Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 428/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3239/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte der Klägerin für am 3. April und 4. Dezember 2006 ambulant durchgeführte Liposuktionen (Fettabsaugungen) an den Oberschenkel- und Knieinnenseiten bzw. an den Unterschenkeln 3.967,06 EUR zu erstatten hat.
Die am 1970 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei der Klägerin bestand nach dem Arztbrief des Chefarztes Dr. S., Klinik P. St. B.-M., vom 12. Oktober 2001 ein Lipödem-Syndrom mit vorwiegender Beteiligung der Beine, eine Trombophilie (Erstdiagnose 1991), ein Zustand nach Lungenembolie (1991) und ein Zustand nach Beinvenenthrombose links (1994). Am 26. März 2003 hatte sich die Klägerin unter Einreichung verschiedener Unterlagen an die Beklagte gewandt und um Prüfung gebeten, ob die Kosten für eine beabsichtigte Liposuktion von der Krankenkasse übernommen würden. Die Liposuktion sollte in der Hautklinik des Klinikums D. (Oberarzt Dr. R.) durchgeführt werden. Beigefügt waren das Schreiben des Dr. R. an die Klägerin vom 12. März 2003 sowie dessen Patienteninformation "Bodyshaping durch Liposuction". Eingereicht wurde dann auch noch das Attest des Dr. R. vom 4. April 2003 zur "geplanten Therapie: Liposuktion in Tumeszenzlokalanästhesie in drei Sitzungen unter Thrombosepropylaxe". Darin wurde ausgeführt, bei der Klägerin zeige sich klinisch das typische Bild eines ausgeprägten Lipödem-Syndroms beider Beine mit typischer Fettmuffenbildung über den Knöcheln; die Füße seien schlank. Zur Therapie sei die Liposuktion angezeigt. Die Behandlung könne im Rahmen von drei Sitzungen im Abstand von mindestens vier Wochen durchgeführt werden. Aufgrund des erhöhten Thrombophilie-Risikos werde ein drei- bis fünftätiger stationärer Aufenthalt mit vierwöchiger Thromboseprophylaxe erforderlich. Da es sich nicht um eine vertragsärztliche Leistung handle, erfolge die Abrechnung analog der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die Beklagte erhob die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. W. vom Medizinischen Dienst für Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in K. vom 6. Mai 2003, der ausführte, die Liposuktion sei ein in der kosmetisch-ästhetischen Chirurgie etabliertes Behandlungsverfahren, das hauptsächlich bei Fettverteilungsstörungen im kosmetischen Bereich angewendet werde. Risiken der Therapie seien anaphylaktische Reaktionen auf das Lokalanästhetikum, kardiale Komplikationen durch eine toxische Wirkung des Lokalanästhetikums und das Auftreten von Schwellungen, Blutergüssen, Infektionen sowie bleibenden Hautveränderungen. Die Liposuktion sei eine Behandlungsmethode, die weder in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) noch in den GOÄ-Katalog aufgenommen worden sei. Eine Therapieempfehlung des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über den therapeutischen Nutzen der Methode liege nicht vor. Es handle sich um ein kosmetisches Problem. Zudem sei bei bekannter Thromophilie das Operationsrisiko erhöht. Mit Bescheid vom 8. Mai 2003 lehnte danach die Beklagte die Übernahme der Kosten für eine Liposuktion ab. Gegen den Bescheid vom 8. Mai 2003 legte die Klägerin Widerspruch ein und reichte die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie "Lipödem der Beine" (Stand 24. Januar 2000) ein. In dem daraufhin von der Beklagten von Dr. H. vom MDK in L. eingeholten sozialmedizinischen Gutachten vom 2. Juli 2003 wurde ausgeführt, die Liposuktion werde in den Leitlinien als Behandlungsmethode des Lipödems angeführt. Es sei zu lesen, dass Langzeitergebnisse noch abgewartet werden müssten. Da diese Langzeitstudien bisher fehlten, sei es ohne Weiteres vorstellbar, dass es nach einigen Jahren nach der Liposuktion zu verstärktem Auftreten eines Lymphödems komme, da die Lymphgefäße bei der Liposuktion geschädigt worden seien. Insoweit liege eine unkonventionelle Untersuchungs- und Behandlungsmethode vor. Im vertragsärztlichen und stationären Bereich stünden für die Therapie des Lymphödems die komplexe Entstauungstherapie und die Kompressionstherapie zur Verfügung, welche gegebenenfalls durch stationäre Reha-Aufenthalte in entsprechenden Lymphkliniken ergänzt werden könne. Daher werde die Kostenübernahme nicht empfohlen.
In der Folgezeit wurde bei der Klägerin in der Hautklinik des Klinikums D. bei stationärer Behandlung vom 17. bis 20. Juni 2003 am 17. Juni 2003 eine erste Liposuktion an beiden Unterschenkeln durchgeführt (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. Ha., Direktor der Hautklinik, vom 23. Juli 2003). Am 3. November 2004 wurde in einer weiteren Sitzung ambulant eine Liposuktion an den Oberschenkelaußen- und -vorderseiten durchgeführt (vgl. Behandlungsbericht des Dr. R. vom 1. März 2005).
