tagesdosis (Beurteilungsschwingstärke) sei auch überschritten worden. Allerdings erreiche die für den Kläger errechnete Gesamtbelastungsdosis (Dv = 1,1 x 106 nicht die Mindestbelastungsdosis von Dv = 2,17 x 106 für eine Gefährdung im Sinne der BK 2103.
Der TAD der Beklagten verneinte in der Stellungnahme vom 22.06.2001 das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen. Der Bericht vom 06.07.1998 sowie der Bericht des TAD der Bau-BG Bayern und Sachsen vom 05.03.2001 sei zu korrigieren, da nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen die Arbeiten mit handgeführten Bodenverdichtungsgeräten (Vibrationsplatten, Vibrationsstampfer) bei der Dosisberechnung nicht mit einzubeziehen seien, weil diese handgeführten Maschinen ohne rhythmische Rückstoßbewegungen und ohne starke Ankopplung der Hände an den Gerätegriff geführt würden (Hinweis auf Dupuis/Hartung/Konietzko in ASU 1998, 490). Potentiell geeignet für die Verursachung einer Erkrankung iS der BK Nr 2103 seien dagegen Stemmwerkzeuge (druckluftbetriebene Aufbruch- bzw Abbruchhammer oder kompressionsbetriebene Pressluftwerkzeuge), so dass sich für die Beschäftigungszeiträume des Klägers und für den Umgang mit Pressluftwerkzeugen bzw Abbruchhämmern keine schädigungsrelevante Überschreitung der Tagesbelastungsdosis ergebe. Zwar habe bei der Tätigkeit für die Firmen P. und W. an 50 bzw 10 Arbeitstagen eine Überschreitung bestanden. Eine Anzahl von weniger als 55 Arbeitsschichten mit entsprechender Exposition stelle jedoch keine gesundheitliche Gefährdung im Sinne der BK Nr 2103 dar. Die Gesamtbelastungsdosis sei mit Dv = 0,481 x 106 anzusetzen und erreiche nicht die Mindestbelastungsdosis. Es sei anzunehmen, dass der tatsächliche Wert der Gesamtbelastungsdosis noch unter dem errechneten Wert liege, da bei Unterschreitung von einer Stunde regelmäßiger täglicher Exposition und 2.500 Gesamtexpositionsstunden die Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Schädigung nicht gegeben sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19.11.2001 unter Hinweis auf die Stellungnahme des TAD vom 22.06.2001 zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Zwischen 1984 und 1998 habe er täglich zwischen 4 und 6 Stunden mit stark vibrierenden Geräten gearbeitet. Von den handgeführten Maschinen wie Vibrationsstampfer, Walzen und Rüttelplatten sei eine erhebliche Vibrationsbelastung ausgegangen. Es sei ein ständiger Gegendruck auszuüben gewesen, um diese in die gewünschte Richtung zu steuern. Der im Merkblatt zur BK Nr 2103 enthaltene Hinweis, dass beruflich verursachte Erkrankungen in der Regel nicht vor Ablauf einer mindestens 2-jährigen, regelmäßig durchgeführten Arbeit mit Druckluft auftreten würden, komme nicht der rechtlichen Bedeutung einer Mindestzeiterfordernis zu.
Das SG hat nach Einholung medizinischer Befundberichte und Beiziehung von Krankenunterlagen den Chirurgen Dr. K. zum Sachverständigen bestellt (Gutachten vom 31.01.2003). Allein aus medizinischer Sicht sprächen mehr Indizien für eine beruflich bedingte Entstehung der Lunatum-Malazie. Formvarianten oder andere tätigkeitsfremde Schädigungsmechanismen, die die Erkrankung ursächlich wahrscheinlich machen würden, könnten nicht benannt werden. Die Art der ausgeübten Tätigkeit mit Druckluftwerkzeugen sei grundsätzlich geeignet gewesen, die Lunatum-Malazie im Sinne einer rechtlich wesentlichen Bedingung zu verursachen. Die Frage, ob Dauer und Dosis der Einwirkung ausreichend gewesen seien, eine genügend große Vibrationsbelastung auf das Mondbein zu verursachen, könne nicht beantwortet werden. Für den Fall einer Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen wäre die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab Februar 1998 mit 20 vH einzuschätzen.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.04.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die beim Kläger bestehende Mondbeinnekrose stelle eine typische Erkrankung durch Pressluftwerkzeuge dar, sodass die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr 2103 in der Weise erfüllt seien, dass eine Erkrankung vorliege, die grundsätzlich durch Pressluftwerkzeuge ausgelöst werden könne. Der Kläger habe auch Tätigkeiten verrichtet, die grundsätzlich eine Mondbeinnekrose verursachen könnten. Gleichwohl seien die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK Nr 2103 nicht gegeben, weil die Erkrankung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden sei. Gegen eine berufliche Verursachung sei anzuführen, dass bei dem Kläger ganz isoliert eine Mondbeinnekrose aufgetreten sei, ohne dass sonstige Zeichen einer Degeneration an weiteren Körperstellen aufgetreten seien, die gleichfalls den Vibrationserschütterungen ausgesetzt gewesen seien. Weiter bestünden beim Kläger Erkrankungen, die im Zusammenhang mit Erkrankungen im Sinne der BK Nr 2103 zu sehen seien und mit diesen konkurrierten. Den Unterlagen sei auch zu entnehmen, dass der Kläger erhebliche Traumen an der rechten oberen Extremität und dort insbesondere am Unterarm erlitten habe, bei denen durchaus auch eine unerkannte traumatische Verletzung der Handwurzelknochen entstanden sein könnte. Es stelle sich daher die Frage, ob unter Einbeziehung dieser Umstände die berufliche Entstehung der Lunatum-Malazie wahrscheinlich sei. Insoweit gehe Dr. K. unzutreffend vom Fehlen einschlägiger Vorerkrankungen aus, wobei allerdings die zuvor bezeichneten ärztlichen Unterlagen erst nach der Gutachtenserstellung beigezogen worden seien. Zwar sei eine starre und schematische Untergrenze einer mindestens 2-jährigen Belastungszeit dem Wortlaut der BK Nr 2103 nicht zu entnehmen, insofern verzichte die Neufassung des Merkblattes (BArbBl 3/2005 S 51) auf die Benennung einer Mindestbelastungszeit. Gleichwohl sei aber bei der Unterschreitung von einer Stunde regelmäßiger täglicher Exposition und 2.500 Gesamtexpositionsstunden als Orientierungswert die Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Schädigung nicht gegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine Mindestarbeitszeit nach der BKV nicht gefordert werde und auch der zeitlichen Dauer der beruflichen Tätigkeit mit schädigenden Maschinen müsse vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen ausgegangen werden. Die vom SG vorgebrachten medizinischen Bedenken seien gerichtsärztlich hinsichtlich eines denkbaren Ursachenzusammenhanges nicht überprüft worden.