L 6 U 4640/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2378/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4640/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der 1947 geborene Kläger ist seit Februar 1969 bei der I. Brandschutztechnik GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerinnen (im folgenden: GmbH) beschäftigt. Dabei war er als Maschinenarbeiter, Sandstrahler, Transportarbeiter sowie Punkt- und Schutzgasschweißer tätig und im Rahmen dessen Dauerschallquellen insbesondere durch Maschinen und Winkelschleifer ausgesetzt.

Am 27. März 2002 ging bei der Beklagten die ärztliche Anzeige über eine BK der HNO-Ärzte Dres. K. und H. ein, wonach der Kläger über schlechtes Hören geklagt habe, was er auf Lärm an seinem Arbeitsplatz (Presswerk) zurückführe. Als BK werde eine Lärmschwerhörigkeit angenommen. Beigefügt war ein Tonaudiogramm vom 11. März 2002. Zu seinen Beschwerden befragt, gab der Kläger in dem entsprechenden Fragebogen der Beklagten unter dem 19. April 2002 an, die Schwerhörigkeit habe sich erstmals 1977 bemerkbar gemacht; in dem jetzigen Ausmaß bestehe sie seit "1998?". Ein Hörgerät trage er seit dem 14. Januar 1999, das von der HNO-Ärztin Dr. B. verordnet worden sei. Er legte deren Arztbrief vom 16. Juli 1998 vor, in dem über eine notfallmäßige Vorstellung wegen einer Hörminderung des linken Ohres am 4. Juni 1998 berichtet wurde und die Diagnosen einer akuten Tonsillitis, eines Tinnitus des linken Ohres, einer sensoneuralen Schwerhörigkeit beidseits und einer akuten purulenten Rhinosinusitis ethmoidalis gestellt wurden. Weiter legte er den Arztbrief der Dres. K. und H. vom 11. März 2002 vor. Die Beklagte zog von der Betriebskrankenkasse der I. AG (BKK) das über den Kläger geführte Vorerkrankungsverzeichnis bei, holte bei den Dres. K. und H. den Behandlungsbericht vom 10. Mai 2002 ein und zog vom Betriebsarzt der GmbH die dort gefertigten Tonaudiogramme vom 10. Februar 1983, 2. Juli 1985, 28. September 1988, 2. Juni 1992, 7. Februar 1995, 15. April 1998 und 17. Oktober 2001 einschließlich der Untersuchungsbögen "Lärm" II vom 21. Oktober 1976, 10. Oktober 1977, 24. Oktober 1978 und 10. Oktober 1980 bei. Sie schaltete im Übrigen ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) ein, der unter dem 8. August 2002 dahingehend Stellung nahm, dass der Kläger in seiner gesamten beruflichen Tätigkeit insgesamt 10,1 Jahre einem äquivalenten Dauerschallpegel von 85 bis weniger als 90 dB (A) und 20,8 Jahre einem solchen von mehr als 90 dB (A) ausgesetzt gewesen sei. Am derzeitigen Arbeitsplatz liege seit März 1991 ein äquivalenter Dauerschallpegel von 90 dB (A) vor. Die Beklagte veranlasste sodann das HNO-fachärztliche Gutachten des Prof. Dr. J., Leiter der Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie der Universitäts-HNO-Klinik U. vom 11. Oktober 2002, der ausführte, die an ihn gerichteten Fragen seien nicht endgültig zu beantworten, da der Kläger anlässlich seiner Untersuchung keine präzisen Angaben zu seiner Hörfähigkeit gemacht habe. Im Hinblick auf die aktenkundige Schwellentonaudiometrie vom Februar 1983 und die Arbeitsanamnese schloss der Gutachter wegen der geringen Dauer und der Ausprägung des Berufslärms jedoch aus, dass die 1983 dokumentierte linksbetonte Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit beidseits eine entschädigungspflichtige Lärmschwerhörigkeit darstelle. Die Asymmetrie der Hörstörung und die Ergebnisse der frequenzselektiven BERA-Untersuchung sprächen gegen die Entwicklung und Weiterentwicklung der Schwerhörigkeit aus beruflichen Gründen. Auf die Bitte der Beklagten, eine nochmalige Untersuchung des Klägers durchzuführen und wegen dessen schlechten Deutschkenntnissen seinen Sohn als Dolmetscher hinzuzuziehen, führte Prof. Dr. J. eine neuerliche audiologische Untersuchung beim Kläger durch und gelangte im Rahmen seines ergänzenden Gutachtens vom 23. Dezember 2002 zu der Beurteilung, dass die Schwerhörigkeit des Klägers in ihren wesentlichen Teilen berufslärmfremd verursacht sei und sich kein Anteil an der Gesamtschwerhörigkeit sicher ausgliedern lasse, der Folge seiner bisherigen Berufslärmbelastung sei.