Am 29. November 2004 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und beantragte die Kostenübernahme für die noch ausstehenden zwei Liposuktionen, für die voraussichtliche Kosten von 4.000,00 EUR entstehen würden. Sie machte geltend, in der Zwischenzeit habe sich in ihrem Leben einiges geändert. Im November 2004 sei die zweite Liposuktion ambulant durchgeführt worden. Es sei belegt, dass mit Liposuktionen das Lymphödem beseitigt werden könne. Das Tragen von Stützstrümpfen und die durchgeführten Lymphdrainagen hätten bei dem Lipödem bei ihr nichts geändert. Sie reichte verschiedene Unterlagen ein, darunter das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2004 (S 30/25 KR 2369/02) sowie die Veröffentlichung von Sattler/Bergfeld/Sommer in der Zeitschrift der Hautarzt 7/2004 zum Thema "Liposuktion". Mit Schreiben vom 5. Dezember 2004 verwies die Beklagte unter anderem auf das MDK-Gutachten vom 2. Juli 2003. Um ein erneutes sozialmedizinisches Gutachten in Auftrag geben zu können, sei es erforderlich, dass neue, aktuelle Arzt- und Untersuchungsberichte eingereicht würden. Die Klägerin legte daraufhin den Behandlungsbericht des Dr. R. vom 1. März 2005 vor. In der danach von Dr. H. vom MDK in L. am 15. März 2005 abgegebenen weiteren Stellungnahme wurde auf die Einschätzung im Gutachten vom 2. Juli 2003 verwiesen; die dort vorgenommene Einschätzung sei nach wie vor aktuell. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. April 2005 die Kostenübernahme für weitere Liposuktionen ab. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und verwies darauf, das Gutachten vom Juli 2003 sei bereits zwei Jahre alt. Sie reichte auch noch die Veröffentlichung von Meier-Vollrath/Schneider/Schmeller im Deutschen Ärzteblatt 15/2005 zu "Lipödem: Verbesserte Lebensqualität durch Therapiekombination" ein, ferner das Schreiben des Dr. R. vom 24. Juni 2005, in dem dieser darauf hinwies, im Klinikum D. werde seit 1994 erfolgreich das Lipödem-Syndrom durch Liposuktion behandelt. Dazu wurde auch eine Publikation anlässlich des Weltkongresses Dermatologie in Paris 2002 vorgelegt. Dr. H. vom MDK in L. erstattete dazu am 21. Juli 2005 erneut ein sozialmedizinisches Gutachten, in dem er ausführte, in dem vorgelegten Artikel im Deutschen Ärzteblatt sei zu lesen, dass die Liposuktion als neue Behandlungsmethode gelte, zu welcher der Bundesausschuss bisher noch keine Empfehlung nach den Richtlinien des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) ausgesprochen habe. Die Kosten könnten nicht übernommen werden, da die Fettabsaugung nicht zum Leistungsspektrum der Krankenversicherung gehöre. Dem sei nichts hinzuzufügen. Nach wie vor lägen keine randomisierten Studien vor, die den Erfolg der Therapie belegen würden, weiterhin keine Vergleichsstudien zu etablierten Behandlungsmethoden. Eine Kostenübernahme könne daher nach wie vor nicht empfohlen werden. Mit Bescheid vom 2. August 2005 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme nochmals ab. Dem widersprach die Klägerin erneut und wies darauf hin, die Liposuktion werde bei Lipödempatienten seit ungefähr zehn Jahren durchgeführt; bisher hätten sich noch keine negativen Folgen ergeben. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses I vom 10. Januar 2006).
Deswegen erhob die Klägerin am 27. Januar 2006 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG).
Im Verlaufe des Klageverfahrens wurde bei der Klägerin am 3. April 2006 in einer dritten Sitzung ambulant eine weitere Liposuktion an den Oberschenkel- und Knieinnenseiten durch Dr. R. durchgeführt (vgl. Behandlungsbericht des Dr. R. vom 21. August 2006). Den der Klägerin am 3. April 2006 berechneten Betrag von 1.983,53 EUR bezahlte sie.
Die Klägerin begehrte die Erstattung der Kosten für die am 3. April 2006 durchgeführte Liposuktion sowie die Übernahme der Kosten für eine weitere beabsichtigte Liposuktion im Bereich beider Unterschenkel. Die Klägerin trug vor, manuelle Lymphdrainagen und Bandagen beider Beine hätten bei ihr nicht zu einer Besserung der Lipödeme geführt. Über mehrere Jahre habe sie ständig Kompressionsstrümpfe getragen, ohne dass eine solche Besserung eingetreten sei. Diese habe sich erst aufgrund der Liposuktionen eingestellt. Insoweit handle es sich nicht um eine kosmetische Operation; vielmehr liege eine rein medizinische Indikation vor. Die Beklagte habe eine korrekte Begutachtung nicht durchführen lassen. Es könne ihr, der Klägerin, nicht zum Nachteil gereichen, dass bisher von den Kassenärztlichen Vereinigungen kein Prüfantrag an den Bundesausschuss bzw. an den Gemeinsamen Bundesausschuss herangetragen worden sei. Die Liposuktion sei wirtschaftlich, da künftig manuelle Lymphdrainagen vermieden werden könnten, die mit erheblichen Kosten verbunden seien. Die von der Beklagten eingeholten Gutachten seien völlig überholt. Es gebe bereits seit vielen Jahren Liposuktions-Behandlungen. Nachbeobachtungszeiten von bis zu acht Jahren zeigten, dass die guten Ergebnisse bestehen geblieben seien. Bei keiner der untersuchten Patientinnen sei eine Verschlechterung aufgetreten, soweit dies in medizinischen Fachzeitschriften beschrieben werde. Die Liposuktion sei unter Ärzten anerkannt, lediglich noch nicht geprüft worden. Im Übrigen verweise sei auch auf das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt, das zutreffend ein Systemversagen angenommen habe, da es den Patienten nicht zugemutet werden könne, auf einen Antrag einer Kassenärztlichen Vereinigung beim Bundesausschuss zu warten. Das Sozialgericht Frankfurt habe zutreffend erkannt, dass es keine Behandlungsalternative gegeben habe. Da seit der Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt mehrere Jahre vergangen seien, sei von einer absichtlichen Verschleppung des Anerkennungsverfahrens auszugehen. Ein solches Anerkennungsverfahren nach den entsprechenden Richtlinien hätte bereits stattfinden müssen. Auch sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Lipödem um eine seltene Krankheit handle, die deshalb nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden sei. Dies ergebe sich daraus, dass im gesamten Kreis Karlsruhe kein Arzt auf die Behandlung von Lipödemen spezialisiert sei. Es gebe überhaupt nur sehr wenige darauf spezialisierte Ärzte, so dass anzunehmen sei, dass das Lipödem, wie bei ihr, äußerst selten sei. Sie leide auch nicht unter Übergewicht und gehöre nicht zu sonstigen Risikogruppen. Der Krankheitsverlauf könne bei ihr zu ganz erheblichen Beeinträchtigungen führen. Es bestünden erhebliche Schmerzen und ein dumpfes Gefühl in den Beinen. Sie verwies auf das Attest des Dr. R. vom 4. April 2003 und dessen Behandlungsbericht vom 1. März 2005.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 22. Mai 2006, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 29. Mai 2006 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Es führte aus, bei der beantragten Liposuktion handle es sich um eine neue Behandlungsmethode. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe bisher über das Verfahren der Liposuktion noch nicht entschieden. Insoweit käme ein Anspruch nur in Betracht, wenn die fehlende Anerkennung auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruhen würde. Ein solcher Systemmangel könne auch darin bestehen, dass das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt werde. Anhaltspunkte für einen solchen Systemmangel seien nicht ersichtlich. Mangels eines Antrags oder der Vorlage fundierter Unterlagen beim Gemeinsamen Bundessausschuss habe dieser bisher keine Möglichkeit gehabt, im Hinblick auf die Liposuktion ein Überprüfungsverfahren durchzuführen. Ein derartiges Verfahren sei auch nicht entbehrlich, denn das Krankheitsbild des Lipödems sei keine einzigartige Erkrankung, die weltweit nur extrem selten auftreten würde und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch behandelt werden könne. Damit habe die Klägerin weder einen Anspruch auf Kostenübernahme noch einen solchen auf Kostenerstattung.
