L 6 VG 4694/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 VG 2772/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 4694/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. August 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Versorgungsrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i.V.m. den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) i. d. F. des am 21. Dezember 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 - BGBl. I S. 2904 ff. (im folgenden: BVG n. F.).

Der am 19. Dezember 1950 geborene Kläger erlitt im Jahr 1958 eine perforierende Verletzung am rechten Auge. Deswegen wurde erstmals im Jahr 1992 eine Hornhauttransplantation bei bestehender Linsenlosigkeit vorgenommen. Nach den Angaben der behandelnden Augenärztin Dr. B. konnte nachfolgend nie ein besserer Visus als 0,1 erzielt werden (u.a. sachverständige Zeugenaussage vom 31. Mai 2007). Im Jahr 2000 wurden in der Universitäts-Augenklinik F. (nachfolgend: Augenklinik) verschiedene Untersuchungen zur Abklärung der Notwendigkeit einer erneuten Keratoplastik durchgeführt. Am 10. April 2001 wurde im Rahmen einer stationären Behandlung eine erneute Keratoplastik am rechten Auge vorgenommen. Im Juni 2006 erzielte der Kläger auf diesem Auge einen Visus von 0,1 (Arztbrief der Augenklinik, Dr. L., vom 21. Juni 2001). Im September und Oktober 2006 betrug der Visus 0,2 (handschriftliche Dokumentation der Augenklinik, Dr. L., vom 28. September 2001).

Am 24. Dezember 2001 wurde der Kläger Opfer eines tätlichen Angriffs. Als er seiner Tochter, die in eine Handgreiflichkeit geraten war, zur Hilfe kommen wollte, wurde er vom Angreifer T. L. mit einem in einer Plastiktüte steckenden Drehmomentschlüssel geschlagen. Ein Schlag traf mit der Spitze des Geräts in den Augapfel des rechten Auges. T. L. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts B. vom 22. Oktober 2003 unter anderem wegen dieser Tat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Vom 24. bis 31. Dezember 2001 wurde der Kläger stationär in der Augenklinik behandelt. Da aufgrund des Schlags auf das Auge die Wunde der verpflanzten Hornhaut im Nahtbereich aufgeplatzt war, musste sie mit einer neuen Naht verschlossen werden (Befundbericht Augenklinik, PD Dr. M., vom 28. Februar 2002). Im Arztbrief vom 31. Dezember 2001 stellte Prof. Dr. W. die Diagnose einer Bulbusruptur. Wegen einer schwer beherrschbaren Augendrucklage musste der Kläger nachfolgend noch vom 29. Januar bis 1. Februar 2002 und vom 1. bis 6. März 2002 stationär in der Augenklinik behandelt werden (Arztbriefe Dr. A. vom 1. Februar 2002 und Prof. Dr. W. vom 6. März 2002).

Dr. B. teilte im Befundbericht vom 26. Mai 2004 mit, der Visus auf dem linken Auge betrage 0,8, auf dem rechten Auge habe die bestkorrigierte Schärfe vor dem 24. Dezember 2001 bei 0,1 gelegen. Der Zustand am rechten Auge habe sich insofern stabilisiert, dass es bei Einhaltung verschiedener Therapien zu relativ reizfreien Phasen der Bindehaut komme. Die Hornhauttrübung bleibe. Die Augendruckwerte befänden sich im Normbereich. Das Auge sei durch äußere Einflüsse leicht reizbar. Nach Auswertung durch den ärztlichen Dienst (Stellungnahme Dr. R. nach Aktenlage vom 7. Oktober 2004) stellte der Beklagte mit Erstanerkennungsbescheid vom 14. Oktober 2004 fest, der Kläger sei am 24. Dezember 2001 Opfer einer Gewalttat im Sinne des OEG geworden. Als Folgen der Schädigung anerkannte er eine Verschlechterung des Sehvermögens rechts von 0,1 auf Fingerzählen nach Augapfelprellung bei Hornhauttransplantation sowie rezidivierende Reizzustände des rechten Auges. Durch diese Schädigungsfolgen würde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im rentenberechtigenden Grade um wenigstens 25 vom Hundert (v. H.) nicht erreicht.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 22. Oktober 2004. Seine Sehkraft sei vor dem Angriff deutlich besser gewesen. Es hätte nur noch die Linse eingesetzt werden müssen, um dann die annähernd volle Sehkraft dauerhaft aufrecht zu erhalten. Nun sei das Auge äußerst empfindlich geworden. Die MdE betrage mindestens 25 v. H. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Nach der Hornhauttransplantation vom April 2001 sei ein maximaler Visus von 0,1 erzielt worden. Der Kläger habe seine Behauptung, das Sehvermögen habe sich im Oktober bzw. November 2001 noch gebessert, nicht belegt. Insoweit könne auch weiterhin nur der Verschlimmerungsanteil ausgehend von einem Sehvermögen mit einem Visus von 0,1 als Schädigungsfolge anerkannt werden.

