L 1 RA 100/01

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 RA 310/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 100/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) für den Zeitraum vom 1. März 1971 bis 30. November 1976 festzustellen hat.

Der im Oktober 1935 geborene Kläger schloss sein Studium zum Diplom-Ingenieur ausweislich einer Urkunde der Technischen Hochschule I ... vom 19. Februar 1964 erfolgreich ab. Nach den Eintragungen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (SV-Ausweis) arbeitete er vom 1. Oktober 1967 bis zum 31. Januar 1969 als Diplom-Ingenieur beim VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung des Wirtschaftsrates des Bezirkes M ... Ab 1. Februar 1969 war er als Wartungsingenieur beim VEB Datenverarbeitung der Finanzorgane, Bezirksstation M ... (bis 31. Dezember 1970 mit dem Zusatz "Vorbereitungsgruppe") beschäftigt (im Folgenden: VEB Datenverarbeitung). Mit Beginn des Jahres 1972 war er dort Abteilungsleiter im Bereich Wartung. Die Tätigkeit beim VEB Datenverarbeitung endete am 30. November 1976. Ab 1. Dezember 1976 bis über den 30. Juni 1990 hinaus war er schließlich als Leiter des Rechenzentrums bzw. EDV-Organisator bzw. Leiter der EDV-Abteilung bei verschiedenen Krankenhäusern tätig.

Ausweislich einer am 8. März 1979 ausgefertigten Urkunde (Nr. 674 157) gewährte die Regierung der DDR dem Kläger eine zusätzliche Altersversorgung entsprechend den Bestimmungen der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen. Diese Urkunde enthält den Vermerk, sie sei ab 1. Februar 1979 gültig. Ab 1. Juli 1988 zahlte der Kläger Beiträge zur freiwilligen zusätzlichen Versorgung für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und andere Hochschulkader in Einrichtungen des staatlichen Gesundheits- und Sozialwesens.

Seit 1. November 1995 bezieht er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1995 in der Fassung des Bescheides vom 1. August 1995 stellte die Beklagte den Zeitraum vom 1. Februar 1979 bis 30. Juni 1988 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen sowie den anschließenden Zeitraum vom 1. Juli 1988 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und andere Hochschulkader in staatlichen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens einschließlich der Apotheker in privaten Apotheken fest.

Im Mai 1999 beantragte der Kläger die Feststellung weiterer Zusatzversorgungsanwartschaften für die Zeit vor dem 1. Februar 1979. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 23. Mai 2000 die Zeiträume vom 1. April 1964 bis zum 30. Juni 1967 und vom 1. Dezember 1976 bis zum 31. Januar 1979 als weitere Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen und den Zeitraum vom 1. Oktober 1967 bis zum 31. Januar 1969 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech fest.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, soweit seine Tätigkeit im VEB Datenverarbeitung von Februar 1969 bis November 1976 nicht als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech anerkannt wurde. Für ihn sei die Zurechnung dieser Zeiten zur AVItech von besonderer Bedeutung, da er in diesem Betrieb qualifikationsgerecht eingesetzt worden sei und erstmals nach Beendigung seines Studiums an der Technischen Hochschule I ...mit einem für seine Tätigkeit als Diplom-Ingenieur angemessenen Gehalt entlohnt worden sei. Entschieden widerspreche er der ihm auf telefonische Nachfrage genannten Begründung für die Nichtberücksichtigung, wonach der Betrieb für die Wirtschaftssituation in der DDR von nur zweitrangiger Bedeutung gewesen sei und er in diesem Betrieb nur organisatorische und instandhaltungstechnische Arbeiten verrichtet habe. Die Bedeutung des Betriebes für die Volkswirtschaft der DDR lasse sich wohl am besten daran ermessen, dass dieser Betrieb der einzige dem Ministerium der Finanzen unterstellte volkseigene Betrieb gewesen sei, der in der DDR als Pionier auf EDV-technischem Gebiet die Aufgabe gehabt habe, Datenverarbeitungslösungen für alle Finanz-, Bank- und Versicherungsorgane zu entwickeln und täglich termingerecht zu erbringen. Hier sei er verantwortlich gewesen für die Planung aller technischen Investitionen, deren Projektierung, die Ab- und Inbetriebnahme der Gebäude und Installationen, die Qualifizierung der ihm unterstellten Mitarbeiter, die Organisation der Arbeitsaufnahme, die prophylaktische Instandhaltung der Rechentechnik und schließlich für die Betriebsbereitschaft des gesamten technischen Bereiches. Weiterhin sei er für die Planung und Projektierung einer später anzustrebenden Datenfernverarbeitung über das Fernschreibnetz der Deutschen Post zwischen allen Geldinstituten im Bezirk Magdeburg verantwortlich gewesen. Dem Widerspruch fügte er eine Kopie des "Statut des VEB Datenverarbeitung der Finanzorgane" und eine Beschreibung der Qualifikationsmerkmale zur Eingruppierung der Arbeitsaufgaben für Fachkräfte der Datenverarbeitung bei.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2000 zurück: Die im VEB Datenverarbeitung ausgeübte Beschäftigung entspreche zwar der technischen Qualifikation, jedoch sei sie nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt, wie es die Versorgungsordnung gefordert habe. In dem Dienstleistungsbetrieb VEB Datenverarbeitung habe der Kläger nicht auf eine Versorgungszusage vertrauen können.