Gegen das Urteil des SG hat die Klägerin am 26. Juni 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht eingelegt.
Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat Dr. R. bei der Klägerin am 4. Dezember 2006 erneut ambulant eine Liposuktion an beiden Unterschenkeln durchgeführt (vgl. Operationsprotokoll sowie Attest des Dr. R. vom 27. März 2007). Den der Klägerin am 4. Dezember 2006 in Rechnung gestellten Betrag von 1.983,53 EUR hat sie bezahlt.
Die Klägerin trägt vor, aus dem vorgelegten Attest des Dr. R. vom 27. März 2007 ergebe sich, dass nach der vierten Sitzung die Behandlung der Beine nun abgeschlossen sei. Weitere Eingriffe seien dort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erforderlich. Die Kosten für die ersten beiden Liposuktionen habe sie selbst getragen. Sie begehre die Erstattung der Kosten für die weiteren zwei Behandlungen. Manuelle Lymphdrainagen sowie eine Kompressionstherapie hätten zuvor keine Besserung gebracht, so dass aus Sicht der behandelnden Ärzte lediglich die Liposuktion geblieben sei. Dabei sei eine Krankheit behandelt worden, die auch mit Schmerzen einhergegangen sei. Bei ihr handle es sich auch nicht um eine Adipositas. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass von Seiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung noch kein Prüfantrag beim Gemeinsamen Bundesausschuss gestellt worden sei. Die durchgeführten Liposuktionen seien auch wirtschaftlich, da Kosten für manuelle Lymphdrainagen vermeiden werden könnten. Das von der Beklagten eingeholte MDK-Gutachten vom 2. Juli 2003 sei völlig überholt. Es gebe seit vielen Jahren Liposuktionen, ohne dass bisher die anfangs teilweise befürchteten Folgen eingetreten seien. Nachbeobachtungszeiten von bis zu acht Jahren zeigten gute Ergebnisse. Derzeit bereite Dr. R. die Veröffentlichung seiner Langzeitstudie vor, die ungefähr im Oktober 2006 vorliegen werde. Er könne jedoch schon jetzt (Juni 2006) eine positive Bilanz ziehen. Die bei ihr vorliegenden Lipödeme stellten eine seltene Erkrankung dar, denn sie seien keine Nebenfolge einer Adipositas. Diese liege bei ihr gerade nicht vor. In solchen Fällen sei die Liposuktion angeraten und auch förderlich, zumal sie, die Klägerin, die sonstigen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft habe. Die Seltenheit der Erkrankung zeige sich auch darin, dass es im näheren Umkreis von Karlsruhe keinen Spezialisten auf diesem Gebiet gebe. Ferner verweise sie erneut auf das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main, das zutreffend ein Systemversagen angenommen habe, da es den Patienten nicht zugemutet werden könne, auf die Antragstellung beim Gemeinsamen Bundesausschuss, auf die sie keinen Einfluss hätten, zu warten. Eine Behandlungsalternative habe nicht bestanden. Sie habe nach allen vier Operationen Lymphdrainagen erhalten und außerdem Kompressionsstrümpfe getragen. Nach der dritten Sitzung sei sie drei Tage und nach der vierten vier Tage arbeitsunfähig krank gewesen. Weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund der Lipödeme habe es nicht gegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 6. April und 2. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2006 zu verurteilen, ihr für die am 3. April und 4. Dezember 2006 ambulant durchgeführten Liposuktionen an den Ober- und Unterschenkeln 3.967,06 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass es sich bei der Liposuktion um eine Operation handle, die fast nie von der gesetzlichen Krankenversicherung und nur selten von der privaten Krankenversicherung übernommen werde.
Der Berichterstatter des Senats hat eine schriftliche Auskunft der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie vom 24. Januar 2007 eingeholt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 6. April und 2. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2006 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin begehrt, nachdem im Verlaufe des Berufungsverfahrens auch die im Klageverfahren noch als Sachleistung beanspruchte weitere vierte Liposuktion ambulant am 4. Dezember 2006 durchgeführt worden ist und die Klägerin, ebenso für die am 3. April 2006 vorgenommene Behandlung (dritte Sitzung), die Kosten selbst bezahlt hat, im Wege der zulässigen Klageänderung auch insoweit Kostenerstattung. Der Kostenerstattungsanspruch in Höhe von EUR 3.967,06 ist insgesamt nicht begründet.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die Selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu denjenigen Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen haben (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 m.w.N., ständige Rechtsprechung). Zu Recht hat das SG schon die Sachleistungspflicht der Beklagten zur Gewährung der streitigen Liposuktionen bei Lipödemen an den Beinen als ambulant durchgeführte ärztliche Behandlung verneint. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) durch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigte Behandler (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Senat geht davon aus, dass die bei der Klägerin vor der dritten Behandlung am 3. April 2006, wobei die Kostenerstattung für die zwei vorausgehenden Behandlungen nicht im Streit ist, noch bestehenden Lipödeme an den Oberschenkel- und Knieinnenseiten sowie an den Unterschenkeln, wobei Dr. R. ursprünglich (Attest vom 4. April 2003) drei Sitzungen für erforderlich gehalten hat, jedoch im Behandlungsbericht vom 1. März 2005 darauf hingewiesen hatte, dass sich das Beschwerdebild bei der Klägerin bis dahin nach ihren Angaben lediglich um ca. 50% gebessert hatte, eine behandlungsbedürftige Krankheit darstellte, mithin nicht lediglich ein kosmetisches Problem. Der Behandlungsanspruch eines Versicherten bei Vorliegen einer Krankheit unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Beschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). ist allgemein Für "neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" im Bereich der ambulanten ärztlichen Behandlung ist schließlich das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8; SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). maßgebend.
