Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1850/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 6196/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente streitig.
Der 1944 geborene Kläger, der bei der Solo Kleinmotoren GmbH beschäftigt war, rutschte am 07.11.2000 während seiner Arbeit in der Kunststoffabteilung aus und fiel zu Boden. Nach dem Durchgangsarztbericht des Dr. K. vom 09.11.2000 zog er sich dabei eine Oberschenkelspiralfraktur rechts zu. Als unfallunabhängige krankhafte Veränderungen wurde eine Verkürzung des rechten Beines nach Poliomyelitis als Kind angegeben. Die Erstbehandlung erfolgte durch Plattenosteosynthese im Rahmen des stationären Aufenthaltes im Städtischen Krankenhaus S. vom 07.11. bis 20.11.2000. Die Anschlussheilbehandlung fand in der B.-Klinik Ü. vom 28.11. bis 19.12.2000 statt. Nachdem eine Belastungserprobung auf dem bisherigen Arbeitsplatz gescheitert war, erfolgte eine ambulante Vorstellung bei Prof. Dr. W., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T., der in seinem Bericht vom 23.08.2000 ausführte, die unfallbedingte Verletzung sei knöchern verheilt. Prof. Dr. D. berichtete am 02.10.2001 nach neurologischer Untersuchung, dass abgesehen von der Grunderkrankung einer Poliomyelitis keine Hinweise für zusätzliche Nervenläsionen gegeben seien. Vom 12.09. bis 11.10.2001 erfolgte eine Heilbehandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Tübingen. In dem Entlassungsbericht vom 03.01.2002 führte Prof. Dr. W. u. a. aus, klinisch, neurologisch und elektrophysiologisch habe keine zusätzliche Läsion des Nervus femoralis rechts bei vorbestehenden poliomyelitisbedingten Atrophien und Paresen der rechten Oberschenkelmuskulatur nachgewiesen werden können. Die Beschwerdeangaben des Klägers seien auf eine beginnende Coxarthrose bei Hüftdysplasie beidseits (unfallunabhängig) zurückzuführen. Die Beklagte zog daraufhin das Leistungsverzeichnis der AOK Böblingen bei und veranlasste die Untersuchung durch Prof. Dr. D ... In seinem Gutachten vom 11.06.2002 führte der Gutachter aus, als Unfallfolgen bestünden eine Krepitation bei Palpation über dem distalen Narbenbereich lateral im Bereich des rechten Kniegelenks mit auslösbarem Druck- und Bewegungsschmerz sowie eine Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk mit 0-0-110 gegenüber links mit 0-0-130 Grad. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde mit 20 v.H. eingeschätzt. Die Beklagte zog daraufhin Unterlagen der früheren LVA Baden-Württemberg sowie der Versorgungsverwaltung bei. Prof. Dr. R. erachtete in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.07.2003 hinsichtlich der Unfallfolgen lediglich eine MdE um 10 vH für begründbar, nachdem die Kniebeschwerden bereits seit 1972 bestünden. Mit Bescheid vom 28.07.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld hinaus ab und anerkannte als Unfallfolgen: Endgradige Bewegungseinschränkung im Kniegelenk mit schmerzhaftem Reiben über dem körperfernen Narbenbereich bei noch einliegendem Metall nach körperfernem Oberschenkelbruch. Nicht als Unfallfolgen anerkannt wurden ein Zustand nach Poliomyelitis mit Beinverkürzung rechts, Fehlstellung des rechten Hüftgelenks, erhebliche Muskelverschmächtigung am gesamten rechten Bein, anteilige Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit rechts mit erheblichen arthrotischen Veränderungen und erheblicher Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2004 zurück.