Deswegen erhob der Kläger am 19. Juli 2005 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage. Er trug vor, der Angriff habe den gesamten Heilungsverlauf nach der Operation vom April 2001 wieder zunichte gemacht und zwar auf Dauer, da eine Verbesserung nicht mehr habe erzielt werden können. Seine Sehkraft habe vor dem Angriff zuletzt 80 bis 90 % betragen. Nunmehr erhalte er unter anderem wegen der Augenverletzung seit Dezember 2005 eine Erwerbsminderungsrente (Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Schwaben vom 18. Januar 2006). Im Übrigen lasse der Beklagte die weiteren Störungen am Auge, unter anderem die Augendruckwerte, außer Betracht. Der Kläger legte Unterlagen der Universitätsklinik F. über seine ambulante Behandlung im Zeitraum vom 21. Juni - 11. Oktober 2001 vor. Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 4. April 2006 vor. Auch bei einem zuvor erreichten Visus von 0,2 sei wegen der zusätzlich zu berücksichtigenden Linsenlosigkeit von einem Vorschaden, der eine MdE um 20 v. H. bedinge, auszugehen. Insgesamt betrage die MdE nach der Gewalttat 30 v. H. Bei integrativer Betrachtung sei der Verschlimmerungsanteil der MdE mit 20 v. H. zu bewerten.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. August 2006 wies das SG die Klage ab. Unter Zugrundelegung eines vor der Schädigung erzielten Visus von 0,2 schloss es sich der Einschätzung von Dr. W. an. Das zusätzlich diagnostizierte Sekundärglaukom rechtfertige keine weitergehende Erhöhung der MdE. Diese hänge vor allem vom Ausmaß der Sehbehinderung ab. Höhere MdE-Werte kämen nur in Betracht, wenn zusätzlich über die Einschränkung des Sehvermögens hinausgehende erhebliche Beeinträchtigungen vorlägen. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 14. August 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. September 2006 Berufung eingelegt. Er hält an seinem bisherigen Vorbringen fest und ergänzt, es ergebe sich ein himmelweiter Unterschied zwischen einer Sehschärfe von 0,1 einerseits und der Sehschärfe Lichtschein, welche er derzeit habe. Bereits bei diesem Unterschied liege bezogen auf die Verschlimmerung eine MdE von mehr als 25 v. H. vor. Dies müsse umso mehr gelten, wenn der frühere Visus 0,2 betragen habe. Zudem hätte sich bei voranschreitender Heilung noch ein weiterer Sehschärfengewinn ergeben. Dieser sei durch das Schadensereignis zunichte gemacht worden. Die Entfernung des zweiten Fadens sei damals auf April 2002 angeordnet gewesen. Nach der Entfernung hätte sich eine weitere deutliche Besserung der Sehschärfe bestätigt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. August 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 14. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2005 zu verurteilen, ihm Beschädigtenrente nach einer MdE um mindestens 25 v. H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat im Hinblick auf die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme ergänzende versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. W. vom 26. Januar und 9. Juli 2007 vorgelegt. In letzterer vertritt Dr. W. die Auffassung, eine schädigungsbedingte MdE könne sich erst ergeben, wenn der vorschädigungsbedingte Visus am rechten Auge besser als 0,2 gewesen wäre. Hierzu verweist er auf die Begründungen in seinen bisherigen Stellungnahmen. Es könne aber in keiner Weise der Nachweis geführt werden, dass hier ein Visus besser als 0,2 erreicht worden wäre.