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und weitere medizinische Unterlagen eingeholt (Klinik für Handchirurgie Bad N. , Deutsche Rentenversicherung Ober- und Mittelfranken). Auf Veranlassung des Senats hat Prof. Dr. M. das handchirurgische Gutachten vom 21.09.2006/23.05.2007 nach Aktenlage erstellt. Verantwortlich für die Entstehung einer Lunatum-Malazie sei eher die extreme Streckstellung und Kompression des Handgelenkes als die Vibration. Bei dem Kläger sei für den ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit einerseits die langjährige Tätigkeit (über 12 Jahre) mit Druckluft- und Rüttelmaschinen anzuführen, andererseits könnten andere mögliche Ursachen für die Entstehung der Lunatum-Malazie ausgeschlossen werden. Nicht gefolgt werden könne den medizinischen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils. Die Folgen der BK Nr 2103 seien wie folgt zu bezeichnen: Mehrere reizlose Narben im Bereich des rechten Handgelenkes, deutliche Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Handgelenkes in allen Richtungen, Herabsetzung der groben Kraft der rechten Hand, arthrotische Veränderungen im Bereich des distalen Radioulnargelenkes und des Radiocarpalgelenkes mit gelenknaher Demineralisierung sowie glaubhafte Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenkes. Auszugehen sei von einer MdE in Höhe von 20 vH.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.04.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 21.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr 2103 BKV anzuerkennen und dem Kläger eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 vH nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.04.2005 zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien und bezieht sich auf den Bericht des TAD vom 22.06.2001. Ergänzend führt sie aus, dass nach der Neufassung des Merkblatts zur BK Nr 2103 eine Gefährdung erst dann anzunehmen sei, wenn mindestens 2 Jahre und darin arbeitstäglich (an 220 Tagen/Jahr) mehrstündig (mind. 2 Std./Tag) mit Stemmwerkzeugen gearbeitet worden sei (Stellungnahme des TAD vom 13.12.2006). Bodenverdichter, wie Vibrationsstampfer und -platten zählten nur dann zu den gefährdenden Maschinen, sofern die übertragenden Schwingungen in dem schädigenden Frequenzbereich liegen. Zwar würden diese Maschinen die Oberflächen mit Frequenzen zwischen 50 und 60 Hz verdichten, jedoch sei davon auszugehen, dass diese Frequenzen nicht an den Bedienelementen der Maschinen auftreten (Stellungnahme des TAD vom 23.03.2007).
Der Kläger führt noch aus, dass sich der TAD der Beklagten in der Stellungnahme vom 22.06.2001 zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen auf eine Einzelmeinung und nicht auf einen bestehenden wissenschaftlichen Konsens stütze. Das Merkblatt zu BK Nr 2103 nenne als gefährdende Tätigkeit auch den Umgang mit Vibrationsstampfern und Bodenverdichtern, sofern die übertragenen Schwingungen in schädigendem Frequenzbereich liegen. Im Zeitraum 1984 bis 1998 habe er täglich zwischen 4 bis 6 Stunden an stark vibrierenden handgeführten Geräten gearbeitet. Daneben habe er 2 Stunden täglich Pressluft- bzw. Bohrhammer sowie Schlagbohrer bedient. Auf das Kriterium einer Gesamtbelastungsdosis könne nicht abgestellt werden. Das Merkblatt zu BK Nr 2103 führe aus, dass eine kumulative Dosis der Schwingungsbelastung, die als Richtwert für die Begründung einer Erkrankung herangezogen werden könnte, nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht festzulegen sei. Nach den gehörten Sachverständigen spreche nach Ausschluss konkurrierender Ursachen mehr dafür als dagegen, dass die Lunatum-Malazie an der beruflich beanspruchten Gebrauchshand des Klägers durch schädigende Einwirkungen im Sinne der BK Nr. 2103 BKV entstanden sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch begründet. Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide sind aufzuheben, da diese rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Die Beklagte hat unzutreffend die Anerkennung der BK Nr 2103 und Gewährung einer Rente versagt.
Nach § 56 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der vorliegend in Streit stehenden BK sind erfüllt. Sie ergeben sich aus § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2103 der Anlage zur BKV.
Die BK Nr 2103 erfasst Erkrankungen durch Erschütterungen bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen. Durch die unbestimmte Bezeichnung des Krankheitsbildes "Erkrankungen durch" werden vom Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten in die Anerkennung einbezogen, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass insoweit weitere Einschränkungen gemacht werden. Insofern ist der Tatbestand der BK hinsichtlich des Krankheitsbildes offen formuliert.
Voraussetzung für die Anerkennung einer Erkrankung als BK im Fall einer "offenen BK" ist zunächst, dass die im Tatbestand der BK genannten schädigenden Einwirkungen generell geeignet sind, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern (1). Zum anderen muss die geltend gemachte Erkrankung konkret-individuell durch die genannten Einwirkungen wesentlich verursacht bzw verschlimmert worden (2) und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein (3). Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß iS des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R; BSG Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R = SozR 4-2700 § 9 Nr 7).
(1) Nach den Ausführungen der gehörten Sachverständigen - und auch insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig - sind die in der BK Nr 2103 bezeichneten Einwirkungen generell geeignet, die beim Kläger bestehende Lunatum-Malazie zu verursachen. Nach dem Merkblatt zu der BK Nr 2103 (BArbBl 3/2005 S 51) kommen die von der BK erfassten Erkrankungen bei Arbeiten mit bestimmten Werkzeugen oder Maschinen vor, die durch Vibrationen mit vorrangig tiefen Frequenzanteilen (8-50 Hz) erzeugte Schwingungsenergie über die Handgriffe auf das Hand-Arm-Schulter-System übertragen. Längere Einwirkungen solcher "Hand-Arm-Schwingungen" können pathologische Veränderungen an den Gelenken und Knochen des Hand-Arm-Schulter-Systems verursachen. Zu der Pathophysiologie wird im Merkblatt angeführt, dass sich die Vibrationsschäden am Handgelenk, am Ellenbogengelenk und am Schultereckgelenk manifestieren können. Es entwickeln sich typischerweise degenerative Veränderungen (Arthrosis deformans). Neben diesen degenerativen Veränderungen der Gelenke können Sonderformen der vibrationsinduzierten Schädigungen auftreten, zu denen die aseptische Nekrose des Os lunatum (Synonyme: Mondbeinnekrose, Lunatummalazie, Kienböck Krankheit) zählt. Ergänzend wird erläutert, dass die aseptische Nekrose des Mondbeines vorwiegend bei Beschäftigten nachgewiesen wurde, die mit Drucklufthämmern arbeiteten.
