Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 RA 213/01
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 121/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.
Die 1941 geborene Klägerin legte vom 1. September 1959 bis zum 30. Juni 1961 eine Fachschulausbildung zur examinierten Krankenschwester zurück und war danach in diesem Beruf tätig. Nach dem Besuch der Schule der Medizinischen Akademie M ... vom 3. September 1969 bis zum 24. Juni 1970 schloss sie den Qualifizierungsabschnitt als Stationsschwester mit Erfolg ab. Danach war sie als Stationsleiterin in einem Krankenhaus und als Stationsschwester in den Ve. He. M. tätig, in denen sie seit März 1979 als Heimleiterin beschäftigt war. Vom 18. Oktober 1982 war sie bis über den 30. Juni 1990 hinaus als amtierende Oberschwester mit der Stationsleitung eines Krankenhauses betraut. Nach Einführung der freiwilligen Zusatzrentenversicherung bei der Sozialversicherung überschritt das Einkommen der Klägerin jeweils die Beitragsbemessungsgrenze der Sozialpflichtversicherung. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung trat die Klägerin aber nicht bei.
Den Antrag der Klägerin auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften aus ihrer Berufstätigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2001 ab und führte aus, die Tätigkeit der Klägerin als Krankenschwester habe nicht zu den besonders qualifizierten Tätigkeiten im Sinne der Versorgungsordnung der wissenschaftlichen, medizinischen, pädagogischen und künstlerischen Intelligenz gezählt. Mit ihrem Widerspruch vom 4. Mai 2001 verwies die Klägerin auf ihre leitenden Tätigkeiten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, die Klägerin habe nicht die zwingenden Voraussetzungen des Zusatzversorgungssystems erfüllt. Zwar hätten besonders qualifizierte und verantwortlich tätige leitende Schwestern beziehungsweise Pfleger zu dem berechtigten Personenkreis gehört. Die Ausfüllung der Begriffe "besonders qualifiziert" und "leitend" erfordere aber eine Ermessensentscheidung, die nach der Schließung der Versorgungssysteme mit dem 30. Juni 1990 bundesrechtlich nicht mehr nachgeholt werden könne. Auch könne die Tätigkeit in der Heimleitung nicht die Voraussetzungen der zusätzlichen Versorgung der Pädagogen in Einrichtungen der Volks- und Berufsbildung erfüllen, weil die Klägerin nicht über die erforderliche pädagogische Ausbildung verfüge.
Mit der noch im Juli 2001 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe auf Grund entsprechender weiterführender Abschlüsse überwiegend Schwestern und Lehrlinge angeleitet, ausgebildet und beurteilt sowie personalrechtliche Befugnisse gegenüber Schwestern und Lehrlingen wahrgenommen. Als Heimleiterin sei sie auch noch für die wirtschaftliche Leitung des Heimes zuständig gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. September 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen der bundesrechtlich unterstellten Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem, weil sie bis zum Ablauf des Juni 1990 nicht darauf habe vertrauen dürfen, bei einem möglichen Leistungsfall eine Zusatzversorgung zu erhalten. Ein solches Vertrauen habe einen begründeten Vorschlag des Leiters der Beschäftigungsstelle und Zustimmung der zuständigen staatlichen Stellen erfordert. Nach dem Wortlaut der Versorgungsordnung sei die Zugehörigkeit von Schwestern im staatlichen Gesundheitswesen der DDR zur Altersversorgung der Intelligenz nicht zwingend gewesen. Dies habe auch der Verwaltungspraxis der DDR entsprochen.
Die Klägerin hat mit Eingangsdatum beim Sozialgericht Magdeburg vom 15. Oktober 2001 Berufung eingelegt und ausgeführt, für die Anwendbarkeit des AAÜG komme es allein auf die Ausübung einer Beschäftigung an, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen gewesen sei. Die von ihr ausgeübten leitenden Tätigkeiten erfüllten diese Voraussetzungen.
Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. September 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2001 abzuändern und
die Beklagte zu verpflichten, die Zeit von März 1971 bis Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG und die entsprechenden tatsächlichen Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Begründung aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Die Akte der Beklagten über die Klägerin – Vers.-Nr. ZV – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 19. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2001 die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert. Die Klägerin hat gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) in der Fassung durch Gesetz vom 27.7.01 (BGBl. I S. 1939) keinen Anspruch auf die beantragten Feststellungen. Sie unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG, weil sie in dem geltend gemachten Zeitraum weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen nach § 1 Abs. 2 AAÜG i.V.m. Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG angehörte.
Eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG ist der Klägerin gegenüber zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung zugesagt worden; davon geht sie ausdrücklich aus.
Der Senat kann offen lassen, inwieweit er sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anschließt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG im Wege der Unterstellung (st. Rspr., z.B. BSG, Urt. v. 10.4.02 – B 4 RA 18/01 R – SozR 3 – 8570 § 1 Nr. 8) vorliegen kann. Denn auch die Voraussetzungen dafür liegen schon nach dieser Rechtsprechung nicht vor, weil die Klägerin nur durch eine bundesrechtlich nicht mehr nachholbare Ermessensentscheidung hätte einbezogen werden können (BSG, Urt. v. 31.7.02 – B 4 RA 21/02 R – SozR 3-8570 § 1 Nr. 9).
Dies ergibt sich aus § 3 Buchst. b der Verordnung (VO) über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.7.51 (GBl. S. 675). Denn der hier geregelte, Schwestern thematisch allein erfassende Tatbestand erfordert neben einer verantwortlich leitenden Tätigkeit zusätzlich eine besondere Qualifikation. Dies ergibt der Wortlaut der Vorschrift durch die Verbindung der beiden Voraussetzungen mit dem Wort "und". Die Maßgeblichkeit beider Voraussetzungen zusammen für eine Versorgung ist aber auch systematisch erkennbar, weil eine verantwortliche bzw. leitende Tätigkeit auch in allen anderen Buchstaben des § 3 VO Voraussetzung zumindest für eine Versorgung von Personengruppen ohne Hochschulabschluss ist.
Bei dem Begriff der besonderen Qualifikation handelt es sich um einen wertausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite einer Rechtsnorm, der nur in persönlicher Einschätzung dazu berufener Beurteilungspersonen zu prüfen ist, hier durch den zuständigen Leiter (vgl. dazu § 1 der Ersten Durchführungsbestimmung – DB – zur Verordnung v. 26.9.51, GBl. S. 879) Dies entspricht nach bundesrechtlichem Verständnis einem Beurteilungsspielraum (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114 Rdnr. 23 ff.). Denn die im Hinblick auf die notwendig ausgeübte verantwortliche leitende Tätigkeit in jedem Einzelfall erforderliche besondere Qualifikation setzt sich aus einer Vielzahl von Einzelvoraussetzungen notwendiger Ausbildung, Berufserfahrung und Persönlichkeitsmerkmale zusammen, die im Gesamtbild nur aus der persönlichen Wahrnehmung und Beurteilung am Arbeitsplatz beurteilt werden können. Gegen die Annahme eines Beurteilungsspielraumes spricht auch nicht der Entscheidungsvorbehalt der Ministerien aus § 1 Abs. 2 S. 2 DB. Denn dieser kann bei bundesrechtlicher Auslegung nur im Sinne einer Maßstabsüberprüfung verstanden werden, weil die Eignung der in Betracht kommenden Person nur aus der Beobachtung der an sie gestellten Anforderungen im Einzelfall eingeschätzt werden kann. Ein Beurteilungsspielraum steht im Hinblick auf seine Überprüfbarkeit einer Ermessensvorschrift grundsätzlich gleich (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114 Rdnr. 31b). Dies gilt jedenfalls für die Prüfung des Anwendungsbereichs des AAÜG, in dem erforderlich gewesene Entscheidungen nicht mangels sachlicher, objektivierbarer, bundesrechtlich nachvollziehbarer Grundlage rückschauend ersetzt werden dürfen (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 31/01 – SozR 3-8570 § 1 Nr. 2; Urt. v. 10.4.02 – B 4 RA 34/01 R – SozR 3-8570 § 1 Nr. 3).