Der Senat hat Dr. L., Dr. W., Dr. S., Dr. O. (behandelnde Ärzte an der Augenklinik) und Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. L. hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2006 mitgeteilt, der Kläger habe bei der Hornhautverpflanzung an einer Studie teilgenommen. Er sei nach der Schädigung im Dezember 2001 aus dieser Studie ausgeschlossen worden. Dr. L. fügte 39 Kopien aus der Patientenakte des Klägers bei. Dr. S. gelangte in seinen schriftlichen Zeugenaussagen vom 8. Januar und 7. April 2007 zu der Einschätzung, ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Trauma und dem Sekundärglaukom sowie der Sehschärfenreduktion sei denkbar, aber nicht sicher. Dr. B. hat in ihrer Aussage vom 31. Mai 2007 darauf hingewiesen, genauere Sehschärfenwerte seien damals wegen der damit verbundenen Anstrengung für den Kläger nicht versucht worden. Es sei ein wesentlicher Unterschied, ob ein Patient nur eine intakte Lichtprojektion habe oder ob er 10 % sehen könne. Möglicherweise wären aus den 10 % noch mehr geworden. Es könne davon ausgegangen werden, dass ein gewisser Sehschärfengewinn noch resultiert hätte. In einer vom Kläger zuvor vorgelegten Bescheinigung vom 2. März 2007 hatte sie hierzu ausgeführt, die Entwicklung der Sehschärfe lasse sich nicht 100 % vorhersagen. Mit einer Kontaktlinse mit aufgemalter Iris hätte sich eine entsprechend gute Sehschärfe einstellen müssen. Dr. O. teilte mit Schreiben vom 16. Januar 2008 mit, das Ereignis vom Dezember 2001 habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen negativen Einfluss auf den Krankheits- bzw. den Heilungsverlauf des rechten Auges gehabt. Das Ausmaß sei allerdings schwer abzuschätzen. Dr. W. konnte keine Angaben mehr machen (Schreiben vom 20. Dezember 2006).

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist statthaft und zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine Versorgungsrente zu. Der Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 1 Abs. 1 OEG i. V. m. §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 BVG n. F. erhält derjenige eine Beschädigtenrente, dessen schädigungsbedingter Grad der Schädigung (GdS, bis 20. Dezember 2007 MdE) mindestens 25 v. H. beträgt.

Nach § 30 Abs. 1 BVG a. F. war die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; dabei waren seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Für die Beurteilung war maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt war. Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG n. F. ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Eine Änderung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand ist hierdurch jedoch nicht eingetreten. Nach wie vor sind, um eine möglichst weitgehende Einheitlichkeit in der Beurteilung sicherzustellen, insoweit die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Soziales (AHP), jetzt in der Fassung von 2008, anzuwenden.

