Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1004/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2391/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.03.2005 aufgehoben. Unter Abänderung des Bescheides vom 05.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 wird als weitere Folge des Unfalls vom 02.02.2001 eine schmerzhafte, endgradige Bewegungseinschränkung und geringfügige Kraftverminderung der rechten Schulter bei örtlicher Verschmächtigung des Deltamuskels festgestellt und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. ab 23.07.2001 zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalls und die Gewährung einer Verletztenrente.
Der am 1954 geborene Kläger ist als selbstständiger Mitarbeiter einer Bausparkasse beruflich tätig und bei der Beklagten freiwillig versichert. Wegen einer Verletzung des rechten Handgelenkes bezieht er von der Beklagten seit 01.01.1992 eine Verletztenrente, seit 11.11.1997 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H.
Am 02.02.2001 rutschte der Kläger, als er einen Kunden aufsuchen wollte, auf dem Weg vom Büro zu seinem Auto auf Schneeglätte aus und stürzte dabei auf den rechten Arm bzw. die rechte Schulter. Erstmals am 08.02.2001 nahm er wegen zunehmender Beschwerden in der rechten Schulter ärztliche Hilfe in Anspruch. PD. Dr. Fl., Durchgangsarzt und Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie im Krankenhaus B. schloss knöcherne Verletzungen der rechten Schulter aus, auf dem Röntgenbild zeigte sich nur ein ca. 1,5 x 0,5 cm langes Kalkdepot im Bereich der langen Bizepssehne. In der Folgezeit kam - insbesondere auf Grund einer Kern-spintomografie (Befundbericht Dr. M.) - der Verdacht auf eine Ruptur der Supraspinatussehne auf, bei gleichzeitigem Vorliegen eines Impingements wegen einer räumlichen Enge unter dem Schulterdach und aktivierter Arthrose, einer Schleimbeutelentzündung und eines partiellen Defekts im vorderen Labrum glenoidale. PD. Dr. Fl. stellte daraufhin die Indikation zur Arthroskopie, in deren Rahmen auch die räumliche Enge behoben werden könne. Der Unfallchirurg Dr. R. bestätigte sonografisch den Verdacht auf eine Teilruptur der Supraspinatussehne, in deren Folge es zu einem acromialen Impingement gekommen sei und er bestätigte auch die Indikation zur Arthroskopie inklusive subacromialer Dekompression.
Bei der am 18.04.2001 - weiterhin im Rahmen der Heilbehandlung - durchgeführten diagnostischen Arthroskopie im Krankenhaus B. bestätigte sich der Verdacht auf eine Ruptur im Bereich der Rotatorenmanschette nicht. Es wurde der entzündete Schleimbeutel entfernt und in einem weiteren Operationsschritt eine offene Acromioplastik nach Neer durchgeführt und damit die subacromiale Enge beseitigt. In der Folge trat ein postoperativer Infekt im Bereich der offenen Neer-Plastik auf, der nach entsprechender Wundbehandlung abheilte. PD. Dr. Fl. beendete die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung am 17.07.2001.
Prof. Dr. H., K hospital S. führte in dem für die Beklagte erstatteten Gutachten aus, der Kläger habe eine starke, folgenlos ausgeheilte Schulterprellung rechts erlitten, eine unfallbedingte MdE über die 26. Woche hinaus bestehe nicht.
Mit Bescheid vom 05.02.2002 erkannte die Beklagte - insoweit bestandskräftig - unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis einschließlich 17.07.2001 und Arbeitsunfähigkeit bis 22.07.2001 - so lange erhielt der Kläger dann auch Verletztengeld - an, sie lehnte die Gewährung einer Verletztenrente aber ab, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht in rentenberechtigendem Grade über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall gemindert sei. Als Unfallfolgen stellte sie eine folgenlos verheilte Schulterprellung rechts fest und lehnte die Anerkennung einer Bewegungseinschränkung infolge degenerativer Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette rechts mit daraus resultierendem Impingement, degenerativer Veränderungen im Bereich des AC-Gelenks rechts ausgeprägter als links sowie Verkalkungen vor dem Tuberculum minus als Unfallfolgen ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2002 zurück.
Der Kläger hat am 25.04.2002 zum Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben, das auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten mit ergänzender Stellungnahme von Prof. Dr. W., Orthopädische Chirurgie M. eingeholt hat. Dieser hat ausgeführt, der Kläger leide wegen des in Folge der Operation aufgetretenen Infektes mit ungünstiger Narbenbildung und örtlicher Verschmächtigung des Deltamuskels an einer schmerzhaften, endgradigen Bewegungseinschränkung und geringfügigen Kraftverminderung im Bereich der rechten Schulter, woraus sich eine MdE um 10 v.H. ergebe. Ein Rotatorenmanschettenriss habe sich hingegen nicht bestätigt. Wesentliche Ursache für die Schleimbeutelentzündung sei der in den Röntgenbildern vom 08.02.2001 sichtbare Kalkherd im Ansatzbereich der Subscapularissehne gewesen, der anlässlich des Sturzes vom 02.02.2001 aufgeplatzt sei, sich anschließend im Schleimbeutel aufgelöst und dort die Entzündung ausgelöst habe. Der Kalkherd wäre allerdings auch ohne Sturz zu einem späteren Zeitpunkt aufgeplatzt, weshalb die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen seien.
Mit Urteil vom 22.03.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Prof. Dr. W. habe überzeugend dargelegt, dass die Beschwerden des Klägers nicht auf den Unfall, sondern vor allem auf die Entwicklung einer Schleimbeutelentzündung zurückzuführen seien, deren wesentliche Ursache in der vorbestehenden Kalkerkrankung liege.