Mit der am 8. Dezember 2000 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt: Er habe mit der Zustellung der Urkunde der Staatlichen Versicherung der Regierung der ehemaligen DDR vom 1. Februar 1979 und mit seinem Betritt zur freiwilligen zusätzlichen Versorgung für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und anderen Hochschulkader in staatlichen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens ein Vertrauen auf eine zusätzliche Altersrente aufgebaut.

Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er im umstrittenen Zeitraum nicht in einem Dienstleistungsbetrieb gearbeitet. Der VEB Datenverarbeitung sei mit Wirkung vom 1. Januar 1970 als volkseigener Produktionsbetrieb gegründet und am 16. Januar 1970 in das Register der volkseigenen Wirtschaft des Staatlichen Vertragsgerichts beim Ministerrat – Vertragsgericht Groß-Berlin – eingetragen worden. Die Hauptaufgabe des Betriebes habe in der Erfassung, Übertragung, Speicherung und rechentechnischen Verarbeitung von Primärdaten sowie der Bereitstellung aller Ergebnisinformationen auf zunächst bedrucktem, dann geschnittenem und zuletzt gefalztem Papierlistenstapeln und Kontoauszugsblöcken gelegen. Da Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre noch keine vernetzten Bildschirmarbeitsplätze existiert hätten, seien dem VEB Datenverarbeitung alle Basisinformationen auf Belegen aus Papier täglich über weite Entfernungen angeliefert worden. Den Vertragspartnern der Finanzorgane wiederum seien alle Datenverarbeitungsergebnisse in Form von mit Schnelldruckern bedruckten und mit Papierbearbeitungsmaschinen beschnittenen und gefalzten Papierlistenstapeln und Kontoauszugsblöcken als Druckenderzeugnisse bereit gestellt und ausgeliefert worden. Die tägliche Produktion von diesen speziellen Druckerzeugnissen (Zahlungsbelege, Kontoauszüge, Saldenlisten, Abschlussbilanzen usw.) für die Auftraggeber stelle eine Produktion von materiellen Gütern dar. Dies sei vergleichbar mit dem Produktionsprozess von Zeitschriften und Büchern in Printmedienbetrieben.

Das Kriterium für die Beurteilung eines Produktionsbetriebes sei nicht die Wahl der Produktionsmittel, sondern die Herstellung eines Erzeugnisses. Die Ergebnisse der täglichen Arbeit seien stets als Druckerzeugnisse produziert und ausgeliefert worden. Der VEB Datenverarbeitung einschließlich seiner Bezirksstationen habe nach den Grundsätzen der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes auf der Grundlage der wirtschaftlichen Rechnungsführung gearbeitet. Erst mit der Wende sei aus dem volkseigenen Produktionsbetrieb VEB Datenverarbeitung ein Dienstleistungsunternehmen geworden. Das gehe aus der entsprechenden Gründungsanweisung für den Nachfolgebetrieb vom 1. Juli 1990 hervor.

Mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Das Klagebegehren sei daran zu messen, ob der Kläger darauf habe vertrauen dürfen, bei einem möglichen Leistungsfall bis Ende Juni 1990 eine Rente aus der AVItech bewilligt zu bekommen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Aus den einschlägigen Formulierungen der Rechtsnormen der DDR lasse sich entnehmen, dass die Zugehörigkeit zur AVItech nicht obligatorisch gewesen sei. Dies habe auch der ständig gleichartigen Verwaltungspraxis der DDR entsprochen. Deshalb habe der Kläger bis zum 30. Juni 1990 kein Vertrauen auf eine Rente aus der AVItech herausbilden können. Ein derartiges Vertrauen habe er offensichtlich auch nicht gehabt. Erst die Veröffentlichungen der Entscheidungen des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) hätten entsprechende Hoffnungen geweckt und den Kläger zur Antragstellung im Mai 1999 veranlasst. Deshalb sei nicht zu klären, ob der VEB Datenverarbeitung in den Geltungsbereich der AVItech gefallen sei.

