L 1 RA 5/00

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 RA 270/99
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 5/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Zusatzrente aufgrund der Verordnung über die freiwillige Versicherung auf Zusatzrente bei der Sozialversicherung vom 15. März 1968 (GBl. II Nr. 29 S. 154, folgend VO 1968 genannt).

Der am 1932 geborene Kläger entrichtete von August 1968 bis Dezember 1973 und im Jahr 1990 zusätzliche freiwillige Beiträge nach der VO 1968. Von August 1986 bis Juli 1989 entrichtete er zusätzliche freiwillige Beiträge nach der Verordnung über die freiwil-lige Zusatzrentenversicherung in der Sozialversicherung vom 17. November 1977 (GBl. I Nr. 35 S. 395, folgend FZRVO 1977 genannt)

Mit Bescheid vom 10. Januar 1991 erhielt er ab 1. Februar 1991 eine Invalidenrente aus der Sozialversicherung und eine Zusatzinvalidenrente aufgrund der FZRVO 1977. Mit Bescheid vom 17. April 1991 erhielt er eine Zusatzrente nach der VO 1968. Die Zahlbeträge betrugen im Monat Dezember 1991 764 DM aus der Invalidenrente, 220 DM aus der Zusatzinvaliden-rente und 321 DM aus der Zusatzrente, insgesamt 1305 DM.

Mit Bescheid vom 27. November 1991 wertete die Beklagte mit Wirkung zum 1. Januar 1992 die Invalidenrente und die Zusatzinvalidenrente in eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch um und passte diese an. Die Rentenhöhe betrug 831,39 DM monatlich. Da der bis Dezember 1991 geleistete Rentenbetrag höher war, gewährte die Be-klagte dem Kläger einen nicht dynamisierbaren Auffüllbetrag. Der Bescheid enthielt die Fest-stellung, dass sich der Rentenbetrag um eine monatliche Zusatzrente aus freiwilligen Beiträ-gen in Höhe von 321 DM erhöht.

Der Kläger beantragte am 26. März 1992 bei der Beklagten die Gewährung von Altersrente für Erwerbsunfähige bei Vollendung des 60. Lebensjahres, die ihm mit Bescheid vom 13. Februar 1995 ab 1. März 1992 bewilligt wurde. Beitragszeiten nach der VO 1968 berücksich-tigte die Beklagte bei der Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost). Hierbei kam es in allen Zeiträumen der Entrichtung von Beiträgen nach der VO 1968 zum Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze und zur Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Einkommens. Der Kläger erhielt den bisherigen Rentenbetrag zunächst weiter ausgezahlt, da der daraus er-rechnete Rentenbetrag nicht höher war. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 30. April 1996, nach dem noch ein Neufeststel-lungsbescheid vom 29. Mai 1996 erging) und Klage (Urteil vom 26. August 1997, S 8 An 205/96) blieben ebenso erfolglos wie die Berufung vor dem erkennenden Gericht (Az. L 1 RA 88/97, Urteil vom 29. Januar 1998), vor dem der Kläger im Hinblick auf § 315b SGB VI be-antragt hatte, die 321 DM Zusatzrente, erhöht um 6,84 % zum Ausgleich des Krankenversi-cherungsbeitrags, neben der Altersrente weiterzuzahlen.

Zur Begründung führte der erkenennde Senat aus, der Anspruch auf eine Zusatzrente aus § 315b SGB VI sei mit der Aufnahme der Zahlung der Altersrente untergegangen, da er mit der Zahlung der umgewerteten Erwerbsunfähigkeitsrente verbunden gewesen sei und neben der nach den Vorschriften des SGB VI gewährten Rente ein Anspruch auf Zusatzrente nicht be-stehe.

Mit Datum vom 16. März 1998 stellte der Kläger einen Antrag auf Überprüfung der zuvor klageweise angegriffenen Bescheide im Sinne einer Zugunstenregelung nach § 44 Sozialge-setzbuch Zehntes Buch (SGB X) im Hinblick auf neu aufgefundene Versicherungsunterlagen für das Jahr 1975, was die Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 1998 ablehnte. Mit Schreiben vom 3. Dezember 1998 wandte sich der Kläger an einen Bundestagsabgeordneten und mit Schreiben vom 7. Januar 1999 an das Bundesversicherungsamt mit der Bitte um Überprüfung der Rentenangelegenheit. Mit Schreiben vom 10. März 1999 beantragte er dort die Rückerstat-tung seiner aufgrund der VO 1968 entrichteten Beiträge.