Gegen das am 09.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.06.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, die unfallbedingte Prellung der Schulter sei zumindest als gleichwertige Bedingung dafür anzusehen, dass die Operation habe durchgeführt werden müssen. Für die Auflösung des Kalkherdes sei der Sturz vom 02.02.2001 die Ursache gewesen, ohne das Unfallereignis hätte sich der Kalkherd mit Wahrscheinlichkeit nicht zum gleichen Zeitpunkt aufgelöst.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.03.2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 05.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2004 abzuändern, eine schmerzhafte, endgradige Bewegungseinschränkung und geringfügige Kraftverminderung der rechten Schulter als Unfallfolge festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. ab 23.07.2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. Schm. vorgelegt, der bezweifelt dass es durch eine direkte Kontusion zu einem Aufplatzen eines Kalkdepots kommen könne, schon gar nicht ohne dass die benachbarten und zum Teil vorgeschalteten Strukturen Zeichen der einwirkenden Kraft aufweisen.
Der Senat hat ergänzende Stellungnahmen von Prof. Dr. W. eingeholt. Dieser hat ausgeführt, das durch das Unfallereignis bedingte Aufplatzen des Kalkherdes habe die Kausalkette (Auflösung des Kalkherdes im Schleimbeutel, Beschwerden, Operation, Infektion, ungünstige Narbenbildung mit Muskelverschmächtigung) in Gang gesetzt und die verbliebenen Beschwerden seien auf den postoperativen Infekt, nicht auf den Unfall zurückzuführen. Aus seiner Sicht habe die Krankheitsanlage die weit überragende Bedeutung für das Geschehen, der Unfall habe nur dazu geführt, dass ein sehr wahrscheinliches Ereignis, nämlich die Kalkauflösung, zu einem anderen Zeitpunkt eingetreten sei, mit der gleichen weiteren Kausalkette (Beschwerden, Verdachtsdiagnose Rotatorenmanschettenruptur, Operation). Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist begründet. Als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 02.02.2001 ist eine endgradige Bewegungseinschränkung und geringfügige Kraftverminderung der rechten Schulter festzustellen. Wegen der Unfallfolgen hat der Kläger einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente ( § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dementsprechend stand der Kläger im Zeitpunkt Unfalls am 02.02.2001 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden infolge der Durchführung einer Heilbehandlung einschließlich der dazu notwendigen Wege. Dies gilt auch dann, wenn ein Verletzter bei einem ärztlichen Eingriff zur Klärung des Ausmaßes oder zur Therapie der durch einen Arbeitsunfall verursachten Folgen Gesundheitsstörungen erleidet. Sie sind als mittelbare Unfallfolgen zu entschädigen, wenn eine wesentliche sachliche oder kausale Verbindung zwischen dem Arbeitsunfall und dem zu den geltend gemachten Gesundheitsstörungen führenden ärztlichen Eingriff besteht (BSG, Urteil vom 05.08.1993, 2 RU 34/92, m.w.N.). Dies ist auch für die Folgen - schuldhafter oder schuldloser - objektiv fehlerhafter diagnostischer Maßnahmen einschließlich der zu Grunde liegenden Indikationsstellung oder fehlerhafter Behandlungen zu bejahen, es sei denn, diese resultieren aus einem neben der Heilbehandlung durchgeführten, eindeutig abgrenzbaren zusätzlichen ärztlichen Eingriff zur Behebung eines unfallunabhängigen Leidens (BSG, Urteil vom 05.08.1993, a.a.O.).
Die bei dem Kläger bestehende endgradige Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und die geringfügige Kraftverminderung im Bereich der rechten Schulter sind nach Überzeugung des Senats als mittelbare Folgen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auf das Unfallereignis vom 02.02.2001 zurückzuführen. Hierbei stützt sich der Senat auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W ...
Der Unfall führte, wie von der Beklagten bereits als Unfallfolge anerkannt, zu einer Prellung der rechten Schulter. Vorbestehend lag bei dem Kläger ein Kalkherd an der Subscapularissehne und eine knöcherne Enge im Subacromialraum vor. Dies ist - so Prof. Dr. W. - mit den Röntgenaufnahmen vom 08.02.2001 und den kernspintomographischen Aufnahmen vom 05.03.2001 sowie zusätzlich - hinsichtlich der subacromialen Enge - durch den Operationsbefund vom 18.04.2001 nachgewiesen. Der Sturz auf die Schulter führte - so Prof. Dr. W. - zur Auflösung des Kalkherdes und löste damit die Kausalkette, die letztlich zum Entstehen der Beschwerden im Bereich der rechten Schulter führte (Schleimbeutelentzündung, ärztliche Untersuchung mit der Indikationsstellung zur Operation, Operation mit nachfolgender Infektion, narbenbedingte Bewegungseinschränkung und Muskelminderung) aus.
Prof. Dr. W. hat überzeugend dargelegt, dass der Kalkherd infolge der durch den Unfall verursachten Krafteinwirkung aufplatzte und sich zwischen dem Unfall und der Operation auflöste. Dies ergibt sich daraus, dass die Verkalkung der Subscapularissehne in der Röntgenaufnahme vom 08.02.2001 sichtbar, hingegen in den späteren Röntgenaufnahmen vom 17.04.2001 und auch im Kernspintomogramm vom 05.03.2001 nicht mehr nachweisbar war. Prof. Dr. W. hat überzeugend dargelegt, dass ein Kalkherd häufig dann aufplatzt, wenn die Schulter mechanisch belastet wird. Als typische Ereignisse hierfür hat er einen Sturz, eine erhöhte Kraftanstrengung, die wiederholten Bewegungen in der Krankengymnastik oder eine extrakorporale Stoßwellentherapie benannt. Zudem war der Kalkherd - so Prof. Dr. W. - nach dem Befund im Röntgenbild bereits in das Stadium II nach der Einteilung von Gärtner getreten und damit leichter ansprechbar für einen Reiz, der ihn zum Aufplatzen bringen konnte.