Am 22.03.2004 hat der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Das SG hat ergänzend Prof. Dr. D. befragt und die Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Chefarzt der Orthopädischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses Sindelfingen, Privatdozent Dr. K., sowie auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine weitere Begutachtung durch Dr. F., Leitender Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie des M. S., veranlasst. Prof. Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.05.2004 u. a. ausgeführt, es sei eine weitere Begutachtung erforderlich, nachdem ersichtlich sei, dass die Beweglichkeit des rechten Kniegelenks sich verbessert habe. Der Sachverständige Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 13.07.2004 die unfallbedingte MdE mit 10 vH eingeschätzt. Als Unfallfolge sei eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im rechten Kniegelenk bei knöchern konsolidierter und achsgerecht verheilter Oberschenkelfraktur rechts sowie ein Anteil der Beinverkürzung rechts gegeben. Ferner hat der Gutachter darüber berichtet, dass der Kläger bei einem weiteren Sturz auf die rechte Hüfte am 09.11.2002 eine Oberschenkelhalsfraktur erlitten habe. Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 09.12.2005 als wesentliche Unfallfolgen eine anteilmäßige Bewegungseinschränkung der Beugebeweglichkeit im rechten Kniegelenk, eine anteilmäßige Muskel- und Kraftminderung im rechten Bein, eine anteilmäßige Außendrehfehlstellung des rechten Oberschenkels, eine Narbe mit Reizerscheinungen im Implantatlager im rechten körperfernen Oberschenkel, ein Gelenkkapselreizzustand mit Schwellneigung im rechten Kniegelenk bei anteilsmäßiger, unfallbedingter fortschreitender Kniegelenksarthrose, eine anteilsmäßige Mineralsalzminderung im rechten Oberschenkel, einliegendes Osteosyntheseimplantat diagnostiziert. Die MdE betrage ab 07.05.2002 20 v.H. Nach Einwänden der Beklagten ist Dr. F. bei seiner Einschätzung der MdE geblieben (ergänzende Stellungnahme vom 24.02.2006). Mit Urteil vom 26.10.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es u. a. ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der von Dr. F. in seinem Gutachten im Bereich des rechten Beins festgestellten Bewegungseinschränkungen für den Bereich des Hüftgelenks, der Kniegelenke sowie der Sprunggelenke, ohne Differenzierung also zwischen Vorschaden und Unfallfolgen, ergebe sich auch unter Berücksichtigung der objektivierten Funktionsseinschränkungen keine MdE von 20 v.H.; vielmehr sei mit Dr. K. von einer MdE von 10 vH auszugehen.
Gegen das am 15.11.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.12.2006 eingelegte Berufung des Klägers. Er beruft sich in erster Linie auf das Sachverständigengutachten des Dr. F., über das sich das SG hinweggesetzt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Oktober 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. März 2004 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 7. November 2000 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert ab 7. Mai 2002 zu gewähren, hilfsweise zum Beweis für die Tatsache, dass der Kläger unfallbedingte Verletzungen erlitten hat, die zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vom Hundert führen, die Einholung eines Obergutachtens von Amts wegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. C., Leitender Oberarzt der Klinik der Universität H ... In seinem Gutachten vom 10.04.2007 hat Prof. Dr. C. u. a. ausgeführt, als Folge des Oberschenkelschaftbruches vom 07.11.2000 bestünden eine reizlose Narbe, ein allenfalls diskreter Teil der Muskelminderung des rechten Kniegelenks, ein allenfalls diskreter Teil der endgradigen Beugeminderung des rechten Kniegelenks sowie röntgenologische Veränderungen. Die unfallbedingte MdE betrage 10 vH. Die Beurteilung des Dr. F. könne nicht nachvollzogen werden. Nach Einwänden des Klägers hat Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.06.2007 an seiner Auffassung fest gehalten.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach Beendigung des Bezugs von Verletztengeld am 06.05.2002 nicht zu.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 28.07.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids 03.03.2004, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente abgelehnt hat. Auf diesen im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) geltend gemachten Anspruch sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) anwendbar.