§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt insoweit: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs.1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über 1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapieeinrichtung, 2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und 3. 3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung. Die entsprechende Richtlinie ist seit 1. April 2006 die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinien), zuvor die Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinie). An die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8). Als entsprechende neue Methoden gelten Leistungen, die nicht als abrechnungsfähige ärztliche oder zahnärztliche Leistungen im EBM oder Bewertungsmaßstab (BEMA) enthalten sind (vgl. § 9 Abs. 1 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses; auch BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/06 R -). Zutreffend hat das SG entschieden, dass es sich bei der (ambulant durchgeführten) Liposuktion auch im Jahre 2006 noch um eine solche neue Methode bei Behandlung von Lipödemen gehandelt hat, hinsichtlich der der Gemeinsame Bundesausschuss eine notwendige Prüfung und (positive) Bewertung nicht vorgenommen hatte. Dazu hatte Dr. R. im Attest vom 4. April 2003 angegeben, dass es sich nicht um eine vertragsärztliche Leistung handle, weshalb die Abrechnung analog zur GOÄ erfolge. Damit übereinstimmend hat auch Dr. W. im Gutachten vom 5. Mai 2003 darauf hingewiesen, dass die Liposuktion weder im EBM noch im GOÄ-Katalog aufgenommen worden sei; eine Therapieempfehlung des damals zuständigen Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über den therapeutischen Nutzen der Methode liege nicht vor. Auch in der von der Klägerin eingereichten Veröffentlichung aus dem Deutschen Ärzteblatt 102/15 (15. April 2005) wird bestätigt, dass die Liposuktion als neue Behandlungsmaßnahme gelte, zu welcher der Bundesausschuss bisher noch keine Empfehlung gemäß den einschlägigen Richtlinien ausgesprochen habe. Dass sich daran bis April bzw. Dezember 2006 etwas geändert haben könnte und insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss ein entsprechendes Prüfungsverfahren bezüglich der ambulant durchzuführenden Liposuktion eingeleitet sowie einen Beschluss dazu gefasst hätte, vermag der Senat nicht festzustellen, zumal die streitigen Leistungen 2006 nach wie vor, wie der Senat den Rechnungen der Hautklinik des Klinikums D. vom 3. April und 4. Dezember 2006 entnimmt, nur nach GOÄ analog abgerechnet worden sind. Auch die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass aufgrund einer entsprechenden Antragstellung zwischenzeitlich ein Prüfungsverfahren beim Gemeinsamen Bundesausschuss mit einer entsprechenden Beschlussfassung durchgeführt worden ist, zumal sie sich gerade auf einen Systemmangel hinsichtlich der Nichtdurchführung eines derartigen Prüfungsverfahrens bei fehlender Antragstellung bezieht. Zutreffend hat das SG dargelegt, dass, da ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Liposuktion bisher nicht vorliegt, der Anspruch hier auch nicht auf einen Systemmangel gestützt werden kann. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Darlegungen im angegriffenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG). Dabei ergibt sich ein Systemmangel auch nicht daraus, dass dem einzelnen Versicherten ein Antragsrecht beim Gemeinsamen Bundesausschuss nicht eingeräumt worden ist, sondern vielmehr das Antragsrecht nach § 11 Abs. 2 Buchst. a und c der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses nur der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den nach der Patientenbeteiligungsverordnung anerkannten Organisationen, nämlich Deutscher Behindertenrat, Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen, Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. und Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., zuerkannt ist.
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass bei der Klägerin die Lipödeme eine seltene Erkrankung darstellen, zumal die Klägerin auf von Dr. R. durchgeführte Langzeitstudien verweist. Dass insoweit keine seltene Erkrankung vorliegt, die ein Prüfungsverfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses entbehrlich machen könnte, belegen auch die von der Klägerin vorgelegten Publikationen zur Anwendung der Liposuktion bei Lipödemen an den Beinen einerseits sowie der Komplexen Physikalischen Therapie (KPE) andererseits. Diese lassen nicht den Schluss zu, dass insoweit das Lipödem an den Beinen so selten auftritt, dass seine systematische Erforschung praktisch ausgeschlossen ist. Es handelt sich nicht um eine einzigartige Erkrankung, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R).
Soweit die Klägerin geltend macht, die sonstigen (vertragsärztlichen) Therapiemaßnahmen bei Lipödemen an den Beinen seien schon vor der ersten beiden Behandlung, deren Kostenerstattung hier nicht im Streit ist, erschöpft gewesen, rechtfertigt dies keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bei der Klägerin überhaupt eine KPE durchgeführt worden ist, ebenfalls nicht darauf, dass die Klägerin ihrem Vorbringen zufolge auch nach allen vier Sitzungen (weiterhin) Lymphdrainagen erhalten und Kompressionsstrümpfe getragen hat. Die Klägerin kann sich nämlich nicht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG berufen. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlungen mit nicht allgemein anerkannten Methoden, wenn also eine bestimmte neue Behandlungsmethode im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist, weil der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt hat, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung voraus (vgl. auch BSG, Urteile vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R und B 1 KR 7/05 R -). Eine solche Notstandssituation lag bei der Klägerin im April bzw. Dezember 2006 nicht vor; diese ergibt sich nicht daraus, dass Dr. R. im Attest vom 27. März 2007 darauf hingewiesen hatte, aufgrund eines nach wie vor vorhandenen Befunds an beiden Unterschenkeln und progredienten Beschwerden sei am 4. Dezember 2006 eine erneute Liposuktion im Bereich der Unterschenkel durchgeführt worden. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob bei der Klägerin 2006 beispielsweise eine KPE als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung gestanden hat.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass (auch) die durchgeführten beiden letzten Behandlungen erfolgreich gewesen seien, also sich beispielsweise derzeit Risiken im Hinblick auf die Beinvenenthrombosen und die Lungenembolie nicht verwirklicht hätten, sodass jedenfalls nach dem Attest des Dr. R. vom 27. März 2007 die Behandlung der Beine abgeschlossen gewesen sei, weshalb weitere Eingriffe dort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erforderlich seien. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, dass im April bzw. Dezember 2006 Ergebnisse über Langzeitwirkungen der streitigen Behandlung schon publiziert waren, kommt es auf die Frage derartiger Langzeitwirkungen nicht an, auch unabhängig davon, dass beispielsweise Dr. R. im Behandlungsbericht vom 21. August 2006 noch darauf hingewiesen hatte, dass der Effekt der Hautkontraktion nach der dritten Sitzung noch abzuwarten bleibe, weshalb ein endgültiger Befund erst nach einem Jahr zu erwarten sei. Jedenfalls ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen des Leistungserbringerrechts über die Erfüllung bestimmter formaler und inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen könnten, wenn die außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung bewirkten Leistungen im Ergebnis, d.h. bei individueller erfolgreicher Anwendung, dennoch vergütet werden müssten (vgl. BSGE 94, 213, 220; Urteil vom 3. August 2006 - B 3 KR 7/05 R -).