Die von der Beklagten vorgelegte Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. Schm. ist insoweit nicht geeignet, die Schlüssigkeit der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. in Zweifel zu ziehen. Prof. Dr. W. hat überzeugend dargelegt, dass ein Aufprall, wie er bei dem Unfall stattfand, geeignet ist, das Kalkdepot zum Aufplatzen zu bringen. Dr. Schm. hat lediglich ausgeführt, dass er das Platzen eines Kalkdepots durch eine direkte Kontusion nicht für möglich halte. Demgegenüber hat Prof. Dr. W. aus seiner klinischen Erfahrung berichtet, wonach Kalkherde häufig (bei ca. 60% der Patienten) durch Stoßwellen zum Platzen gebracht werden können oder dass ein weicher Kalkherd (wovon Dr. Schm. ausgeht) im Rahmen einer Gelenkspiegelung oft unter großem Druck auf die Sehnenoberfläche heraustritt. Für den Senat ist plausibel, dass bei dem Sturz auf die rechte Schulter, der immerhin zu einer - so auch Prof. Dr. H. - schweren Prellung führte, ein derartiger Stoß bzw. Druck auf die betroffene Sehne ausgeübt wurde.
In der Folge begann sich der Kalkherd - so Prof. Dr. W. - im Schleimbeutel aufzulösen, wodurch es zu der Schleimbeutelentzündung kam. Die hierdurch verursachten Beschwerden, die vor allem auch - so wiederum Prof. Dr. W. - durch die Enge unter dem Schulterdach aufrecht erhalten wurden, veranlassten den Kläger zur Vorstellung im Krankenhaus B. am 08.02.2001 und die Beklagte zur Aufnahme der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung. Da sodann nicht die Schleimbeutelentzündung als Ursache der Beschwerden erkannt wurde, sondern der Verdacht auf eine Schädigung der Rotatorenmanschette aufkam (so PD. Dr. Fl. im Durchgangsarztbericht vom 12.02.2001: Verdacht auf Ruptur des Muskulus infraspinatus subscapularis, im Nachschaubericht vom 07.03.2001: der Kernspinbefund stelle eine inkomplette ansatznahe Ruptur der Supraspinatussehne bei Impingement dar und Dr. R.: Verdacht auf partielle Ruptur der Supraspinatussehne) und insoweit eine Unfallfolge gesehen wurde, wurde am 18.04.2001 die Operation der Schulter durchgeführt, bei welcher sich allerdings der vermutete Rotatorenmanschettenschaden nicht bestätigte. Im Rahmen der Operation wurde der Schleimbeutel teilweise entfernt und die Unterfläche des Acromions begradigt. Infolge dieser Acromoplastik kam es, wie der PD. Dr. Fl. gegenüber der Beklagten angab, zu einem Wundinfekt im Bereich der offenen Neer-Plastik. Als Folge dieses abgelaufenen Infekts kam es - so überzeugend Prof. Dr. W. - zu einer ungünstigen Narbenbildung mit einer örtlichen Verschmächtigung des Deltamuskels, woraus die bestehende Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im Bereich der rechten Schulter resultiert.
Die Behandlung des Klägers wegen der unfallbedingten Schulterbeschwerden vom 08.02.2001 bis zum 17.07.2001 erbrachte die Beklagte - einschließlich der am 17.04.2001 durchgeführten Operation - als Heilbehandlung im Wege der Sachleistung (§ 26 Abs. 4 SGB VII). Diese Heilbehandlung wurde vom Durchgangsarzt PD. Dr. Fl. eingeleitet und erst am 17.07.2001 beendet. Insoweit anerkannte die Beklagte mit dem insoweit bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 05.02.2002 auch das Bestehen von Behandlungsbedürftigkeit. Es steht damit nach dem tatsächlichen Geschehensablauf (Tätigwerden des PD. Dr. Fl. als Durchgangsarzt) und dem insoweit bestandskräftigen Bescheid fest, dass die Operation eine Maßnahme der Heilbehandlung war. Damit sind auch die Folgen der Operation vom 17.04.2001, bei der sich das einer jeden Operation innewohnende Risiko einer Infektion verwirklichte, gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII mittelbare Folgen des Arbeitsunfalls.
Unerheblich ist damit, dass sich der Infekt im Bereich der Acromioplastik entwickelte, die wegen der vorbestehenden knöchernen Enge, also zur Beseitigung einer anlagebedingt-degenerativen anatomischen Situation durchgeführt wurde. Dies würde aber ohnehin zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn es handelte sich nicht um einen eindeutig abgrenzbaren Eingriff zur Behebung eines unfallunabhängigen Leidens, dessen Folgen dem Arbeitsunfall nicht zugerechnet werden könnten (BSG, a.a.O.). Zur Beseitigung der - aus Sicht der im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung behandelnden Ärzte und auch nach Auffassung des Senats - unfallbedingten Beschwerden wurde nicht nur der entzündete Schleimbeutel entfernt, sondern gerade auch die Acromioplastik nach Neer durchgeführt. Nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen wurden die beim Kläger vorhandenen Beschwerden durch die Entzündung des Schleimbeutels ausgelöst und durch die subacromiale Enge aufrecht erhalten. Dementsprechend war es angezeigt, im Rahmen der Heilbehandlung auch diese subacromiale Enge zu beseitigen. Der Zweck der Operation, welcher sich nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 05.08.1993, a.a.O.) aus der ärztlichen Handlungstendenz und den sie bestätigenden objektiven Umständen ergibt, war daher - wie sich den bereits erwähnten Berichten von PD. Dr. Fl. und Dr. R. über die Indikationsstellung zur Operation ergibt - insgesamt, auch was die Acromioplastik anbelangt, auf die Beseitigung der durch den Arbeitsunfall verursachten Beschwerden gerichtet und ist somit auch unabhängig vom tatsächlichen Tätigwerden des PD. Dr. Fl. als Durchgangsarzt und der Entscheidung der Beklagten inhaltlich als berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung zu bewerten.