Zu den Rechtsgrundlagen des geltend gemachten Anspruchs wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, das die gesetzlichen Voraussetzungen zutreffend wiedergegeben hat. Auch bezüglich der Beweiswürdigung nimmt der Senat Bezug auf das ausführlich begründete Urteil des SG, in dem es sich detailliert mit der MdE-Bewertung durch Dr. F. auseinander gesetzt hat. Der Senat deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung insoweit aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch das vom Senat veranlasste Sachverständigengutachten des Prof. Dr. C. die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Gutachten verwertbar. Zwar ist das Datum auf der "Bescheinigung des Gutachters" falsch (im Gutachten selbst ist der Untersuchungstag aber richtig wiedergegeben) und die Dauer der Untersuchung nicht korrekt dokumentiert, daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass auch die medizinischen Feststellungen des Sachverständigen fehlerhaft sind. Insbesondere trifft die Darstellung des Klägers, dass er lediglich 3 m im Untersuchungszimmer habe hin und her gehen müssen und sich danach wieder anziehen durfte, nicht zu. Auf den Seiten 4 bis 9 des Gutachtens hat der Sachverständige einen ausführlichen Befund beschrieben, der nur durch eine körperliche Untersuchung erhoben werden kann. Diese Befunde hat der Sachverständige auch nicht "offenbar ... von Dr. F. übernommen", denn ein Vergleich der beiden Gutachten zeigt, dass sowohl unterschiedliche Befunde als auch - bei gleichen Befunden - teilweise voneinander abweichende Messdaten erhoben worden sind. Das Vorbringen des Klägers, Prof. Dr. C. habe ihn nicht "gründlich" untersucht, erscheint ebenfalls nicht stichhaltig. Abgesehen davon, dass es für einen medizinischen Laien kaum beurteilbar ist, wann eine Untersuchung "gründlich" durchgeführt worden ist, lässt allein die dokumentierte Befunderhebung einen - objektiven - Rückschluss auf die Gründlichkeit einer Untersuchung zu. Legt man diesen Maßstab an, erfüllt das Gutachten von Prof. Dr. C. die Anforderungen ebenso wie die vorher gehenden Gutachten, wobei beispielsweise Dr. F. teilweise für die hiesige Fragestellung nicht erforderliche Befunde (obere Extremitäten, Sprunggelenke, Stand-varianten) erhoben hat. Nach dem schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. C. steht für den Senat fest, dass bei dem Kläger infolge des unstrittigen Oberschenkelschaftbruches rechts (Gesundheitserstschaden), der durch den Unfall vom 07.11.2000 eingetreten ist, als weitere Folgen eine reizlose Narbe, ein allenfalls diskreter Teil der Muskelminderung des rechten Kniegelenks und ein ebenfalls lediglich diskreter Teil der endgradigen Beugebehinderung des rechten Kniegelenks bestehen. Entgegen der Auffassung des Dr. F. in seinem Gutachten vom 09.12.2005 hat der Sachverständige Prof. Dr. C. schlüssig dargelegt, dass die auf den Unfall zurückzuführenden Auswirkungen kein derartiges Ausmaß annehmen, das es rechtfertigen würde, eine MdE von mehr als 10 vH anzunehmen. Prof. Dr. C. hat darauf hingewiesen, dass eine Verletzung des rechten Kniegelenks durch den Arbeitsunfall vom 07.11.2000 nicht vorgelegen hat. Aufgrund der röntgenmorphologischen Veränderungen ist jedoch von einer vorbestehenden Fehlform des rechten Kniegelenks, bedingt durch die Poliomyelitis auszugehen, die als solche bereits eine Einschränkung der Beugemöglichkeit nach sich zieht, sodass das unfallbedingte Folgedefizit nach schlüssiger Darstellung des Sachverständigen lediglich zwischen 5 und 10 Grad beträgt. Soweit Dr. F. die "anteilsmäßige Muskel- und Kraftminderung im rechten Bein" als Unfallfolge darstellt, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Prof. Dr. C. führt zutreffend hierzu aus, dass beim Kläger der weit überwiegende Anteil der Muskel- und Kraftminderung im rechten Bein auf die vorbestehende Grunderkrankung Poliomyelitis zurückzuführen ist. Die von Dr. F. diagnostizierte "anteilmäßige Außendrehfehlstellung des rechten Oberschenkels" besteht nicht; Prof. Dr. C. hat hierzu dargelegt, dass der Bruch - auch nach Darstellung des Dr. F. selbst - korrekt versorgt und verheilt ist, sodass diese Diagnose nicht nachvollzogen werden kann. Ebenso verhält es sich mit den von Dr. F. als Unfallfolgen bezeichneten "Reizerscheinungen im Implantatlager". Soweit Dr. F. den "Gelenkkapselreizzustand" auf den Unfall zurückgeführt, weist Prof. Dr. C. zu Recht darauf hin, dass eine Verletzung des rechten Kniegelenks durch den Unfall nicht stattgefunden hat. Die von Dr. F. als Unfallfolge bestehende "anteilmäßige Mineralsalzminderung" kann ebenfalls nicht anerkannt werden. Auch hier weist Prof. Dr. C. darauf hin, dass diese Mineralsalzminderung auf die vorbestehende Grunderkrankung zurückzuführen ist, zumal eine Mineralsalzminderung bei einem achsgerecht versorgten vollständig fest konsolidierten Bruch, wie vorliegend, nicht von einer bruchbedingten Mineralsalzminderung auszugehen ist. Die MdE ist nach den schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. C. mit 10 vH einzuschätzen. Soweit Dr. F. ausführt, auch die Folgen des Sturzes vom 09.11.2002 bei dem sich der Kläger einen Oberschenkelhalsbruch rechts zugezogen hat, sei "möglicherweise" als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls zu werten, ist darauf hinzuweisen, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger wegen der Auswirkungen des Unfalls vom 07.11.2000 gestürzt ist, zumal der Sturz im privaten Bereich geschehen ist. Im Übrigen hat Prof. Dr. C. hierzu ausgeführt, dass der Bruch vollständig und fest knöchern konsolidiert ist. Weitere Auswirkungen sind nicht erkennbar, sodass eine messbare MdE ohnehin nicht gegeben ist.
Dem Hilfsantrag des Klägers war nicht stattzugeben, weil der medizinische Sachverhalt ausreichend geklärt war und es der Einholung eines Obergutachtens nicht bedurfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente streitig.
Der 1944 geborene Kläger, der bei der Solo Kleinmotoren GmbH beschäftigt war, rutschte am 07.11.2000 während seiner Arbeit in der Kunststoffabteilung aus und fiel zu Boden. Nach dem Durchgangsarztbericht des Dr. K. vom 09.11.2000 zog er sich dabei eine Oberschenkelspiralfraktur rechts zu. Als unfallunabhängige krankhafte Veränderungen wurde eine Verkürzung des rechten Beines nach Poliomyelitis als Kind angegeben. Die Erstbehandlung erfolgte durch Plattenosteosynthese im Rahmen des stationären Aufenthaltes im Städtischen Krankenhaus S. vom 07.11. bis 20.11.2000. Die Anschlussheilbehandlung fand in der B.-Klinik Ü. vom 28.11. bis 19.12.2000 statt. Nachdem eine Belastungserprobung auf dem bisherigen Arbeitsplatz gescheitert war, erfolgte eine ambulante Vorstellung bei Prof. Dr. W., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T., der in seinem Bericht vom 23.08.2000 ausführte, die unfallbedingte Verletzung sei knöchern verheilt. Prof. Dr. D. berichtete am 02.10.2001 nach neurologischer Untersuchung, dass abgesehen von der Grunderkrankung einer Poliomyelitis keine Hinweise für zusätzliche Nervenläsionen gegeben seien. Vom 12.09. bis 11.10.2001 erfolgte eine Heilbehandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Tübingen. In dem Entlassungsbericht vom 03.01.2002 führte Prof. Dr. W. u. a. aus, klinisch, neurologisch und elektrophysiologisch habe keine zusätzliche Läsion des Nervus femoralis rechts bei vorbestehenden poliomyelitisbedingten Atrophien und Paresen der rechten Oberschenkelmuskulatur nachgewiesen werden können. Die Beschwerdeangaben des Klägers seien auf eine beginnende Coxarthrose bei Hüftdysplasie beidseits (unfallunabhängig) zurückzuführen. Die Beklagte zog daraufhin das Leistungsverzeichnis der AOK Böblingen bei und veranlasste die Untersuchung durch Prof. Dr. D ... In seinem Gutachten vom 11.06.2002 führte der Gutachter aus, als Unfallfolgen bestünden eine Krepitation bei Palpation über dem distalen Narbenbereich lateral im Bereich des rechten Kniegelenks mit auslösbarem Druck- und Bewegungsschmerz sowie eine Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk mit 0-0-110 gegenüber links mit 0-0-130 Grad. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde mit 20 v.H. eingeschätzt. Die Beklagte zog daraufhin Unterlagen der früheren LVA Baden-Württemberg sowie der Versorgungsverwaltung bei. Prof. Dr. R. erachtete in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.07.2003 hinsichtlich der Unfallfolgen lediglich eine MdE um 10 vH für begründbar, nachdem die Kniebeschwerden bereits seit 1972 bestünden. Mit Bescheid vom 28.07.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld hinaus ab und anerkannte als Unfallfolgen: Endgradige Bewegungseinschränkung im Kniegelenk mit schmerzhaftem Reiben über dem körperfernen Narbenbereich bei noch einliegendem Metall nach körperfernem Oberschenkelbruch. Nicht als Unfallfolgen anerkannt wurden ein Zustand nach Poliomyelitis mit Beinverkürzung rechts, Fehlstellung des rechten Hüftgelenks, erhebliche Muskelverschmächtigung am gesamten rechten Bein, anteilige Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit rechts mit erheblichen arthrotischen Veränderungen und erheblicher Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2004 zurück.
Am 22.03.2004 hat der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Das SG hat ergänzend Prof. Dr. D. befragt und die Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Chefarzt der Orthopädischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses Sindelfingen, Privatdozent Dr. K., sowie auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine weitere Begutachtung durch Dr. F., Leitender Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie des M. S., veranlasst. Prof. Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.05.2004 u. a. ausgeführt, es sei eine weitere Begutachtung erforderlich, nachdem ersichtlich sei, dass die Beweglichkeit des rechten Kniegelenks sich verbessert habe. Der Sachverständige Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 13.07.2004 die unfallbedingte MdE mit 10 vH eingeschätzt. Als Unfallfolge sei eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im rechten Kniegelenk bei knöchern konsolidierter und achsgerecht verheilter Oberschenkelfraktur rechts sowie ein Anteil der Beinverkürzung rechts gegeben. Ferner hat der Gutachter darüber berichtet, dass der Kläger bei einem weiteren Sturz auf die rechte Hüfte am 09.11.2002 eine Oberschenkelhalsfraktur erlitten habe. Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 09.12.2005 als wesentliche Unfallfolgen eine anteilmäßige Bewegungseinschränkung der Beugebeweglichkeit im rechten Kniegelenk, eine anteilmäßige Muskel- und Kraftminderung im rechten Bein, eine anteilmäßige Außendrehfehlstellung des rechten Oberschenkels, eine Narbe mit Reizerscheinungen im Implantatlager im rechten körperfernen Oberschenkel, ein Gelenkkapselreizzustand mit Schwellneigung im rechten Kniegelenk bei anteilsmäßiger, unfallbedingter fortschreitender Kniegelenksarthrose, eine anteilsmäßige Mineralsalzminderung im rechten Oberschenkel, einliegendes Osteosyntheseimplantat diagnostiziert. Die MdE betrage ab 07.05.2002 20 v.H. Nach Einwänden der Beklagten ist Dr. F. bei seiner Einschätzung der MdE geblieben (ergänzende Stellungnahme vom 24.02.2006). Mit Urteil vom 26.10.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es u. a. ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der von Dr. F. in seinem Gutachten im Bereich des rechten Beins festgestellten Bewegungseinschränkungen für den Bereich des Hüftgelenks, der Kniegelenke sowie der Sprunggelenke, ohne Differenzierung also zwischen Vorschaden und Unfallfolgen, ergebe sich auch unter Berücksichtigung der objektivierten Funktionsseinschränkungen keine MdE von 20 v.H.; vielmehr sei mit Dr. K. von einer MdE von 10 vH auszugehen.