Die Erhebung eines Sachverständigengutachtens war danach nicht geboten.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte der Klägerin für am 3. April und 4. Dezember 2006 ambulant durchgeführte Liposuktionen (Fettabsaugungen) an den Oberschenkel- und Knieinnenseiten bzw. an den Unterschenkeln 3.967,06 EUR zu erstatten hat.
Die am 1970 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei der Klägerin bestand nach dem Arztbrief des Chefarztes Dr. S., Klinik P. St. B.-M., vom 12. Oktober 2001 ein Lipödem-Syndrom mit vorwiegender Beteiligung der Beine, eine Trombophilie (Erstdiagnose 1991), ein Zustand nach Lungenembolie (1991) und ein Zustand nach Beinvenenthrombose links (1994). Am 26. März 2003 hatte sich die Klägerin unter Einreichung verschiedener Unterlagen an die Beklagte gewandt und um Prüfung gebeten, ob die Kosten für eine beabsichtigte Liposuktion von der Krankenkasse übernommen würden. Die Liposuktion sollte in der Hautklinik des Klinikums D. (Oberarzt Dr. R.) durchgeführt werden. Beigefügt waren das Schreiben des Dr. R. an die Klägerin vom 12. März 2003 sowie dessen Patienteninformation "Bodyshaping durch Liposuction". Eingereicht wurde dann auch noch das Attest des Dr. R. vom 4. April 2003 zur "geplanten Therapie: Liposuktion in Tumeszenzlokalanästhesie in drei Sitzungen unter Thrombosepropylaxe". Darin wurde ausgeführt, bei der Klägerin zeige sich klinisch das typische Bild eines ausgeprägten Lipödem-Syndroms beider Beine mit typischer Fettmuffenbildung über den Knöcheln; die Füße seien schlank. Zur Therapie sei die Liposuktion angezeigt. Die Behandlung könne im Rahmen von drei Sitzungen im Abstand von mindestens vier Wochen durchgeführt werden. Aufgrund des erhöhten Thrombophilie-Risikos werde ein drei- bis fünftätiger stationärer Aufenthalt mit vierwöchiger Thromboseprophylaxe erforderlich. Da es sich nicht um eine vertragsärztliche Leistung handle, erfolge die Abrechnung analog der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die Beklagte erhob die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. W. vom Medizinischen Dienst für Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in K. vom 6. Mai 2003, der ausführte, die Liposuktion sei ein in der kosmetisch-ästhetischen Chirurgie etabliertes Behandlungsverfahren, das hauptsächlich bei Fettverteilungsstörungen im kosmetischen Bereich angewendet werde. Risiken der Therapie seien anaphylaktische Reaktionen auf das Lokalanästhetikum, kardiale Komplikationen durch eine toxische Wirkung des Lokalanästhetikums und das Auftreten von Schwellungen, Blutergüssen, Infektionen sowie bleibenden Hautveränderungen. Die Liposuktion sei eine Behandlungsmethode, die weder in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) noch in den GOÄ-Katalog aufgenommen worden sei. Eine Therapieempfehlung des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über den therapeutischen Nutzen der Methode liege nicht vor. Es handle sich um ein kosmetisches Problem. Zudem sei bei bekannter Thromophilie das Operationsrisiko erhöht. Mit Bescheid vom 8. Mai 2003 lehnte danach die Beklagte die Übernahme der Kosten für eine Liposuktion ab. Gegen den Bescheid vom 8. Mai 2003 legte die Klägerin Widerspruch ein und reichte die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie "Lipödem der Beine" (Stand 24. Januar 2000) ein. In dem daraufhin von der Beklagten von Dr. H. vom MDK in L. eingeholten sozialmedizinischen Gutachten vom 2. Juli 2003 wurde ausgeführt, die Liposuktion werde in den Leitlinien als Behandlungsmethode des Lipödems angeführt. Es sei zu lesen, dass Langzeitergebnisse noch abgewartet werden müssten. Da diese Langzeitstudien bisher fehlten, sei es ohne Weiteres vorstellbar, dass es nach einigen Jahren nach der Liposuktion zu verstärktem Auftreten eines Lymphödems komme, da die Lymphgefäße bei der Liposuktion geschädigt worden seien. Insoweit liege eine unkonventionelle Untersuchungs- und Behandlungsmethode vor. Im vertragsärztlichen und stationären Bereich stünden für die Therapie des Lymphödems die komplexe Entstauungstherapie und die Kompressionstherapie zur Verfügung, welche gegebenenfalls durch stationäre Reha-Aufenthalte in entsprechenden Lymphkliniken ergänzt werden könne. Daher werde die Kostenübernahme nicht empfohlen.
In der Folgezeit wurde bei der Klägerin in der Hautklinik des Klinikums D. bei stationärer Behandlung vom 17. bis 20. Juni 2003 am 17. Juni 2003 eine erste Liposuktion an beiden Unterschenkeln durchgeführt (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. Ha., Direktor der Hautklinik, vom 23. Juli 2003). Am 3. November 2004 wurde in einer weiteren Sitzung ambulant eine Liposuktion an den Oberschenkelaußen- und -vorderseiten durchgeführt (vgl. Behandlungsbericht des Dr. R. vom 1. März 2005).