(2) Nicht zu folgen vermag der Senat den Ausführungen des SG, dass aus medizinischer Sicht Zweifel an einer wesentlichen Verursachung der Lunatum-Malazie durch die in der BK Nr 2103 bezeichneten Erschütterungen bestehen. Prof. Dr. M. hat in Übereinstimmung mit Dr.K. und Dr.S. überzeugend darauf verwiesen, dass andere mögliche Ursachen für eine Entstehung der Lunatum-Malazie ausgeschlossen werden können. Das Nichtvorhandensein von begleitenden degenerativen Veränderungen an weiteren Körperstellen, die ebenfalls den Vibrationserschütterungen ausgesetzt waren, stehe der Annahme einer Verursachung nicht entgegen. Auch die vom SG genannten Literaturstellen sprechen von einem entweder oder und nicht von einem Zusammentreffen von sämtlichen Erkrankungen, die bei der Arbeit mit Vibrationsmaschinen auftreten können. Weiter hat Prof. Dr.M. herausgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lunatum-Malazie und den vom SG genannten "konkurrierenden" Erkrankungen nicht bekannt ist und in der Literatur nicht erwähnt wird. Prof. Dr. M. ist der Annahme entgegengetreten, dass aufgrund an der rechten oberen Extremität und insbesondere am Unterarm stattgehabter Verletzungen auch eine unerkannte traumatische Verletzung der Handwurzelknochen entstanden sein könnte. Wenn in der Literatur von Trauma als Ursache für die Lunatum-Malazie gesprochen wird, dann von einem Trauma mit Fraktur des Mondbeins oder Zerreißung der dazugehörigen Bandstrukturen und nicht von irgendeinem Trauma weit weg vom Handgelenk. Eine solche Verletzung ist auch gravierend und bleibt nicht unerkannt.
(3) Letztlich ist auch davon auszugehen, dass die schädigenden Einwirkungen durch die vom Kläger ausgeübte, versicherte Tätigkeit verursacht wurden. Die Beklagte hat das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen unzutreffend verneint. Nicht zu folgen vermag der Senat den Ausführungen der Beklagten, dass die vom Kläger benutzten Bodenverdichtungsgeräte (Vibrationsplatten, Vibrationsstampfer) nicht geeignet seien, schädigende Einwirkungen iS der BK Nr 2103 zu verursachen. Nach dem Merkblatt zu BK Nr 2103 (BArbBl 3/2005 S 51) können die schädigenden Vibrationen durch maschinenbetriebene, handgeführte Geräte verursacht werden. Gefahrenquellen sind z.B. bei Arbeiten mit schlagenden Werkzeugen, Geräten oder Maschinen gegeben, zu denen u.a. Aufbruchhämmer, Abbauhämmer, schwere Meißelhämmer, Gleisstopfer, Bohrhämmer, Vibrationsstampfer und Bodenverdichter zählen. Zwar ist eine Eignung dann abzulehnen, falls die übertragenen Schwingungen nicht vorrangig in dem Frequenzbereich 8 bis 50 Hz liegen. Hiervon kann jedoch vorliegend ausgegangen werden, da die Hauptfrequenzbereiche für Vibrationsplatten, Vibrationswalzen und Vibrationsstampfer auch mit weniger oder gleich 50 Hz angegeben werden (Konietzko, Dupuis, Handbuch der Arbeitsmedizin - IV-3.4.1 Tabelle 1). Dass die Bodenverdichtungsgeräte generell nicht geeignet seien, eine Erkrankung im Sinne der BK Nr 2103 zu verursachen, ergibt sich aus dem Merkblatt nicht. Vielmehr werden dort Vibrationsstampfer und Bodenverdichter ausdrücklich als Gefahrenquellen genannt. Insofern können im Bereich des Straßenbaus Arbeiten mit Stampfern, Rüttelplatten und Vibrationswalzen erkrankungsursächlich sein (vgl Lauterbach, Kommentar zum SGB VII, 4. Auflage März 2006, § 9 Anh IV, 2103 Rdnr 5). Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Ausführungen des Prof. Dr.M. nach denen für die Entstehung einer Lunatum-Malazie eher die extreme Streckstellung und Kompression des Handgelenks als die Vibration verantwortlich ist. Hieraus folgt nicht zwingend, dass die Benutzung von Bodenverdichtungsgeräten generell ungeeignet ist, die schädigenden Einwirkungen hervorzurufen. Nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sich aus dem aktuellen Merkblatt des zuständigen Bundesministeriums ergeben (vgl BSG Urteil vom 27.06.2006 aaO) ist davon auszugehen, dass nicht nur die Stemmwerkzeuge, sondern auch die Bodenverdichtungsgeräte zu den Geräten zählen, die die schädigenden Einwirkungen hervorrufen können.