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2003 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Lärmschwerhörigkeit als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV mit der Begründung ab, es bestehe keine durch die versicherte Tätigkeit verursachte Lärmschwerhörigkeit. Zeitdauer und Ausprägung des Berufslärms sowie die Asymmetrie der Hörstörung sprächen dafür, dass beruflicher Lärm nicht die wesentliche Ursache für die Entwicklung und Weiterentwicklung der Schwerhörigkeit und der Ohrgeräusche gewesen sei. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, von 1969 bis 1989 im Walzwerk der GmbH bei erheblicher Lärmexposition gearbeitet zu haben, wobei in den ersten Jahren dieses Zeitraums noch kein Lärmschutz vorgeschrieben gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 22. September 2003 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage, mit der er insbesondere geltend machte, die Lärmbelastung in den 60er und 70er Jahren sei um ein Vielfaches höher gewesen als heute. Auch habe ihm - anders als die Beklagte meine - ab ca. 1976 kein adäquater Hörschutz zur Verfügung gestanden. Den Arbeitnehmern seien vielmehr lediglich Ohrstöpsel zur Verfügung gestellt worden und teilweise hätten sie sich gar nur mit Watte vor Lärm schützen müssen. Er leide seit ca. 1975 im linken Ohr an einem Tinnitus; ca. 1 Jahr später seien auch rechtsseitig Ohrgeräusche aufgetreten, die einem Rauschen glichen. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Sie legte die ergänzende Stellungnahme ihres TAD vom 19. März 2004 zur Expositionsdauer und des äquivalenten Dauerschallpegels vor, nach der nunmehr von einem derartígen Dauerschallpegel von mehr als 90 dB (A) über insgesamt 33,5 Jahre ausgegangen wurde, was einer gesamten beruflichen Lärmbelastung mit einem energieäquivalenten Dauerschallpegel von 90 dB (A) über einen Zeitraum von 44 Jahren entspreche. Zu dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. L. legte sie die Stellungnahme des Prof. Dr. J. vom 13. Juli 2004 vor sowie zu den ergänzenden Ausführungen des Dr. L. die weitere Stellungnahme des Prof. Dr. J. vom 21. September 2004. Zu dem vom SG darüber hinaus erhobenen Gutachten des Dr. C. legte sie die Stellungnahme des Dr. N. vom 13. April 2005 vor, ferner dessen weitere Stellungnahme vom 16. September 2005 zu den Ergänzungen des Dr. C ... Sie vertrat weiterhin die Auffassung, dass die Befunde und der Verlauf der Erkrankung deutlich gegen einen Zusammenhang der beruflichen Lärmexposition mit der aufgetretenen Hörminderung sprächen. So hätten insbesondere lärmunabhängige Faktoren das Hörvermögen beim Kläger beeinflusst, wie die zwischen 1998 und 2001 dokumentierten Erkrankungen aufzeigten. Auch der phasenhafte Verlauf der Lärmschwerhörigkeit spreche gegen eine berufliche Ursache. Von 1976 bis 1998 habe ein sich nur geringfügig verändernder Hochtonschaden beidseits bestanden, während eine deutliche Hörverschlechterung zwischen 1989 und Oktober 2001 besonders in den tiefen Frequenzen aufgetreten sei. Diese Entwicklung habe Dr. C. selbst als berufslärmuntypisch bezeichnet. Nachweislich habe sich der Lärmpegel seit 1969 verringert, wobei die Schallintensitäten im Übrigen für die Hörverschlechterung im Mittel- und Tieftonbereich nicht ausreichend seien. Seit Oktober 2001 habe der Gehörschaden nicht mehr zugenommen. Das SG erhob das Gutachten des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. L. vom 14. Juni 2004, der sich zu den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen des Prof. Dr. J. vom 13. Juli und 21. September 2004 ergänzend unter dem 23. August 2004 und 12. Oktober 2004 äußerte. Er gelangte insbesondere im Hinblick auf die im Klageverfahren vorgelegte Arbeitsplatzlärmanalyse des TAD der Beklagten und der Tonaudiogramme seit 1976 zu der Beurteilung, dass eine Lärmschwerhörigkeit vorliege, für die die berufliche Lärmbelastung zumindest eine wesentliche Teilursache darstelle. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit bewertete er unter Einbeziehung eines Tinnitus mit 20 vom Hundert (v.H.). Das SG erhob darüber hinaus das Gutachten des HNO-Arztes Dr. C. vom 6. Januar 2005, der sich zu den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen, u.a. auch des Dr. N. vom 13. April und 16. September 2005, ergänzend unter dem 13. Juli 2005, 18. Dezember 2005 und 13. April 2006 äußerte. Dr. C. ging von einer geringgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts und einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie einem Tinnitus aus, wobei er den Hörverlust im Hochtonbereich auf die berufliche Tätigkeit zurückführte, jedoch keine Gründe sah, die den zusätzlichen Hörverlust im Tief- und Mitteltonbereich verursacht haben könnten. Deshalb ging er diesbezüglich von einem Vorschaden aus und gelangte vor dem Hintergrund, dass beide Ursachen sich wechselseitig beeinflusst hätten, zu der Beurteilung, dass im Sinne der unfallversicherungsrechtlichen Kausalität die berufliche Situation wesentliche Bedingung des Hörschadens sei. Der Hörverlust habe sich während der beruflichen Tätigkeit entwickelt und es könne nicht mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Schwerhörigkeit wesentlich im Gesundheitszustand und in der Konstitution des Klägers begründet sei und die Lärmeinwirkung nur als unerheblich in den Hintergrund trete. Die MdE bewertete der Sachverständige mit 20 v.H. Mit Urteil vom 21. Juni 2006 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2003 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger unter Anerkennung seiner Schwerhörigkeit als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Dagegen hat die Beklagte am 11. September 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG sei zu Unrecht vom Vorliegen einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit ausgegangen. Aufgrund der vorliegenden deutlichen Seitendifferenz (geringgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts, mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit links mit Tinnitus) sprächen die durchgeführten Tests eindeutig gegen eine beruflich bedingte reine Innenohrschwerhörigkeit. Entsprechendes gelte angesichts der eindeutig nicht berufsbedingten Erkrankungen aus dem Jahr 1998 (Myringitis links, Hörsturz). Auch der lärmuntypische Verlauf der Erkrankung spreche gegen eine berufliche Verursachung. So habe beim Kläger von 1976 bis 1995 eine nahezu gleichbleibende Hörstörung bestanden und erst aufgrund des Audiogramms vom 15. April 1998 sei eine Verschlechterung der Hörstörung im Mittel- und Tieftonbereich dokumentiert, die sich in der Folgezeit vorwiegend im Mittel- und Tieftonbereich weiter verschlechtert habe. Da insbesondere zu Beginn der Tätigkeit eine hohe Lärmexposition bestanden habe, wäre zu erwarten gewesen, dass sich während dieses Zeitraums eine deutliche Hörstörung manifestierte. Das Gegenteil sei beim Kläger jedoch der Fall, da eine massive Hörverschlechterung erst zwischen 1998 und 2001 eingetreten sei. Lärmschwerhörigkeitsuntypisch sei auch die alleinige Schwerhörigkeitszunahme im Zeitraum von 1998 bis 2001 in den mittleren und tiefen Frequenzen, ohne dass sich die Schwerhörigkeit um 4 kHz verändert habe. Dies habe auch der Sachverständige Dr. C. bestätigt. Selbst wenn man von einer beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit ausgehen wolle, könne der linksseitig übersteigende Anteil der Schwerhörigkeit gegenüber rechts nicht als Folge dieser BK angesehen werden, da nicht berufsbedingte Erkrankungen im Bereich des linken Ohrs dokumentiert seien und der lärmuntypische Verlauf der Erkrankung sowie zumindest die erhebliche Hörverschlechterung in dem Zeitraum von 1998 bis 2001 in den lärmschwerhörigkeitsuntypischen mittleren und tiefen Bereichen gegen den ursächlichen Zusammenhang sprächen. Dies führe dazu, dass ein beidseitiger lärmbedingter Hörverlust von maximal 30 v.H. erreicht werde und die MdE allenfalls mit 15 v.H. einzuschätzen sei, weil ein Tinnituszuschlag nicht in Betracht komme, da die Ohrgeräusche erstmals anlässlich einer BK-unabhängigen akuten Tonsillitis am 2. Juli 1998 aufgetreten seien. Zu dem Vorbringen des Klägers, wonach die Seitendifferenz der Hörstörung darauf zurückzuführen sei, dass die größte Lärmeinwirkung links vom Klägers durch Blechscheren und Schwenkpressen aufgetreten sei, hat sie die Stellungnahme ihres TAD vom 8. Oktober 2007 vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. L. und Dr. C. für richtig. Die Seitendifferenz der Hörstörung lasse sich dadurch erklären, dass die größte Lärmeinwirkung linksseitig erfolgt sei. Unter einem Tinnitus leide er im Übrigen nicht erst seit 1998, sondern bereits seit den 70er Jahren.