Zu diesem – von einer engen, wortlautbezogenen Auslegung der Versorgungsvorschriften getragenen – Ergebnis gelangt auch der Senat allgemein vom Zweck der genannten Rechtsprechung her, Fehlentscheidungen von willkürlichem Ausmaß herauszuarbeiten. Dabei geht es darum, objektive Willkür bei der Verzögerung und dem Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R – SozR 3 – 8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist.
In diesem Zusammenhang ist nicht zu entscheiden, ob der Senat der Klägerin bei einer erstmaligen Anwendung der Versorgungsordnung nach einer historisch-systematischen Auslegung der einschlägigen Vorschriften einen Anspruch auf Neubescheidung zusprechen würde. Dies ist nicht mehr der Prüfungsmaßstab einer Einbeziehung nach Bundesrecht, weil sie nicht – wie ursprünglich die Versorgungsordnungen – unmittelbar an eine herausgehobene Erwerbstätigkeit anknüpft oder dies auch nur vor dem Grundgesetz könnte. Maßstab der Gleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ist nämlich nicht die Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes als Zielsetzung der ursprünglichen bestmöglichen Auslegung der Versorgungsordnungen, sondern das in engerem Umfang wirkende rechtsstaatliche Vertrauen, nicht willkürlich von Normgeltung ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Darin liegt der Grund, weshalb die in § 3 Buchst. b VO vorgesehene Möglichkeit einer Einbeziehung nach Ermessen von der vorzunehmenden Prüfung schon dem Ansatz nach ausgenommen ist. Das Unterlassen einer Einbeziehung im Ermessenswege war nämlich von Einzelfallumständen abhängig, die gerade nicht Inhalt eines Normtextes sind, was seine Abhängigkeit von Willkür im Nachhinein unüberprüfbar macht.
Der Senat hat dementsprechend keine Vergleiche der ausbildungsbezogenen und beruflichen Leistung anzustellen, sondern zu prüfen, ob ein gesetzlich bestimmtes Privileg von der Verwaltungspraxis übergangen wurde. Dies bemisst sich aber nur nach der Deutlichkeit der Abfassung der Versorgungsnormen der DDR, nicht nach deren systemgerechtem Inhalt. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Entscheidungen unter der Geltung der ursprünglichen Versorgungsordnung hätten ergehen können, sondern welche allein durch rechtsstaatliches Verständnis unausweichlich gewesen wären. Selbst die Verfehlung der bestmöglichen Auslegung nach Normsystematik und –zweck durch die tatsächliche Unterlassung der Versorgungszusage hat dabei nicht schon einen rechtsstaatswidrig willkürlichen Ausschluss von einem gesetzlichen Privileg zum Inhalt.
Ein weiteres Verständnis der Voraussetzungen folgt auch nicht aus dem Rechtssatz (BSG, a.a.O., S. 9), es komme auf eine konkrete entgeltliche Beschäftigung an, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war. Denn dies bezieht sich nicht auf eine hochwertige Tätigkeit an sich, sondern auf die Erfüllung eines Tatbestandes der jeweiligen Versorgungsordnung. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Abstellen auf abstrakt-generelle Voraussetzungen, worunter Merkmale eines gesetzlichen Tatbestandes verstanden werden. Dieser verlangt hier die Einschätzung gesetzlich nicht unmittelbar geregelter Umstände. Im Sinne eines über die tatsächliche Tätigkeitsausübung hinausgehenden Tatbestandes hat die Rechtsprechung die Prüfung auch jederzeit vorgenommen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R, a.a.O.; Urt. v. 30.6.98 – B 4 RA 11/98 R, zitiert nach Juris Rechtsprechung). Nach dem dargelegten Zweck dieser Rechtsprechung kommt auch ein anderes Verständnis nicht in Betracht, weil die Frage, ob durch unterlassene Rechtsanwendung Willkür geschehen ist, nur nach der Prüfung gesetzlicher Tatbestandsvoraussetzungen, nicht nur einer unüberprüfbaren Würdigung beruflicher Anforderungen, beantwortet werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage durch die angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt ist.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.
