L 3 AS 6074/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 3234/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 6074/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. August 2006 insoweit aufgehoben, als die Klage gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2005 abgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für die Zeit vom 29.04.2005 bis 31.10.2005 Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat.

Die 1957 geborene Klägerin bewohnte zusammen mit ihrem Ehemann und der 1986 geborenen Tochter ein im Eigentum der Eheleute stehendes Wohnhaus in Bad M ... Hierfür sind monatlich 240,09 EUR an Schuldzinsen aufzuwenden. Der Ehemann der Klägerin bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 866,55 EUR bzw. ab Juli 2005 862,26 EUR.

Nachdem die Beklagte die Gewährung von Leistungen mangels Bedürftigkeit für die Zeit ab Januar 2005 mit Bescheid vom 25.11.2004 und Widerspruchsbescheid vom 03.03.2005 abgelehnt hatte, schlossen die Beteiligten im Klageverfahren S 6 AS 792/05 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) einen Vergleich, wonach die Beklagte an die Klägerin für die Monate März 2005 und April 2005 insgesamt 97,63 EUR zu zahlen hatte.

Am 29.04.2005 stellte die Klägerin erneut Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zur Begründung gab sie an, ihr Mann lebe von ihr seit 28.04.2005 getrennt und habe einen Anwalt damit beauftragt, das Scheidungsverfahren durchzuführen. Die Trennung werde derart realisiert, dass sie und ihre Tochter das obere Stockwerk und ihr Ehemann das untere Stockwerk des gemeinsamen Hauses bewohnten.

Mit Bescheid vom 14.06.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 29.04.2005 bis 30.04.2005 in Höhe von 23,00 EUR und für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 in Höhe von monatlich 345,00 EUR. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, die anteiligen Kosten der Unterkunft seien nicht berücksichtigt. In dem von der Beklagten daraufhin angeforderten Bericht des Außendienstes des Landratsamtes Main-Tauber-Kreis vom 22.06.2005 wird ausgeführt, das vor drei Jahren von den Eheleuten Müller erworbene alte Bauernhaus stehe je zur Hälfte in deren Eigentum. Der Ehemann bewohne gegenwärtig das Erdgeschoß, das Dachgeschoß werde von der Klägerin und ihrer Tochter bewohnt. Die Küche werde von beiden Ehegatten gemeinsam genutzt, auch die Mahlzeiten würden weitestgehend noch gemeinsam eingenommen. Es gebe eine gemeinsame Haushaltskasse, aus der die Ausgaben für das tägliche Leben beider Partner und der Tochter getätigt würden. Darüber hinaus verfüge jeder Ehegatte über ein eigenes Girokonto. Überwiegend würden die Mahlzeiten beider Partner und der Tochter durch die Klägerin zubereitet. Ansonsten unterstützten sich die Ehegatten nach wie vor in allen Situationen des täglichen Lebens und leisteten sich gegenseitig Hilfestellung. Insoweit sei die Trennung noch nicht endgültig vollzogen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Bedarf der Klägerin betrage insgesamt 466,60 EUR (311,00 EUR Regelleistung sowie 155,60 EUR Kosten der Unterkunft). Vom Einkommen des Ehemannes (Erwerbsunfähigkeitsrente 866,55 EUR bzw. ab Juli 2005 862,26 EUR zuzüglich anteiliges Kindergeld 77,00 EUR abzüglich Freibetrag 30,00 EUR) sei dessen Bedarf von insgesamt 570,73 EUR abzusetzen (Regelleistung 311,00 EUR, Kosten der Unterkunft 155,60 EUR, Mehrbedarf aufgrund kostenaufwändiger Ernährung 51,13 EUR sowie Mehrbedarf aufgrund Erwerbsunfähigkeit und Merkzeichen "G" 53,00 EUR). Danach ergebe sich ein Anspruch der Klägerin bis Juni 2005 in Höhe von monatlich 46,83 EUR bzw. ab Juli 2005 von monatlich 51,07 EUR.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.10.2005 Klage zum SG erhoben mit der Begründung, sie lebe von ihrem Ehemann seit dem 28.04.2005 dauernd getrennt.

