L 1 RA 51/01

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 RA 332/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 51/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem.

Der 1938 geborene Kläger erwarb nach einer Urkunde der Ingenieurschule für Wasserwirtschaft und Bauwesen M. vom 20. Juli 1962 die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Meister der sozialistischen Bauindustrie" in der Fachrichtung Betonbau. Aus seiner Beschäftigung in einem kommunalen Baubetrieb wechselte er zum 1. Mai 1963 in eine zwischengenossenschaftliche Bauorganisation und blieb seitdem durchgehend in zwischengenossenschaftlichen Bauorganisationen tätig, zuletzt bis zum 30. Juni 1990 als Technologe in der zwischengenossenschaftlichen Bauorganisation Landbau W ... Laut Urkunde der genannten Ingenieurschule vom 23. Juni 1966 erhielt er die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Techniker der sozialistischen Bauindustrie", laut deren Urkunde vom 3. Oktober 1969 auch zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur. Eine rechtsgeschäftliche Zusage auf eine Zusatzversorgung erhielt der Kläger während seiner Berufslaufbahn nicht.

Einen Antrag des Kläger auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juli 2000 ab. Dazu führte sie aus, zwischengenossenschaftliche Bauorganisationen seien kein volkseigener Produktionsbetrieb oder gleichgestellter Betrieb im Sinne der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.5.51 zur Versorgungsordnung.

Gegen den Bescheid legte der Kläger noch im gleichen Monat Widerspruch ein und machte geltend, bei zwischengenossenschaftlichen Bauorganisationen handele es sich um gleichgestellte Betriebe, weil sie in die volkseigene Bauindustrie integriert gewesen seien und die Bezahlung nach den Tarifen der volkseigenen Bauindustrie erfolgt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2000 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, zwischengenossenschaftliche Bauorganisationen seien eben keine volkseigenen Betriebe und diesen nicht gleichzustellen. Der Bescheid ging dem Kläger als Einschreiben zu.

Mit der am 27. Dezember 2000 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2001 abgewiesen: Zeiten der Zugehörigkeit in der Altersversorgung der Intelligenz allein auf Grund der beruflichen Qualifikation und Tätigkeit könne nur derjenige zurücklegen, der zum 1. Juli 1990 bei einem Leistungsfall auf eine Versorgungsbewilligung vertrauen durfte. Solches Vertrauen sei nur gerechtfertigt gewesen, wenn der Werkdirektor des Beschäftigungsbetriebes einen begründeten Vorschlag auf Einbeziehung des Begünstigten unterbreitet habe und dieser von zuständigen staatlichen Stellen positiv beschieden worden sei (§ 3 der 2. Durchführungsbestimmung v. 24.5.51). Insofern habe es keinen obligatorischen Anspruch auf die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz gegeben. Angesichts dieser Rechtslage und der entsprechenden Verwaltungspraxis der DDR habe der Kläger aus eigenem Erkennen bis zum 30. Juni 1990 kein Vertrauen auf eine Zusatzversorgung herausbilden können und dieses auch offensichtlich nicht gehabt. Im übrigen stehe die Schließung der Zusatzversorgungssysteme zum 1. Juli 1990 weiteren Ansprüchen entgegen. Die sich dann für den Kläger ergebende Rechtsfolge des § 256a Abs. 3 SGB VI enthalte insoweit eine angemessene Abwägung.

Gegen den ihm am 22. Mai 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Eingangsdatum vom 22. Juni 2001 Berufung eingelegt: Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts stehe mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht in Einklang. Er sei zumindest mit dem Erwerb des Abschlusses eines Technikers am 23. Juni 1966 als Angehöriger der technischen Intelligenz im Sinne von § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung anzusehen. Aber auch als Meister sei er Teil der technischen Intelligenz im Sinne von § 1 der Versorgungsordnung vom 17.8.50 gewesen, die der 2. Durchführungsbestimmung vorgehe. Zudem sei er vom 1. Mai 1963 an als Betriebsleiter eingesetzt gewesen. Bezüglich der betrieblichen Voraussetzungen halte er an seinem Vorbringen fest. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bl. 81-84 d.A. verwiesen. Im Hinblick auf Bedenken des Senats gegen das Rechtsschutzbedürfnis eines Teils der Klage hat er seinen Berufungsantrag beschränkt.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Mai 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2000 abzuändern und

die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum von März 1971 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die während der Beschäftigungszeiten in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrem Vorbringen fest.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 19. Februar 2004 – Kläger – und 25. Mai 2004 – Beklagte – einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Die Akte der Beklagten über den Kläger – Vers.-Nr.: – hat bei der Beratung und Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2000 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit die Beklagte darin die beantragte Feststellung abgelehnt hat. Denn darauf hatte der Kläger gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) i. d. F. durch G. v. 27.7.01 (BGBl. I S. 1939) keinen Anspruch, weil er in dem umstrittenen Zeitraum nicht im Sinne dieser Vorschrift eine Anwartschaft in dem geltend gemachten Zusatzversorgungssystem erworben hat.

Dem Kläger ist zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung eine Zusatzversorgung aus diesem System zugesagt worden.