Die Berichterstatterin des Senats hat Dr. B. unter dem 21. November 2007 sowie den Betriebsarzt der GmbH, Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. J., unter dem 7. Dezember 2007 im Hinblick auf den Zeitpunkt des Auftretens des Tinnitus schriftlich als sachverständige Zeugen angehört.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2003 verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung seiner Schwerhörigkeit als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Denn beim Kläger liegt in diesem Sinne eine Lärmschwerhörigkeit vor, die eine MdE um 20 v.H. bedingt und von der Beklagten daher zu entschädigen ist. Für den Leistungsbeginn ist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem sich feststellen lässt, dass die Beeinträchtigung ein rentenberechtigendem Ausmaß erreicht hat; dies war mit der audiometrischen Untersuchung am 11. März 2002 der Fall.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und BKen. Dabei sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach Satz 2 dieser Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; dabei kann sie bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BKen sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten.

Als BK in diesem Sinne hat der Kläger eine Lärmschwerhörigkeit geltend gemacht, mithin eine BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV.

Die Feststellung einer BK erfordert zum Einen die Erfüllung der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. der Versicherte muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität), zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss demnach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Demnach führt auch der Umstand, dass ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, nicht automatisch zur Anerkennung und ggf. Entschädigung. Vielmehr ist beim Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.

Die hinsichtlich des Kausalzusammenhangs erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19, 52; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts.

Ausgehend hiervon ist der Senat ebenso wie das SG zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit vorliegt, die wesentlich ursächlich auf die erhebliche Lärmbelastung des Klägers an seinen ab Februar 1969 innegehabten Arbeitsplätzen zurückzuführen ist.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BK erfüllt sind, mithin die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen ist. Denn der Kläger war im Rahmen seiner versicherten Tätigkeiten seit 1969 schädigenden Einwirkungen in Form von erheblichem Lärm ausgesetzt, der geeignet ist, eine Lärmschwerhörigkeit herbeizuführen. Im Hinblick auf die seitens ihres TAD durchgeführten Ermittlungen und Messungen geht auch die Beklagte davon aus, dass der Kläger seit Beginn seiner Tätigkeit bei der GmbH im Februar 1969 Lärmeinwirkungen ausgesetzt war, mit denen der Beurteilungspegel von 90 dB (A) erreicht bzw. zum Teil auch überschritten wurde. Damit bestand für den Kläger die grundsätzliche Gefahr der Entwicklung einer Gehörschädigung.

Demgegenüber ist zwischen den Beteiligten umstritten, ob das SG zutreffend auch die haftungsausfüllende Kausalität bejaht hat und richtigerweise davon auszugehen ist, dass das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild hinreichend wahrscheinlich wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Lärmexposition zurückzuführen ist.