Gegen das am 15.11.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.12.2006 eingelegte Berufung des Klägers. Er beruft sich in erster Linie auf das Sachverständigengutachten des Dr. F., über das sich das SG hinweggesetzt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Oktober 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. März 2004 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 7. November 2000 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert ab 7. Mai 2002 zu gewähren, hilfsweise zum Beweis für die Tatsache, dass der Kläger unfallbedingte Verletzungen erlitten hat, die zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vom Hundert führen, die Einholung eines Obergutachtens von Amts wegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. C., Leitender Oberarzt der Klinik der Universität H ... In seinem Gutachten vom 10.04.2007 hat Prof. Dr. C. u. a. ausgeführt, als Folge des Oberschenkelschaftbruches vom 07.11.2000 bestünden eine reizlose Narbe, ein allenfalls diskreter Teil der Muskelminderung des rechten Kniegelenks, ein allenfalls diskreter Teil der endgradigen Beugeminderung des rechten Kniegelenks sowie röntgenologische Veränderungen. Die unfallbedingte MdE betrage 10 vH. Die Beurteilung des Dr. F. könne nicht nachvollzogen werden. Nach Einwänden des Klägers hat Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.06.2007 an seiner Auffassung fest gehalten.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach Beendigung des Bezugs von Verletztengeld am 06.05.2002 nicht zu.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 28.07.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids 03.03.2004, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente abgelehnt hat. Auf diesen im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) geltend gemachten Anspruch sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) anwendbar.
Zu den Rechtsgrundlagen des geltend gemachten Anspruchs wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, das die gesetzlichen Voraussetzungen zutreffend wiedergegeben hat. Auch bezüglich der Beweiswürdigung nimmt der Senat Bezug auf das ausführlich begründete Urteil des SG, in dem es sich detailliert mit der MdE-Bewertung durch Dr. F. auseinander gesetzt hat. Der Senat deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung insoweit aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch das vom Senat veranlasste Sachverständigengutachten des Prof. Dr. C. die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Gutachten verwertbar. Zwar ist das Datum auf der "Bescheinigung des Gutachters" falsch (im Gutachten selbst ist der Untersuchungstag aber richtig wiedergegeben) und die Dauer der Untersuchung nicht korrekt dokumentiert, daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass auch die medizinischen Feststellungen des Sachverständigen fehlerhaft sind. Insbesondere trifft die Darstellung des Klägers, dass er lediglich 3 m im Untersuchungszimmer habe hin und her gehen müssen und sich danach wieder anziehen durfte, nicht zu. Auf den Seiten 4 bis 9 des Gutachtens hat der Sachverständige einen ausführlichen Befund beschrieben, der nur durch eine körperliche Untersuchung erhoben werden kann. Diese Befunde hat der Sachverständige auch nicht "offenbar ... von Dr. F. übernommen", denn ein Vergleich der beiden Gutachten zeigt, dass sowohl unterschiedliche Befunde als auch - bei gleichen Befunden - teilweise voneinander abweichende Messdaten erhoben worden sind. Das Vorbringen des Klägers, Prof. Dr. C. habe ihn nicht "gründlich" untersucht, erscheint ebenfalls nicht stichhaltig. Abgesehen davon, dass es für einen medizinischen Laien kaum beurteilbar ist, wann eine Untersuchung "gründlich" durchgeführt worden ist, lässt allein die dokumentierte Befunderhebung einen - objektiven - Rückschluss auf die Gründlichkeit einer Untersuchung zu. Legt man diesen Maßstab an, erfüllt das Gutachten