Die 1941 geborene Klägerin legte vom 1. September 1959 bis zum 30. Juni 1961 eine Fachschulausbildung zur examinierten Krankenschwester zurück und war danach in diesem Beruf tätig. Nach dem Besuch der Schule der Medizinischen Akademie M ... vom 3. September 1969 bis zum 24. Juni 1970 schloss sie den Qualifizierungsabschnitt als Stationsschwester mit Erfolg ab. Danach war sie als Stationsleiterin in einem Krankenhaus und als Stationsschwester in den Ve. He. M. tätig, in denen sie seit März 1979 als Heimleiterin beschäftigt war. Vom 18. Oktober 1982 war sie bis über den 30. Juni 1990 hinaus als amtierende Oberschwester mit der Stationsleitung eines Krankenhauses betraut. Nach Einführung der freiwilligen Zusatzrentenversicherung bei der Sozialversicherung überschritt das Einkommen der Klägerin jeweils die Beitragsbemessungsgrenze der Sozialpflichtversicherung. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung trat die Klägerin aber nicht bei.
Den Antrag der Klägerin auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften aus ihrer Berufstätigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2001 ab und führte aus, die Tätigkeit der Klägerin als Krankenschwester habe nicht zu den besonders qualifizierten Tätigkeiten im Sinne der Versorgungsordnung der wissenschaftlichen, medizinischen, pädagogischen und künstlerischen Intelligenz gezählt. Mit ihrem Widerspruch vom 4. Mai 2001 verwies die Klägerin auf ihre leitenden Tätigkeiten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, die Klägerin habe nicht die zwingenden Voraussetzungen des Zusatzversorgungssystems erfüllt. Zwar hätten besonders qualifizierte und verantwortlich tätige leitende Schwestern beziehungsweise Pfleger zu dem berechtigten Personenkreis gehört. Die Ausfüllung der Begriffe "besonders qualifiziert" und "leitend" erfordere aber eine Ermessensentscheidung, die nach der Schließung der Versorgungssysteme mit dem 30. Juni 1990 bundesrechtlich nicht mehr nachgeholt werden könne. Auch könne die Tätigkeit in der Heimleitung nicht die Voraussetzungen der zusätzlichen Versorgung der Pädagogen in Einrichtungen der Volks- und Berufsbildung erfüllen, weil die Klägerin nicht über die erforderliche pädagogische Ausbildung verfüge.
Mit der noch im Juli 2001 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe auf Grund entsprechender weiterführender Abschlüsse überwiegend Schwestern und Lehrlinge angeleitet, ausgebildet und beurteilt sowie personalrechtliche Befugnisse gegenüber Schwestern und Lehrlingen wahrgenommen. Als Heimleiterin sei sie auch noch für die wirtschaftliche Leitung des Heimes zuständig gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. September 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen der bundesrechtlich unterstellten Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem, weil sie bis zum Ablauf des Juni 1990 nicht darauf habe vertrauen dürfen, bei einem möglichen Leistungsfall eine Zusatzversorgung zu erhalten. Ein solches Vertrauen habe einen begründeten Vorschlag des Leiters der Beschäftigungsstelle und Zustimmung der zuständigen staatlichen Stellen erfordert. Nach dem Wortlaut der Versorgungsordnung sei die Zugehörigkeit von Schwestern im staatlichen Gesundheitswesen der DDR zur Altersversorgung der Intelligenz nicht zwingend gewesen. Dies habe auch der Verwaltungspraxis der DDR entsprochen.
Die Klägerin hat mit Eingangsdatum beim Sozialgericht Magdeburg vom 15. Oktober 2001 Berufung eingelegt und ausgeführt, für die Anwendbarkeit des AAÜG komme es allein auf die Ausübung einer Beschäftigung an, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen gewesen sei. Die von ihr ausgeübten leitenden Tätigkeiten erfüllten diese Voraussetzungen.
Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. September 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2001 abzuändern und
die Beklagte zu verpflichten, die Zeit von März 1971 bis Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG und die entsprechenden tatsächlichen Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Begründung aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Die Akte der Beklagten über die Klägerin – Vers.-Nr. ZV – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 19. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2001 die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert. Die Klägerin hat gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) in der Fassung durch Gesetz vom 27.7.01 (BGBl. I S. 1939) keinen Anspruch auf die beantragten Feststellungen. Sie unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG, weil sie in dem geltend gemachten Zeitraum weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen nach § 1 Abs. 2 AAÜG i.V.m. Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG angehörte.
Eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG ist der Klägerin gegenüber zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung zugesagt worden; davon geht sie ausdrücklich aus.
Der Senat kann offen lassen, inwieweit er sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anschließt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG im Wege der Unterstellung (st. Rspr., z.B. BSG, Urt. v. 10.4.02 – B 4 RA 18/01 R – SozR 3 – 8570 § 1 Nr. 8) vorliegen kann. Denn auch die Voraussetzungen dafür liegen schon nach dieser Rechtsprechung nicht vor, weil die Klägerin nur durch eine bundesrechtlich nicht mehr nachholbare Ermessensentscheidung hätte einbezogen werden können (BSG, Urt. v. 31.7.02 – B 4 RA 21/02 R – SozR 3-8570 § 1 Nr. 9).
Dies ergibt sich aus § 3 Buchst. b der Verordnung (VO) über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik v. 12.7.51 (GBl. S. 675). Denn der hier geregelte, Schwestern thematisch allein erfassende Tatbestand erfordert neben einer verantwortlich leitenden Tätigkeit zusätzlich eine besondere Qualifikation. Dies ergibt der Wortlaut der Vorschrift durch die Verbindung der beiden Voraussetzungen mit dem Wort "und". Die Maßgeblichkeit beider Voraussetzungen zusammen für eine Versorgung ist aber auch systematisch erkennbar, weil eine verantwortliche bzw. leitende Tätigkeit auch in allen anderen Buchstaben des § 3 VO Voraussetzung zumindest für eine Versorgung von Personengruppen ohne Hochschulabschluss ist.
Bei dem Begriff der besonderen Qualifikation handelt es sich um einen wertausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite einer Rechtsnorm, der nur in persönlicher Einschätzung dazu berufener Beurteilungspersonen zu prüfen ist, hier durch den zuständigen Leiter (vgl. dazu § 1 der Ersten Durchführungsbestimmung – DB – zur Verordnung v. 26.9.51, GBl. S. 879) Dies entspricht nach bundesrechtlichem Verständnis einem Beurteilungsspielraum (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114 Rdnr. 23 ff.). Denn die im Hinblick auf die notwendig ausgeübte verantwortliche leitende Tätigkeit in jedem Einzelfall erforderliche besondere Qualifikation setzt sich aus einer Vielzahl von Einzelvoraussetzungen notwendiger Ausbildung, Berufserfahrung und Persönlichkeitsmerkmale zusammen, die im Gesamtbild nur aus der persönlichen Wahrnehmung und Beurteilung am Arbeitsplatz beurteilt werden können. Gegen die Annahme eines Beurteilungsspielraumes spricht auch nicht der Entscheidungsvorbehalt der Ministerien aus § 1 Abs. 2 S. 2 DB. Denn dieser kann bei bundesrechtlicher Auslegung nur im Sinne einer Maßstabsüberprüfung verstanden werden, weil die Eignung der in Betracht kommenden Person nur aus der Beobachtung der an sie gestellten Anforderungen im Einzelfall eingeschätzt werden kann. Ein Beurteilungsspielraum steht im Hinblick auf seine Überprüfbarkeit einer Ermessensvorschrift grundsätzlich gleich (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114 Rdnr. 31b). Dies gilt jedenfalls für die Prüfung des Anwendungsbereichs des AAÜG, in dem erforderlich gewesene Entscheidungen nicht mangels sachlicher, objektivierbarer, bundesrechtlich nachvollziehbarer Grundlage rückschauend ersetzt werden dürfen (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 31/01 – SozR 3-8570 § 1 Nr. 2; Urt. v. 10.4.02 – B 4 RA 34/01 R – SozR 3-8570 § 1 Nr. 3).
Zu diesem – von einer engen, wortlautbezogenen Auslegung der Versorgungsvorschriften getragenen – Ergebnis gelangt auch der Senat allgemein vom Zweck der genannten Rechtsprechung her, Fehlentscheidungen von willkürlichem Ausmaß herauszuarbeiten. Dabei geht es darum, objektive Willkür bei der Verzögerung und dem Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R – SozR 3 – 8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist.
In diesem Zusammenhang ist nicht zu entscheiden, ob der Senat der Klägerin bei einer erstmaligen Anwendung der Versorgungsordnung nach einer historisch-systematischen Auslegung der einschlägigen Vorschriften einen Anspruch auf Neubescheidung zusprechen würde. Dies ist nicht mehr der Prüfungsmaßstab einer Einbeziehung nach Bundesrecht, weil sie nicht – wie ursprünglich die Versorgungsordnungen – unmittelbar an eine herausgehobene Erwerbstätigkeit anknüpft oder dies auch nur vor dem Grundgesetz könnte. Maßstab der Gleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ist nämlich nicht die Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes als Zielsetzung der ursprünglichen bestmöglichen Auslegung der Versorgungsordnungen, sondern das in engerem Umfang wirkende rechtsstaatliche Vertrauen, nicht willkürlich von Normgeltung ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Darin liegt der Grund, weshalb die in § 3 Buchst. b VO vorgesehene Möglichkeit einer Einbeziehung nach Ermessen von der vorzunehmenden Prüfung schon dem Ansatz nach ausgenommen ist. Das Unterlassen einer Einbeziehung im Ermessenswege war nämlich von Einzelfallumständen abhängig, die gerade nicht Inhalt eines Normtextes sind, was seine Abhängigkeit von Willkür im Nachhinein unüberprüfbar macht.
Der Senat hat dementsprechend keine Vergleiche der ausbildungsbezogenen und beruflichen Leistung anzustellen, sondern zu prüfen, ob ein gesetzlich bestimmtes Privileg von der Verwaltungspraxis übergangen wurde. Dies bemisst sich aber nur nach der Deutlichkeit der Abfassung der Versorgungsnormen der DDR, nicht nach deren systemgerechtem Inhalt. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Entscheidungen unter der Geltung der ursprünglichen Versorgungsordnung hätten ergehen können, sondern welche allein durch rechtsstaatliches Verständnis unausweichlich gewesen wären. Selbst die Verfehlung der bestmöglichen Auslegung nach Normsystematik und –zweck durch die tatsächliche Unterlassung der Versorgungszusage hat dabei nicht schon einen rechtsstaatswidrig willkürlichen Ausschluss von einem gesetzlichen Privileg zum Inhalt.
Ein weiteres Verständnis der Voraussetzungen folgt auch nicht aus dem Rechtssatz (BSG, a.a.O., S. 9), es komme auf eine konkrete entgeltliche Beschäftigung an, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war. Denn dies bezieht sich nicht auf eine hochwertige Tätigkeit an sich, sondern auf die Erfüllung eines Tatbestandes der jeweiligen Versorgungsordnung. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Abstellen auf abstrakt-generelle Voraussetzungen, worunter Merkmale eines gesetzlichen Tatbestandes verstanden werden. Dieser verlangt hier die Einschätzung gesetzlich nicht unmittelbar geregelter Umstände. Im Sinne eines über die tatsächliche Tätigkeitsausübung hinausgehenden Tatbestandes hat die Rechtsprechung die Prüfung auch jederzeit vorgenommen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R, a.a.O.; Urt. v. 30.6.98 – B 4 RA 11/98 R, zitiert nach Juris Rechtsprechung). Nach dem dargelegten Zweck dieser Rechtsprechung kommt auch ein anderes Verständnis nicht in Betracht, weil die Frage, ob durch unterlassene Rechtsanwendung Willkür geschehen ist, nur nach der Prüfung gesetzlicher Tatbestandsvoraussetzungen, nicht nur einer unüberprüfbaren Würdigung beruflicher Anforderungen, beantwortet werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage durch die angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt ist.
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