Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 RJ 607/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 B 480/08 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Untätigkeitsbeschwerde des Klägers wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger hat am 05. April 2004 vor dem Sozialgericht (SG) Berlin eine Klage auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer anstatt der gewährten, bis zum 31. Oktober 2004 befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung erhoben. Nach Einsichtnahme in die Verwaltungsakten hat der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 13. August 2004 begründet. Das SG hat sodann vier Befundberichte von behan-delnden Ärzten eingeholt. Mit Bescheid vom 01. November 2004 hat die Beklagte dem Kläger im Anschluss an die bis zum 31. Oktober 2004 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung wieder Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt. Das SG hat daraufhin ein orthopädisches Fachgutachten eingeholt, das am 09. Februar 2005 zu den Akten gelangt ist. Gegen das Gutachten hat der Kläger Einwendungen erhoben, auf welche hin der Sachverständige mit Schreiben vom 18. April 2005 (zu den Akten gelangt am 19. April 2005) Stellung bezogen hat. Mit richterlicher Verfügung vom 19. April 2005 ist der Kläger zur Stellungnahme aufgefordert worden, gleichzeitig ist die Akte vom Vorsitzenden als entscheidungsreif eingestuft worden. Eine Sachstandsanfrage des Klägers vom 15. Juni 2006 ist vom SG nicht beantwortet worden.
Mit Schreiben vom 14. März 2008 hat der Kläger eine Untätigkeitsbeschwerde erho-ben und beantragt, dem Ausgangsgericht aufzugeben, binnen einer in das Ermessen des angerufenen Gerichts gestellten Frist, die einen Zeitraum von zwei Monaten nicht überschreiten sollte, eine verfahrensleitende und zugleich verfahrensfördernde Ent-scheidung zu treffen.
Das SG hat daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 11. April 2008 mitgeteilt, dass sich die Sache im "E-Fach" befinde und eine konkrete Terminierung wegen einer Vielzahl anderer Verfahren derzeit nicht absehbar sei. Gleichzeitig ist der Kläger aufgefordert worden, für den Fall, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes geltend gemacht werde, die seither behandelnden Ärzte zu benennen, um weitere Ermittlungen zu ermöglichen.
Der Kläger hat sich auf die Anfrage des Senats, ob nunmehr die Beschwerde zurückgenommen werde, nicht gemeldet.
II.
Die Untätigkeitsbeschwerde des Klägers war als unzulässig zu verwerfen (§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde gegen die Entscheidungen der SGe mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung des SG liegt bisher nicht vor. Die bloße Untätigkeit des SG in Form der Nichtterminierung eines Rechtsstreits kann nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht Gegens-tand einer Beschwerde sein (in diesem Sinne: Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mann-heim in NVwZ 2004, 1541 ff; LSG Berlin Beschluss vom 27. Januar 2005 – L 9 B 11/05 KR –, zitiert nach juris, m. w. N.).
Darüber hinaus existiert derzeit keine gesetzliche Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Untätigkeitsbeschwerde. Unter solchen Umständen sieht es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - jedenfalls außerhalb des Bereichs gerichtlicher Untätigkeit bei freiheitsentziehenden Maßnahmen - als fraglich an, ob die gesetzlich nicht geregelte Untätigkeitsbeschwerde dem aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit genügen kann (vgl. BVerfG 1. Kammer 1. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2005 - 1 BvR 2790/04NJW 2005, 2685; generell ablehnend: Beschluss des Plenums desBVerfG vom 30. April 2003, BVerfGE 107, 395, 416 = SozR 4-1100 Art. 103 Nr. 1). Danach müssen die Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein (Beschluss des Plenums des BVerfG, BVerfGE 107, 395, 416). Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 87, 48, 65; 107, 395, 416). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vglBVerfGE 107, 395, 416). Es verstößt deshalb gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (BVerfG - Kammerbeschluss vom 16. Januar 2007 - 1 BvR 2803/06 -, NJW 2007, 2538). Entsprechend geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) davon aus, dass eine richterrechtlich begründete außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer ist (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 08. Juni 2006, EuGRZ 2007, 255 = NJW 2006, 2389). Im Hinblick auf diese Entscheidungen verbleibt kein Raum dafür, zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ohne gesetzliche Grundlage durch Richterrecht eine Untätigkeitsbeschwerde zu schaffen, um auf ein laufendes Verfahren einzuwirken (vgl. Beschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, SozR 4-1500 § 160 a Nr. 17; vom 04. September 2007 – B 2 U 208/06 B -, SozR 4-1500 § 160a Nr. 18; vom 06. Februar 2008 – B 6 KA 61/07 B -, zitiert nach juris; vom 28. Februar 2008 – B 7 AL 109/07 B -, zitiert nach juris). Dementsprechend haben auch der Bundesfinanzhof (so das BSG in seinem Beschluss vom 21.- Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S –, a. a. O. unter Nennung zweier Beschlüsse des BFH vom 04. Oktober 2005 - II S 10/05 - sowie vom 24. Mai 2006 - VII S 12/06 -) und das Bundesverwaltungsgericht (so ebenfalls das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, a. a. O. unter Benennung eines Be-schlusses des BVerwG vom 05. Dezember 2006 - 10 B 68/06 -) entschieden, dass es ein Rechtsinstitut der "verfassungsrechtlich gebotenen Untätigkeitsbeschwerde" nicht gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (so auch: Beschluss des BSG vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, a. a. O.). Ein Fall des § 17 a Abs. 4 Satz 4 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) liegt nicht vor.