Der Senat folgt weiter nicht dem von der Beklagten aufgestellten Erfordernis einer Mindestexpositionszeit. Eine anerkannte Systematik zur Ermittlung der Exposition gibt es bislang nicht. Auch die Definition einer Mindestexpositionszeit ist derzeit kaum möglich (Lauterbach Rdnr 5 aaO). Nähere Erfahrungen zu dem von Dupuis/Hartung/Konietzko vorgeschlagenen Dosismodell sind bislang nicht bekannt geworden (Lauterbach aaO). Obgleich dem Kläger zuzugeben ist, dass aus dem Wortlaut der Nr 2103 das Erfordernis einer Mindestbelastungsdosis nicht zu entnehmen ist, kann aus dem Fehlen einer Angabe zum Grad der erforderlichen Einwirkungen noch nicht schlichtweg gefolgert werden, dass die Vibrationen/Einwirkungen bei der Arbeit mit Druckluftwerkzeugen unabhängig von ihrer Intensität und Stärke als geeignet anzusehen sind, die Erkrankungen zu verursachen. Das BSG hat darauf hingewiesen, dass der Verordnungsgeber bei der Formulierung der BK-Tatbestände vielfach bewusst auf die Angabe konkreter Belastungsarten und Belastungsgrenzwerte verzichtet und stattdessen auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet hat, um bei der späteren Rechtsanwendung Raum für die Berücksichtigung neuer, nach Erlass der Verordnung gewonnener oder bekannt gewordener wissenschaftlicher Erkenntnisse zu lassen (vgl BSG Urteil vom 27.06.2006 aaO). Es ist daher grundsätzlich notwendig, auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse festzustellen, wie danach die beruflichen Einwirkungen beschaffen sein müssten, um die betreffende Krankheit hervorrufen zu können. Hierzu können einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums, zu der betreffenden BK herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden (BSG Urteil vom 27.06.2006 aaO). Das Merkblatt zu BK Nr 2103 führt unter IV. aus, dass für die Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen davon ausgegangen wird, dass die degenerativen Veränderungen von der Dauer und der Intensität der Schwingungsbelastung sowie von der Stärke der Ankopplung der Hände an den vibrierenden Handgriffen abhängig sind. Eine kumulative Dosis der Schwingungsbelastung des Hand-Arm-Systems, die als Richtwert für die Begründung einer Erkrankung iSd BK Nr 2103 herangezogen werden könnte, lässt sich nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht festlegen. Demnach ist es nicht möglich, das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen von dem Erreichen einer Mindestexpositionszeit abhängig zu machen. Insofern wird in dem Merkblatt weiter angegeben, dass für die Mondbeinnekrose (Lunatum-Malazie) Mindestexpositionszeiten derzeit nicht bekannt sind. Allerdings ist der ebenfalls im Merkblatt enthaltene Hinweis zu berücksichtigen, dass die Erkrankungen an den Gelenken in der Regel nicht vor Ablauf einer mindestens zweijährigen regelmäßig durchgeführten Arbeit auftreten. Dies ist allerdings als allgemeiner, im Einzelfall widerlegbarer Erfahrungswert zu verstehen, dass nach zweijähriger Druckluftarbeit der Kausalzusammenhang zwischen dieser Tätigkeit und der Erkrankung im Allgemeinen gegeben ist (Mertens/Brandenburg, BKV Rdnr 4 zu M 2103). Der Erfahrungswert dient der Abgrenzung der richtunggebenden Verschlimmerung der anlagebedingten Bindegewebsschwäche von anderen nicht wesentlichen Einflüssen. Unabhängig davon, ob dieses zeitliche Erfordernis beim Kläger erfüllt ist (so aber die Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 19.06.1998), ist demnach entscheidend davon auszugehen, dass die vom Kläger verrichtete Arbeit mit Druckluftwerkzeugen geeignet ist, die Lunatum-Malazie zu verursachen und nach den Feststellungen der gehörten Sachverständigen andere mögliche Ursachen für die Entstehung der Lunatum-Malazie ausgeschlossen sind.
Hinsichtlich der MdE-Einschätzung ist nach den Ausführungen des Dr.K. und des Prof. Dr.M. von einer MdE in Höhe von 20 vH auszugehen. Dies steht in Übereinstimmung mit den Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl Mehrhoff/Meindl/Muhr Unfallbegutachtung 11.Auflage Teil 2 Ziff 2.11 S 164).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und zwar insbesondere zu der Frage, ob Feststellungen zu Art und Umfang der schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK Nr 2103 auch dann erforderlich sind, wenn nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen (Merkblatt des zuständigen Bundesministeriums) eine Mindestexposition nicht gefordert wird.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1967 geborene Kläger ist gelernter Straßenbauer. Er arbeitete in diesem Beruf bis Ende 1996 (1983 bis Juni 1992 bei der N. Baugesellschaft und danach bis Ende 1996 bei der Baufirma P.). Anschließend übte er in der Zeit vom 24.03.1997 bis Ende 1997 die Tätigkeit eines Pflasterers bei dem Garten- und Landschaftsbauunternehmen W. aus; ab dem 08.12.1997 bestand Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer rechtsseitigen Lunatum-Malazie (Mondbeinnekrose) IV. Grades. In der Folgezeit war der Kläger nach Absolvierung einer Weiterbildungsmaßnahme als Straßenbauer/Werkspolier und Baumaschinenführer beschäftigt.
Am 09.02.1998 erstattete der Chirurg Dr. B. eine Anzeige über eine Berufskrankheit. Er führte die beim Kläger festgestellte Lunatum-Malazie auf dessen Tätigkeit als Straßenbauer und das regelmäßige Arbeiten mit Pressluftgeräten und Rüttelplatten zurück. Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren hinsichtlich der BK Nr 2103 ein. Die Firma W. teilte der Beklagten mit, dass der Kläger Arbeiten mit Pressluftschlagwerkzeugen (Elektrobohrhammer, Stampfer und Rüttelplatte) ausgeführt habe. Der zeitliche Umfang der Arbeiten mit Rückstoßerschütterungen habe etwa zwei Stunden täglich betragen.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 19.06.1998 ein, derzufolge der überwiegende Teil der Arbeit des Klägers auf Wegebauarbeiten entfiel, die vom Tätigkeitsprofil entsprechend der Aufgabenstellung und der verwendeten Maschinen nahezu identisch mit denen eines Straßenbauers im Tiefbau gewesen seien. Durchschnittlich habe der Kläger ein bis zwei Stunden täglich Verdichtungsgeräte bedient. Es seien Vibrationsstampfer sowie Vibrationsplatten eingesetzt worden. Für die Anerkennung der BK werde eine mindestens 2-jährige regelmäßige Arbeit mit Druckluftwerkzeugen gefordert. Diese Voraussetzung sei im Mitgliedsbetrieb der Beklagten (Firma W.) allein nicht gegeben, aber unter Einbezug der vorherigen Beschäftigungen als Straßenbauer erfüllt.
Die Gewerbeärztin Dr.S. kam in der Stellungnahme vom 19.11.1998 zum Schluss, dass sowohl die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Auftreten der BK Nr 2103 als auch die medizinischen Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Der Nachweis von Zysten im Röntgenbild als Zeichen für eine anlagebedingte Erkrankung könne ausgeschlossen werden. Sowohl das Tätigkeitsprofil als auch die Dauer der Tätigkeit würden das Auftreten der Lunatum-Malazie durchaus wahrscheinlich machen, so dass der ursächliche Zusammenhang zu bestätigen sei.