Mit Bescheid vom 28.10.2005 hat die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006 Leistungen in Höhe von 51,08 EUR monatlich bewilligt. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist ausgeführt, der Bescheid werde gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Verfahrens.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2006 hat die Beklagte für die Zeit ab dem 01.11.2005 einen ernährungsbedingten Mehrbedarf von 3,28 EUR monatlich anerkannt. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen. Sie hat weiter vorgetragen, ihr Mann wohne seit dem 01.05.2006 nicht mehr im gemeinsamen Haus, sondern in der Slowakei. Er komme lediglich immer wieder vorbei, wobei er sich zur Zeit für drei bis vier Tage in Deutschland aufhalte.

Mit Urteil vom 18.08.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Ehemann der Klägerin weiterhin zur Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II gehört habe und dass deshalb dessen Einkommen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen gewesen sei. Ein dauerndes Getrenntleben habe jedenfalls im streitigen Zeitraum bis zum 30.04.2006 nicht vorgelegen. Nach § 1567 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) liege ein Getrenntleben vor, wenn zwischen den Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft bestehe und ein Ehegatte diese erkennbar nicht herstellen wolle, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehne. Gemäß § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehe die häusliche Gemeinschaft auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt lebten. Danach sei zwar eine räumliche Trennung zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft nicht erforderlich. Bei einer fehlenden räumlichen Trennung bzw. - wie im vorliegenden Fall - einer weiterbestehenden räumlichen Nähe durch die gemeinsame Nutzung von Räumen der ehelichen Wohnung müsse der Trennungswille durch ein Höchstmaß an Absonderung nach außen erkennbar werden. Davon könne dann ausgegangen werden, wenn kein gemeinsamer Haushalt mehr geführt werde und zwischen den Ehegatten keine wesentlichen Beziehungen mehr bestünden. Grundsätzlich genüge hierfür ein getrenntes Essen und Schlafen nicht, die Trennung müsse vielmehr nach objektiven Kriterien nach außen deutlich werden. Der Trennungswille müsse eindeutig und unmissverständlich erkennbar sein. Diese Kriterien seien nicht erfüllt. Eine nach außen dokumentierte Trennung sei von der Klägerin weder nachvollziehbar dargelegt worden noch objektiv feststellbar. Wie dem Außendienstbericht der Beklagten entnommen werden könne, habe die häusliche Gemeinschaft im Juni 2005 in zentralen Punkten immer noch bestanden. So seien die überwiegend von der Klägerin zubereiteten Mahlzeiten in der Regel noch gemeinsam eingenommen worden, sie habe auch den Einkauf für den täglichen Bedarf aus einer gemeinsamen Kasse getätigt. Nach außen objektivierbare Anzeichen einer Trennung seien nicht feststellbar. So seien im Januar 2006 die Lohnsteuerklassen noch nicht angepasst gewesen und es habe bei der Postbank auch noch ein gemeinsames Girokonto bestanden. Bei dem von der Klägerin eröffneten Konto habe sie nicht "getrennt lebend", sondern "verheiratet" angekreuzt.

Gegen das am 06.11.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.12.2006 Berufung eingelegt mit der Begründung, sie lebe von ihrem Ehemann seit dem 28.04.2005 dauernd getrennt, da dieser seither auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen und im Wesentlichen das Erdgeschoß bewohnt habe. Sie habe mit ihrer Tochter das Dachgeschoß bewohnt. Die Küche sei gemeinsam genutzt worden. Eine finanzielle Unterstützung durch ihren Ehemann habe sie nicht erhalten. Es sei lediglich eine zeitweise darlehensweise Unterstützung erfolgt, diese sei jedoch zurückzuzahlen. Zwischenzeitlich befinde sich der Hauptwohnsitz ihres Ehemannes nicht mehr in Deutschland.