Bei dem Kläger kann auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zuerst Urt. v. 24. 3. 98 – B 4 RA 27/97 RSozR 3-8570 § 5 Nr. 3) eine Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG unterstellt werden. Denn eine zwischengenossenschaftliche Bauorganisation ist kein volkseigener Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24.5.51 (GBl. der DDR S. 487) in dem – im Ergebnis engen – Sinn, mit dem er der bundesrechtlichen Ausfüllung des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG zu Grunde zu legen ist (BSG, Urt. v. 10.4.02 – SozR 3-8570 § 1 Nr. 3). Zwischengenossenschaftliche "kooperative" Einrichtungen im Sinne von § 13 Abs. 1 des LPG-Gesetzes v. 2.7.82 (GBl. I S. 443) unterlagen nach § 46 S. 1 LPG-Gesetz ausschließlich dessen genossenschaftsbezogenem Sonderrecht und nicht den Regelungen der jeweiligen Rechtsvorschriften über die volkseigene Industrie, zuletzt nach der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe v. 8.11.79 (GBl. I S. 355). Dass es sich bei den zwischengenossenschaftlichen Bauorganisationen um solche Einrichtungen handelt, ist bereits dem Musterstatut v. 2.8.62 (GBl. II S. 531) zu entnehmen, dessen Präambel den § 13 Abs. 1 des späteren LPG-Gesetzes entsprechenden Zweck der ZBO wiedergibt.

Es handelt sich bei einer ZBO auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 2. DB (BSG, a.a.O., S. 23). Im Gegensatz dazu sind unter den gleichgestellten Betrieben der Landwirtschaft ausschließlich solche im Volkseigentum, nämlich volkseigene Güter und Maschinen-Ausleih-Stationen (zu deren Eigenschaft als Bestandteil der volkseigenen Wirtschaft vgl. z.B. die Verordnung über die Bildung von Vereinigungen volkseigener Maschinen-Ausleih-Stationen v. 14.12.50, GBl. S. 1197), nicht hingegen solche genossenschaftlicher oder kooperativer Art erfasst. Auch aus § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 der Dritten Durchführungsbestimmung zu Verordnung über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben v. 24.5.51 (GBl. S. 489) ergibt sich die gleiche Abgrenzung.

Der vorstehend in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach eine Anwartschaft gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG aus unterstellter Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur bei Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 2. DB in Betracht kommt, schließt sich der Senat an, wobei er offen lässt, ob dies für eine Anwartschaft ausreicht. Die Tatbestandsmerkmale der 2. DB müssen nach der im Ergebnis von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hier nicht abweichenden Auffassung des Senats bei der Auslegung rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage ergeben (Beschluss des Senats v. 9.9.03 – L 1 RA 96/00). Dies folgt nach Meinung des Senats aus dem Zweck der angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Erstreckung des Anwendungsbereiches des AAÜG auch auf Fälle, in denen eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde. Dabei geht es darum, objektive Willkür bei der Verzögerung und dem Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R – SozR 3 – 8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung oder der Verfehlung der gerechtesten Ermessenentscheidung, sondern in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist.

Ein weiteres Verständnis der Voraussetzungen folgt nicht aus dem Rechtssatz (BSG, a.a.O., S. 9), es komme auf eine konkrete entgeltliche Beschäftigung an, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war. Denn dies bezieht sich nicht auf eine hochwertige Tätigkeit an sich, sondern auf die Erfüllung eines Tatbestandes der jeweiligen Versorgungsordnung, der hier der Art nach eine auch durch den Beschäftigungsbetrieb bestimmte Beschäftigung voraussetzt. In diesem Sinne hat die Rechtsprechung die Prüfung auch jederzeit vorgenommen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R, a.a.O.; Urt. v. 30.6.98 – B 4 RA 11/98 R, zitiert nach Juris Rechtsprechung). Nach dem dargelegten Zweck dieser Rechtsprechung kommt auch ein anderes Verständnis nicht in Betracht, weil die Frage, ob durch unterlassene Rechtsanwendung Willkür geschehen ist, nur nach der Prüfung aller gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, nicht nur der beruflichen Anforderungen, beantwortet werden kann.

Aus § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO) vom 17.8.50 (GBl. I S. 844) lässt sich kein weitergehender Rechtsanspruch ableiten, als ihn allenfalls § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 2. DB regelt. Ungeachtet der Frage, ob mindestens nach 1953 überhaupt zwingende Ansprüche auf eine Zusatzversorgung der technischen Intelligenz bestanden (dazu z.B. Beschluss v. 9.9.03 – L 1 RA 96/00), enthält § 1 VO selbst kein unmittelbar anspruchsbegründendes Recht. Es handelt sich bei der Ermächtigung des § 5 VO zum Erlass von Durchführungsbestimmungen um eine Rechtssetzungsermächtigung, der die Begründung bestimmter Ansprüche vorbehalten ist. Dass § 1 VO im Übrigen auch mangels begrifflicher Bestimmtheit des begünstigten Personenkreises der "Intelligenz" selbst kein zwingendes Recht setzt, hat der Senat bereits wiederholt ausgeführt (z.B. Beschluss v. 9.9.03 – L 1 RA 96/00).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage bezüglich der Ablehnungsgründe durch die angegebene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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