Der TAD der Tiefbau-Berufsgenossenschaft (-BG) berichte unter dem 27.11.1999 für das Mitgliedsunternehmen N. Baugesellschaft, dass der Kläger etwa eine Stunde in der Woche mit einem druckluftbetriebenen Abbruchhammer gearbeitet habe, also im Beschäftigungszeitraum 1984 bis 1992 0,2 Stunden täglich durch Arbeiten mit Pressluftwerkzeugen schwingungsexponiert gewesen sei. Diese sehr kurze tägliche Expositionsdauer könne nach allen Erfahrungen nicht als gefährdend angesehen werden. Die Berechnung der Gesamtzeit der Arbeiten mit dem Presslufthammer in den zwölf Jahren ergebe eine Gesamtdauer von 528 Stunden (0,2 Std. x 220 Arbeitstage x 12 Jahre). Eine Gefährdung liege aber erst bei mindestens 2.500 Arbeitsstunden mit Pressluftwerkzeugen innerhalb von zwei Jahren vor.
Die Beklagte holte ein Gutachten der Orthopäden Dres.B. und T. vom 08.02.1999/12.05.1999 ein. Zwar liege beim Kläger eine anerkennungsfähige BK nach Nr 2103 vor. Allerdings habe die Expositionsdauer der belastenden Tätigkeiten nur 528 Stunden betragen, so dass die Gesamtbelastungsdosis nicht erreicht werde und daher eine kausale Verknüpfung zwischen Belastung und Erkrankung zu verneinen sei.
Die Gewerbeärztin Dr. S. äußerte sich erneut (Stellungnahme vom 14.07.1999). Sie empfahl wiederum die Anerkennung als BK. Von einer Mindestarbeitsdauer könne abgesehen werden, wenn der ursächliche Zusammenhang mit einer kürzeren gefährdenden Tätigkeit nachgewiesen sei. Das von Dres.B. und T. gefundene Ergebnis beruhe einzig auf eine nur vordergründig genau errechnete Expositionsdauer.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.10.1999 die Anerkennung und Entschädigung einer BK 2103 ab. Nach den Ausführungen der Dres.B. und T. vom 12.05.1999 bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Lunatum-Malazie und der versicherten Tätigkeit.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass er seit 1984 und auch über das Jahr 1992 hinaus mehr als die Hälfte seiner täglichen Arbeitszeit mit Rüttelplatten, Bohrhämmern, Pressluftwerkzeugen und anderen schweren Rüttelmaschinen gearbeitet habe.
Im Widerspruchsverfahren nahm der TAD der Bau-BG Bayern und Sachsen (Mitgliedsunternehmen: Baufirma P.) unter dem 05.03.2001 Stellung. Der Kläger sei im Zeitraum Juni 1992 bis Ende 1996 einer Exposition gegenüber Hand-Arm-Schwingungen ausgesetzt gewesen. Die Tagesdosis (Beurteilungsschwingstärke) sei auch überschritten worden. Allerdings erreiche die für den Kläger errechnete Gesamtbelastungsdosis (Dv = 1,1 x 106 nicht die Mindestbelastungsdosis von Dv = 2,17 x 106 für eine Gefährdung im Sinne der BK 2103.
Der TAD der Beklagten verneinte in der Stellungnahme vom 22.06.2001 das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen. Der Bericht vom 06.07.1998 sowie der Bericht des TAD der Bau-BG Bayern und Sachsen vom 05.03.2001 sei zu korrigieren, da nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen die Arbeiten mit handgeführten Bodenverdichtungsgeräten (Vibrationsplatten, Vibrationsstampfer) bei der Dosisberechnung nicht mit einzubeziehen seien, weil diese handgeführten Maschinen ohne rhythmische Rückstoßbewegungen und ohne starke Ankopplung der Hände an den Gerätegriff geführt würden (Hinweis auf Dupuis/Hartung/Konietzko in ASU 1998, 490). Potentiell geeignet für die Verursachung einer Erkrankung iS der BK Nr 2103 seien dagegen Stemmwerkzeuge (druckluftbetriebene Aufbruch- bzw Abbruchhammer oder kompressionsbetriebene Pressluftwerkzeuge), so dass sich für die Beschäftigungszeiträume des Klägers und für den Umgang mit Pressluftwerkzeugen bzw Abbruchhämmern keine schädigungsrelevante Überschreitung der Tagesbelastungsdosis ergebe. Zwar habe bei der Tätigkeit für die Firmen P. und W. an 50 bzw 10 Arbeitstagen eine Überschreitung bestanden. Eine Anzahl von weniger als 55 Arbeitsschichten mit entsprechender Exposition stelle jedoch keine gesundheitliche Gefährdung im Sinne der BK Nr 2103 dar. Die Gesamtbelastungsdosis sei mit Dv = 0,481 x 106 anzusetzen und erreiche nicht die Mindestbelastungsdosis. Es sei anzunehmen, dass der tatsächliche Wert der Gesamtbelastungsdosis noch unter dem errechneten Wert liege, da bei Unterschreitung von einer Stunde regelmäßiger täglicher Exposition und 2.500 Gesamtexpositionsstunden die Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Schädigung nicht gegeben sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19.11.2001 unter Hinweis auf die Stellungnahme des TAD vom 22.06.2001 zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Zwischen 1984 und 1998 habe er täglich zwischen 4 und 6 Stunden mit stark vibrierenden Geräten gearbeitet. Von den handgeführten Maschinen wie Vibrationsstampfer, Walzen und Rüttelplatten sei eine erhebliche Vibrationsbelastung ausgegangen. Es sei ein ständiger Gegendruck auszuüben gewesen, um diese in die gewünschte Richtung zu steuern. Der im Merkblatt zur BK Nr 2103 enthaltene Hinweis, dass beruflich verursachte Erkrankungen in der Regel nicht vor Ablauf einer mindestens 2-jährigen, regelmäßig durchgeführten Arbeit mit Druckluft auftreten würden, komme nicht der rechtlichen Bedeutung einer Mindestzeiterfordernis zu.