Gegen den ihm am 10. August 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Eingangsdatum vom 7. September 2001 Berufung eingelegt: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts komme es auf Vertrauensschutz nicht an. Aufgrund seiner tatsächlichen technischen Tätigkeit als Ingenieur für Elektronik im VEB Datenverarbeitung sei er in die AVItech einbezogen worden. Der bereits in 1. Instanz vorgelegte Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zeige, dass der VEB Datenverarbeitung als volkseigener Produktionsbetrieb eingetragen worden sei. Der VEB Datenverarbeitung sei entsprechend der §§ 45 ff. der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar 1967 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen worden. Er erfülle auch hinsichtlich seines Statuts alle Voraussetzungen, die an einen volkseigenen Produktionsbetrieb gestellt worden seien. Der VEB Datenverarbeitung sei laut Statut dem Ministerium der Finanzen unterstellt gewesen. In der Gründungsanweisung für den VEB Datenverarbeitung sei vom Minister der Finanzen festgelegt worden, dass dieser VEB nach den Grundsätzen der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Produktionsbetriebe vom 9. Februar 1967 auf der Grundlage der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeite.

Der VEB Datenverarbeitung sei auch als volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens im Register C der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Dies ergebe sich aus dem Registerauszug. Die Tätigkeit des VEB Datenverarbeitung habe mehr der industriellen Tätigkeit einer Druckerei als einer Datenverarbeitung im heute üblichen Sinne entsprochen. Die Entscheidung des BSG zu einem VE Rechenbetrieb Binnenhandel bzw. VEB Datenverarbeitungszentrum (Urt. v. 10.4.2002, B 4 RA 5/02 R) sei auf den VEB Datenverarbeitung nicht übertragbar. Die reine Datenverarbeitung habe im VEB Datenverarbeitung lediglich eine untergeordnete Bedeutung gehabt. Die bereits geschilderte Produktion von verschiedenen Druckerzeugnissen im VEB Datenverarbeitung sei mit mindestens 75 % der Tätigkeit anzusetzen. Dies beruhe u.a. darauf, dass eine moderne Datenverarbeitung überhaupt noch nicht möglich gewesen sei.

Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass er am 1. Februar 1979 von der Regierung der DDR eine Versorgungszusage in Gestalt einer Urkunde erhalten habe. Nach dieser Versorgungszusage spielten für den Leistungsfall die Anzahl der nacheinander absolvierten Systeme und das Eintrittsdatum in das erste System keine Rolle, da die Berechnungsgrundlage für eine Rente ausschließlich das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen im letzten Arbeitsjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Schließung aller Zusatzversorgungssysteme der DDR habe niemand ahnen können, dass in der Bundesrepublik andere Betrachtungsweisen zur Festlegung des Rentenbetrages zur Anwendung kommen würden.

Er fühle sich durch die ablehnende Entscheidung benachteiligt, weil er durch die bisher ausgeübte Praxis weniger Rente erhalte, als ihm von der Regierung der DDR in seiner Versorgungszusage zugesichert worden sei. Es sei nicht mehr gewährleistet, dass die durch seine Lebensleistung erreichte relative Position innerhalb der jeweiligen Rentnergeneration nach dem Eintritt des Versorgungsfalles Bestand habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. August 2001 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2000 abzuändern

und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 1. März 1971 bis zum 30. November 1976 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG sowie die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, aus dem Urteil des BSG vom 10. April 2002 (B 4 RA 5/02 R) ergebe sich eindeutig, dass es sich bei Datenverarbeitungsbetrieben nicht um volkseigene Produktionsbetriebe oder diesen gleichgestellte Betriebe handele.

Die Akte der Beklagten über den Kläger – Vers.Nr ... (ZV) – sowie die beigezogene Gerichtsakte des SG Magdeburg (S 8 An 556/95) haben in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2000 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit die Beklagte darin die beantragte Feststellung abgelehnt hat. Denn darauf hatte der Kläger gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) i. d. F. durch G. v. 27.7.01 (BGBl. I S. 1939) keinen Anspruch, weil er in dem umstrittenen Zeitraum keinem Zusatzversorgungssystem angehörte.