Hat die Schädigung ein vorgeschädigtes Organ betroffen, muss nach den AHP die schädigungsbedingte MdE niedriger sein als die MdE, die sich aus dem nun bestehenden Gesamtschaden ergibt, es sei denn, dass der Vorschaden nach seinem Umfang oder nach seiner Art keine wesentliche Bedeutung für die gesamte Gesundheitsstörung hat. Die schädigungsbedingte MdE lässt sich dabei nicht einfach dadurch ermitteln, dass die MdE des Vorschadens rein rechnerisch von der MdE des Gesamtschadens abgezogen wird; maßgeblich ist, zu welchem zusätzlichen anatomischen und funktionellen Verlust die Schädigung geführt hat. Sind durch Vorschaden und Schädigungsfolge paarige Organe betroffen und verstärkt der Vorschaden die schädigungsbedingte Funktionsstörung, so ist die schädigungsbedingte MdE unter Umständen höher zu bewerten, als es bei isolierter Betrachtung der Schädigungsfolge zu geschehen hätte. Ein Vorschaden ist dabei eine schädigungsunabhängige Gesundheitsstörung, die bei Eintritt der Schädigung bereits nachweisbar bestanden hat (AHP Seite 159 f.).

Unstreitig hat der Kläger durch den tätlichen Angriff vom 24. Dezember 2001 eine gesundheitliche Schädigung erlitten. Auf dem rechten Auge besteht nunmehr ein Gesamtschaden in Form eines Sehvermögens von weniger als 0,1. Die sachverständigen Zeugen Dr. L. und Dr. B. berichten übereinstimmend, die Sehschärfe lasse nur noch die Wahrnehmung von Lichtschein zu. Daneben liegen - wie ebenfalls im Erstanerkennungsbescheid vom 14. Oktober 2004 bereits benannt - rezidivierende Reizzustände am rechten Auge vor. Auch dies wurde durch die sachverständige Zeugenaussage von Dr. B. bestätigt. Im Erstanerkennungsbescheid nicht aufgeführt ist die vom sachverständigen Zeugen Dr. S. beschriebene schwer beherrschbare Augendrucklage, die in der Vergangenheit drei kurze stationäre Aufenthalte notwendig machte.

Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass dieser Gesamtschaden mit einer MdE um 30 v. H. entsprechend einem GdS von 30 zu bewerten ist. Auch der Senat folgt insofern der überzeugenden Einschätzung von Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. April 2006. Diese steht in Übereinstimmung mit den AHP. Darin ist für den Linsenverlust eines Auges (korrigiert durch intraokulare Kunstlinse oder Kontaktlinse) mit einer Sehschärfe weniger als 0,1 eine MdE um 25 bis 30 vorgesehen (Seite 51). Nach der MdE-Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) ist bei einer Sehschärfe auf dem linken Auge von 0,8 und auf dem rechten Auge von 0,05 und weniger ebenfalls eine MdE um 30 vorgesehen (Seite 52). Diese MdE stellt mithin bei der beim Kläger vorliegenden Sehschärfe auf dem linken Auge die maximale MdE selbst bei Einäugigkeit dar. Anzumerken ist, dass der Senat für das linke Auge hier den von Dr. B. mitgeteilten Visus von 0,8 zugrunde legt, obwohl von den Ärzten der Augenklinik der Visus auf diesem Auge mit 1,0 (Arztbriefe Prof. Dr. W. vom 31. Dezember 2001 und 06. März 2002) und 0,9 (Befunddokumentation vom 21. Mai 2003) beschrieben wurde. Zu Recht hat das SG die Reizzustände und die schwierige Augendrucklage nicht für eine Erhöhung dieser MdE herangezogen. Auch in den AHP Ausgabe 2008 ist vorgesehen, dass bei einer Erkrankung des Auges (zum Beispiel Glaukom, Netzhauterkrankungen) der MdE-Grad vor allem vom Ausmaß der Sehbehinderung abhängt. Darüber hinausgehende MdE-Werte kommen nur in Betracht, wenn zusätzlich über die Einschränkung des Sehvermögens hinausgehende erhebliche Beeinträchtigungen vorliegen. Ausdrücklich ist geregelt, dass sich nach Hornhauttransplantationen der MdE-Grad allein nach dem Sehvermögen richtet. Da beim Kläger eine Hornhauttransplantation vorgenommen wurde, kommt allein deswegen eine höhere MdE-Bewertung nicht in Betracht. Im Übrigen liegen aus Sicht des Senats auch keine über die Einschränkung des Sehvermögens hinausgehenden erheblichen Beeinträchtigungen vor. Denn Dr. B. teilte zuletzt mit, die Augendruckwerte seien jetzt eingestellt. Selbst wenn wiederkehrend Akutbehandlungen notwendig werden, liegt keine dauerhafte Funktionseinschränkung vor. Die Reizbarkeit des Auges rechtfertigt ebenfalls keine zusätzliche Erhöhung der MdE. Denn nach AHP Seite 51 wird erst bei Verlust eines Auges mit dauernder, einer Behandlung nicht zugänglichen Eiterung der Augenhöhle eine MdE um 40 vorgesehen. Der Senat ist der Überzeugung, dass die beim Kläger vorliegenden Reizzustände damit nicht verglichen werden können.