Am 29. November 2004 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und beantragte die Kostenübernahme für die noch ausstehenden zwei Liposuktionen, für die voraussichtliche Kosten von 4.000,00 EUR entstehen würden. Sie machte geltend, in der Zwischenzeit habe sich in ihrem Leben einiges geändert. Im November 2004 sei die zweite Liposuktion ambulant durchgeführt worden. Es sei belegt, dass mit Liposuktionen das Lymphödem beseitigt werden könne. Das Tragen von Stützstrümpfen und die durchgeführten Lymphdrainagen hätten bei dem Lipödem bei ihr nichts geändert. Sie reichte verschiedene Unterlagen ein, darunter das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2004 (S 30/25 KR 2369/02) sowie die Veröffentlichung von Sattler/Bergfeld/Sommer in der Zeitschrift der Hautarzt 7/2004 zum Thema "Liposuktion". Mit Schreiben vom 5. Dezember 2004 verwies die Beklagte unter anderem auf das MDK-Gutachten vom 2. Juli 2003. Um ein erneutes sozialmedizinisches Gutachten in Auftrag geben zu können, sei es erforderlich, dass neue, aktuelle Arzt- und Untersuchungsberichte eingereicht würden. Die Klägerin legte daraufhin den Behandlungsbericht des Dr. R. vom 1. März 2005 vor. In der danach von Dr. H. vom MDK in L. am 15. März 2005 abgegebenen weiteren Stellungnahme wurde auf die Einschätzung im Gutachten vom 2. Juli 2003 verwiesen; die dort vorgenommene Einschätzung sei nach wie vor aktuell. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. April 2005 die Kostenübernahme für weitere Liposuktionen ab. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und verwies darauf, das Gutachten vom Juli 2003 sei bereits zwei Jahre alt. Sie reichte auch noch die Veröffentlichung von Meier-Vollrath/Schneider/Schmeller im Deutschen Ärzteblatt 15/2005 zu "Lipödem: Verbesserte Lebensqualität durch Therapiekombination" ein, ferner das Schreiben des Dr. R. vom 24. Juni 2005, in dem dieser darauf hinwies, im Klinikum D. werde seit 1994 erfolgreich das Lipödem-Syndrom durch Liposuktion behandelt. Dazu wurde auch eine Publikation anlässlich des Weltkongresses Dermatologie in Paris 2002 vorgelegt. Dr. H. vom MDK in L. erstattete dazu am 21. Juli 2005 erneut ein sozialmedizinisches Gutachten, in dem er ausführte, in dem vorgelegten Artikel im Deutschen Ärzteblatt sei zu lesen, dass die Liposuktion als neue Behandlungsmethode gelte, zu welcher der Bundesausschuss bisher noch keine Empfehlung nach den Richtlinien des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) ausgesprochen habe. Die Kosten könnten nicht übernommen werden, da die Fettabsaugung nicht zum Leistungsspektrum der Krankenversicherung gehöre. Dem sei nichts hinzuzufügen. Nach wie vor lägen keine randomisierten Studien vor, die den Erfolg der Therapie belegen würden, weiterhin keine Vergleichsstudien zu etablierten Behandlungsmethoden. Eine Kostenübernahme könne daher nach wie vor nicht empfohlen werden. Mit Bescheid vom 2. August 2005 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme nochmals ab. Dem widersprach die Klägerin erneut und wies darauf hin, die Liposuktion werde bei Lipödempatienten seit ungefähr zehn Jahren durchgeführt; bisher hätten sich noch keine negativen Folgen ergeben. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses I vom 10. Januar 2006).
Deswegen erhob die Klägerin am 27. Januar 2006 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG).
Im Verlaufe des Klageverfahrens wurde bei der Klägerin am 3. April 2006 in einer dritten Sitzung ambulant eine weitere Liposuktion an den Oberschenkel- und Knieinnenseiten durch Dr. R. durchgeführt (vgl. Behandlungsbericht des Dr. R. vom 21. August 2006). Den der Klägerin am 3. April 2006 berechneten Betrag von 1.983,53 EUR bezahlte sie.
Die Klägerin begehrte die Erstattung der Kosten für die am 3. April 2006 durchgeführte Liposuktion sowie die Übernahme der Kosten für eine weitere beabsichtigte Liposuktion im Bereich beider Unterschenkel. Die Klägerin trug vor, manuelle Lymphdrainagen und Bandagen beider Beine hätten bei ihr nicht zu einer Besserung der Lipödeme geführt. Über mehrere Jahre habe sie ständig Kompressionsstrümpfe getragen, ohne dass eine solche Besserung eingetreten sei. Diese habe sich erst aufgrund der Liposuktionen eingestellt. Insoweit handle es sich nicht um eine kosmetische Operation; vielmehr liege eine rein medizinische Indikation vor. Die Beklagte habe eine korrekte Begutachtung nicht durchführen lassen. Es könne ihr, der Klägerin, nicht zum Nachteil gereichen, dass bisher von den Kassenärztlichen Vereinigungen kein Prüfantrag an den Bundesausschuss bzw. an den Gemeinsamen Bundesausschuss herangetragen worden sei. Die Liposuktion sei wirtschaftlich, da künftig manuelle Lymphdrainagen vermieden werden könnten, die mit erheblichen Kosten verbunden seien. Die von der Beklagten eingeholten Gutachten seien völlig überholt. Es gebe bereits seit vielen Jahren Liposuktions-Behandlungen. Nachbeobachtungszeiten von bis zu acht Jahren zeigten, dass die guten Ergebnisse bestehen geblieben seien. Bei keiner der untersuchten Patientinnen sei eine Verschlechterung aufgetreten, soweit dies in medizinischen Fachzeitschriften beschrieben werde. Die Liposuktion sei unter Ärzten anerkannt, lediglich noch nicht geprüft worden. Im Übrigen verweise sei auch auf das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt, das zutreffend ein Systemversagen angenommen habe, da es den Patienten nicht zugemutet werden könne, auf einen Antrag einer Kassenärztlichen Vereinigung beim Bundesausschuss zu warten. Das Sozialgericht Frankfurt habe zutreffend erkannt, dass es keine Behandlungsalternative gegeben habe. Da seit der Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt mehrere Jahre vergangen seien, sei von einer absichtlichen Verschleppung des Anerkennungsverfahrens auszugehen. Ein solches Anerkennungsverfahren nach den entsprechenden Richtlinien hätte bereits stattfinden müssen. Auch sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Lipödem um eine seltene Krankheit handle, die deshalb nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden sei. Dies ergebe sich daraus, dass im gesamten Kreis Karlsruhe kein Arzt auf die Behandlung von Lipödemen spezialisiert sei. Es gebe überhaupt nur sehr wenige darauf spezialisierte Ärzte, so dass anzunehmen sei, dass das Lipödem, wie bei ihr, äußerst selten sei. Sie leide auch nicht unter Übergewicht und gehöre nicht zu sonstigen Risikogruppen. Der Krankheitsverlauf könne bei ihr zu ganz erheblichen Beeinträchtigungen führen. Es bestünden erhebliche Schmerzen und ein dumpfes Gefühl in den Beinen. Sie verwies auf das Attest des Dr. R. vom 4. April 2003 und dessen Behandlungsbericht vom 1. März 2005.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 22. Mai 2006, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 29. Mai 2006 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Es führte aus, bei der beantragten Liposuktion handle es sich um eine neue Behandlungsmethode. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe bisher über das Verfahren der Liposuktion noch nicht entschieden. Insoweit käme ein Anspruch nur in Betracht, wenn die fehlende Anerkennung auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruhen würde. Ein solcher Systemmangel könne auch darin bestehen, dass das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt werde. Anhaltspunkte für einen solchen Systemmangel seien nicht ersichtlich. Mangels eines Antrags oder der Vorlage fundierter Unterlagen beim Gemeinsamen Bundessausschuss habe dieser bisher keine Möglichkeit gehabt, im Hinblick auf die Liposuktion ein Überprüfungsverfahren durchzuführen. Ein derartiges Verfahren sei auch nicht entbehrlich, denn das Krankheitsbild des Lipödems sei keine einzigartige Erkrankung, die weltweit nur extrem selten auftreten würde und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch behandelt werden könne. Damit habe die Klägerin weder einen Anspruch auf Kostenübernahme noch einen solchen auf Kostenerstattung.