Im Ergebnis sind damit die Folgen der Operation als mittelbare Unfallfolgen zu entschädigen. Auf die Frage, ob der Unfall für die Auflösung des Kalkdepots nur Gelegenheitsursache war, kommt es somit nicht an. Gleiches gilt im Grunde auch für die vom Senat allerdings bejahte Frage, ob der Unfall überhaupt das Kalkdepot zum Platzen brachte. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass es sich bei dieser Operation, auch und gerade hinsichtlich der Acromioplastik, um eine tatsächlich vom D-Arzt durchgeführte, von der Beklagten auch anerkannte und - wegen der auf die Beseitigung unfallbedingter Schmerzen gerichteten Operation (vgl. BSG, Urteil vom 05.08.1993, a.a.O.) - inhaltlich auch so zu beurteilende Heilbehandlung handelte. Letzteres würde nach der genannten Rechtsprechung selbst dann gelten, wenn - wovon der Senat aber gerade nicht ausgeht - die Schmerzzustände mit dem Unfall tatsächlich nicht in ursächlichem Zusammenhang stünden.
Der von Prof. Dr. W. vertretenen Auffassung, der Unfall könne nicht als wesentliche Ursache für die bei dem Kläger eingetretenen Gesundheitsstörungen angesehen werden, weil sich der Kalkherd ohnehin zu einem anderen, späteren Zeitpunkt aufgelöst hätte, rechtfertigt somit keine andere Beurteilung. Ohnehin kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch bei einer späteren Operation ebenfalls ein Infekt aufgetreten wäre. Jedenfalls ist für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs auf den konkreten Geschehensablauf und nicht auf einen fiktiven Ursachenzusammenhang abzustellen. Lediglich dann, wenn der Schaden zum selben Zeitpunkt ohne äußere Einwirkung - was Prof. Dr. W. ausdrücklich verneint hat - oder zum selben Zeitpunkt durch eine alltäglich Belastung - was Prof. Dr. W. ebenfalls nicht bestätigt hat - aufgetreten wäre, müsste der ursächliche Zusammenhang zwischen Unfall und Platzen des Kalkdepots verneint werden, weil dann der Unfall zwar eine Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne, nicht aber wesentliche Bedingung gewesen wäre. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für den Anspruch des Klägers sind aber nicht mehr die unmittelbaren Folgen des Unfalles. Diese sind mit restloser Auflösung des Kalkdepots und Abheilen der Schleimbeutelentzündung nach Bursektomie und der Prellung ohnehin beseitigt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist vielmehr - wie dargelegt - § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und damit das Vorliegen mittelbarer Folgen des Unfalls.
Dementsprechend ist auch die Tatsache, dass es sich bei der Kalkauflösung um den Beginn eines Prozesses handelt, der in natürlicher Weise zur Heilung der betroffenen Sehne führt (so Prof. Dr. W.), nicht von entscheidungsrelevanter Bedeutung.
Auch aus dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten von Dr. H. ergibt sich nichts Anderes. Prof. Dr. H. bestätigte in seinem Gutachten, dass der Kläger eine starke Schulterprellung erlitt. Soweit er ausgeführte, der Unfall sei nicht geeignet gewesen, einen Defekt an der Rotatorenmanschette herbeizuführen, trägt dies nichts zur Klärung des vorliegenden Falles bei, denn die Beschwerden des Klägers rührten nicht von einer Rotatorenmanschettenruptur her. Auf die hier entscheidende Frage, nämlich die Verursachung der fortbestehenden Beschwerden durch die Folgen der Operation und den zur Operation führenden Verlauf, ging Dr. H. in seinem Gutachten nicht ein.
Wegen der entsprechend dem Antrag des Klägers vom Senat nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG festzustellenden Unfallfolgen (schmerzhafte, endgradige Bewegungseinschränkung und geringfügige Kraftverminderung der rechten Schulter) hat der Kläger auch einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Vorliegend hat Prof. Dr. W. bei der Untersuchung des Klägers am 15.03.2004 als Folge der postoperativen Veränderungen eine schmerzhafte, endgradige Bewegungseinschränkung der rechten Schulter (Arm heben seitwärts/körperwärts 150-0-20°, Arm heben rückwärts/vorwärts 30-0-160°, Arm auswärts/einwärts drehen bei angelegtem Oberarm 45-0-80°, Arm auswärts/einwärts drehen bei um 90° seitwärts abgehobenem Oberarm 90-0-60°) und eine geringfügige Kraftverminderung der rechten Schulter festgestellt. Daraus ergibt sich - so nachvollziehbar Prof. Dr. W. - eine MdE um 10 v.H. Bei der Bemessung der MdE ist im Übrigen entgegen der Auffassung von Prof. Dr. W. keine Gesamt-MdE unter Einbeziehung der MdE der durch einen anderen Unfall verletzten Hand zu bilden (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 50/02 R), weshalb es bei einer MdE um 10 v.H. verbleibt. Die Schlussfolgerung der Beklagten, weil Prof. Dr. W. bei der - nicht zulässigen - Bildung der Gesamt-MdE von unter 40 v.H. ausgegangen sei, habe er für die rechte Schulter auch keine MdE von 10 v.H. angenommen, ist nicht zutreffend. Insoweit sind die Wertungen des Sachverständigen in seinem Gutachten völlig eindeutig. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die in der unfallmedizinischen Literatur für die beim Kläger vorhandenen Bewegungsmaße keine MdE von 10 v.H. vorgesehen sei, verkennt sie, dass diese Literaturangaben lediglich Anhaltswerte sind und Bewegungsmaße nicht die einzigen Aspekt der MdE-Bewertung darstellen. Da beim Kläger neben der Bewegungseinschränkung der Schulter auch eine Kraftminderung vorliegt, ist die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen nicht zu beanstanden.