Dem Kläger ist zu keinem Zeitpunkt im Zusammenhang mit der im geltend gemachten Feststellungszeitraum ausgeübten Beschäftigung durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung eine Zusatzversorgung aus diesem System zugesagt worden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der am 8. März 1979 ausgefertigten Urkunde mit der Nr. 674 157, denn diese bezieht sich auf die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen und nicht auf die hier in Rede stehende AVItech.

Bei dem Kläger kann auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zuerst Urt. v. 24. 3. 98 – B 4 RA 27/97 R – SozR 3–8570 § 5 Nr. 3) eine Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der AVItech i. S. v. § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG unterstellt werden. Denn der VEB Datenverarbeitung ist kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24.5.51 (GBl. der DDR S. 487) in dem engen Sinn, mit dem er der bundesrechtlichen Ausfüllung des § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG zu Grunde zu legen ist. Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb enthält § 1 Abs. 1 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung nichtproduzierender Betriebe in § 1 Abs. 2 2. DB mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre.

Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell fertigen (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 47). Darum handelte es sich bei dem Betrieb des Klägers nicht, weil – wie der Kläger nachvollziehbar näher erläutert hat – seine Hauptaufgabe in der Erfassung, Übertragung, Speicherung und rechentechnischen Verarbeitung von Primärdaten sowie der Bereitstellung aller Ergebnisinformationen bestand. Dem steht der Vortrag nicht entgegen, wonach dieser Betrieb sehr viel Papier bedrucken und ausliefern musste. Denn dieses diente nur der Hauptaufgabe. Es handelte sich um das Mittel zum Zweck. Maßgebend für die Beurteilung, ob ein Produktionsbetrieb vorlag, ist aber nicht das Mittel, sondern der Zweck. Ohne die logistischen Mittel des Bedruckens und Auslieferns der Papiermengen hätte der VEB Datenverarbeitung die von ihm erwartete Dienstleistung überhaupt nicht erfüllen können. Der Unterschied zum Buchdruck und anderen Printmedienbetrieben besteht darin, dass der VEB Datenverarbeitung seine Dienstleistung für einen bestimmten Kundenkreis erbrachte. Die jeweiligen Auftraggeber bestellten Informationen, die sie sich selbst nicht beschaffen konnten. Im Gegensatz zum Buchdruck oder anderen Printmedien ging es nicht um den massenhaften Vertrieb von Produkten. Bei diesen stand der Kundenkreis anders als beim VEB Datenverarbeitung nicht von vornherein fest, sondern hing von dem Kaufverhalten eines potentiellen Kundenkreises ab.

Das Statut des VEB Datenverarbeitung und die Anweisung Nr. 17/69 des Minister der Finanzen über die Gründung des VEB Datenverarbeitung vom 24. Dezember 1969 bestätigen die Darstellung des Klägers hinsichtlich der Hauptaufgabe. Aus § 2 Abs. 2 des Statuts und I. 1. der Anweisung ergibt sich, dass Hauptzweck – zusammengefasst – die Durchführung rechentechnischer Aufgaben mittels automatisierter Informations- und Datenverarbeitung ist.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in der Gründungsanweisung für den VEB Datenverarbeitung vom Minister der Finanzen unter III. 1. festgelegt worden ist, dass dieser VEB im Sinne der Grundsätze der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Produktionsbetriebe vom 9. Februar 1967 auf der Grundlage der wirtschaftlichen Rechnungsführung zu arbeiten hat. Denn gemäß § 49 Abs. 2 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes (v. 9.2.67, GBl. der DDR II S. 121) war sie auf alle – auch nichtproduzierenden – volkseigenen Betriebe anzuwenden, die nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeiteten. Die Art der Rechnungsführung besagt also nichts darüber, ob der volkseigene Betrieb ein Produktionsbetrieb war.

Gleiches gilt für die Eintragung eines VEB in das Register C. Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Führung des Registers der volkseigenen Wirtschaft (v. 16.10.68, GBl. der DDR II S. 968) wurde das bisherige Handelsregister C als "Register der volkseigenen Wirtschaft" durch das Staatliche Vertragsgericht beim Ministerrat der DDR geführt. Die Registerführung erfolgte bei den Bezirksvertragsgerichten. In das Register waren gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung einzutragen:

volkseigene Betriebe und Kombinate Vereinigungen Volkseigener Betriebe und andere Einrichtungen im Bereich der volkseigenen Wirtschaft, die nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeiteten und juristische Personen waren oder auf Grund gesetzlicher Bestimmungen eintragungspflichtig waren.

