S 2 R 656/07 E

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 656/07 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 31.05.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2007 wird abgewiesen.
II. Der Streitwert wird auf 5.532,22 EUR festgesetzt.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Streitig sind Beitragsnachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung.

Der Kläger ist Inhaber eines Transportunternehmens, für das die Beigeladenen als Fahrer tätig waren. Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Zeit vom 01.07.2006 bis 30.04.2007 wertete die Beklagte die Fahrertätigkeiten der Beigeladenen, die keine eigenen Kraftfahrzeuge besitzen, aus. Die Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass die Beigeladenen in ab-hängigen Beschäftigungsverhältnissen stünden und damit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung unterlägen. Mit Anhörungsschreiben vom 01.02.2007 setzte die Beklagte den Kläger über den Sachverhalt in Kenntnis, dass die Beigeladenen und für den Kläger tätigen Fahrer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu ihm stünden. Beide Fahrer benützten jeweils betriebseigene Fahrzeuge.

Mit Bescheid vom 31.05.2007 forderte die Beklagte vom Kläger die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung von insgesamt 5.532,22 EUR. Nachdem die beiden beteiligten Krankenkassen zwischenzeitlich eine andere Entscheidung getroffen hatten, teilte die Beklagte mit, dass die AOK ihren ursprünglichen Bescheid bezüglich des Beigeladenen zu 2) mit Schreiben vom 28.03.2007 zurückgenommen habe und der Bescheid der DAK bezüglich des Beigeladenen zu 1) nach § 45 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 44 Abs. 3 SGB X hiermit durch die Beklagte zurückgenommen werde. Vertrauensschutz bestehe nicht, da der Kläger in dem Gespräch vom 07.04.2006 ausdrücklich auf die Sach- und Rechtslage hingewiesen worden sei.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren teilte der Kläger mit, dass weitere Ausführungen zum Sachstand nicht erfolgten und er bat um zügige Weiterleitung an den Widerspruchsausschuss und zügige Erstellung eines klagefähigen Widerspruchsbescheides.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Denn die Tätigkeit eines Kraftfahrers ohne eigenes Fahrzeug erfülle nicht die Voraussetzungen für eine selbständige Tätigkeit. Die unternehmerische Freiheit bestehe lediglich in der Entscheidung über die Annahme oder die Ablehnung eines entsprechenden Auftrags. Wenn jedoch ein Auftrag angenommen werde, sei der Fahrer in den betrieblichen Ablauf mit eingegliedert. Für die Eingliederung spreche auch der Umstand, dass den Fahrern Start und Endpunkt der Tour sowie evtl. Abholungs- und Anlieferungszeitpunkte von dem Auftraggeber vorgegeben worden seien. Schließlich hätten die eingesetzten Fahrer kein Unternehmerrisiko getragen. Sie seien weder finanziell an der klägerischen Firma noch an deren Gewinn oder Verlust beteiligt. Eigene finanzielle oder sonstige Betriebsmittel seien nicht eingebracht worden. Von wesentlicher Bedeutung sei der Umstand, dass die Fahrer über kein eigenes Fahrzeug verfügten. In allen vom Bundesarbeitsgericht in den letzten Jahren zur Abgrenzung Arbeitnehmer/Frachtführer positiv im Sinne der Selbständigkeit entschiedenen Fällen hätten die Fahrer über eigene Fahrzeuge verfügt. Die Beigeladenen hätten lediglich ihre Arbeitskraft geschuldet. Beim Einsatz der Arbeitskraft sei ihnen der Erfolg in Form der vereinbarten Vergütung gewiss gewesen. Damit hätten sie keinerlei unternehmerisches Risiko getragen. Dass die Beigeladenen ein Gewerbe angemeldet und Mehrwertsteuer abgeführt hätten, sei für die Beurteilung ihres versicherungsrechtlichen Status nicht aussagekräftig. Das Merkmal einer Gewerbeanmeldung sei allein willensabhängig und damit nicht sicher objektivierbar. Eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung finde nicht statt. Das Bundessozialgericht habe bereits entschieden, dass eine Gewerbeanmeldung und die Abführung von Mehrwertsteuer beim Fehlen eines Unternehmerrisikos nicht genügten, die Eigenschaft als Selbständiger zu begründen.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Bei richtiger Gesamtbetrachtung der Umstände seien die Beigeladenen als selbständig tätige Fahrer an-zusehen. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung, dass ein Fahrer ohne eigenes Fahrzeug niemals selbständig tätig sein könne, sei in ihrer Absolutheit unzutreffend. Nach ständiger Rechtsprechung seien stets die Gesamtumstände heranzuziehen. Ein Arbeitsverhältnis unterscheide sich vom Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers oder Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Dienst- und Werkleistung. Selbständig sei demnach, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen könne. Für die Abgrenzung seien deshalb in erster Linie die tatsächlichen Umstände der Leistungserbringung von Bedeutung, nicht aber die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben hätten. Davon weiche die Beklagte in unzulässiger Weise ab, indem sie einem einzigen Kriterium ein absolutes Gewicht beimesse. Die Beigeladenen seien im Rahmen mehrerer Auftragsverhältnisse als freie Fahrer für mehrere Auftragsgeber tätig. Sie seien insoweit grundsätzlich auch als Frachtführer anzusehen, die dem gesetzlichen Leistungsbild der §§ 407 f HGB folgten. Es komme auch nicht darauf an, ob die Beigeladenen das unternehmerische Risiko der Klägerin trügen, sondern alleine darauf, ob sie ein eigenes unternehmerisches Risiko hätten. Maßstab dafür sei die Möglichkeit für die betroffene Person, wie ein Unternehmer am Markt tätig zu werden und die Leistungen entsprechend mehreren Auftraggebern gegenüber anzubieten. Verbunden sei das unternehmerische Risiko einerseits mit dem Risiko, nicht genügend Aufträge zu erhalten, andererseits aber auch mit der Chance, zahlreiche zusätzliche Aufträge zu aquirieren, die ggf. auch eine Expansion des Geschäftes ermöglichten. In diesem Zusammenhang spiele der Umstand eine entscheidende Rolle, dass beide Beigeladene in der Lage und berechtigt seien, Hilfskräfte und eigenes Personal einzustellen. Eine höchstpersönliche Erbringung der Fahrerleistung erfolge nicht.

