L 3 AS 4892/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 1348/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4892/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für die Zeit vom 14.04.2005 bis 30.09.2005 Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat.

Die 1961 geborene, geschiedene Klägerin bezog bis zum 19.04.2005 Anschlussübergangsgeld. Sie ist hälftige Miteigentümerin eines Hauses in H., Hauptstr. 12. Im Leistungsantrag vom 24.01.2005 gab sie an, weitere Angehörige lebten nicht mit ihr im gemeinsamen Haushalt. Ihre am 17.10.1996 geborene Tochter Marie-Louise wohne in R., Niedstr. 133a.

Auf den Antrag der Klägerin vom 24.04.2005 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 14.04.2005 bis 30.09.2005, und zwar vom 14.04.2005 bis 30.04.2005 in Höhe von 195,50 Euro und vom 01.05.2005 bis 30.09.2005 in Höhe von monatlich 345,- Euro.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, die gesetzliche Regelung sei verfassungswidrig. Die Regelleistung sei nicht ausreichend, um ihren Bedarf zu decken. Ab dem 11.07.2005 müsse sie sich einem Krankenhausaufenthalt mit mehreren Operationen unterziehen. Der hierbei anfallende Eigenanteil, der von der Krankenkasse nicht erstattet werde, sei von der Regelleistung nicht umfasst.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück u.a. mit der Begründung, das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sehe keine Möglichkeit der Kostenübernahme des Eigenanteils bei einem Krankenhausaufenthalt vor. Die Entscheidung entspreche der einfachgesetzlichen Regelung.

Gegen den am 23.03.2006 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 24.04.2006 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung die Umstände des Einzelfalles nicht berücksichtigt und das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt. So sei insbesondere nicht berücksichtigt worden, dass sie Unterhalt für ein Kind bezahlen müsse und sich in einem Insolvenzverfahren befinde.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.08.2006, auf den Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen den am 30.08.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.09.2006 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, bei der Leistungshöhe seien ihre besonderen Belastungen, insbesondere die Unterhaltszahlungen an ihr im Ausland lebendes Kind, zu berücksichtigen. Hierzu hat sie den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Hermeskeil vom 29.06.2006 vorgelegt, worin der von ihr an ihre Tochter Marie-Louise zu zahlende Unterhalt für die Zeit ab 01.02.2004 auf monatlich 164,00 EUR festgesetzt wurde. Im Erörterungstermin hat die Klägerin vorgetragen, eine Übernahme der Mehrbelastung durch Krankheitskosten und die Übernahme der Darlehensverpflíchtung aus dem Hauskauf werde nicht mehr geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28. August 2006 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr höhere Leistungen unter Berücksichtigung der im Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Hermeskeil vom 26. Juni 2006 festgesetzten Unterhaltszahlungen in Höhe von monatlich 164,- Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat in der streitigen Zeit vom 14.04.2005 bis 30.09.2005 keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Regelleistung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Höhe der Regelleistung nach dem SGB II ist - zumindest im streitigen Zeitraum - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die in § 20 Abs. 2 und 3 SGB II gesetzlich festgelegte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts ist nicht verfassungswidrig (BSG, Urteil vom 16.05.2007 - B 11b AS 27/06 R - in juris). Der Gesetzgeber ist bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende den verfassungsrechtlichen Anforderungen grundsätzlich gerecht geworden, wonach sich die staatliche Gewährleistungspflicht nicht nur auf die bloße Sicherung der körperlichen Existenz beschränkt, sondern auch die Gewährleistung eines "soziokulturellen Existenzminimums" sowie den Schutz vor Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung umfasst (BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - in juris). Danach ist die vom Gesetzgeber gewählte Art der Bedarfsermittlung und deren Ergebnis, nämlich die in § 20 Abs. 2 SGB II festgelegte Regelleistung, die im streitigen Zeitraum 345,- Euro pro Monat für alleinstehende Personen betragen hat, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Klägerin hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrer Tochter.

Nach der gesetzlichen Systematik ist die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 20 SGB II geregelt. Darüber hinaus sind in § 21 SGB II die Mehrbedarfe aufgeführt, die nicht durch die Regelleistung abgedeckt sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 21 Abs. 3 SGB II. Danach ist ein Mehrbedarf für Personen anzuerkennen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen. Einen Anspruch der Klägerin hieraus steht entgegen, dass sie mit ihrer Tochter nicht zusammenlebt.

§ 23 Abs. 3 SGB II enthält darüber hinaus weitere Leistungen, die nicht von der Regelleistung umfasst sind und gesondert erbracht werden, nämlich Leistungen für Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, Erstausstattung für die Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen. Die Übernahme von Unterhaltsverpflichtungen sieht das Gesetz nicht vor.

Grundsätzlich sind die im Gesetz genannten Leistungen für Mehrbedarfe abschließend. Dies hat der Gesetzgeber nochmals betont, indem durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) in § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II die Regelung getroffen wurde: "Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen". Dadurch hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Leistungen des SGB II bedarfsdeckend und abschließend sind (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 20 Rn. 36). Jedenfalls nicht als Mehrbedarf anzuerkennen sind Verpflichtungen aus gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen. Die Klägerin muss ihrer Unterhaltsverpflichtung nämlich nur entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit nachkommen (§ 1603 BGB).

Ergänzend ist auszuführen, dass entgegen dem Vortrag im Berufungsverfahren ausweislich des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Hermeskeil vom 29.06.2006 nicht die Tochter der Klägerin, sondern lediglich deren gesetzlicher Vertreter, ihr Vater, in Kanada wohnt. Vorliegend ist dies jedoch unbeachtlich, da Unterhaltsverpflichtungen der Klägerin bei der Bemessung der Regelleistung nach § 20 SGB II nicht zu berücksichtigen sind. Gegebenenfalls hat die Tochter einen eigenen Anspruch. Nur für diesen Anspruch ist der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich, da Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II nicht erhält, wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland hat (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.01.2006 - L 1b 17/05 AS ER).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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