Gegen das Urteil des SG hat die Klägerin am 26. Juni 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht eingelegt.
Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat Dr. R. bei der Klägerin am 4. Dezember 2006 erneut ambulant eine Liposuktion an beiden Unterschenkeln durchgeführt (vgl. Operationsprotokoll sowie Attest des Dr. R. vom 27. März 2007). Den der Klägerin am 4. Dezember 2006 in Rechnung gestellten Betrag von 1.983,53 EUR hat sie bezahlt.
Die Klägerin trägt vor, aus dem vorgelegten Attest des Dr. R. vom 27. März 2007 ergebe sich, dass nach der vierten Sitzung die Behandlung der Beine nun abgeschlossen sei. Weitere Eingriffe seien dort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erforderlich. Die Kosten für die ersten beiden Liposuktionen habe sie selbst getragen. Sie begehre die Erstattung der Kosten für die weiteren zwei Behandlungen. Manuelle Lymphdrainagen sowie eine Kompressionstherapie hätten zuvor keine Besserung gebracht, so dass aus Sicht der behandelnden Ärzte lediglich die Liposuktion geblieben sei. Dabei sei eine Krankheit behandelt worden, die auch mit Schmerzen einhergegangen sei. Bei ihr handle es sich auch nicht um eine Adipositas. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass von Seiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung noch kein Prüfantrag beim Gemeinsamen Bundesausschuss gestellt worden sei. Die durchgeführten Liposuktionen seien auch wirtschaftlich, da Kosten für manuelle Lymphdrainagen vermeiden werden könnten. Das von der Beklagten eingeholte MDK-Gutachten vom 2. Juli 2003 sei völlig überholt. Es gebe seit vielen Jahren Liposuktionen, ohne dass bisher die anfangs teilweise befürchteten Folgen eingetreten seien. Nachbeobachtungszeiten von bis zu acht Jahren zeigten gute Ergebnisse. Derzeit bereite Dr. R. die Veröffentlichung seiner Langzeitstudie vor, die ungefähr im Oktober 2006 vorliegen werde. Er könne jedoch schon jetzt (Juni 2006) eine positive Bilanz ziehen. Die bei ihr vorliegenden Lipödeme stellten eine seltene Erkrankung dar, denn sie seien keine Nebenfolge einer Adipositas. Diese liege bei ihr gerade nicht vor. In solchen Fällen sei die Liposuktion angeraten und auch förderlich, zumal sie, die Klägerin, die sonstigen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft habe. Die Seltenheit der Erkrankung zeige sich auch darin, dass es im näheren Umkreis von Karlsruhe keinen Spezialisten auf diesem Gebiet gebe. Ferner verweise sie erneut auf das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main, das zutreffend ein Systemversagen angenommen habe, da es den Patienten nicht zugemutet werden könne, auf die Antragstellung beim Gemeinsamen Bundesausschuss, auf die sie keinen Einfluss hätten, zu warten. Eine Behandlungsalternative habe nicht bestanden. Sie habe nach allen vier Operationen Lymphdrainagen erhalten und außerdem Kompressionsstrümpfe getragen. Nach der dritten Sitzung sei sie drei Tage und nach der vierten vier Tage arbeitsunfähig krank gewesen. Weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund der Lipödeme habe es nicht gegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 6. April und 2. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2006 zu verurteilen, ihr für die am 3. April und 4. Dezember 2006 ambulant durchgeführten Liposuktionen an den Ober- und Unterschenkeln 3.967,06 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass es sich bei der Liposuktion um eine Operation handle, die fast nie von der gesetzlichen Krankenversicherung und nur selten von der privaten Krankenversicherung übernommen werde.
Der Berichterstatter des Senats hat eine schriftliche Auskunft der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie vom 24. Januar 2007 eingeholt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 6. April und 2. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2006 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin begehrt, nachdem im Verlaufe des Berufungsverfahrens auch die im Klageverfahren noch als Sachleistung beanspruchte weitere vierte Liposuktion ambulant am 4. Dezember 2006 durchgeführt worden ist und die Klägerin, ebenso für die am 3. April 2006 vorgenommene Behandlung (dritte Sitzung), die Kosten selbst bezahlt hat, im Wege der zulässigen Klageänderung auch insoweit Kostenerstattung. Der Kostenerstattungsanspruch in Höhe von EUR 3.967,06 ist insgesamt nicht begründet.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die Selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu denjenigen Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen haben (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 m.w.N., ständige Rechtsprechung). Zu Recht hat das SG schon die Sachleistungspflicht der Beklagten zur Gewährung der streitigen Liposuktionen bei Lipödemen an den Beinen als ambulant durchgeführte ärztliche Behandlung verneint. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) durch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigte Behandler (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Senat geht davon aus, dass die bei der Klägerin vor der dritten Behandlung am 3. April 2006, wobei die Kostenerstattung für die zwei vorausgehenden Behandlungen nicht im Streit ist, noch bestehenden Lipödeme an den Oberschenkel- und Knieinnenseiten sowie an den Unterschenkeln, wobei Dr. R. ursprünglich (Attest vom 4. April 2003) drei Sitzungen für erforderlich gehalten hat, jedoch im Behandlungsbericht vom 1. März 2005 darauf hingewiesen hatte, dass sich das Beschwerdebild bei der Klägerin bis dahin nach ihren Angaben lediglich um ca. 50% gebessert hatte, eine behandlungsbedürftige Krankheit darstellte, mithin nicht lediglich ein kosmetisches Problem. Der Behandlungsanspruch eines Versicherten bei Vorliegen einer Krankheit unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Beschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). ist allgemein Für "neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" im Bereich der ambulanten ärztlichen Behandlung ist schließlich das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8; SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). maßgebend.