Der Kläger stellt den Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 31.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Rechtsprechung habe sich in den letzten Jahren mehrfach mit dem sozialrechtlichen Status eines Fahrers ohne eigenes Fahrzeug befasst. Beispielhaft sei auf ein Urteil des Sozialgerichts Frankfurt und auf ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Im Übrigen habe die Tätigkeit der Beigeladenen sich nicht lediglich auf einen gelegentlichen, unregelmäßigen Einsatz als Fahrer beschränkt. Vielmehr seien sie in einer für einen Arbeitsnehmer typischen Regelmäßigkeit für den Kläger tätig gewesen. Insoweit werde auf die vom Hauptzollamt ausgewerteten Tachoscheiben verwiesen. Die hohe An-zahl der Fahrtage und der Umfang der Tätigkeit der beiden Fahrer spreche auch dafür, dass sie in den organisatorischen Betriebsablauf des Klägers eingegliedert seien. Die Tätigkeit der beiden Fahrer sei auch eindeutig in der Form fremdbestimmt, da sie nach außen hin die Transporttätigkeit für den Kläger ausübten. Diesem allein komme ihre Arbeit zu Gute. Gegenüber den Absendern bzw. Empfängern der Lieferungen seien die beiden Fahrer nie als Selbständige aufgetreten. Mit Beschluss vom 28.02.2008 hat die Kammer die in den Schreiben genannten Fahrer notwendig beigeladen.

Die Kammer hat zum Verfahren die Beklagtenakte beigezogen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogene Akte und auf den Inhalt der Klageakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat die Beklagte die Fahrertätigkeit der Beigeladenen für den Kläger als versicherungspflichtige Beschäftigung angesehen und die daraus resultierenden Beiträge und Umlagen nachgefordert.

Bezüglich der Entscheidungsgründe kann im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen werden. § 136 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gibt dem Gericht die Möglichkeit, von ei-ner weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Bayerische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 24.04.2007 (L 5 KR 233/05) seine Auffassung deutlich gemacht hat, dass ein Fahrer ohne eigenes Transportfahrzeug grundsätzlich als abhängig Beschäftigter zu qualifizieren ist.

Auch das vom Kläger zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.11.1997 (5 AZR 653/96) führt aus, dass bei stärker eingeschränkter Tätigkeit des Transporteurs das Rechtsverhältnis als ein Arbeitsverhältnis anzusehen sei. Zur Abgrenzung, ob ein Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei oder nicht hat das Bundesarbeitsgericht darauf abgestellt, inwieweit der Schuldner die Leistung persönlich zu erbringen habe. Die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, sei ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Sei der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, so stehe ihm ein eigener Gestaltungsspielraum zu, der gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spreche.