Diese Aufzählung verdeutlicht, dass nicht nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie oder des Bauwesens einzutragen waren. Deshalb lässt sich aus der Tatsache der Eintragung der Schluss auf einen volkseigenen Produktionsbetrieb nicht ziehen. Im Übrigen spricht gegen die Qualifizierung des VEB Datenverarbeitung als volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens der Umstand, dass er ausweislich § 1 Abs. 5 seines Statuts dem Minister der Finanzen und nicht einem der zahlreichen Industrieministerien unterstellt war.

Die Argumentation des Klägers, dass nach dem DDR-Rentenrecht anders als nach dem SGB VI das Eintrittsdatum in die Zusatzversorgung keine Rolle spielte, da die Berechnungsgrundlage für eine Rente ausschließlich das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen im letzten Arbeitsjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles gewesen sei, ist im Verfahren der Feststellung von Zusatzversorgungszeiten ohne Belang. Denn bei der Prüfung einer zu unterstellenden Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz im Sinne der Rechtsprechung des BSG sind keine Renten- oder Versorgungsansprüche festzustellen.

Zu prüfen ist allein die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 2. DB. Dabei muss deren Auslegung rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage enthalten (Beschluss des Senats v. 9.9.03 – L 1 RA 96/00). Gleiches gilt für die Prüfung der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Erstreckung der Feststellungen auch auf Zeiten, in Bezug auf die eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde. Dabei geht es darum, objektive Willkür bei der Verzögerung und dem Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R – SozR 3 – 8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung oder der Verfehlung der gerechtesten Ermessenentscheidung, sondern in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist.

Ein weiteres Verständnis der Voraussetzungen folgt auch nicht aus dem Rechtssatz (BSG, a.a.O., S. 9), es komme auf eine konkrete entgeltliche Beschäftigung an, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war. Denn dies bezieht sich nicht auf eine hochwertige Tätigkeit an sich, sondern auf die Erfüllung eines Tatbestandes der jeweiligen Versorgungsordnung, der hier der Art nach eine durch den Beschäftigungsbetrieb und die vorausgesetzte Ausbildung bestimmte Beschäftigung voraussetzt. In diesem Sinne hat die Rechtsprechung die Prüfung auch jederzeit vorgenommen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R, a.a.O.; Urt. v. 30.6.98 – B 4 RA 11/98 R, zitiert nach Juris Rechtsprechung). Nach dem dargelegten Zweck dieser Rechtsprechung kommt auch ein anderes Verständnis nicht in Betracht, weil die Frage, ob durch unterlassene Rechtsanwendung Willkür geschehen ist, nur nach der Prüfung aller gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, nicht nur der beruflichen Anforderungen, beantwortet werden kann.

Aus § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO) vom 17.8.50 (GBl. I S. 844) lässt sich kein weitergehender Rechtsanspruch ableiten, als ihn allenfalls § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 2. DB regelt. Ungeachtet der Frage, ob mindestens nach 1953 überhaupt zwingende Ansprüche auf eine Zusatzversorgung der technischen Intelligenz bestanden (dazu z.B. Beschluss v. 9.9.03 – L 1 RA 96/00), enthält § 1 VO selbst kein unmittelbar anspruchsbegründendes Recht. Es handelt sich bei der Ermächtigung des § 5 VO zum Erlass von Durchführungsbestimmungen um eine Rechtsetzungsermächtigung, der die Begründung bestimmter Ansprüche vorbehalten ist. Dies ergibt sich aus der Verordnung, weil sie es erkennbar nicht bei der nach § 1 VO möglichen Begründung von Zusatzversorgungsanwartschaften im Bereich sämtlicher volkseigener Betriebe bewenden lassen will. Denn nach der Präambel der Verordnung mit ihrer Zwecksetzung der Abgeltung von Lösungen auf den Gebieten der wissenschaftlichen Forschung und der Technik ist bereits eine Einschränkung auf Betriebe vorausgesetzt, in denen solche Aufgaben der Art nach anfallen. Dass § 1 VO im Übrigen auch mangels begrifflicher Bestimmtheit des begünstigten Personenkreises der "Intelligenz" selbst kein zwingendes Recht setzt, hat der Senat bereits wiederholt ausgeführt (z.B. Beschluss v. 9.9.03 – L 1 RA 96/00).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage bezüglich der Ablehnungsgründe durch die angegebene Rechtsprechung des BSG geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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