Das SG hat nach Einholung medizinischer Befundberichte und Beiziehung von Krankenunterlagen den Chirurgen Dr. K. zum Sachverständigen bestellt (Gutachten vom 31.01.2003). Allein aus medizinischer Sicht sprächen mehr Indizien für eine beruflich bedingte Entstehung der Lunatum-Malazie. Formvarianten oder andere tätigkeitsfremde Schädigungsmechanismen, die die Erkrankung ursächlich wahrscheinlich machen würden, könnten nicht benannt werden. Die Art der ausgeübten Tätigkeit mit Druckluftwerkzeugen sei grundsätzlich geeignet gewesen, die Lunatum-Malazie im Sinne einer rechtlich wesentlichen Bedingung zu verursachen. Die Frage, ob Dauer und Dosis der Einwirkung ausreichend gewesen seien, eine genügend große Vibrationsbelastung auf das Mondbein zu verursachen, könne nicht beantwortet werden. Für den Fall einer Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen wäre die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab Februar 1998 mit 20 vH einzuschätzen.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.04.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die beim Kläger bestehende Mondbeinnekrose stelle eine typische Erkrankung durch Pressluftwerkzeuge dar, sodass die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr 2103 in der Weise erfüllt seien, dass eine Erkrankung vorliege, die grundsätzlich durch Pressluftwerkzeuge ausgelöst werden könne. Der Kläger habe auch Tätigkeiten verrichtet, die grundsätzlich eine Mondbeinnekrose verursachen könnten. Gleichwohl seien die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK Nr 2103 nicht gegeben, weil die Erkrankung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden sei. Gegen eine berufliche Verursachung sei anzuführen, dass bei dem Kläger ganz isoliert eine Mondbeinnekrose aufgetreten sei, ohne dass sonstige Zeichen einer Degeneration an weiteren Körperstellen aufgetreten seien, die gleichfalls den Vibrationserschütterungen ausgesetzt gewesen seien. Weiter bestünden beim Kläger Erkrankungen, die im Zusammenhang mit Erkrankungen im Sinne der BK Nr 2103 zu sehen seien und mit diesen konkurrierten. Den Unterlagen sei auch zu entnehmen, dass der Kläger erhebliche Traumen an der rechten oberen Extremität und dort insbesondere am Unterarm erlitten habe, bei denen durchaus auch eine unerkannte traumatische Verletzung der Handwurzelknochen entstanden sein könnte. Es stelle sich daher die Frage, ob unter Einbeziehung dieser Umstände die berufliche Entstehung der Lunatum-Malazie wahrscheinlich sei. Insoweit gehe Dr. K. unzutreffend vom Fehlen einschlägiger Vorerkrankungen aus, wobei allerdings die zuvor bezeichneten ärztlichen Unterlagen erst nach der Gutachtenserstellung beigezogen worden seien. Zwar sei eine starre und schematische Untergrenze einer mindestens 2-jährigen Belastungszeit dem Wortlaut der BK Nr 2103 nicht zu entnehmen, insofern verzichte die Neufassung des Merkblattes (BArbBl 3/2005 S 51) auf die Benennung einer Mindestbelastungszeit. Gleichwohl sei aber bei der Unterschreitung von einer Stunde regelmäßiger täglicher Exposition und 2.500 Gesamtexpositionsstunden als Orientierungswert die Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Schädigung nicht gegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine Mindestarbeitszeit nach der BKV nicht gefordert werde und auch der zeitlichen Dauer der beruflichen Tätigkeit mit schädigenden Maschinen müsse vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen ausgegangen werden. Die vom SG vorgebrachten medizinischen Bedenken seien gerichtsärztlich hinsichtlich eines denkbaren Ursachenzusammenhanges nicht überprüft worden.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und weitere medizinische Unterlagen eingeholt (Klinik für Handchirurgie Bad N. , Deutsche Rentenversicherung Ober- und Mittelfranken). Auf Veranlassung des Senats hat Prof. Dr. M. das handchirurgische Gutachten vom 21.09.2006/23.05.2007 nach Aktenlage erstellt. Verantwortlich für die Entstehung einer Lunatum-Malazie sei eher die extreme Streckstellung und Kompression des Handgelenkes als die Vibration. Bei dem Kläger sei für den ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit einerseits die langjährige Tätigkeit (über 12 Jahre) mit Druckluft- und Rüttelmaschinen anzuführen, andererseits könnten andere mögliche Ursachen für die Entstehung der Lunatum-Malazie ausgeschlossen werden. Nicht gefolgt werden könne den medizinischen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils. Die Folgen der BK Nr 2103 seien wie folgt zu bezeichnen: Mehrere reizlose Narben im Bereich des rechten Handgelenkes, deutliche Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Handgelenkes in allen Richtungen, Herabsetzung der groben Kraft der rechten Hand, arthrotische Veränderungen im Bereich des distalen Radioulnargelenkes und des Radiocarpalgelenkes mit gelenknaher Demineralisierung sowie glaubhafte Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenkes. Auszugehen sei von einer MdE in Höhe von 20 vH.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.04.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 21.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr 2103 BKV anzuerkennen und dem Kläger eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 vH nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.04.2005 zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien und bezieht sich auf den Bericht des TAD vom 22.06.2001. Ergänzend führt sie aus, dass nach der Neufassung des Merkblatts zur BK Nr 2103 eine Gefährdung erst dann anzunehmen sei, wenn mindestens 2 Jahre und darin arbeitstäglich (an 220 Tagen/Jahr) mehrstündig (mind. 2 Std./Tag) mit Stemmwerkzeugen gearbeitet worden sei (Stellungnahme des TAD vom 13.12.2006). Bodenverdichter, wie Vibrationsstampfer und -platten zählten nur dann zu den gefährdenden Maschinen, sofern die übertragenden Schwingungen in dem schädigenden Frequenzbereich liegen. Zwar würden diese Maschinen die Oberflächen mit Frequenzen zwischen 50 und 60 Hz verdichten, jedoch sei davon auszugehen, dass diese Frequenzen nicht an den Bedienelementen der Maschinen auftreten (Stellungnahme des TAD vom 23.03.2007).