§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt insoweit: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs.1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über 1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapieeinrichtung, 2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und 3. 3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung. Die entsprechende Richtlinie ist seit 1. April 2006 die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinien), zuvor die Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinie). An die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8). Als entsprechende neue Methoden gelten Leistungen, die nicht als abrechnungsfähige ärztliche oder zahnärztliche Leistungen im EBM oder Bewertungsmaßstab (BEMA) enthalten sind (vgl. § 9 Abs. 1 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses; auch BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/06 R -). Zutreffend hat das SG entschieden, dass es sich bei der (ambulant durchgeführten) Liposuktion auch im Jahre 2006 noch um eine solche neue Methode bei Behandlung von Lipödemen gehandelt hat, hinsichtlich der der Gemeinsame Bundesausschuss eine notwendige Prüfung und (positive) Bewertung nicht vorgenommen hatte. Dazu hatte Dr. R. im Attest vom 4. April 2003 angegeben, dass es sich nicht um eine vertragsärztliche Leistung handle, weshalb die Abrechnung analog zur GOÄ erfolge. Damit übereinstimmend hat auch Dr. W. im Gutachten vom 5. Mai 2003 darauf hingewiesen, dass die Liposuktion weder im EBM noch im GOÄ-Katalog aufgenommen worden sei; eine Therapieempfehlung des damals zuständigen Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über den therapeutischen Nutzen der Methode liege nicht vor. Auch in der von der Klägerin eingereichten Veröffentlichung aus dem Deutschen Ärzteblatt 102/15 (15. April 2005) wird bestätigt, dass die Liposuktion als neue Behandlungsmaßnahme gelte, zu welcher der Bundesausschuss bisher noch keine Empfehlung gemäß den einschlägigen Richtlinien ausgesprochen habe. Dass sich daran bis April bzw. Dezember 2006 etwas geändert haben könnte und insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss ein entsprechendes Prüfungsverfahren bezüglich der ambulant durchzuführenden Liposuktion eingeleitet sowie einen Beschluss dazu gefasst hätte, vermag der Senat nicht festzustellen, zumal die streitigen Leistungen 2006 nach wie vor, wie der Senat den Rechnungen der Hautklinik des Klinikums D. vom 3. April und 4. Dezember 2006 entnimmt, nur nach GOÄ analog abgerechnet worden sind. Auch die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass aufgrund einer entsprechenden Antragstellung zwischenzeitlich ein Prüfungsverfahren beim Gemeinsamen Bundesausschuss mit einer entsprechenden Beschlussfassung durchgeführt worden ist, zumal sie sich gerade auf einen Systemmangel hinsichtlich der Nichtdurchführung eines derartigen Prüfungsverfahrens bei fehlender Antragstellung bezieht. Zutreffend hat das SG dargelegt, dass, da ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Liposuktion bisher nicht vorliegt, der Anspruch hier auch nicht auf einen Systemmangel gestützt werden kann. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Darlegungen im angegriffenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG). Dabei ergibt sich ein Systemmangel auch nicht daraus, dass dem einzelnen Versicherten ein Antragsrecht beim Gemeinsamen Bundesausschuss nicht eingeräumt worden ist, sondern vielmehr das Antragsrecht nach § 11 Abs. 2 Buchst. a und c der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses nur der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den nach der Patientenbeteiligungsverordnung anerkannten Organisationen, nämlich Deutscher Behindertenrat, Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen, Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. und Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., zuerkannt ist.
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass bei der Klägerin die Lipödeme eine seltene Erkrankung darstellen, zumal die Klägerin auf von Dr. R. durchgeführte Langzeitstudien verweist. Dass insoweit keine seltene Erkrankung vorliegt, die ein Prüfungsverfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses entbehrlich machen könnte, belegen auch die von der Klägerin vorgelegten Publikationen zur Anwendung der Liposuktion bei Lipödemen an den Beinen einerseits sowie der Komplexen Physikalischen Therapie (KPE) andererseits. Diese lassen nicht den Schluss zu, dass insoweit das Lipödem an den Beinen so selten auftritt, dass seine systematische Erforschung praktisch ausgeschlossen ist. Es handelt sich nicht um eine einzigartige Erkrankung, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R).
Soweit die Klägerin geltend macht, die sonstigen (vertragsärztlichen) Therapiemaßnahmen bei Lipödemen an den Beinen seien schon vor der ersten beiden Behandlung, deren Kostenerstattung hier nicht im Streit ist, erschöpft gewesen, rechtfertigt dies keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bei der Klägerin überhaupt eine KPE durchgeführt worden ist, ebenfalls nicht darauf, dass die Klägerin ihrem Vorbringen zufolge auch nach allen vier Sitzungen (weiterhin) Lymphdrainagen erhalten und Kompressionsstrümpfe getragen hat. Die Klägerin kann sich nämlich nicht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG berufen. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlungen mit nicht allgemein anerkannten Methoden, wenn also eine bestimmte neue Behandlungsmethode im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist, weil der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt hat, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung voraus (vgl. auch BSG, Urteile vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R und B 1 KR 7/05 R -). Eine solche Notstandssituation lag bei der Klägerin im April bzw. Dezember 2006 nicht vor; diese ergibt sich nicht daraus, dass Dr. R. im Attest vom 27. März 2007 darauf hingewiesen hatte, aufgrund eines nach wie vor vorhandenen Befunds an beiden Unterschenkeln und progredienten Beschwerden sei am 4. Dezember 2006 eine erneute Liposuktion im Bereich der Unterschenkel durchgeführt worden. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob bei der Klägerin 2006 beispielsweise eine KPE als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung gestanden hat.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass (auch) die durchgeführten beiden letzten Behandlungen erfolgreich gewesen seien, also sich beispielsweise derzeit Risiken im Hinblick auf die Beinvenenthrombosen und die Lungenembolie nicht verwirklicht hätten, sodass jedenfalls nach dem Attest des Dr. R. vom 27. März 2007 die Behandlung der Beine abgeschlossen gewesen sei, weshalb weitere Eingriffe dort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erforderlich seien. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, dass im April bzw. Dezember 2006 Ergebnisse über Langzeitwirkungen der streitigen Behandlung schon publiziert waren, kommt es auf die Frage derartiger Langzeitwirkungen nicht an, auch unabhängig davon, dass beispielsweise Dr. R. im Behandlungsbericht vom 21. August 2006 noch darauf hingewiesen hatte, dass der Effekt der Hautkontraktion nach der dritten Sitzung noch abzuwarten bleibe, weshalb ein endgültiger Befund erst nach einem Jahr zu erwarten sei. Jedenfalls ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen des Leistungserbringerrechts über die Erfüllung bestimmter formaler und inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen könnten, wenn die außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung bewirkten Leistungen im Ergebnis, d.h. bei individueller erfolgreicher Anwendung, dennoch vergütet werden müssten (vgl. BSGE 94, 213, 220; Urteil vom 3. August 2006 - B 3 KR 7/05 R -).
Die Erhebung eines Sachverständigengutachtens war danach nicht geboten.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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