L 1 RA 101/01

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 RA 123/01
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 101/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und der entsprechenden Arbeitsentgelte.

Der im 1941 geborene Kläger erhielt mit Urkunde der Ingenieurschule für Elek-trotechnik M. vom 26. Juli 1963 die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur. Der Kläger war dann im September und Oktober 1963 beim VEB Messelektronik B. und von November 1963 an, zunächst als Technologe, beim VEB Maschinelles Rechnen, seit 1974 beim umbenannten VEB Datenverarbeitungszentrum Ma. beschäftigt. Nach seinem Vorbringen war er ungeachtet der wechselnden Bezeichnungen seiner Tätigkeit seit etwa Mitte der sechziger Jahre mit der Entwicklung von Programmen und Projekten befasst. Im Januar 1990 wurde der Betrieb in VE Computerservice Ma. umbenannt, bei dem der Kläger über den 30. Juni 1990 hinaus beschäftigt blieb. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung bei der Sozialversicherung trat der Kläger mit Wirkung ab Januar 1975 bei, versicherte darin aber nur sein Einkommen bis zur Grenze von 14.400,- M jährlich.

Auf den Antrag des Klägers auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften stellte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Januar 2001 nur die Monate September und Oktober 1963 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz fest, lehnte aber für den nachfolgenden Zeitraum eine entsprechende Feststellung ab, weil der Kläger nicht in einem volkeigenen Produktionsbetrieb beschäftigt gewesen sei. Der Kläger legte am 25. Januar 2001 gegen den Bescheid Widerspruch ein und führte aus, der Betrieb habe Produkte der Datenverarbeitung an wichtige Industriebetriebe verkauft. Er sei im Bereich Forschung und Entwicklung tätig gewesen, in dem die Ausbildung als Ingenieur mit nachfolgender zweimaliger Weiterbildung erforderlich gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und blieb bei der bisherigen Begründung.

Mit der am 23. April 2001 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2001 die Klage abgewiesen: Der Kläger falle nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 AAÜG, weil er nach den einschlägigen Vorschriften keine Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen aus der Altersversorgung der technischen Intelligenz erworben habe. Auch eine fiktive Einbeziehung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme nicht in Betracht, weil der Kläger nicht darauf habe vertrauen dürfen, bei einem möglichen Leistungsfall bis Ende Juni 1990 eine Rente aus der Altersversorgung der Intelligenz bewilligt zu bekommen. Denn weder sei das entsprechende Verfahren zur Einbeziehung in die Zusatzversorgung nach § 3 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz eingeleitet gewesen, noch habe ein zwingender Rechtsanspruch auf eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz nach der dazu ergangenen Richtlinie vom 26. Juli 1972 überhaupt bestanden.

Gegen den ihm am 10. August 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Eingangsdatum vom 10. September 2001 Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei seinem Beschäftigungsbetrieb habe es sich nach der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9.2.67 um einen Produktionsbetrieb gehandelt. Denn nach der Anordnung über die Bildung und Aufgaben der VVB Maschinelles Rechnen vom 27.12.65 handele es sich bei den VEBen Maschinelles Rechnen um juristische Personen, die nach der wirtschaftlichen Rechnungsführung und nach den Prinzipien der gesetzlichen Bestimmungen, die für zentral geleitete VVB und Industriebetriebe gälten, arbeiteten. Nur so sei auch die Bestellung eines Produktionsdirektors im VEB Maschinelles Rechnen zu erklären. Aus den Versorgungsvorschriften ergebe sich im übrigen das Erfordernis des Produktionszwecks der einbezogenen volkseigenen Betriebe nicht. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25. November 2004 Bezug genommen.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. August 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2001 abzuändern und

die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten von November 1963 bis Dezember 1964, von März 1971 bis Dezember 1974, von Januar 1976 bis Dezember 1976 und von Januar 1978 bis Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz und die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung fest.

Das Gericht hat vom Amtsgericht Magdeburg Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft beigezogen. Wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf Bl. 79-97 d.A. Bezug genommen. Die Akte der Beklagten über den Kläger – Vers.-Nr. – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2001 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit die Beklagte darin die beantragte Feststellung abgelehnt hat. Denn darauf hatte der Kläger gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) i. d. F. durch G. v. 27.7.01 (BGBl. I S. 1939) keinen Anspruch, weil er in dem umstrittenen Zeitraum nicht im Sinne dieser Vorschrift eine Anwartschaft in dem geltend gemachten Zusatzversorgungssystem erworben hat.

Dem Kläger ist zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung eine Zusatzversorgung aus diesem System zugesagt worden.

