L 12 AS 364/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 6971/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 364/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.11.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des dem Kläger zu gewährenden Arbeitslosengeldes II (Alg II).

Der 1964 geborene Kläger steht seit Anfang 2005 im Leistungsbezug bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 20.10.2005 bewilligte die Beklagte Alg II für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 in Höhe von monatlich 686,00 EUR. Auf den Widerspruch des Klägers vom 18.11.2005 erließ die Beklagte am 2.2.2006 einen Änderungsbescheid, mit dem sie für den genannten Zeitraum Leistungen in Höhe von monatlich 688,77 EUR bewilligte. Die Gewährung einer um 2,77 EUR höheren monatlichen Leistung beruhte dabei darauf, dass die Beklagte von den Kosten der Unterkunft an Stelle der bisherigen 9,00 EUR jetzt nur noch eine Energiepauschale in Höhe von 6,23 EUR in Abzug brachte. Den Widerspruch des Klägers vom 18.11.2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2006 (im übrigen) zurück.

Mit Bescheid vom 23.5.2006 wurden dem Kläger für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von ebenfalls monatlich 688,77 Euro gewährt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.8.2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 19.9.2006 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, und zwar Untätigkeitsklage wegen der Nichtbearbeitung seines Widerspruchs vom 18.11.2005 nach dem Änderungsbescheid vom 2.2.2006, als auch Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf höhere Regelleistung. Zur Begründung brachte er vor, der Regelsatz des Jahres 2005 von 345,00 EUR sei insbesondere unter Berücksichtigung der Preissteigerungen der letzten Jahre bedarfsgerecht zu erhöhen. Der Regelsatz reiche für das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum nicht aus. Bedarfsdeckend wäre ein Regelsatz von mindestens 500 bis 550 EUR monatlich zuzüglich einer Reihe weiterer individueller Bedarfe. Der Kläger wandte sich auch dagegen, dass trotz des Änderungsbescheides vom 2.2.2006 nach wie vor eine monatliche Warmwasserpauschale von 6,23 EUR einbehalten werde.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 22.11.2006 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zutreffend die monatliche Leistung des Klägers in Höhe von 688,77 EUR gewährt. Diese setze sich zusammen aus der Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige in Höhe von 345,00 EUR und monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 343,77 EUR. Soweit der Kläger die volle Übernahme der im Mietvertrag vereinbarten Warmmiete in Höhe von 350 EUR monatlich begehre, könne dem nicht entsprochen werden. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung seien die Kosten der Warmwasserzubereitung vom Regelbetrag des § 20 SGB II umfasst und fielen nicht unter die nach § 22 SGB II zu erbringenden Kosten der Unterkunft. Solche seien nur die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen. Ausweislich des Mietvertrages umfassten die Betriebskosten neben den Kosten der Heizung auch die Kosten für die Warmwasserzubereitung. Letztere seien herauszurechnen, da eine Übernahme als Kosten der Unterkunft nicht in Betracht komme. Zwar sei eine zweifelsfrei feststellbare Trennung in Heizungskosten und Kosten für die Warmwasserzubereitung nicht möglich. Der Abzug einer Warmwasserpauschale von 6,23 EUR monatlich begegne jedenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Er beruhe auf einer Empfehlung des Gesamtarbeitskreises Sozialhilferichtlinien, für das Gericht seien keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, dass dieser niedrigere Betrag, der, soweit ersichtlich, bislang durch sämtliche sozialgerichtlichen Entscheidungen bestätigt worden sei, unangemessen hoch sein könnte.

Es sei auch nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber mit der von ihm bestimmten Höhe der Regelleistungen seiner Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zur Sicherung der Existenz der Hilfebedürftigen nicht nachgekommen sei. Zu beachten sei, dass der in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsgrundsatz zwar den an den Gesetzgeber gerichteten Gestaltungsauftrag enthalte, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Hierbei besitze der Gesetzgeber jedoch ein weites Gestaltungsermessen, es unterliege seiner Gestaltungsmacht, Art und Umfang sozialer Sicherungssysteme und den Kreis der hierdurch berechtigten Personen nach sachgerechten Kriterien zu bestimmen. Insoweit müsse sich die verfassungsrechtliche Überprüfung auf eine Evidenzkontrolle beschränken und könne die gesetzliche Regelung nur beanstandet werden, wenn der Gesetzgeber die maßgeblichen Pflichten entweder überhaupt außer Acht gelassen oder ihnen offensichtlich nicht genügt habe.

Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Gesetzgeber habe sich bei der Bestimmung der Höhe der Regelleistungen von 345 EUR an den bisher für die Sozialhilfe geltenden Grundsätzen orientiert, wonach dem Leistungsempfänger das Existenzminimum im überlebensnotwendigen Ausmaß zu gewähren sei, ferner die Sicherung eines "soziokulturellen" Existenzminimums, und wonach ferner das Gebot des Vorrangs der Selbsthilfe und des Lohnabstandes zu durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelten unterer Lohn- und Gehaltsgruppen zu beachten sei. Diese Grundsätze habe der Gesetzgeber hinreichend beachtet. Auch die im Vergleich zu den Regelungen des BSHG weit gehenden Pauschalierungen der Bedarfe sei nicht verfassungswidrig, der Gesetzgeber habe ausreichend dem Bedarfsdeckungs- und Individualisierungsgrundsatz Rechnung getragen.

Gegen diesen am 24.11.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.12.2006 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und hält einen Regelsatz von 345 EUR für nicht bedarfsgerecht. Bedarfsdeckend wäre ein Alg II-Regelsatz von 627 EUR pro Monat für das Jahr 2005, hinzu komme die Inflationsanpassung für das Jahr 2006. Zusätzlich bestehe Bedarf (sehr hohe weiterer Fehlbeträge) bei den Alg II-Leistungen durch Regelungslücken und vergessenen oder nicht ausreichend berücksichtigten unabwendbaren individuellen Bedarf.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.11.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.8.2006 zu verurteilen, ihm vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 höheres Arbeitslosengeld II in bedarfsdeckender Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alg II.

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid ausführlich und zutreffend dargelegt, dass die von der Beklagten gewährten Leistungen dem Gesetz entsprechen und nicht verfassungswidrig zu niedrig sind. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Er nimmt auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Inzwischen hat auch das Bundessozialgericht (BSG) in einer Entscheidung vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R ausdrücklich festgestellt, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Höhe der Regelleistungen im SGB II den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum nicht überschritten hat. Auch das BSG hat darauf abgestellt, dass dem aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem insbesondere auf Art. 20 Abs. 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip sich für den Gesetzgeber ein Gestaltungsauftrag ergebe. Dieser sei jedoch nicht geeignet, eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung sozialer Leistungen in einem bestimmten Umfang zu begründen. Vielmehr seien dem Gesetzgeber im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang soziale Hilfen unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden könnten, ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Insoweit bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in § 20 Abs. 2 und 3 SGB II gesetzlich festgeschriebene Höhe der Regelleistungen. Weder gewährleisteten diese nicht das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum noch verstieße sie gegen die Menschenwürde oder gegen fürsorgerechtliche Strukturprinzipien.

Diese Entscheidung des BSG bestätigt in jedem einzelnen Punkt die Begründung des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, im einzelnen weiter darauf einzugehen. Ein Anspruch des Klägers auf höhere Alg II-Leistungen ist aus verfassungsrechtlichen Gründen schlechterdings nicht zu begründen.

Die Berufung des Klägers ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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