Der Kläger führt noch aus, dass sich der TAD der Beklagten in der Stellungnahme vom 22.06.2001 zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen auf eine Einzelmeinung und nicht auf einen bestehenden wissenschaftlichen Konsens stütze. Das Merkblatt zu BK Nr 2103 nenne als gefährdende Tätigkeit auch den Umgang mit Vibrationsstampfern und Bodenverdichtern, sofern die übertragenen Schwingungen in schädigendem Frequenzbereich liegen. Im Zeitraum 1984 bis 1998 habe er täglich zwischen 4 bis 6 Stunden an stark vibrierenden handgeführten Geräten gearbeitet. Daneben habe er 2 Stunden täglich Pressluft- bzw. Bohrhammer sowie Schlagbohrer bedient. Auf das Kriterium einer Gesamtbelastungsdosis könne nicht abgestellt werden. Das Merkblatt zu BK Nr 2103 führe aus, dass eine kumulative Dosis der Schwingungsbelastung, die als Richtwert für die Begründung einer Erkrankung herangezogen werden könnte, nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht festzulegen sei. Nach den gehörten Sachverständigen spreche nach Ausschluss konkurrierender Ursachen mehr dafür als dagegen, dass die Lunatum-Malazie an der beruflich beanspruchten Gebrauchshand des Klägers durch schädigende Einwirkungen im Sinne der BK Nr. 2103 BKV entstanden sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch begründet. Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide sind aufzuheben, da diese rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Die Beklagte hat unzutreffend die Anerkennung der BK Nr 2103 und Gewährung einer Rente versagt.
Nach § 56 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der vorliegend in Streit stehenden BK sind erfüllt. Sie ergeben sich aus § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2103 der Anlage zur BKV.
Die BK Nr 2103 erfasst Erkrankungen durch Erschütterungen bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen. Durch die unbestimmte Bezeichnung des Krankheitsbildes "Erkrankungen durch" werden vom Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten in die Anerkennung einbezogen, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass insoweit weitere Einschränkungen gemacht werden. Insofern ist der Tatbestand der BK hinsichtlich des Krankheitsbildes offen formuliert.
Voraussetzung für die Anerkennung einer Erkrankung als BK im Fall einer "offenen BK" ist zunächst, dass die im Tatbestand der BK genannten schädigenden Einwirkungen generell geeignet sind, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern (1). Zum anderen muss die geltend gemachte Erkrankung konkret-individuell durch die genannten Einwirkungen wesentlich verursacht bzw verschlimmert worden (2) und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein (3). Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß iS des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R; BSG Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R = SozR 4-2700 § 9 Nr 7).
(1) Nach den Ausführungen der gehörten Sachverständigen - und auch insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig - sind die in der BK Nr 2103 bezeichneten Einwirkungen generell geeignet, die beim Kläger bestehende Lunatum-Malazie zu verursachen. Nach dem Merkblatt zu der BK Nr 2103 (BArbBl 3/2005 S 51) kommen die von der BK erfassten Erkrankungen bei Arbeiten mit bestimmten Werkzeugen oder Maschinen vor, die durch Vibrationen mit vorrangig tiefen Frequenzanteilen (8-50 Hz) erzeugte Schwingungsenergie über die Handgriffe auf das Hand-Arm-Schulter-System übertragen. Längere Einwirkungen solcher "Hand-Arm-Schwingungen" können pathologische Veränderungen an den Gelenken und Knochen des Hand-Arm-Schulter-Systems verursachen. Zu der Pathophysiologie wird im Merkblatt angeführt, dass sich die Vibrationsschäden am Handgelenk, am Ellenbogengelenk und am Schultereckgelenk manifestieren können. Es entwickeln sich typischerweise degenerative Veränderungen (Arthrosis deformans). Neben diesen degenerativen Veränderungen der Gelenke können Sonderformen der vibrationsinduzierten Schädigungen auftreten, zu denen die aseptische Nekrose des Os lunatum (Synonyme: Mondbeinnekrose, Lunatummalazie, Kienböck Krankheit) zählt. Ergänzend wird erläutert, dass die aseptische Nekrose des Mondbeines vorwiegend bei Beschäftigten nachgewiesen wurde, die mit Drucklufthämmern arbeiteten.
(2) Nicht zu folgen vermag der Senat den Ausführungen des SG, dass aus medizinischer Sicht Zweifel an einer wesentlichen Verursachung der Lunatum-Malazie durch die in der BK Nr 2103 bezeichneten Erschütterungen bestehen. Prof. Dr. M. hat in Übereinstimmung mit Dr.K. und Dr.S. überzeugend darauf verwiesen, dass andere mögliche Ursachen für eine Entstehung der Lunatum-Malazie ausgeschlossen werden können. Das Nichtvorhandensein von begleitenden degenerativen Veränderungen an weiteren Körperstellen, die ebenfalls den Vibrationserschütterungen ausgesetzt waren, stehe der Annahme einer Verursachung nicht entgegen. Auch die vom SG genannten Literaturstellen sprechen von einem entweder oder und nicht von einem Zusammentreffen von sämtlichen Erkrankungen, die bei der Arbeit mit Vibrationsmaschinen auftreten können. Weiter hat Prof. Dr.M. herausgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lunatum-Malazie und den vom SG genannten "konkurrierenden" Erkrankungen nicht bekannt ist und in der Literatur nicht erwähnt wird. Prof. Dr. M. ist der Annahme entgegengetreten, dass aufgrund an der rechten oberen Extremität und insbesondere am Unterarm stattgehabter Verletzungen auch eine unerkannte traumatische Verletzung der Handwurzelknochen entstanden sein könnte. Wenn in der Literatur von Trauma als Ursache für die Lunatum-Malazie gesprochen wird, dann von einem Trauma mit Fraktur des Mondbeins oder Zerreißung der dazugehörigen Bandstrukturen und nicht von irgendeinem Trauma weit weg vom Handgelenk. Eine solche Verletzung ist auch gravierend und bleibt nicht unerkannt.
(3) Letztlich ist auch davon auszugehen, dass die schädigenden Einwirkungen durch die vom Kläger ausgeübte, versicherte Tätigkeit verursacht wurden. Die Beklagte hat das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen unzutreffend verneint. Nicht zu folgen vermag der Senat den Ausführungen der Beklagten, dass die vom Kläger benutzten Bodenverdichtungsgeräte (Vibrationsplatten, Vibrationsstampfer) nicht geeignet seien, schädigende Einwirkungen iS der BK Nr 2103 zu verursachen. Nach dem Merkblatt zu BK Nr 2103 (BArbBl 3/2005 S 51) können die schädigenden Vibrationen durch maschinenbetriebene, handgeführte Geräte verursacht werden. Gefahrenquellen sind z.B. bei Arbeiten mit schlagenden Werkzeugen, Geräten oder Maschinen gegeben, zu denen u.a. Aufbruchhämmer, Abbauhämmer, schwere Meißelhämmer, Gleisstopfer, Bohrhämmer, Vibrationsstampfer und Bodenverdichter zählen. Zwar ist eine Eignung dann abzulehnen, falls die übertragenen Schwingungen nicht vorrangig in dem Frequenzbereich 8 bis 50 Hz liegen. Hiervon kann jedoch vorliegend ausgegangen werden, da die Hauptfrequenzbereiche für Vibrationsplatten, Vibrationswalzen und Vibrationsstampfer auch mit weniger oder gleich 50 Hz angegeben werden (Konietzko, Dupuis, Handbuch der Arbeitsmedizin - IV-3.4.1 Tabelle 1). Dass die Bodenverdichtungsgeräte generell nicht geeignet seien, eine Erkrankung im Sinne der BK Nr 2103 zu verursachen, ergibt sich aus dem Merkblatt nicht. Vielmehr werden dort Vibrationsstampfer und Bodenverdichter ausdrücklich als Gefahrenquellen genannt. Insofern können im Bereich des Straßenbaus Arbeiten mit Stampfern, Rüttelplatten und Vibrationswalzen erkrankungsursächlich sein (vgl Lauterbach, Kommentar zum SGB VII, 4. Auflage März 2006, § 9 Anh IV, 2103 Rdnr 5). Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Ausführungen des Prof. Dr.M. nach denen für die Entstehung einer Lunatum-Malazie eher die extreme Streckstellung und Kompression des Handgelenks als die Vibration verantwortlich ist. Hieraus folgt nicht zwingend, dass die Benutzung von Bodenverdichtungsgeräten generell ungeeignet ist, die schädigenden Einwirkungen hervorzurufen. Nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sich aus dem aktuellen Merkblatt des zuständigen Bundesministeriums ergeben (vgl BSG Urteil vom 27.06.2006 aaO) ist davon auszugehen, dass nicht nur die Stemmwerkzeuge, sondern auch die Bodenverdichtungsgeräte zu den Geräten zählen, die die schädigenden Einwirkungen hervorrufen können.
Der Senat folgt weiter nicht dem von der Beklagten aufgestellten Erfordernis einer Mindestexpositionszeit. Eine anerkannte Systematik zur Ermittlung der Exposition gibt es bislang nicht. Auch die Definition einer Mindestexpositionszeit ist derzeit kaum möglich (Lauterbach Rdnr 5 aaO). Nähere Erfahrungen zu dem von Dupuis/Hartung/Konietzko vorgeschlagenen Dosismodell sind bislang nicht bekannt geworden (Lauterbach aaO). Obgleich dem Kläger zuzugeben ist, dass aus dem Wortlaut der Nr 2103 das Erfordernis einer Mindestbelastungsdosis nicht zu entnehmen ist, kann aus dem Fehlen einer Angabe zum Grad der erforderlichen Einwirkungen noch nicht schlichtweg gefolgert werden, dass die Vibrationen/Einwirkungen bei der Arbeit mit Druckluftwerkzeugen unabhängig von ihrer Intensität und Stärke als geeignet anzusehen sind, die Erkrankungen zu verursachen. Das BSG hat darauf hingewiesen, dass der Verordnungsgeber bei der Formulierung der BK-Tatbestände vielfach bewusst auf die Angabe konkreter Belastungsarten und Belastungsgrenzwerte verzichtet und stattdessen auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet hat, um bei der späteren Rechtsanwendung Raum für die Berücksichtigung neuer, nach Erlass der Verordnung gewonnener oder bekannt gewordener wissenschaftlicher Erkenntnisse zu lassen (vgl BSG Urteil vom 27.06.2006 aaO). Es ist daher grundsätzlich notwendig, auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse festzustellen, wie danach die beruflichen Einwirkungen beschaffen sein müssten, um die betreffende Krankheit hervorrufen zu können. Hierzu können einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums, zu der betreffenden BK herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden (BSG Urteil vom 27.06.2006 aaO). Das Merkblatt zu BK Nr 2103 führt unter IV. aus, dass für die Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen davon ausgegangen wird, dass die degenerativen Veränderungen von der Dauer und der Intensität der Schwingungsbelastung sowie von der Stärke der Ankopplung der Hände an den vibrierenden Handgriffen abhängig sind. Eine kumulative Dosis der Schwingungsbelastung des Hand-Arm-Systems, die als Richtwert für die Begründung einer Erkrankung iSd BK Nr 2103 herangezogen werden könnte, lässt sich nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht festlegen. Demnach ist es nicht möglich, das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen von dem Erreichen einer Mindestexpositionszeit abhängig zu machen. Insofern wird in dem Merkblatt weiter angegeben, dass für die Mondbeinnekrose (Lunatum-Malazie) Mindestexpositionszeiten derzeit nicht bekannt sind. Allerdings ist der ebenfalls im Merkblatt enthaltene Hinweis zu berücksichtigen, dass die Erkrankungen an den Gelenken in der Regel nicht vor Ablauf einer mindestens zweijährigen regelmäßig durchgeführten Arbeit auftreten. Dies ist allerdings als allgemeiner, im Einzelfall widerlegbarer Erfahrungswert zu verstehen, dass nach zweijähriger Druckluftarbeit der Kausalzusammenhang zwischen dieser Tätigkeit und der Erkrankung im Allgemeinen gegeben ist (Mertens/Brandenburg, BKV Rdnr 4 zu M 2103). Der Erfahrungswert dient der Abgrenzung der richtunggebenden Verschlimmerung der anlagebedingten Bindegewebsschwäche von anderen nicht wesentlichen Einflüssen. Unabhängig davon, ob dieses zeitliche Erfordernis beim Kläger erfüllt ist (so aber die Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 19.06.1998), ist demnach entscheidend davon auszugehen, dass die vom Kläger verrichtete Arbeit mit Druckluftwerkzeugen geeignet ist, die Lunatum-Malazie zu verursachen und nach den Feststellungen der gehörten Sachverständigen andere mögliche Ursachen für die Entstehung der Lunatum-Malazie ausgeschlossen sind.
Hinsichtlich der MdE-Einschätzung ist nach den Ausführungen des Dr.K. und des Prof. Dr.M. von einer MdE in Höhe von 20 vH auszugehen. Dies steht in Übereinstimmung mit den Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl Mehrhoff/Meindl/Muhr Unfallbegutachtung 11.Auflage Teil 2 Ziff 2.11 S 164).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und zwar insbesondere zu der Frage, ob Feststellungen zu Art und Umfang der schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK Nr 2103 auch dann erforderlich sind, wenn nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen (Merkblatt des zuständigen Bundesministeriums) eine Mindestexposition nicht gefordert wird.
Rechtskraft
Aus
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FSB
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