Da der Kläger wegen der Folgen einer Verletzung des rechten Handgelenkes von der Beklagten bereits eine Verletztenrente - und zwar seit 11.11.1997 nach einer MdE um 30 v.H - bezieht, hat er aus dem hier streitigen Versicherungsfall gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H., die gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ab dem 23.07.2001 zu zahlen ist. Entsprechend ist die Beklagte zur Leistung zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalls und die Gewährung einer Verletztenrente.
Der am 1954 geborene Kläger ist als selbstständiger Mitarbeiter einer Bausparkasse beruflich tätig und bei der Beklagten freiwillig versichert. Wegen einer Verletzung des rechten Handgelenkes bezieht er von der Beklagten seit 01.01.1992 eine Verletztenrente, seit 11.11.1997 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H.
Am 02.02.2001 rutschte der Kläger, als er einen Kunden aufsuchen wollte, auf dem Weg vom Büro zu seinem Auto auf Schneeglätte aus und stürzte dabei auf den rechten Arm bzw. die rechte Schulter. Erstmals am 08.02.2001 nahm er wegen zunehmender Beschwerden in der rechten Schulter ärztliche Hilfe in Anspruch. PD. Dr. Fl., Durchgangsarzt und Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie im Krankenhaus B. schloss knöcherne Verletzungen der rechten Schulter aus, auf dem Röntgenbild zeigte sich nur ein ca. 1,5 x 0,5 cm langes Kalkdepot im Bereich der langen Bizepssehne. In der Folgezeit kam - insbesondere auf Grund einer Kern-spintomografie (Befundbericht Dr. M.) - der Verdacht auf eine Ruptur der Supraspinatussehne auf, bei gleichzeitigem Vorliegen eines Impingements wegen einer räumlichen Enge unter dem Schulterdach und aktivierter Arthrose, einer Schleimbeutelentzündung und eines partiellen Defekts im vorderen Labrum glenoidale. PD. Dr. Fl. stellte daraufhin die Indikation zur Arthroskopie, in deren Rahmen auch die räumliche Enge behoben werden könne. Der Unfallchirurg Dr. R. bestätigte sonografisch den Verdacht auf eine Teilruptur der Supraspinatussehne, in deren Folge es zu einem acromialen Impingement gekommen sei und er bestätigte auch die Indikation zur Arthroskopie inklusive subacromialer Dekompression.
Bei der am 18.04.2001 - weiterhin im Rahmen der Heilbehandlung - durchgeführten diagnostischen Arthroskopie im Krankenhaus B. bestätigte sich der Verdacht auf eine Ruptur im Bereich der Rotatorenmanschette nicht. Es wurde der entzündete Schleimbeutel entfernt und in einem weiteren Operationsschritt eine offene Acromioplastik nach Neer durchgeführt und damit die subacromiale Enge beseitigt. In der Folge trat ein postoperativer Infekt im Bereich der offenen Neer-Plastik auf, der nach entsprechender Wundbehandlung abheilte. PD. Dr. Fl. beendete die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung am 17.07.2001.
Prof. Dr. H., K hospital S. führte in dem für die Beklagte erstatteten Gutachten aus, der Kläger habe eine starke, folgenlos ausgeheilte Schulterprellung rechts erlitten, eine unfallbedingte MdE über die 26. Woche hinaus bestehe nicht.
Mit Bescheid vom 05.02.2002 erkannte die Beklagte - insoweit bestandskräftig - unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis einschließlich 17.07.2001 und Arbeitsunfähigkeit bis 22.07.2001 - so lange erhielt der Kläger dann auch Verletztengeld - an, sie lehnte die Gewährung einer Verletztenrente aber ab, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht in rentenberechtigendem Grade über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall gemindert sei. Als Unfallfolgen stellte sie eine folgenlos verheilte Schulterprellung rechts fest und lehnte die Anerkennung einer Bewegungseinschränkung infolge degenerativer Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette rechts mit daraus resultierendem Impingement, degenerativer Veränderungen im Bereich des AC-Gelenks rechts ausgeprägter als links sowie Verkalkungen vor dem Tuberculum minus als Unfallfolgen ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2002 zurück.
Der Kläger hat am 25.04.2002 zum Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben, das auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten mit ergänzender Stellungnahme von Prof. Dr. W., Orthopädische Chirurgie M. eingeholt hat. Dieser hat ausgeführt, der Kläger leide wegen des in Folge der Operation aufgetretenen Infektes mit ungünstiger Narbenbildung und örtlicher Verschmächtigung des Deltamuskels an einer schmerzhaften, endgradigen Bewegungseinschränkung und geringfügigen Kraftverminderung im Bereich der rechten Schulter, woraus sich eine MdE um 10 v.H. ergebe. Ein Rotatorenmanschettenriss habe sich hingegen nicht bestätigt. Wesentliche Ursache für die Schleimbeutelentzündung sei der in den Röntgenbildern vom 08.02.2001 sichtbare Kalkherd im Ansatzbereich der Subscapularissehne gewesen, der anlässlich des Sturzes vom 02.02.2001 aufgeplatzt sei, sich anschließend im Schleimbeutel aufgelöst und dort die Entzündung ausgelöst habe. Der Kalkherd wäre allerdings auch ohne Sturz zu einem späteren Zeitpunkt aufgeplatzt, weshalb die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen seien.
Mit Urteil vom 22.03.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Prof. Dr. W. habe überzeugend dargelegt, dass die Beschwerden des Klägers nicht auf den Unfall, sondern vor allem auf die Entwicklung einer Schleimbeutelentzündung zurückzuführen seien, deren wesentliche Ursache in der vorbestehenden Kalkerkrankung liege.