Mit Bescheid vom 20. Mai 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Sie führte aus, die Beiträge seien wirksam gezahlt und könnten nicht zurückerstattet werden. Eine Rechtsgrundlage hierfür sei nicht ersichtlich.

Den am 3. Juni 1999 bei ihr eingegangenen Widerspruch wies die Beklagte mit Wider-spruchsbescheid vom 31. August 1999 als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid ging dem Kläger, nach seinen Angaben am 8. September 1999, als Einschreiben zu.

Hiergegen hat sich der Kläger mit einem an die Widerspruchsstelle der Beklagten gerichteten Schreiben vom 14. September 1999, eingegangen bei der Beklagten am 15. September 1999, erneut an diese gewandt. Er hat darin ausgeführt, er habe keine Chance, bei dem Sozialgericht oder dem Petitionsausschuss bestehendes Unrecht durch Gesetzesänderungen beseitigen zu lassen. Die Beklagte möge für die Gesetzeskorrektur sorgen, die die Zusatzrente ungeschmä-lert sichere. Die Beitragsbemessungsgrenze könne keine Anwendung auf ihn finden. Sein Wi-derspruch gegen den Bescheid vom 20. Mai 1999 bleibe "lebenslänglich" bestehen. Die Be-klagte hat das Schreiben als Klage an das Sozialgericht Magdeburg weitergeleitet, bei dem es am 11. Oktober 1999 eingegangen ist. Auf Nachfrage des Sozialgerichts, ob das Schreiben vom 14. September 1999 als Klage zu werten sei, hat der Kläger in einem Schreiben vom 1. November 1999 ausgeführt, er könne einem gerichtlichen Verfahren nur zustimmen, wenn sein Klagebegehren Aussicht auf Erfolg habe und er die Zusatzrente dadurch erhalte.

In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 2. Dezember 1999 hat der Kläger bean-tragt, den Bescheid vom 20. Mai 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. August 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Zusatzrente in Höhe von 321 DM neben seiner Altersrente zu zahlen. Die Beteiligten waren mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden.

Mit Gerichtsbescheid vom 6. Dezember 1999 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat dargelegt, für die Verfolgung des Anspruchs auf eine Zusatz-rente ermangele es an der Prozeßvoraussetzung des Vorverfahrens nach § 78 Sozialgerichts-gesetz (SGG).

Gegen den ihm am 11. Dezember 1999 zugegangenen Gerichtsbescheid hat der Kläger schrift-lich mit Eingang am 20. Dezember 1999 bei dem Sozialgericht Magdeburg zum Landessozi-algericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Er trägt vor, er wünsche die Fortzahlung des Betrages von 321 DM als Zusatzrente neben seiner Altersrente. Die Beitragsbemessungsgren-ze könne für ihn nicht zur Anwendung kommen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Dezember 1999 und den Bescheid vom 20. Mai 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

ihm für die Zeit ab 1. März 1992 eine Zusatzrente in Höhe von monatlich 321 DM zu zahlen, hilfsweise, die von ihm aufgrund der VO 1968 entrichteten Beiträge verzinst zurückzuerstatten.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihre Darlegungen im Verwaltungsverfahren und auf den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.

Das Gericht hat die Streitakte des vorangegangenen Verfahrens S 8 An 205/96 bzw. L 1 RA 88/97 beigezogen.

Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf diese, die Ge-richtsakten und die Rentenakten der Beklagten (Versicherungsnummer ) verwiesen, wel-che dem Senat am 20. Juni 2002 bei der Beratung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) entschei-den, da beide Beteiligte sich hiermit einverstanden erklärt haben.

Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1, 105 Abs. 3 SGG statthaft und im Übrigen zuläs-sig. Der Kläger hat im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 2. Dezember 1999 zwar ausdrücklich Klage gegen die Nichtgewährung der von ihm begehrten Zusatzrente nach der VO 1968 erhoben, die Rückerstattung der auf der Grundlage der VO 1968 von ihm entrichte-ten Beiträge macht er aber nach wie vor hilfsweise geltend, zumal kein Grund ersichtlich ist, weshalb er hierauf verzichten sollte. Eine Klageänderung, bzw. Klagerücknahme in dieser Hinsicht, wie sie das Sozialgericht annimmt, ist bei Auslegung des klägerischen Begehrens nicht zu erkennen. So führt er in dem als Klageschrift gewerteten Schreiben aus, der Wider-spruch gegen die letztlich nur die Beitragserstattung betreffenden, ablehnenden Bescheide bleibe "lebenslänglich" bestehen. Eine ausdrücklich oder konkludente Klagerücknahme ist dem Vorgang nicht zu entnehmen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger dieses Begehren hilfsweise weiter verfolgt.