Nach übereinstimmender Beurteilung der am Verfahren beteiligten Sachverständigen, die auch von der Beklagten im Ergebnis nicht in Zweifel gezogen wird, leidet der Kläger rechtsseitig an einer geringgradigen und linksseitig an einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit. Hinsichtlich des insoweit unter Anwendung der Tabelle von Feldmann beschriebenen Ausmaßes des Hörverlustes besteht zwischen den Sachverständigen Dr. L. und Dr. C. Einigkeit, wenn auch die Auswertung der von ihnen jeweils durchgeführten Hörprüfungen unter Anwendung der Tabellen von Boenninghaus und Röser 1973 (Berechnung des prozentualen Hörverlustes aus dem Sprachaudiogramm) bzw. Röser 1980 (Berechnung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm nach der Drei-Frequenz-Tabelle) keine identischen prozentualen Hörverluste ergeben haben.

Das SG ist auf der Grundlage des Gutachtens des Dr. C. zu der Überzeugung gelangt, dass eine rechtlich wesentliche Mitursache dieses beim Kläger vorliegenden Krankheitsbildes die Lärmexposition ist, der der Kläger über mehr als 40 Jahre hinweg bei der GmbH ausgesetzt war. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an.

Nach dem "Königsteiner Merkblatt", dessen Grundsätze in seiner 4. Auflage den derzeitigen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft auf ohrenfachärztlichem Gebiet entsprechen, und das vom Senat aus Gründen der Gleichbehandlung daher in ständiger Rechtssprechung zur Beurteilung herangezogen wird, ist im Rahmen der Kausalität zu prüfen, inwieweit die Untersuchungsbefunde die Annahme einer berufsbedingten Lärmschädigung stützen oder eher unwahrscheinlich machen. Dabei spricht für die Annahme einer Lärmschädigung, (1.) wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, (2.) wenn es sich um eine reine Innenohrschwerhörigkeit mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen handelt und (3.) wenn durch den Nachweis eines positiven Recruitments wahrscheinlich gemacht ist, dass die Hörstörung in den Sinneszellen des Innenohres (cochleäre Hörstörung) lokalisiert ist.

Der unter Ziff. 1 genannte Gesichtspunkt ist vorliegend zu bejahen. Der Kläger hat seine lärmbelastete Tätigkeit im Februar 1969 aufgenommen und diese über mehr als 30 Jahre hinweg fortgeführt. Durch das aktenkundige Tonaudiogramm vom 21. Oktober 1976 wird beim Kläger erstmals eine Hochtonschwerhörigkeit dokumentiert. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger schon vor diesem Zeitpunkt unter Gehörstörungen gelitten hat, sind nicht ersichtlich. Der Kurvenverlauf dieses Tonaudiogramms ist als lärmtypisch anzusehen, da er die für eine reine Innenohrschwerhörigkeit mit Hochtonverlust charakteristische C5-Senke ausweist. Zum Zeitpunkt der erwähnten Messung im Oktober 1976 war der Kläger auf der Grundlage der vom TAD durchgeführten Ermittlungen rund 7 ½ Jahre Lärmeinwirkungen zwischen 90 und 94 dB (A) ausgesetzt. Da nach der Tabelle zur Einschätzung des Risikomaßes von Lüpke, auf die der Sachverständige Dr. C. hingewiesen hat, bei einer derartigen Dauer und Intensität der Lärmeinwirkung eine Lärmschädigung "nicht völlig auszuschließen" ist, sieht der Senat das genannte Kriterium erfüllt, dass sich nämlich die 1976 dokumentierte Hörstörung während der beruflichen Lärmexposition des Klägers entwickelt hat. Der gegenteiligen Beurteilung des Prof. Dr. J., der für eine Arbeitsplatzsituation, wie sie beim Kläger vorgelegen hat, nach der genannten Belastungszeit einen Lärmschaden ohne weitere Begründung völlig ausgeschlossen hat, vermag der Senat nicht zu folgen. Da der Kläger an seinem Arbeitsplatz den entsprechenden Lärmbelastungen auch in den folgenden Jahrzehnten bis zumindest zum Jahr 2002 ausgesetzt war, fällt auch das weitere Fortschreiten seiner Hörstörung in den Zeitraum seiner berufsbedingten Lärmexposition.