Beim Kläger lag zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ein Vorschaden vor. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Kläger hatte bereits im Jahr 1958 eine perforierende Verletzung am rechten Auge erlitten, die 1992 und zuletzt am 10. April 2001 eine Hornhauttransplantation bei Linsenlosigkeit erforderlich machte. Nach der letzten Hornhauttransplantation hatte sich der Visus von anfänglich 0,05 auf zunächst 0,1 ab Juni 2001 und 0,2 gemessen am 28. September und 4. Oktober 2001 verbessert. Dies ergibt sich aus der vorliegenden Behandlungsdokumentation und den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. L. und Dr. O ... Soweit Dr. B. bis zuletzt lediglich von einer Besserung auf einen Visus von 0,1 ausging, ist sie über den letzten Stand vor dem 24. Dezember 2001 offensichtlich nicht richtig informiert gewesen. Nach der MdE-Tabelle der DOG (siehe oben) wäre dieser Zustand mit einer MdE um 15 v.H. zu bewerten gewesen. Da hier jedoch auch ein Linsenverlust vorlag, ist zudem die Abstufung der MdE-Werte auf Seite 51 AHP zu berücksichtigen. Die dort vorgegebenen Werte bei Linsenverlust sind im Verhältnis zur Tabelle auf Seite 52 als Mindestwerte anzusehen. Die Tabelle bildet mithin die Grundlage für die Bewertung (s. AHP S. 51 oben), die in Übereinstimmung mit der Auffassung von Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 04. April 2006 ggf. wegen einer zusätzlichen Berücksichtigung der Linsenlosigkeit zu erhöhen ist. Somit ergibt sich für den Zeitpunkt vor der Schädigung bei einem Visus von 0,2 und Linsenlosigkeit eine MdE um 20 v.H. bzw. ein GdS von 20.

Die Schädigung hat damit ein vorgeschädigtes Organ betroffen. Vergleicht man die festgestellte MdE um 30 v.H. (GdS von 30) für den Gesamtschaden und die eben genannte MdE um 20 v.H. (GdS von 20) für den Vorschaden ergibt sich klar, dass der Vorschaden auch eine wesentliche Bedeutung für die gesamte Gesundheitsstörung hatte. Die schädigungsbedingte MdE (der GdS) muss damit niedriger sein als die MdE um 30 v.H. (GdS von 30) für den Gesamtschaden. Bei einer MdE (GdS) für den Vorschaden um 20 v.H. (GdS von 20) geht auch der Senat in Übereinstimmung mit der Einschätzung von Dr. W. davon aus, dass die schädigungsbedingte MdE (der GdS) - im Sinne des Verschlimmerungsanteils - nicht höher als mit 20 v. H.(20) bewertet werden kann.