Gegen das am 09.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.06.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, die unfallbedingte Prellung der Schulter sei zumindest als gleichwertige Bedingung dafür anzusehen, dass die Operation habe durchgeführt werden müssen. Für die Auflösung des Kalkherdes sei der Sturz vom 02.02.2001 die Ursache gewesen, ohne das Unfallereignis hätte sich der Kalkherd mit Wahrscheinlichkeit nicht zum gleichen Zeitpunkt aufgelöst.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.03.2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 05.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2004 abzuändern, eine schmerzhafte, endgradige Bewegungseinschränkung und geringfügige Kraftverminderung der rechten Schulter als Unfallfolge festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. ab 23.07.2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. Schm. vorgelegt, der bezweifelt dass es durch eine direkte Kontusion zu einem Aufplatzen eines Kalkdepots kommen könne, schon gar nicht ohne dass die benachbarten und zum Teil vorgeschalteten Strukturen Zeichen der einwirkenden Kraft aufweisen.
Der Senat hat ergänzende Stellungnahmen von Prof. Dr. W. eingeholt. Dieser hat ausgeführt, das durch das Unfallereignis bedingte Aufplatzen des Kalkherdes habe die Kausalkette (Auflösung des Kalkherdes im Schleimbeutel, Beschwerden, Operation, Infektion, ungünstige Narbenbildung mit Muskelverschmächtigung) in Gang gesetzt und die verbliebenen Beschwerden seien auf den postoperativen Infekt, nicht auf den Unfall zurückzuführen. Aus seiner Sicht habe die Krankheitsanlage die weit überragende Bedeutung für das Geschehen, der Unfall habe nur dazu geführt, dass ein sehr wahrscheinliches Ereignis, nämlich die Kalkauflösung, zu einem anderen Zeitpunkt eingetreten sei, mit der gleichen weiteren Kausalkette (Beschwerden, Verdachtsdiagnose Rotatorenmanschettenruptur, Operation). Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist begründet. Als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 02.02.2001 ist eine endgradige Bewegungseinschränkung und geringfügige Kraftverminderung der rechten Schulter festzustellen. Wegen der Unfallfolgen hat der Kläger einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente ( § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dementsprechend stand der Kläger im Zeitpunkt Unfalls am 02.02.2001 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden infolge der Durchführung einer Heilbehandlung einschließlich der dazu notwendigen Wege. Dies gilt auch dann, wenn ein Verletzter bei einem ärztlichen Eingriff zur Klärung des Ausmaßes oder zur Therapie der durch einen Arbeitsunfall verursachten Folgen Gesundheitsstörungen erleidet. Sie sind als mittelbare Unfallfolgen zu entschädigen, wenn eine wesentliche sachliche oder kausale Verbindung zwischen dem Arbeitsunfall und dem zu den geltend gemachten Gesundheitsstörungen führenden ärztlichen Eingriff besteht (BSG, Urteil vom 05.08.1993, 2 RU 34/92, m.w.N.). Dies ist auch für die Folgen - schuldhafter oder schuldloser - objektiv fehlerhafter diagnostischer Maßnahmen einschließlich der zu Grunde liegenden Indikationsstellung oder fehlerhafter Behandlungen zu bejahen, es sei denn, diese resultieren aus einem neben der Heilbehandlung durchgeführten, eindeutig abgrenzbaren zusätzlichen ärztlichen Eingriff zur Behebung eines unfallunabhängigen Leidens (BSG, Urteil vom 05.08.1993, a.a.O.).
Die bei dem Kläger bestehende endgradige Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und die geringfügige Kraftverminderung im Bereich der rechten Schulter sind nach Überzeugung des Senats als mittelbare Folgen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auf das Unfallereignis vom 02.02.2001 zurückzuführen. Hierbei stützt sich der Senat auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W ...
Der Unfall führte, wie von der Beklagten bereits als Unfallfolge anerkannt, zu einer Prellung der rechten Schulter. Vorbestehend lag bei dem Kläger ein Kalkherd an der Subscapularissehne und eine knöcherne Enge im Subacromialraum vor. Dies ist - so Prof. Dr. W. - mit den Röntgenaufnahmen vom 08.02.2001 und den kernspintomographischen Aufnahmen vom 05.03.2001 sowie zusätzlich - hinsichtlich der subacromialen Enge - durch den Operationsbefund vom 18.04.2001 nachgewiesen. Der Sturz auf die Schulter führte - so Prof. Dr. W. - zur Auflösung des Kalkherdes und löste damit die Kausalkette, die letztlich zum Entstehen der Beschwerden im Bereich der rechten Schulter führte (Schleimbeutelentzündung, ärztliche Untersuchung mit der Indikationsstellung zur Operation, Operation mit nachfolgender Infektion, narbenbedingte Bewegungseinschränkung und Muskelminderung) aus.
Prof. Dr. W. hat überzeugend dargelegt, dass der Kalkherd infolge der durch den Unfall verursachten Krafteinwirkung aufplatzte und sich zwischen dem Unfall und der Operation auflöste. Dies ergibt sich daraus, dass die Verkalkung der Subscapularissehne in der Röntgenaufnahme vom 08.02.2001 sichtbar, hingegen in den späteren Röntgenaufnahmen vom 17.04.2001 und auch im Kernspintomogramm vom 05.03.2001 nicht mehr nachweisbar war. Prof. Dr. W. hat überzeugend dargelegt, dass ein Kalkherd häufig dann aufplatzt, wenn die Schulter mechanisch belastet wird. Als typische Ereignisse hierfür hat er einen Sturz, eine erhöhte Kraftanstrengung, die wiederholten Bewegungen in der Krankengymnastik oder eine extrakorporale Stoßwellentherapie benannt. Zudem war der Kalkherd - so Prof. Dr. W. - nach dem Befund im Röntgenbild bereits in das Stadium II nach der Einteilung von Gärtner getreten und damit leichter ansprechbar für einen Reiz, der ihn zum Aufplatzen bringen konnte.