Gründe:
I.
Der Kläger hat am 05. April 2004 vor dem Sozialgericht (SG) Berlin eine Klage auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer anstatt der gewährten, bis zum 31. Oktober 2004 befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung erhoben. Nach Einsichtnahme in die Verwaltungsakten hat der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 13. August 2004 begründet. Das SG hat sodann vier Befundberichte von behan-delnden Ärzten eingeholt. Mit Bescheid vom 01. November 2004 hat die Beklagte dem Kläger im Anschluss an die bis zum 31. Oktober 2004 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung wieder Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt. Das SG hat daraufhin ein orthopädisches Fachgutachten eingeholt, das am 09. Februar 2005 zu den Akten gelangt ist. Gegen das Gutachten hat der Kläger Einwendungen erhoben, auf welche hin der Sachverständige mit Schreiben vom 18. April 2005 (zu den Akten gelangt am 19. April 2005) Stellung bezogen hat. Mit richterlicher Verfügung vom 19. April 2005 ist der Kläger zur Stellungnahme aufgefordert worden, gleichzeitig ist die Akte vom Vorsitzenden als entscheidungsreif eingestuft worden. Eine Sachstandsanfrage des Klägers vom 15. Juni 2006 ist vom SG nicht beantwortet worden.
Mit Schreiben vom 14. März 2008 hat der Kläger eine Untätigkeitsbeschwerde erho-ben und beantragt, dem Ausgangsgericht aufzugeben, binnen einer in das Ermessen des angerufenen Gerichts gestellten Frist, die einen Zeitraum von zwei Monaten nicht überschreiten sollte, eine verfahrensleitende und zugleich verfahrensfördernde Ent-scheidung zu treffen.
Das SG hat daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 11. April 2008 mitgeteilt, dass sich die Sache im "E-Fach" befinde und eine konkrete Terminierung wegen einer Vielzahl anderer Verfahren derzeit nicht absehbar sei. Gleichzeitig ist der Kläger aufgefordert worden, für den Fall, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes geltend gemacht werde, die seither behandelnden Ärzte zu benennen, um weitere Ermittlungen zu ermöglichen.
Der Kläger hat sich auf die Anfrage des Senats, ob nunmehr die Beschwerde zurückgenommen werde, nicht gemeldet.
II.
Die Untätigkeitsbeschwerde des Klägers war als unzulässig zu verwerfen (§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde gegen die Entscheidungen der SGe mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung des SG liegt bisher nicht vor. Die bloße Untätigkeit des SG in Form der Nichtterminierung eines Rechtsstreits kann nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht Gegens-tand einer Beschwerde sein (in diesem Sinne: Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mann-heim in NVwZ 2004, 1541 ff; LSG Berlin Beschluss vom 27. Januar 2005 – L 9 B 11/05 KR –, zitiert nach juris, m. w. N.).
Darüber hinaus existiert derzeit keine gesetzliche Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Untätigkeitsbeschwerde. Unter solchen Umständen sieht es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - jedenfalls außerhalb des Bereichs gerichtlicher Untätigkeit bei freiheitsentziehenden Maßnahmen - als fraglich an, ob die gesetzlich nicht geregelte Untätigkeitsbeschwerde dem aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit genügen kann (vgl. BVerfG 1. Kammer 1. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2005 - 1 BvR 2790/04NJW 2005, 2685; generell ablehnend: Beschluss des Plenums desBVerfG vom 30. April 2003, BVerfGE 107, 395, 416 = SozR 4-1100 Art. 103 Nr. 1). Danach müssen die Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein (Beschluss des Plenums des BVerfG, BVerfGE 107, 395, 416). Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 87, 48, 65; 107, 395, 416). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vglBVerfGE 107, 395, 416). Es verstößt deshalb gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (BVerfG - Kammerbeschluss vom 16. Januar 2007 - 1 BvR 2803/06 -, NJW 2007, 2538). Entsprechend geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) davon aus, dass eine richterrechtlich begründete außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer ist (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 08. Juni 2006, EuGRZ 2007, 255 = NJW 2006, 2389). Im Hinblick auf diese Entscheidungen verbleibt kein Raum dafür, zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ohne gesetzliche Grundlage durch Richterrecht eine Untätigkeitsbeschwerde zu schaffen, um auf ein laufendes Verfahren einzuwirken (vgl. Beschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, SozR 4-1500 § 160 a Nr. 17; vom 04. September 2007 – B 2 U 208/06 B -, SozR 4-1500 § 160a Nr. 18; vom 06. Februar 2008 – B 6 KA 61/07 B -, zitiert nach juris; vom 28. Februar 2008 – B 7 AL 109/07 B -, zitiert nach juris). Dementsprechend haben auch der Bundesfinanzhof (so das BSG in seinem Beschluss vom 21.- Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S –, a. a. O. unter Nennung zweier Beschlüsse des BFH vom 04. Oktober 2005 - II S 10/05 - sowie vom 24. Mai 2006 - VII S 12/06 -) und das Bundesverwaltungsgericht (so ebenfalls das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, a. a. O. unter Benennung eines Be-schlusses des BVerwG vom 05. Dezember 2006 - 10 B 68/06 -) entschieden, dass es ein Rechtsinstitut der "verfassungsrechtlich gebotenen Untätigkeitsbeschwerde" nicht gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (so auch: Beschluss des BSG vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, a. a. O.). Ein Fall des § 17 a Abs. 4 Satz 4 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) liegt nicht vor.
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