Die Berufung ist aber nicht begründet, da der Bescheid vom 20. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 1999 bestandskräftig und bindend geworden ist (§ 77 SGG). Die Anfechtungs- und Leistungsklage ist hier weder mit dem Ziel des Haupt- noch des Hilfsantrages zulässig, weil der Kläger die Klagefrist (§ 87 Abs. 1 SGG) versäumt hat. Der Kläger hat nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Bekanntgabe des Wider-spruchsbescheides am 8. September 1999 Klage erhoben.

Das Schreiben an die Beklagte vom 14. September 1999 macht nämlich nicht deutlich, dass vom Kläger eine gerichtliche Überprüfung des Bescheides vom 20. Mai 1999 bzw. des Wi-derspruchsbescheides vom 31. August 1999 begehrt wird. Er lässt darin nicht nur nicht erken-nen, dass er gerichtliche Hilfe bei der Durchsetzung seiner Ansprüche wünscht, sondern sieht solche ausweislich seiner Formulierungen, das Sozialgericht könne ihm ohnehin nicht helfen, ausdrücklich nicht als sinnvoll an. Er bringt lediglich seine rechtspolitischen Vorstellungen zur Gewährung der Zusatzrente der Beklagten zur Kenntnis und fordert sie zur Unterstützung einer entsprechenden Gesetzesinitiative auf. Die Auslegung seiner Erklärung erbringt den ob-jektiven Erklärungswert, dass eine Klage vor dem zuständigen Sozialgericht zu diesem Zeit-punkt noch nicht gewollt war. So konnte sie das Gericht auch nach der recht verstandenen Interessenlage des Klägers nicht verstehen, da die äußerste Grenze des Wortsinns der Erklä-rung den Willen zur Klageerhebung ausdrücklich nicht abdeckt.

Diese Auslegung wird durch seine Erklärungen im Schreiben vom 1. November 1999 – be-reits außerhalb der Klagefrist verfasst – bestätigt. Noch in diesem Schreiben zeigt er nicht den unbedingten Willen zur Klageerhebung, sondern trägt sich jetzt lediglich mit dem Gedanken an eine solche, da er vorträgt, er wolle nur dann Klage erheben, wenn er hierdurch obsiege und seine Zusatzrente erhalte. Erst im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 2. De-zember 1999 hat der Kläger zu Protokoll ausdrücklich Klage erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Monatsfrist für die Klageerhebung längst verstrichen.

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs. 1 SGG) sind nicht vorge-tragen und auch nicht ersichtlich. Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Klagefrist zu wahren. Vielmehr war er anhand des am 8. September 1999 erhaltenen Wider-spruchsbescheides, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, über die Möglichkeit der Klageerhebung vor dem Sozialgericht informiert, wie auch der Inhalt seines Schreibens vom 14. September 1999 an die Beklagte zeigt. Daraus ist zu entnehmen, dass er sich zu die-sem Zeitpunkt bewusst gegen eine Klageerhebung entschieden hatte und andere Wege zur Durchsetzung seines Anspruchs gehen wollte.

Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt während des Laufs der Klagefrist davon ausgehen konnte, er habe mit seinem Schreiben vom 14. September 1999 schon Klage erhoben. Denn er hat während der gesamten Dauer der Klagefrist nicht den wirk-lichen Willen zur Klageerhebung gebildet, wie sein Schriftsatz vom 1. November 1999 zeigt. Auch die Eingangsbestätigung des Gerichts konnte ihn nicht durch die Herbeiführung eines Irrtums über die Erforderlichkeit einer weiteren Erklärung innerhalb der Klagefrist an deren Wahrung hindern. Abgesehen von ihrem zur Klarstellung auffordernden Inhalt ist sie dem Kläger nämlich auch erst nach Fristablauf zugegangen. Demgemäss war er nicht an der Wah-rung der Klagefrist verhindert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) bestanden nicht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf geklärter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
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