Bei dem Kläger kann auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zuerst Urt. v. 24. 3. 98 – B 4 RA 27/97 RSozR 3-8570 § 5 Nr. 3) eine Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG unterstellt werden. Denn der VE Computerservice Ma. und seine Vorgängerbetriebe sind keine volkseigenen Produktionsbetriebe im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24.5.51 (GBl. der DDR S. 487) in dem – im Ergebnis engen – Sinn, mit dem er der bundesrechtlichen Ausfüllung des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG zu Grunde zu legen ist. Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb enthält § 1 Abs. 1 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung nichtproduzierender Betriebe in § 1 Abs. 2 2. DB mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre.

Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell fertigen (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R – SozR 3 – 8570 § 1 Nr. 6 S. 47, ausdrücklich in Abgrenzung zu Datenverarbeitungszentren Urt. v. 10.4.02 – B 4 RA 5/02). Darum handelte es sich bei dem Betrieb des Klägers nicht, weil der Betrieb schon nach seiner Bezeichnung Informationsdienstleistungen erbrachte. Denn im Vordergrund dieser Tätigkeit steht die Verarbeitung der Daten als Dienstleistung, nicht ihre Verkörperung als Ausdruck oder auf Datenträgern. Auch der nach Darstellung des Klägers ebenfalls bedeutende Bereich der Entwicklung und des Betriebs von Programmen ist keine Fertigung von Sachgütern im Sinne des beschriebenen Produktionsbegriffs, weil dabei ungeachtet der möglichen Speicherung auf Datenträgern die davon wiederum übertragbare jeweilige Programmlösung Gegenstand der Herstellung ist, nicht aber der Datenträger. Auch Reparaturleistungen an EDV-Anlagen fallen nicht unter die hier allein angesprochene (Neu-) Herstellung. Der vom Kläger beschriebenen Herstellung von Speichereinrichtungen kommt nach seiner Einschätzung des Anteils von ca. 20 Prozent der Betriebstätigkeit nicht das Gewicht zu, das den Betriebszweck prägen könnte.

Rechtlich war der Betrieb des Klägers entgegen seiner Auffassung nicht den volkseigenen Produktionsbetrieben zugeordnet. Gerade die Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar 1967 (GBl. der DDR I S. 121) trägt diese Auffassung nicht, weil sie die Unterscheidung der 2. DB zwischen Produktions- und anderen volkseigenen Betrieben sogar aufgreift. Auf Produktionsbetriebe beschränkt sich nämlich gem. § 49 Abs. 1 dieser Verordnung grundsätzlich der Anwendungsbereich. Auf andere Betriebe war die Verordnung gem. § 49 Abs. 2 nur – unter bestimmten, auch im Falle des Anstellungsbetriebes des Klägers erfüllten Voraussetzungen – entsprechend anzuwenden, ohne dass es sich dabei um Produktionsbetriebe handelte. Daraus erklärt sich auch die Bestellung eines Produktionsdirektors gem. § 41 Abs. 2 der Verordnung im Anstellungsbetrieb des Klägers für die Wahrnehmung vergleichbarer Aufgaben. Auch die Regelungen über die Registereintragung bieten keinen Anhaltspunkt für die Einstufung als Produktionsbetrieb entgegen den tatsächlichen Verhältnissen. Nach §§ 1, 2 Abs. 2 der vierten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über Maßnahmen zur Einführung des Prinzips der wirtschaftlichen Rechnungsführung in den Betrieben der volkseigenen Wirtschaft – Register der volkseigenen Wirtschaft – v. 7.4.52 (GBl. S. 290) waren volkseigene Betriebe ungeachtet ihres Betriebszwecks, insbesondere nicht abhängig vom Zweck der Produktion, in das Handelsregister C einzutragen. Daran hat § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Führung des Registers der volkseigenen Wirtschaft v. 16.10.68 (GBl. II S. 968) keine Änderung vorgenommen.

Der vorstehend in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach eine Anwartschaft gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG aus unterstellter Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur bei Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 2. DB in Betracht kommt, schließt sich der Senat an, wobei er offen lässt, ob dies für eine Anwartschaft ausreicht. Die Tatbestandsmerkmale der 2. DB müssen nach der im Ergebnis von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hier nicht abweichenden Auffassung des Senats bei der Auslegung rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage ergeben (Beschluss des Senats v. 9.9.03 – L 1 RA 96/00). Dies folgt nach Meinung des Senats aus dem Zweck der angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Erstreckung des Anwendungsbereiches des AAÜG auch auf Fälle, in denen eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde. Dabei geht es darum, objektive Willkür bei der Verzögerung und dem Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R – SozR 3 – 8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung oder der Verfehlung der gerechtesten Ermessenentscheidung, sondern in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage bezüglich der Ablehnungsgründe durch die angegebene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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