von Prof. Dr. C. die Anforderungen ebenso wie die vorher gehenden Gutachten, wobei beispielsweise Dr. F. teilweise für die hiesige Fragestellung nicht erforderliche Befunde (obere Extremitäten, Sprunggelenke, Stand-varianten) erhoben hat. Nach dem schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. C. steht für den Senat fest, dass bei dem Kläger infolge des unstrittigen Oberschenkelschaftbruches rechts (Gesundheitserstschaden), der durch den Unfall vom 07.11.2000 eingetreten ist, als weitere Folgen eine reizlose Narbe, ein allenfalls diskreter Teil der Muskelminderung des rechten Kniegelenks und ein ebenfalls lediglich diskreter Teil der endgradigen Beugebehinderung des rechten Kniegelenks bestehen. Entgegen der Auffassung des Dr. F. in seinem Gutachten vom 09.12.2005 hat der Sachverständige Prof. Dr. C. schlüssig dargelegt, dass die auf den Unfall zurückzuführenden Auswirkungen kein derartiges Ausmaß annehmen, das es rechtfertigen würde, eine MdE von mehr als 10 vH anzunehmen. Prof. Dr. C. hat darauf hingewiesen, dass eine Verletzung des rechten Kniegelenks durch den Arbeitsunfall vom 07.11.2000 nicht vorgelegen hat. Aufgrund der röntgenmorphologischen Veränderungen ist jedoch von einer vorbestehenden Fehlform des rechten Kniegelenks, bedingt durch die Poliomyelitis auszugehen, die als solche bereits eine Einschränkung der Beugemöglichkeit nach sich zieht, sodass das unfallbedingte Folgedefizit nach schlüssiger Darstellung des Sachverständigen lediglich zwischen 5 und 10 Grad beträgt. Soweit Dr. F. die "anteilsmäßige Muskel- und Kraftminderung im rechten Bein" als Unfallfolge darstellt, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Prof. Dr. C. führt zutreffend hierzu aus, dass beim Kläger der weit überwiegende Anteil der Muskel- und Kraftminderung im rechten Bein auf die vorbestehende Grunderkrankung Poliomyelitis zurückzuführen ist. Die von Dr. F. diagnostizierte "anteilmäßige Außendrehfehlstellung des rechten Oberschenkels" besteht nicht; Prof. Dr. C. hat hierzu dargelegt, dass der Bruch - auch nach Darstellung des Dr. F. selbst - korrekt versorgt und verheilt ist, sodass diese Diagnose nicht nachvollzogen werden kann. Ebenso verhält es sich mit den von Dr. F. als Unfallfolgen bezeichneten "Reizerscheinungen im Implantatlager". Soweit Dr. F. den "Gelenkkapselreizzustand" auf den Unfall zurückgeführt, weist Prof. Dr. C. zu Recht darauf hin, dass eine Verletzung des rechten Kniegelenks durch den Unfall nicht stattgefunden hat. Die von Dr. F. als Unfallfolge bestehende "anteilmäßige Mineralsalzminderung" kann ebenfalls nicht anerkannt werden. Auch hier weist Prof. Dr. C. darauf hin, dass diese Mineralsalzminderung auf die vorbestehende Grunderkrankung zurückzuführen ist, zumal eine Mineralsalzminderung bei einem achsgerecht versorgten vollständig fest konsolidierten Bruch, wie vorliegend, nicht von einer bruchbedingten Mineralsalzminderung auszugehen ist. Die MdE ist nach den schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. C. mit 10 vH einzuschätzen. Soweit Dr. F. ausführt, auch die Folgen des Sturzes vom 09.11.2002 bei dem sich der Kläger einen Oberschenkelhalsbruch rechts zugezogen hat, sei "möglicherweise" als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls zu werten, ist darauf hinzuweisen, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger wegen der Auswirkungen des Unfalls vom 07.11.2000 gestürzt ist, zumal der Sturz im privaten Bereich geschehen ist. Im Übrigen hat Prof. Dr. C. hierzu ausgeführt, dass der Bruch vollständig und fest knöchern konsolidiert ist. Weitere Auswirkungen sind nicht erkennbar, sodass eine messbare MdE ohnehin nicht gegeben ist.
Dem Hilfsantrag des Klägers war nicht stattzugeben, weil der medizinische Sachverhalt ausreichend geklärt war und es der Einholung eines Obergutachtens nicht bedurfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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