Die von der Beklagten vorgelegte Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. Schm. ist insoweit nicht geeignet, die Schlüssigkeit der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. in Zweifel zu ziehen. Prof. Dr. W. hat überzeugend dargelegt, dass ein Aufprall, wie er bei dem Unfall stattfand, geeignet ist, das Kalkdepot zum Aufplatzen zu bringen. Dr. Schm. hat lediglich ausgeführt, dass er das Platzen eines Kalkdepots durch eine direkte Kontusion nicht für möglich halte. Demgegenüber hat Prof. Dr. W. aus seiner klinischen Erfahrung berichtet, wonach Kalkherde häufig (bei ca. 60% der Patienten) durch Stoßwellen zum Platzen gebracht werden können oder dass ein weicher Kalkherd (wovon Dr. Schm. ausgeht) im Rahmen einer Gelenkspiegelung oft unter großem Druck auf die Sehnenoberfläche heraustritt. Für den Senat ist plausibel, dass bei dem Sturz auf die rechte Schulter, der immerhin zu einer - so auch Prof. Dr. H. - schweren Prellung führte, ein derartiger Stoß bzw. Druck auf die betroffene Sehne ausgeübt wurde.
In der Folge begann sich der Kalkherd - so Prof. Dr. W. - im Schleimbeutel aufzulösen, wodurch es zu der Schleimbeutelentzündung kam. Die hierdurch verursachten Beschwerden, die vor allem auch - so wiederum Prof. Dr. W. - durch die Enge unter dem Schulterdach aufrecht erhalten wurden, veranlassten den Kläger zur Vorstellung im Krankenhaus B. am 08.02.2001 und die Beklagte zur Aufnahme der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung. Da sodann nicht die Schleimbeutelentzündung als Ursache der Beschwerden erkannt wurde, sondern der Verdacht auf eine Schädigung der Rotatorenmanschette aufkam (so PD. Dr. Fl. im Durchgangsarztbericht vom 12.02.2001: Verdacht auf Ruptur des Muskulus infraspinatus subscapularis, im Nachschaubericht vom 07.03.2001: der Kernspinbefund stelle eine inkomplette ansatznahe Ruptur der Supraspinatussehne bei Impingement dar und Dr. R.: Verdacht auf partielle Ruptur der Supraspinatussehne) und insoweit eine Unfallfolge gesehen wurde, wurde am 18.04.2001 die Operation der Schulter durchgeführt, bei welcher sich allerdings der vermutete Rotatorenmanschettenschaden nicht bestätigte. Im Rahmen der Operation wurde der Schleimbeutel teilweise entfernt und die Unterfläche des Acromions begradigt. Infolge dieser Acromoplastik kam es, wie der PD. Dr. Fl. gegenüber der Beklagten angab, zu einem Wundinfekt im Bereich der offenen Neer-Plastik. Als Folge dieses abgelaufenen Infekts kam es - so überzeugend Prof. Dr. W. - zu einer ungünstigen Narbenbildung mit einer örtlichen Verschmächtigung des Deltamuskels, woraus die bestehende Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im Bereich der rechten Schulter resultiert.
Die Behandlung des Klägers wegen der unfallbedingten Schulterbeschwerden vom 08.02.2001 bis zum 17.07.2001 erbrachte die Beklagte - einschließlich der am 17.04.2001 durchgeführten Operation - als Heilbehandlung im Wege der Sachleistung (§ 26 Abs. 4 SGB VII). Diese Heilbehandlung wurde vom Durchgangsarzt PD. Dr. Fl. eingeleitet und erst am 17.07.2001 beendet. Insoweit anerkannte die Beklagte mit dem insoweit bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 05.02.2002 auch das Bestehen von Behandlungsbedürftigkeit. Es steht damit nach dem tatsächlichen Geschehensablauf (Tätigwerden des PD. Dr. Fl. als Durchgangsarzt) und dem insoweit bestandskräftigen Bescheid fest, dass die Operation eine Maßnahme der Heilbehandlung war. Damit sind auch die Folgen der Operation vom 17.04.2001, bei der sich das einer jeden Operation innewohnende Risiko einer Infektion verwirklichte, gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII mittelbare Folgen des Arbeitsunfalls.
Unerheblich ist damit, dass sich der Infekt im Bereich der Acromioplastik entwickelte, die wegen der vorbestehenden knöchernen Enge, also zur Beseitigung einer anlagebedingt-degenerativen anatomischen Situation durchgeführt wurde. Dies würde aber ohnehin zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn es handelte sich nicht um einen eindeutig abgrenzbaren Eingriff zur Behebung eines unfallunabhängigen Leidens, dessen Folgen dem Arbeitsunfall nicht zugerechnet werden könnten (BSG, a.a.O.). Zur Beseitigung der - aus Sicht der im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung behandelnden Ärzte und auch nach Auffassung des Senats - unfallbedingten Beschwerden wurde nicht nur der entzündete Schleimbeutel entfernt, sondern gerade auch die Acromioplastik nach Neer durchgeführt. Nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen wurden die beim Kläger vorhandenen Beschwerden durch die Entzündung des Schleimbeutels ausgelöst und durch die subacromiale Enge aufrecht erhalten. Dementsprechend war es angezeigt, im Rahmen der Heilbehandlung auch diese subacromiale Enge zu beseitigen. Der Zweck der Operation, welcher sich nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 05.08.1993, a.a.O.) aus der ärztlichen Handlungstendenz und den sie bestätigenden objektiven Umständen ergibt, war daher - wie sich den bereits erwähnten Berichten von PD. Dr. Fl. und Dr. R. über die Indikationsstellung zur Operation ergibt - insgesamt, auch was die Acromioplastik anbelangt, auf die Beseitigung der durch den Arbeitsunfall verursachten Beschwerden gerichtet und ist somit auch unabhängig vom tatsächlichen Tätigwerden des PD. Dr. Fl. als Durchgangsarzt und der Entscheidung der Beklagten inhaltlich als berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung zu bewerten.