Im Sinne der oben genannten Ziff. 3 ist nach Überzeugung des Senats auch von einer cochleären Hörstörung auszugehen. Nach dem "Königsteiner Merkblatt" kann dies bejaht werden, wenn zwei der näher bezeichneten und in Betracht kommenden Tests in ihrem Ergebnis übereinstimmen. Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. C. hat die insoweit aufgeführte Geräuschaudiometrie nach Langenbeck, bei der es sich um einen für den zu Begutachtenden relativ einfachen Test handelt, ein eindeutiges Ergebnis erbracht. Auch die objektiven Hörprüfungen otoakustische Emissionen und BERA (akustisch evozierte Potentiale) ergaben keine Hinweise für eine retrocochleäre, also eine nach der Hörschnecke zum Hirn hin zu lokalisierende Störung. Der Senat folgt daher der Beurteilung des Sachverständigen Dr. C., der es angesichts dessen für gerechtfertigt erachtet hat, den Hörschaden in der Schnecke zu lokalisieren.

Im Sinne der oben dargelegten Voraussetzung Ziff. 2 ist zu berücksichtigen, dass beim Kläger einerseits zwar eine reine Innenohrschwerhörigkeit vorliegt, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, diese andererseits - anders als noch im Jahr 1976 - zwischenzeitlich jedoch keine Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen mehr zeigt. So ist seit 1998 auch ein Hörverlust im Tief- und Mitteltonbereich zu objektivieren, der sich, wie die dokumentierten Messergebnisse aus den Jahren 2001 und 2002 zeigen, weiter verschlechtert hat. Dieser für eine Lärmschwerhörigkeit untypische Hörverlust ist nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. C. wahrscheinlich nicht auf die berufliche Situation des Klägers zurückzuführen. Zwar können nach seinen Darlegungen durch Lärmarbeit auch Schäden im Tief- und Mitteltonbereich auftreten, jedoch sind Schäden im mittleren Frequenzbereich erst nach jahre- bzw. jahrzehnteL. und erheblicher Lärmbelastung denkbar, wobei der Kläger derartigen Schallintensitäten gerade nicht ausgesetzt war. Diese Darlegungen stehen in Einklang mit der unfallversicherungsrechtlichen Literatur, insbesondere Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003, S.425, weshalb der Senat in Übereinstimmung mit den Sachverständigen Dr. C. und Dr. L., deren Auffassung die Beklagte insoweit teilt, davon ausgeht, dass der Hörverlust beim Kläger in den tiefen und mittleren Frequenzbereichen ab 1998 nicht der beruflichen Lärmexposition zuzuordnen ist.

Allerdings vermag der Senat der Beklagten insoweit nicht zu folgen, als sie gestützt auf die Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. N. vom 13. April 2006 die Auffassung vertritt, der insoweit vorhandene Hörschaden in den tieferen Frequenzen sei eine abgrenzbare Hörschädigung, die bei der Bemessung der MdE mit der Folge unberücksichtigt zu bleiben habe, dass mit dem allein zu bewertenden Hochtonschaden lediglich eine MdE um weniger als 10 v.H. erreicht werde, wodurch ein rentenberechtigendes Ausmaß der Lärmschwerhörigkeit nicht vorliege. Zu dieser Problematik ist im "Königsteiner Merkblatt" ausgeführt, dass Anteile einer insgesamt festgestellten Schwerhörigkeit bei der Einschätzung des Schweregrades der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit lediglich dann außer Betracht gelassen werden können, wenn diese mit Sicherheit nicht durch Lärm verursacht sein können. Als Beispiel hierfür wird eine zusätzlich bestehende Schallleitungsstörung genannt, aber auch eine außerhalb der Lärmarbeit durch einen Hörsturz aufgetretene einseitige Tieftonschwerhörigkeit. Von einer solchen Fallgestaltung, dass nämlich die Ursache der Hörstörung des Klägers in den tiefen und mittleren Frequenzen mit Sicherheit nicht durch Lärm verursacht sein kann, vermag der Senat im Falle des Klägers nicht auszugehen. Denn in Übereinstimmung mit der Auffassung des Sachverständigen Dr. C. sieht auch der Senat keine konkreten anderweitigen Ursachen für diese Störung, die eine berufliche Ursache mit Sicherheit ausschließen würden. So gibt es weder Hinweise auf eine genetische Veranlagung oder einen Unfall noch auf eine adäquate Erkrankung. Soweit die Beklagte insoweit einen Hörsturz heranzieht, der in dem aktenkundigen Leistungsverzeichnis der BKK im Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit vom 8. bis 17. Juli 1998 wegen "Hörsturz, Sinusitis" dokumentiert ist, hat der Sachverständige Dr. C. nach Überzeugung des Senats zutreffend darauf hingewiesen, dass aus dieser Bezeichnung, die aus der Klassifizierung nach dem ICD-Schlüssel stamme, nicht ohne weiteres auf einen stattgehabten Hörsturz geschlossen werden kann, weil dort ein akuter Hörverlust einem Hörsturz gleichgestellt sei. Bei dem fraglichen Ereignis, d.h. einer Sinusitis (Entzündung der Nasennebenhöhle) habe es sich unzweifelhaft um ein akutes vorübergehendes Ereignis gehandelt, das das Hörvermögen des Klägers nicht entscheidend beeinflusst habe. Denn rezidivierende Infekte der oberen Luftwege verursachten keine Hörschäden. Auch sonstige Erkrankungen, die eine Hörstörung der vorliegenden Art verursachen könnten, sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. nicht dokumentiert. Soweit in dem Arztbrief der Dr. B. vom 16. Juli 1998 für den 4. Juni 1998 eine Hörminderung dokumentiert ist, handelt es sich um eine akute Erscheinung im Hinblick auf die bestehende purulente Myringitis (eitrige Trommelfellentzündung), die jedoch ebenso wenig zu einem dauerhaften Hörschaden führt, wie die dort gleichfalls beschriebene entzündliche Erkrankung des linken Ohres bei Infektion der Nasennebenhöhlen. Dass beim Kläger ein Hörsturz eingetreten ist, wird von Dr. B. demgegenüber gerade nicht erwähnt. Auch sind keine audiometrischen Untersuchungen erwähnt, die ein angegebener Hörsturz ärztlicherseits im Allgemeinen nach sich ziehen würden.

Da sich lärmunabhängige Einflüsse somit nicht feststellen lassen, folgt der Senat vor dem Hintergrund der Ausführungen in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 425, wonach Hörverluste im Tieftonbereich nicht generell und grundsätzlich als nicht lärmbedingt interpretiert werden können, der Einschätzung des Dr. C., wonach gerade nicht mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der beim Kläger insoweit bestehende Zustand der Schwerhörigkeit wesentlich im Gesundheitszustand und in der Konstitution begründet ist und die Lärmeinwirkung demgegenüber als unerheblich in den Hintergrund tritt. Denn schließlich ist gerade auch die in Rede stehende Hörverschlechterung im tiefen und mittleren Frequenzbereich während des Zeitraums eingetreten, in dem der Kläger laufend beruflich äquivalenten Dauerschallpegeln ausgesetzt war.

Da im Sinne des "Königsteiner Merkblatts" die Abgrenzung eines nicht lärmbedingten Anteils der Schwerhörigkeit damit nicht sicher möglich ist, muss nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung entschieden werden, ob die Lärmeinwirkung allein oder mit anderen Faktoren die wesentliche Bedingung für die Entstehung der Schwerhörigkeit war. Nur dann gilt diese versicherungsrechtlich als Ursache der gesamten medizinisch nicht näher abgrenzbaren Schwerhörigkeitsanteile.

Soweit die Beklagte vorgebracht hat, beim Kläger spreche auch die deutliche Seitendifferenz des Hörschadens im Hochtonbereich zwischen links und rechts gegen die Annahme eines Lärmschadens, vermag der Senat diesem Vorbringen nicht zu folgen. Zwar ist in Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Seite 425 ausgeführt, dass die Lärmschwerhörigkeit im Tonaudiogramm grundsätzlich ein symmetrisches Bild aufweise, da die Ohren im diffusen Schallfeld annähernd gleich belastet werden. Jedoch wird gleichzeitig auch darauf hingewiesen, dass bei ca. 16% der Lärmschwerhörigen eine asymmetrische Ausbildung der Schwerhörigkeit mit einer Differenz von 20 dB bei zwei oder mehreren Tönen erscheint. Daraus wird wiederum der Schluss gezogen, dass die Seitendifferenz nicht mehr als einen Schwerhörigkeitsgrad betragen, der Hörverlust somit nicht um mehr als 20% differieren darf. Eine diesen Maßstab überschreitende Differenz des Schwerhörigkeitsgrades rechts und links liegt beim Kläger aber gerade nicht vor, weil mit einer rechtsseitigen geringen Innenohrschwerhörigkeit und einer linksseitigen mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit die angegebene Seitendifferenz zwar erreicht, aber nicht überschritten wird.

Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, auch der lärmuntypische Verlauf der Hörstörung (nahezu gleichbleibende Hörstörung von 1976 bis 1995, Verschlechterung im Mittel- und Tieftonbereich ab 1998) spreche gegen eine berufliche Verursachung, hat der Sachverständige Dr. C. nach Überzeugung des Senats zutreffend darauf hingewiesen, dass die Phasen der Entwicklung einer Lärmschwerhörigkeit, wie sie in Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, Seite 415f dargelegt sind, in der Wissenschaft zwischenzeitlich umstritten sind und diese vor allem eine gleichbleibende Beschallung voraussetzen. Von letzterem kann vorliegend jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden, da für die Lärmexposition in der Vergangenheit seitens des TAD keine konkret dokumentierten Messwerte herangezogen werden konnten, sondern nur Vergleichswerte ähnlicher Arbeitsplätze. Zudem stand dem Kläger seit ca. Mitte der 70er Jahre ein - wenn auch nicht suffizienter - Schallschutz zur Verfügung, weshalb ebenfalls zweifelhaft erscheint, ob der Kläger einer gleichmäßigen Beschallung ausgesetzt war. Zudem ist nicht auszuschließen, dass das für das Jahr 1976 dokumentierte Tonaudiogramm schlechtere Werte aufzeigt, als sie beim Kläger seinerzeit tatsächlich zu objektivieren gewesen wären, wenn die an sich angezeigte Lärmpause von mehr als zwölf Stunden - wie dann bei der folgenden Untersuchung im Oktober 1977 - eingehalten worden wäre. Typische Entwicklungen resultieren im Übrigen in der Regel aus Beobachtungen an großen Kollektiven, aus denen Mittelwerte gebildet werden, so dass die sehr große individuelle Variationsbreite bei ihrer Darstellung weitgehend verloren geht.

Da wegen der fehlenden Abgrenzbarkeit der lärmunabhängigen Anteile der Schwerhörigkeit letztlich somit mehrere Ursachen für den beim Kläger eingetretenen Hörschaden in Betracht zu ziehen sind, ist die versicherungsrechtlich relevante Ursache der Schwerhörigkeit beim Kläger nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Gesichtspunkte kommt der Senat ebenso wie das SG zu der Beurteilung, dass mehr dafür als dagegen spricht, dass die arbeitsplatzbedingte Lärmexposition wesentliche Teilursache des beim Kläger bestehenden Hörverlustes ist und die Schadensanlagen beim Kläger demgegenüber keine so überragende Bedeutung haben, dass sie gegenüber der jahrzehntelangen berufsbedingten Lärmexposition als allein wesentlich im Sinne des Sozialrechts angesehen werden könnten. Schließlich ist der Hörverlust im Hochtonbereich, der nach den Hörkurven als lärmtypisch angesehen werden muss, maßgeblich verantwortlich für die aus der Schwerhörigkeit resultierende Kommunikationsstörung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. vermitteln gerade die hohen Frequenzen die Deutlichkeit und das Silbenverständnis, weshalb insbesondere Lärmschwerhörige über Beeinträchtigungen des Sprachverstehens klagen. Dieses ist auf den Frequenzverlust im Hochtonbereich zurückzuführen, der für das Wortverständnis, insbesondere der hochfrequenten Zischlaute, verantwortlich ist. Diese sind energieärmer und werden deshalb durch Umgebungsgeräusche verschluckt. Damit kommt aber dem beim Kläger lärmbedingt verursachten Hochtonverlust in Bezug auf das ihm verbliebene Hörvermögen nicht lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu.

Da bei dem Hörverlust des Klägers, der, wie bereits dargelegt, rechtsseitig als geringgradig und linksseitig als mittelgradig zu bezeichnen ist, bereits unter Anwendung der Tabelle von Feldmann 1995 die vom SG für die streitige BK zugrunde gelegte MdE von 20 v.H. gerechtfertigt ist, kann der Senat letztendlich offen lassen, ob der vom Kläger angegebene Tinnitus auf berufslärmbedingte Umstände zurückzuführen oder von diesen abgrenzbar ist. Schließlich ließe sich auch bei integrierender Betrachtungsweise kaum eine MdE um mehr als 20 v.H. rechtfertigen.

Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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