Sowohl die Arbeitsgerichte als auch die Sozialgerichte haben in ständiger Rechtsprechung insbesondere darauf abgestellt, inwieweit das Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer tatsächlich umgesetzt wird.

Im vorliegenden Verfahren haben die beiden beigeladenen Fahrer ausschließlich selbst die Fahraufträge angenommen und sich nicht durch andere Personen vertreten lassen. Dadurch dass die Beigeladenen lediglich die Betriebsfahrzeuge des Klägers benutzt haben, ist nicht erkennbar, worin das Unternehmerrisiko der Beigeladenen bestanden haben soll. Somit finden sich seitens der Beigeladenen keine typischen Merkmale unternehmeri-schen Handelns (vgl. Bundessozialgericht vom 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R).

Das Hessische Landessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 19.10.2006 (L 8/14 KR 1188/03) ausgeführt, dass Fahrer eines Paketdienstes keine selbständigen Unternehmer, sondern abhängige Beschäftigte seien und der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlägen. Denn Transportfahrer seien jedenfalls dann abhängig beschäftigt, wenn ihre Weisungsgebundenheit über das Maß an Weisungsunterworfenheit hinausgehe, dem Frachtführer nach § 418 HGB unterlägen. In dem entschiedenen Fall hätte der Transportfahrer eine Verfügungsmöglichkeit während der Tätigkeit für den Auftraggeber über die eigene Arbeitskraft und eine zweigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit nicht gehabt.

Das Sozialgericht Frankfurt hat in seiner Entscheidung vom 30.01.2006 (S 25 KR 678/02) eine Arbeitnehmertätigkeit von freiberuflichen Kraftfahrern festgestellt, weil im Hinblick auf ihre Tätigkeit kein Unternehmerrisiko erkennbar gewesen sei. Eigene finanzielle oder sonstige Betriebsmittel hätten sie nicht eingesetzt. Von wesentlicher Bedeutung sei der Umstand, dass die Beigeladenen über kein eigenes Fahrzeug verfügten. In allen vom Bundesarbeitsgericht in den letzten Jahren zur Abgrenzung Arbeitnehmer-Frachtführer gemachten Ausführungen, hätten die Fahrer über eigene Fahrzeuge verfügt. Da die Bei-geladenen ihre Touren mit Fahrzeugen, die ihnen kostenlos zur Verfügung gestellt worden seien, gemacht hätten, hätten sie lediglich ihre Arbeitskraft geschuldet. Beim Einsatz ihrer Arbeitskraft sei ihnen der Erfolg in Form der vereinbarten Vergütung gewiss gewesen. Auch aus der Art ihrer Entlohnung könne ein wirtschaftliches Risiko nicht hergeleitet werden. Da die Vergütung sich an der Anzahl der geleisteten Stunden orientiert habe, sei dieser Umstand für die Arbeitnehmereigenschaft typisch.

Die letztgenannte, vom Sozialgericht Frankfurt getroffene Entscheidung ist vom Sachverhalt vergleichbar mit dem vorliegenden Fall. Sie vertritt wie die übrigen genannten gerichtlichen Entscheidungen die von der Kammer vertretene Überzeugung. Auch wenn beide Beigeladenen in der Lage und berechtigt gewesen sein sollten, Hilfskräfte und eigenes Personal einzustellen, so haben sie dies jedoch nicht getan. Da die Entscheidung sich an den tatsächlichen Verhältnissen zu orientieren hat, ist mangels eines Unternehmerrisikos im Hinblick auf die persönliche Dienstleistung von einer sog. "Scheinselbständigkeit" auszugehen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Denn nach § 197 a Abs. 1, Halbsatz 3 SGG sind die §§ 154 – 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bei der Entscheidung über die Kostentragung entsprechend anzuwenden. Danach trägt grundsätzlich der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Nach § 52 Abs. 3 GKG ist für eine bezifferte Geldleistung von deren Höhe auszugehen. Im Bescheid vom 31.05.2007 wird ein Betrag von 5.532,22 EUR vom Kläger gefordert. Dieser Betrag ist als Gegenstandswert zu berücksichtigen.
Rechtskraft
Aus
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