Nachdem die Beklagte vorgetragen hat, einem Außendienstmitarbeiter seien bei einem Hausbesuch am 31.08.2006 der Zutritt zum Gebäude sowie weitere Erklärungen zum Sachverhalt verweigert worden, der Ehemann der Klägerin sei laut fernmündlicher Auskunft des Einwohnermeldeamtes Bad M. weiterhin polizeirechtlich unter der bisherigen Anschrift gemeldet und auf diesen seien - mit Stand 06.11.2006 - immer noch mehrere Fahrzeuge zugelassen, er halte sich auch des Öfteren unter der Anschrift der Klägerin auf, hat diese mitgeteilt, ihr Ehemann sei zwar in Bad M. noch polizeirechtlich gemeldet, wohne jedoch nicht mehr in Deutschland. Wegen einer erbrechtlichen Streitigkeit, in welcher er der Gegenseite nicht seine aktuelle Adresse mitteilen wolle, sei eine Ummeldung noch nicht erfolgt. Er halte sich nur wegen des Verkaufs des Hausgrundstücks und der damit zusammenhängenden Verhandlungen des Öfteren in Bad M. auf. Eine Änderung ihrer Lohnsteuerkarte wegen des Getrenntlebens sei noch nicht erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. August 2006 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Anrechnung des Einkommens ihres Ehemannes zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nur insoweit begründet, als das erstinstanzliche Urteil aufzuheben ist, soweit darin die Klage gegen den Bescheid vom 28.10.2005 abgewiesen wurde.

Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid der Beklagten vom 14.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.09.2005. Der während des Klageverfahrens erlassene Bescheid vom 28.10.2005 ist nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, da er den angefochtenen Bescheid nicht abgeändert oder ersetzt hat, sondern lediglich die Entscheidung über einen Folgezeitraum enthält. Auch eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume ist im Rahmen des SGB II grundsätzlich nicht gerechtfertigt (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - SGB 2007, 36). Er ist auch nicht aufgrund einer Klageänderung gem. § 99 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Klägerin wollte mit ihrem Klagantrag, mit dem sie auch die Abänderung des Bescheides vom 28.10.2005 beantragt hat, die Klage nicht erweitern. Der Klagantrag wurde vielmehr in der irrigen Rechtsauffassung gestellt, der Bescheid sei bereits Gegenstand des Verfahrens. Eine entsprechende Klagänderung ist auch nicht sachdienlich, da bezüglich des Bescheides vom 28.10.2005 ein eigenständiges Verfahren durchzuführen ist und deshalb noch nicht alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen.

Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 29.04.2005 bis 31.10.2005 hat. Dies hat das SG unter Darstellung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend ausgeführt, so dass hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags im Berufungsverfahren ein Getrenntleben der Klägerin und ihres Ehemannes im streitigen Zeitraum nicht gegeben war. So hat die Klägerin bisher ihre Lohnsteuerkarte nicht ändern und die dem Getrenntleben entsprechende Lohnsteuerklasse eintragen lassen. Ihr Ehemann ist unter der gemeinsamen Anschrift weiterhin polizeilich gemeldet und wohnt auch unter dieser Anschrift, wenn er sich in Deutschland bzw. Bad M. aufhält, was nach den Angaben der Klägerin häufig vorkommt. Nicht stichhaltig ist der Vortrag, ihr Ehemann halte sich als Miteigentümer des Hausgrundstücks lediglich zur Durchführung von Vertragsverhandlungen des Öfteren in Bad M. auf, da die Verkaufsverhandlungen z.B. auch durch einen Bevollmächtigten geführt werden können, zumal sich dieser Vortrag auf die Zeit nach dem streitigen Zeitraum bezieht. Zudem sind auf den Ehemann der Klägerin noch mehrere Fahrzeuge in Bad M. zugelassen. Schließlich hat die Klägerin angegeben, von ihrem Ehemann finanzielle Zuwendungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts erhalten zu haben. Unbeachtlich ist demgegenüber, ob sich dessen Hauptwohnsitz zwischenzeitlich nicht mehr in Deutschland befindet. Maßgeblich sind allein die Verhältnisse in der Zeit vom 29.04.2005 bis 31.10.2005. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Umstand, dass das SG den Bescheid vom 28.10.2005 in das Verfahren einbezogen hat, rechtfertigt keine teilweise Übernahme der Kosten der Klägerin durch die Beklagte.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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