Der Senat konnte sich keine Überzeugung davon verschaffen, dass ein GdS im rentenberechtigenden Ausmaß von 25 unter Berücksichtung einer zu erwartenden weiteren Besserung des Visus nach der Hornhauttransplantation vom April 2001 vorliegt. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass letztlich nur spekuliert werden kann, ob und in welchem Umfang eine weitere Besserung eingetreten wäre, wenn es nicht zu dem schädigenden Ereignis gekommen wäre. Dr. S. vertrat in seiner sachverständigen Zeugenaussage insofern sogar die Auffassung, ein kausaler Zusammenhang zwischen dem erlittenen Trauma und dem Sekundärglaukom sowie der Sehschärfenreduktion sei denkbar aber nicht sicher. Soweit der Kläger mutmaßt, es wäre im April 2002 im Zusammenhang mit der zweiten Fadenentfernung zu einer weiteren Besserung des Visus gekommen, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der Zeugenaussage von Dr. S. eine Fadenentfernung aufgrund einer Brechkraftänderung den Visus verbessern aber auch verschlechtern oder nicht verändern kann. Mit einer Verbesserung sei jedenfalls nicht regelmäßig zu rechnen.

Zu bedenken ist auch, dass der Visus des Klägers nach der ersten Transplantation im Jahr 1992, wie sich aus den Äußerungen von Dr. B. ergibt, nie besser als 0,1 geworden ist. Der zuletzt im Oktober erreichte Visus von 0,2 stellte mithin schon eine erhebliche Besserung dar. Mithin ist nicht wahrscheinlich, dass sich der Visus noch weiter gebessert hätte.

Selbst wenn man davon in Anlehnung an die Einschätzungen von Dr. B. und Dr. O., die in ihren Äußerungen freilich recht vage blieben, ausginge, würde sich keine günstigere Konsequenz für den Kläger ergeben. Der Senat folgt insoweit nicht der Einschätzung von Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 9. Juli 2007, dass sich eine schädigungsbedingte MdE von wenigstens 25 v. H. für den Verschlimmerungsanteil ergeben könne, wenn der vorschädigungsbedingte Visus am rechten Auge besser als 0,2 gewesen wäre. Diese Einschätzung steht nicht in Einklang mit der Bewertung des Vorschadens wie er nach AHP Seite 51 vorzunehmen ist. Danach gilt bei Linsenverlust für Sehschärfen von 0,1 bis weniger als 0,4 ein einheitlicher Mindest-MdE-Wert um 20 v. H. (s.o.). Erst bei einer Sehschärfe von 0,4 und mehr ist eine Mindest-MdE um nur noch 10 v. H. vorgesehen. Könnte mithin angenommen werden, dass eine weitere Besserung über einen Visus von 0,2 hinaus durchaus möglich erschien, ist festzuhalten, dass das Erreichen einer Sehschärfe von 0,4 und mehr aus den oben genannten Gründen auf keinen Fall hinreichend wahrscheinlich erscheint. Damit ergibt sich, selbst wenn davon ausgegangen würde, dass sich die Sehschärfe noch etwas über 0,2 gebessert hätte und dass dies bei der hier vorzunehmenden Bewertung im Sinne eines hypothetischen Verlaufs überhaupt berücksichtigt werden könnte, keine geringere MdE für den Vorschaden.

Der Senat verkennt nicht das auf die Einschätzung von Dr. B. gestützte Vorbringen des Klägers, es liege ein wesentliche Unterschied zwischen einem Visus von 0,2 und der Sehschärfe Lichtschein vor. Auf der anderen Seite ist aber zu berücksichtigen, dass das schädigende Ereignis auf ein deutlich vorgeschädigtes Organ einwirkte. Schließlich führte der Schlag auf das Auge zum Aufplatzen der Wunde der verpflanzten Hornhaut im Nahtbereich. Zudem ist nach den AHP vorgegeben, dass zwischen den Sehschärfen von 0,4 und mehr und weniger als 0,1 beim Linsenverlust eines Auges hinsichtlich der MdE-Werte nur eine geringe Bandbreite besteht.

Nach alledem kann ein GdS im rentenberechtigenden Ausmaß nicht festgestellt werden. Die Berufung war mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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