Im Ergebnis sind damit die Folgen der Operation als mittelbare Unfallfolgen zu entschädigen. Auf die Frage, ob der Unfall für die Auflösung des Kalkdepots nur Gelegenheitsursache war, kommt es somit nicht an. Gleiches gilt im Grunde auch für die vom Senat allerdings bejahte Frage, ob der Unfall überhaupt das Kalkdepot zum Platzen brachte. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass es sich bei dieser Operation, auch und gerade hinsichtlich der Acromioplastik, um eine tatsächlich vom D-Arzt durchgeführte, von der Beklagten auch anerkannte und - wegen der auf die Beseitigung unfallbedingter Schmerzen gerichteten Operation (vgl. BSG, Urteil vom 05.08.1993, a.a.O.) - inhaltlich auch so zu beurteilende Heilbehandlung handelte. Letzteres würde nach der genannten Rechtsprechung selbst dann gelten, wenn - wovon der Senat aber gerade nicht ausgeht - die Schmerzzustände mit dem Unfall tatsächlich nicht in ursächlichem Zusammenhang stünden.
Der von Prof. Dr. W. vertretenen Auffassung, der Unfall könne nicht als wesentliche Ursache für die bei dem Kläger eingetretenen Gesundheitsstörungen angesehen werden, weil sich der Kalkherd ohnehin zu einem anderen, späteren Zeitpunkt aufgelöst hätte, rechtfertigt somit keine andere Beurteilung. Ohnehin kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch bei einer späteren Operation ebenfalls ein Infekt aufgetreten wäre. Jedenfalls ist für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs auf den konkreten Geschehensablauf und nicht auf einen fiktiven Ursachenzusammenhang abzustellen. Lediglich dann, wenn der Schaden zum selben Zeitpunkt ohne äußere Einwirkung - was Prof. Dr. W. ausdrücklich verneint hat - oder zum selben Zeitpunkt durch eine alltäglich Belastung - was Prof. Dr. W. ebenfalls nicht bestätigt hat - aufgetreten wäre, müsste der ursächliche Zusammenhang zwischen Unfall und Platzen des Kalkdepots verneint werden, weil dann der Unfall zwar eine Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne, nicht aber wesentliche Bedingung gewesen wäre. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für den Anspruch des Klägers sind aber nicht mehr die unmittelbaren Folgen des Unfalles. Diese sind mit restloser Auflösung des Kalkdepots und Abheilen der Schleimbeutelentzündung nach Bursektomie und der Prellung ohnehin beseitigt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist vielmehr - wie dargelegt - § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und damit das Vorliegen mittelbarer Folgen des Unfalls.
Dementsprechend ist auch die Tatsache, dass es sich bei der Kalkauflösung um den Beginn eines Prozesses handelt, der in natürlicher Weise zur Heilung der betroffenen Sehne führt (so Prof. Dr. W.), nicht von entscheidungsrelevanter Bedeutung.
Auch aus dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten von Dr. H. ergibt sich nichts Anderes. Prof. Dr. H. bestätigte in seinem Gutachten, dass der Kläger eine starke Schulterprellung erlitt. Soweit er ausgeführte, der Unfall sei nicht geeignet gewesen, einen Defekt an der Rotatorenmanschette herbeizuführen, trägt dies nichts zur Klärung des vorliegenden Falles bei, denn die Beschwerden des Klägers rührten nicht von einer Rotatorenmanschettenruptur her. Auf die hier entscheidende Frage, nämlich die Verursachung der fortbestehenden Beschwerden durch die Folgen der Operation und den zur Operation führenden Verlauf, ging Dr. H. in seinem Gutachten nicht ein.
Wegen der entsprechend dem Antrag des Klägers vom Senat nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG festzustellenden Unfallfolgen (schmerzhafte, endgradige Bewegungseinschränkung und geringfügige Kraftverminderung der rechten Schulter) hat der Kläger auch einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Vorliegend hat Prof. Dr. W. bei der Untersuchung des Klägers am 15.03.2004 als Folge der postoperativen Veränderungen eine schmerzhafte, endgradige Bewegungseinschränkung der rechten Schulter (Arm heben seitwärts/körperwärts 150-0-20°, Arm heben rückwärts/vorwärts 30-0-160°, Arm auswärts/einwärts drehen bei angelegtem Oberarm 45-0-80°, Arm auswärts/einwärts drehen bei um 90° seitwärts abgehobenem Oberarm 90-0-60°) und eine geringfügige Kraftverminderung der rechten Schulter festgestellt. Daraus ergibt sich - so nachvollziehbar Prof. Dr. W. - eine MdE um 10 v.H. Bei der Bemessung der MdE ist im Übrigen entgegen der Auffassung von Prof. Dr. W. keine Gesamt-MdE unter Einbeziehung der MdE der durch einen anderen Unfall verletzten Hand zu bilden (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 50/02 R), weshalb es bei einer MdE um 10 v.H. verbleibt. Die Schlussfolgerung der Beklagten, weil Prof. Dr. W. bei der - nicht zulässigen - Bildung der Gesamt-MdE von unter 40 v.H. ausgegangen sei, habe er für die rechte Schulter auch keine MdE von 10 v.H. angenommen, ist nicht zutreffend. Insoweit sind die Wertungen des Sachverständigen in seinem Gutachten völlig eindeutig. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die in der unfallmedizinischen Literatur für die beim Kläger vorhandenen Bewegungsmaße keine MdE von 10 v.H. vorgesehen sei, verkennt sie, dass diese Literaturangaben lediglich Anhaltswerte sind und Bewegungsmaße nicht die einzigen Aspekt der MdE-Bewertung darstellen. Da beim Kläger neben der Bewegungseinschränkung der Schulter auch eine Kraftminderung vorliegt, ist die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen nicht zu beanstanden.
Da der Kläger wegen der Folgen einer Verletzung des rechten Handgelenkes von der Beklagten bereits eine Verletztenrente - und zwar seit 11.11.1997 nach einer MdE um 30 v.H - bezieht, hat er aus dem hier streitigen Versicherungsfall gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H., die gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ab dem 23.07.2001 zu zahlen ist. Entsprechend ist die Beklagte zur Leistung zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved