Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 342/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 358/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.09.2005 sowie der Bescheid vom 05.04.2004 in Gestalt des Widerspruchslbescheids vom 18.08.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin wegen der Berufskrankheit Nr. 5101 der BKV eine Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. ab 01.10.2002 zu gewähren.
II. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf Grund der von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit (BK) der Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1945 geborene Klägerin war nach dem Ende ihrer Schulzeit von April 1962 bis Juni 1975 zunächst als Drogistin und Kosmetikerin beschäftigt, ab Juli 1975 bis zur Aufgabe dieses Berufs im März 1995 als EEG-Assistentin im Städtischen Krankenhaus S ... Im November 1994 erkrankte die Klägerin erstmals an einem Hautekzem. Nach Einholung von Befundberichten der Dres. P., S. , R. , I. und eines hautärztlichen Sachverständigengutachtens der Dr.H. erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 03.02.1997 eine BK der Nr. 5101 der BKV an und gewährte eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. Als Folge der BK erkannte sie an: "Polyvalente Typ IV-Sensibilisierung gegenüber Nickel, Kobalt, Chromate, Latex und Pirmin".
Zur Überprüfung des Sachverhalts holte die Beklagte ein Sachverständigengutachten des Hautarztes Dr.H. vom 29.12.1998/28.09.1999 ein. Dieser stellte fest, dass eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Berufstypische Sensibilisierungen seien nicht reproduzierbar, insbesondere nicht die Kontaktsensibilisierung hinsichtlich Latex und Neomycinsulfat. Die MdE betrage deshalb 10 v.H. Daraufhin entzog die Beklagte mit Bescheid vom 22.02.1999 die Verletztenrente mit Wirkung vom 01.03.1999 nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie nach Einholung eines weiteren Befundberichtes der Dr. R. , der Beiziehung eines Rentengutachtens des Internisten Dr. S. vom 24.01.2000 und der Einholung eines hautärztlichen Sachverständigengutachtens der Dr.H. vom 01.08.2000 (MdE 10 v.H.) mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2001 zurück. Die Folgen der als BK anerkannten Hautkrankheit seien weitestgehend abgeklungen. Die MdE betrage berufsbedingt lediglich 10 v.H.
Am 30.09.2002 stellte die Klägerin einen neuen Antrag auf Gewährung einer Verletztenrente wegen einer neuerlichen Verschlimmerung ihrer Erkrankung, die im Rahmen einer Begutachtung wegen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Vergleich mit 1998 festgestellt worden sei. Die Beklagte holte zur Aufklärung des Sachverhaltes Befundberichte des Dr.S. vom 15.10.2002 sowie der Hautärzte Dr.H./Dr.B. vom 22.10.2002 sowie ein Attest des Dr.P. vom 31.03.2003 (keine Verschlimmerung der berufsbedingten Krankheitsbilder) ein und ein Gutachten des Prof.Dr.P. ohne erneute Testungen vom 03.01.2004, der am 09.10.2001 bereits ein Rentengutachten in einem Rechtsstreit der Klägerin mit der Gesetzlichen Rentenversicherung (SG Augsburg, 5 RA 180/97) erstellt hatte. Prof. Dr.P. kam zu dem Ergebnis, dass sich im Vergleich zu seiner Begutachtung vom 09.10.2001 keine neuen Tatsachen ergeben hätten. In diesem Gutachten hatte er nach Epikutantestungen eine Kontaktsensibilisierung vom Typ IV gegenüber Kaliumdichromat und Primin bestätigt.
Daraufhin lehnte die Beklagte eine Renten-Neugewährung mit Bescheid vom 05.04.2004 ab, da eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Feststellung (§ 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -) nicht gegeben sei. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2004 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 05.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren. Das SG hat die Klage nach Beiziehung eines Befundberichtes der Dres.H./B. vom 10.03.2005/16.06.2005 durch Gerichtsbescheid vom 19.09.2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach Mitteilung der Dr.B. (später R.) keine wesentliche Änderung festzustellen sei.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und eine erneute Begutachtung verlangt. Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung eines dermatologischen Sachverständigengutachtens des Prof.Dr.P. vom 02.05.2006/08.01.2007. Prof.P. hat nach neuerlicher Testung der Klägerin eine Kontaktsensibilisierung vom Spättyp gegenüber Kaliumdichromat, Primin, Gallussäureester, Arnikablütenextrakt sowie Kompositenmix, ferner rezidivierende allergische Kontaktexzeme an den Händen, Unterarmen, Gesicht und Dekollete diagnostiziert. Er hat festgestellt, dass die Klägerin sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als EEG-Assistentin gegenüber verschiedenen Kontaktallergenen sensibilisiert habe. Bei ihr liege eine latente Kontaktsensibilisierung vor, die als erworbene Änderung der Immunitätslage in der Regel ein Leben lang erhalten bliebe. Daher sei eine bestmögliche Allergenkarenz lebenslänglich im beruflichen und privaten Umfeld zu empfehlen. Die Sensibilisierung bezüglich Gallussäureester und Arnikablütenextrakt sei wahrscheinlich auf die langjährige Tätigkeit der Klägerin als Drogistin zurückzuführen. Besonders hervorzuheben sei die Sensibilisierung vom Spättyp auf Kaliumdichromat, das in Spuren sowohl in technischen Produkten als auch Gegenständen des täglichen Bedarfs sehr weit verbreitet sei. Vielfältige Kontaktmöglichkeiten bestünden im beruflichen wie im häuslichen Umfeld. Hinsichtlich des Kompositenmixes bestünde eine sog. Propfallergie zu der bereits bestehenden Sensibilisierung gegenüber Primin und Arnikablütenextrakt. Die MdE betrage ab 30.09.2003 25 v.H. Eine atopische Veranlagung habe sich bei der Klägerin nicht belegen lassen.
Die Beklagte hat Stellungnahmen des Dr.F. vom 20.07.2006 und 16.03.2007 vorgelegt. Weitere Ermittlungen seien hinsichtlich der atopischen Veranlagung der Klägerin erforderlich, da Dr.H. und Dr.H. in ihren Gutachten jeweils von einem hohen Atopiescore und damit einer atopischen Diathese ausgegangen seien. Eine weitere Aufklärung sei erforderlich. Soweit Prof.P. darauf hinweise, dass die Sensibilisierung gegen Arnikablütenextrakt, Gallussäureester und Kompositenmix mit hoher Wahrscheinlichkeit im Rahmen der langjährigen Tätigkeit als Drogistin und Kosmetikerin erworben worden sei, spräche dies gegen eine Kausalität der Tätigkeit als EEG-Assistentin. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass zwischen der Aufgabe der Tätigkeit als Drogistin und dem ersten Auftreten der Hauterscheinungen 19 Jahre lagen. Kaliumchromat sei sowohl im beruflichen als auch im häuslichen Bereich gegeben. Insbesondere im Hinblick auf die fragliche berufliche Relevanz der nachgewiesenen Sensibilisierungen bestünden Zweifel, ob die MdE von 25 gerechtfertigt sei.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.09.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 aufzu-heben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. ab 01.10.2002 wegen der gesundheitlichen Folgen der anerkannten Berufskrank-heit Nr. 5101 der Berufskrankheitenverordnung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.09.2005 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, form- und fristgerecht erhobene Berufung ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. wegen der Folgen der mit Bescheid vom 03.02.1997 anerkannten Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.09.2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 sind deshalb rechtswidrig und aufzuheben.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin auf Grund der mit Bescheid vom 03.02.1997 anerkannten Berufskrankheit Nr. 5101 der BKV eine MdE von 25 v.H. hat.
Dieser Anerkennungsbescheid ist bestandskräftig. Damit steht bindend fest, dass die Klägerin an einer beruflich durch die Tätigkeit als EEG-Assistentin verursachten polyvalenten Typ-IV-Sensibilisierung gegenüber Nickel, Kobalt, Chromaten, Latex und Pirmin leidet. Mit dem Bescheid vom 22.02.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2001 hat die Beklagte der Klägerin lediglich die Verletztenrente entzogen, weil nach den damaligen Ermittlungen eine MdE in rentenberechtigendem Maße nicht mehr erreicht wurde, nicht jedoch die Anerkennung einer BK oder der Folgen dieser BK aufgehoben. Deshalb sind die Feststellungen im Bescheid vom 03.02.1997 für die Beteiligten nach wie vor bindend. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die Typ-IV-Sensibilisierung gegenüber Chromaten, also auch Kaliumchromat, Folge der Berufskrankheit ist. Diese Sensibilisierung ist also beruflich verursacht. Damit ist rechtlich unerheblich, ob die Klägerin eine atopische Disposition ("atopische Diathese") hat, worauf der Beratungsarzt der Beklagten Dr. F. hinweist. Eine weitere Aufklärung ist deshalb nicht entscheidungserheblich, wobei der Senat zusätzlich darauf hinweist, dass die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. , nach denen keine atopische Diathese vorliegt, medizinisch-wissenschaftlich überzeugend sind und auch deshalb keine weitere Aufklärung mehr notwendig ist.
Da die berufliche Verursachung der Typ-IV-Sensibilisierung gegenüber Kaliumchromat von der Beklagten bestandskräftig anerkannt ist, ist es nicht entscheidend, dass dieser Stoff auch im privaten Umfeld weit verbreitet ist, wie die Beklagte meint. Weitere Ermittlungen des Senats zur Verwendung von Kaliumchromat im Tätigkeitsbereich einer EEG-Assistentin waren daher nicht veranlasst.
Aufgrund der Kaliumchromat-Sensibilisierung, an der die Klägerin weiterhin leidet, wie Prof. Dr. P. nachgewiesen hat, liegt eine MdE von 25 v.H. vor.
Die Bemessung des Grades der MdE, also die auf Grund von § 56 Abs.2 SGB VII durch Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperli-chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine tatsächliche Feststellung, die vom Gericht gemäß § 128 Abs.1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung getroffen wird. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sie die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (BSGE SozR 3-2200 § 581 Nr.8 m.w.N.). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Hierbei sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (BSG SozR 2200 § 581 Nrn.23 und 27, SozR 3-2200 § 581 Nrn.5 und 8; BSG, Urteil vom 18.03.2003, B 2 U 31/02 R). Die Feststellung der Höhe der MdE erfordert als tatsächliche Feststellung stets eine Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs.1 Satz 1 SGG.
In der gesetzlichen Unfallversicherung haben sich im Laufe der Zeit bei einer Vielzahl von Unfallfolgen oder Berufskrankheiten für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet, die in Form von sog. Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst sind und als Anhaltspunkte für die MdE-Einschätzung im Einzelfall dienen. Die MdE bei Hauerkrankungen ist anhand der im Bamberger Merkblatt, Begutachtungsempfehlungen für die Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV, zu bestimmen.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze geht der Senat davon aus, dass bei der Klägerin eine MdE von 25 v. H. vorliegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin dem Allergikum Kaliumchromat kaum entrinnen kann, da dieses auch im privaten Bereich weit verbreitet ist und damit immer wieder Krankheitsschübe ausgelöst werden. Ist ein einzelner Stoff weit verbreitet, liegen nach dem Bamberger Merkblatt mittlere Auswirkungen der Allergie vor. Dies hat Prof. Dr. P. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt. Da das Ausmaß der Hauterscheinungen ebenfalls mittel ist - die Klägerin leidet unter häufig auftretenden Rezidiven, die wiederholte Rückfälligkeit spricht für die Schwere der Erkrankung, wie Prof. Dr. P. dargelegt hat -, ist eine MdE von 25 v.H. nach den Empfehlungen im Bamberger Merkblatt angemessen. Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. sind damit für den Senat in vollem Umfang nachvollziehbar.
Die Rente ist ab dem 01.10.2002 zu leisten, da der Antrag am 30.9.2002 gestellt wurde (§ 72 Abs. 1 SGB VII).
Der Antrag der Klägerin vom 30.09.2002 ist auch unter Berücksichtigung der sehr weitreichenden Rechtsprechung des BSG zur Auslegung von Anträgen nach § 44 SGB X (BSGE 49, 85; vgl. auch Wiesner in: v.Wulffen, SGB X, § 44 Anm. 2) nicht als Antrag auf Rücknahme der Rentenentziehung mit Bescheid vom 22.02.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2001 auszulegen. Die Telefonnotiz der Beklagten über ein Informationsgespräch mit dem Ehemann der Klägerin am 09.09.2002 weist auf einen Antragswillen wegen einer Verschlimmerung hin.
Die Klägerin hat im Ergebnis einen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. ab 01.10.2002. Ihrer Berufung war deshalb stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Die Revision wird nicht zugelassen.
II. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf Grund der von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit (BK) der Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1945 geborene Klägerin war nach dem Ende ihrer Schulzeit von April 1962 bis Juni 1975 zunächst als Drogistin und Kosmetikerin beschäftigt, ab Juli 1975 bis zur Aufgabe dieses Berufs im März 1995 als EEG-Assistentin im Städtischen Krankenhaus S ... Im November 1994 erkrankte die Klägerin erstmals an einem Hautekzem. Nach Einholung von Befundberichten der Dres. P., S. , R. , I. und eines hautärztlichen Sachverständigengutachtens der Dr.H. erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 03.02.1997 eine BK der Nr. 5101 der BKV an und gewährte eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. Als Folge der BK erkannte sie an: "Polyvalente Typ IV-Sensibilisierung gegenüber Nickel, Kobalt, Chromate, Latex und Pirmin".
Zur Überprüfung des Sachverhalts holte die Beklagte ein Sachverständigengutachten des Hautarztes Dr.H. vom 29.12.1998/28.09.1999 ein. Dieser stellte fest, dass eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Berufstypische Sensibilisierungen seien nicht reproduzierbar, insbesondere nicht die Kontaktsensibilisierung hinsichtlich Latex und Neomycinsulfat. Die MdE betrage deshalb 10 v.H. Daraufhin entzog die Beklagte mit Bescheid vom 22.02.1999 die Verletztenrente mit Wirkung vom 01.03.1999 nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie nach Einholung eines weiteren Befundberichtes der Dr. R. , der Beiziehung eines Rentengutachtens des Internisten Dr. S. vom 24.01.2000 und der Einholung eines hautärztlichen Sachverständigengutachtens der Dr.H. vom 01.08.2000 (MdE 10 v.H.) mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2001 zurück. Die Folgen der als BK anerkannten Hautkrankheit seien weitestgehend abgeklungen. Die MdE betrage berufsbedingt lediglich 10 v.H.
Am 30.09.2002 stellte die Klägerin einen neuen Antrag auf Gewährung einer Verletztenrente wegen einer neuerlichen Verschlimmerung ihrer Erkrankung, die im Rahmen einer Begutachtung wegen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Vergleich mit 1998 festgestellt worden sei. Die Beklagte holte zur Aufklärung des Sachverhaltes Befundberichte des Dr.S. vom 15.10.2002 sowie der Hautärzte Dr.H./Dr.B. vom 22.10.2002 sowie ein Attest des Dr.P. vom 31.03.2003 (keine Verschlimmerung der berufsbedingten Krankheitsbilder) ein und ein Gutachten des Prof.Dr.P. ohne erneute Testungen vom 03.01.2004, der am 09.10.2001 bereits ein Rentengutachten in einem Rechtsstreit der Klägerin mit der Gesetzlichen Rentenversicherung (SG Augsburg, 5 RA 180/97) erstellt hatte. Prof. Dr.P. kam zu dem Ergebnis, dass sich im Vergleich zu seiner Begutachtung vom 09.10.2001 keine neuen Tatsachen ergeben hätten. In diesem Gutachten hatte er nach Epikutantestungen eine Kontaktsensibilisierung vom Typ IV gegenüber Kaliumdichromat und Primin bestätigt.
Daraufhin lehnte die Beklagte eine Renten-Neugewährung mit Bescheid vom 05.04.2004 ab, da eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Feststellung (§ 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -) nicht gegeben sei. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2004 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 05.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren. Das SG hat die Klage nach Beiziehung eines Befundberichtes der Dres.H./B. vom 10.03.2005/16.06.2005 durch Gerichtsbescheid vom 19.09.2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach Mitteilung der Dr.B. (später R.) keine wesentliche Änderung festzustellen sei.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und eine erneute Begutachtung verlangt. Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung eines dermatologischen Sachverständigengutachtens des Prof.Dr.P. vom 02.05.2006/08.01.2007. Prof.P. hat nach neuerlicher Testung der Klägerin eine Kontaktsensibilisierung vom Spättyp gegenüber Kaliumdichromat, Primin, Gallussäureester, Arnikablütenextrakt sowie Kompositenmix, ferner rezidivierende allergische Kontaktexzeme an den Händen, Unterarmen, Gesicht und Dekollete diagnostiziert. Er hat festgestellt, dass die Klägerin sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als EEG-Assistentin gegenüber verschiedenen Kontaktallergenen sensibilisiert habe. Bei ihr liege eine latente Kontaktsensibilisierung vor, die als erworbene Änderung der Immunitätslage in der Regel ein Leben lang erhalten bliebe. Daher sei eine bestmögliche Allergenkarenz lebenslänglich im beruflichen und privaten Umfeld zu empfehlen. Die Sensibilisierung bezüglich Gallussäureester und Arnikablütenextrakt sei wahrscheinlich auf die langjährige Tätigkeit der Klägerin als Drogistin zurückzuführen. Besonders hervorzuheben sei die Sensibilisierung vom Spättyp auf Kaliumdichromat, das in Spuren sowohl in technischen Produkten als auch Gegenständen des täglichen Bedarfs sehr weit verbreitet sei. Vielfältige Kontaktmöglichkeiten bestünden im beruflichen wie im häuslichen Umfeld. Hinsichtlich des Kompositenmixes bestünde eine sog. Propfallergie zu der bereits bestehenden Sensibilisierung gegenüber Primin und Arnikablütenextrakt. Die MdE betrage ab 30.09.2003 25 v.H. Eine atopische Veranlagung habe sich bei der Klägerin nicht belegen lassen.
Die Beklagte hat Stellungnahmen des Dr.F. vom 20.07.2006 und 16.03.2007 vorgelegt. Weitere Ermittlungen seien hinsichtlich der atopischen Veranlagung der Klägerin erforderlich, da Dr.H. und Dr.H. in ihren Gutachten jeweils von einem hohen Atopiescore und damit einer atopischen Diathese ausgegangen seien. Eine weitere Aufklärung sei erforderlich. Soweit Prof.P. darauf hinweise, dass die Sensibilisierung gegen Arnikablütenextrakt, Gallussäureester und Kompositenmix mit hoher Wahrscheinlichkeit im Rahmen der langjährigen Tätigkeit als Drogistin und Kosmetikerin erworben worden sei, spräche dies gegen eine Kausalität der Tätigkeit als EEG-Assistentin. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass zwischen der Aufgabe der Tätigkeit als Drogistin und dem ersten Auftreten der Hauterscheinungen 19 Jahre lagen. Kaliumchromat sei sowohl im beruflichen als auch im häuslichen Bereich gegeben. Insbesondere im Hinblick auf die fragliche berufliche Relevanz der nachgewiesenen Sensibilisierungen bestünden Zweifel, ob die MdE von 25 gerechtfertigt sei.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.09.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 aufzu-heben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. ab 01.10.2002 wegen der gesundheitlichen Folgen der anerkannten Berufskrank-heit Nr. 5101 der Berufskrankheitenverordnung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.09.2005 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, form- und fristgerecht erhobene Berufung ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. wegen der Folgen der mit Bescheid vom 03.02.1997 anerkannten Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.09.2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 sind deshalb rechtswidrig und aufzuheben.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin auf Grund der mit Bescheid vom 03.02.1997 anerkannten Berufskrankheit Nr. 5101 der BKV eine MdE von 25 v.H. hat.
Dieser Anerkennungsbescheid ist bestandskräftig. Damit steht bindend fest, dass die Klägerin an einer beruflich durch die Tätigkeit als EEG-Assistentin verursachten polyvalenten Typ-IV-Sensibilisierung gegenüber Nickel, Kobalt, Chromaten, Latex und Pirmin leidet. Mit dem Bescheid vom 22.02.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2001 hat die Beklagte der Klägerin lediglich die Verletztenrente entzogen, weil nach den damaligen Ermittlungen eine MdE in rentenberechtigendem Maße nicht mehr erreicht wurde, nicht jedoch die Anerkennung einer BK oder der Folgen dieser BK aufgehoben. Deshalb sind die Feststellungen im Bescheid vom 03.02.1997 für die Beteiligten nach wie vor bindend. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die Typ-IV-Sensibilisierung gegenüber Chromaten, also auch Kaliumchromat, Folge der Berufskrankheit ist. Diese Sensibilisierung ist also beruflich verursacht. Damit ist rechtlich unerheblich, ob die Klägerin eine atopische Disposition ("atopische Diathese") hat, worauf der Beratungsarzt der Beklagten Dr. F. hinweist. Eine weitere Aufklärung ist deshalb nicht entscheidungserheblich, wobei der Senat zusätzlich darauf hinweist, dass die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. , nach denen keine atopische Diathese vorliegt, medizinisch-wissenschaftlich überzeugend sind und auch deshalb keine weitere Aufklärung mehr notwendig ist.
Da die berufliche Verursachung der Typ-IV-Sensibilisierung gegenüber Kaliumchromat von der Beklagten bestandskräftig anerkannt ist, ist es nicht entscheidend, dass dieser Stoff auch im privaten Umfeld weit verbreitet ist, wie die Beklagte meint. Weitere Ermittlungen des Senats zur Verwendung von Kaliumchromat im Tätigkeitsbereich einer EEG-Assistentin waren daher nicht veranlasst.
Aufgrund der Kaliumchromat-Sensibilisierung, an der die Klägerin weiterhin leidet, wie Prof. Dr. P. nachgewiesen hat, liegt eine MdE von 25 v.H. vor.
Die Bemessung des Grades der MdE, also die auf Grund von § 56 Abs.2 SGB VII durch Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperli-chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine tatsächliche Feststellung, die vom Gericht gemäß § 128 Abs.1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung getroffen wird. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sie die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (BSGE SozR 3-2200 § 581 Nr.8 m.w.N.). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Hierbei sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (BSG SozR 2200 § 581 Nrn.23 und 27, SozR 3-2200 § 581 Nrn.5 und 8; BSG, Urteil vom 18.03.2003, B 2 U 31/02 R). Die Feststellung der Höhe der MdE erfordert als tatsächliche Feststellung stets eine Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs.1 Satz 1 SGG.
In der gesetzlichen Unfallversicherung haben sich im Laufe der Zeit bei einer Vielzahl von Unfallfolgen oder Berufskrankheiten für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet, die in Form von sog. Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst sind und als Anhaltspunkte für die MdE-Einschätzung im Einzelfall dienen. Die MdE bei Hauerkrankungen ist anhand der im Bamberger Merkblatt, Begutachtungsempfehlungen für die Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV, zu bestimmen.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze geht der Senat davon aus, dass bei der Klägerin eine MdE von 25 v. H. vorliegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin dem Allergikum Kaliumchromat kaum entrinnen kann, da dieses auch im privaten Bereich weit verbreitet ist und damit immer wieder Krankheitsschübe ausgelöst werden. Ist ein einzelner Stoff weit verbreitet, liegen nach dem Bamberger Merkblatt mittlere Auswirkungen der Allergie vor. Dies hat Prof. Dr. P. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt. Da das Ausmaß der Hauterscheinungen ebenfalls mittel ist - die Klägerin leidet unter häufig auftretenden Rezidiven, die wiederholte Rückfälligkeit spricht für die Schwere der Erkrankung, wie Prof. Dr. P. dargelegt hat -, ist eine MdE von 25 v.H. nach den Empfehlungen im Bamberger Merkblatt angemessen. Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. sind damit für den Senat in vollem Umfang nachvollziehbar.
Die Rente ist ab dem 01.10.2002 zu leisten, da der Antrag am 30.9.2002 gestellt wurde (§ 72 Abs. 1 SGB VII).
Der Antrag der Klägerin vom 30.09.2002 ist auch unter Berücksichtigung der sehr weitreichenden Rechtsprechung des BSG zur Auslegung von Anträgen nach § 44 SGB X (BSGE 49, 85; vgl. auch Wiesner in: v.Wulffen, SGB X, § 44 Anm. 2) nicht als Antrag auf Rücknahme der Rentenentziehung mit Bescheid vom 22.02.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2001 auszulegen. Die Telefonnotiz der Beklagten über ein Informationsgespräch mit dem Ehemann der Klägerin am 09.09.2002 weist auf einen Antragswillen wegen einer Verschlimmerung hin.
Die Klägerin hat im Ergebnis einen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. ab 01.10.2002. Ihrer Berufung war deshalb stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Die Revision wird nicht zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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