L 28 B 919/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 674/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 919/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 30. April 2008 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerden sind nur zum Teil statthaft, im Übrigen aber unbegründet.

Nach § 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444; im folgenden neue Fassung, n. F.) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Diese Vorschrift ist auch auf das am 19. Februar 2008 beim Sozialgericht (SG) Potsdam angebrachte Rechtsschutzgesuch, über das das SG am 30. April 2008 entschieden hat, uneingeschränkt anzuwenden. Da der Gesetzgeber eine ausdrückliche Übergangsregelung nicht getroffen hat, ist hier die Frage, welche prozessrechtlichen Vorschriften in einer bestimmten Verfahrenslage anzuwenden sind, auf den "Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts" abzustellen. Er besagt, dass eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst (stellvertretend hierzu wie zum folgenden Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90 - und - 2 BvR 1728/90 -, BVerfGE 87, 48 mit zahlreichen Nachweisen). Ein Instanzenzug wird durch Art. 19. Abs. 4 Grundgesetz nicht gewährleistet. Dem Gesetzgeber ist es deshalb nicht verwehrt, ein bisher statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem an sich eröffneten Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen. Lediglich für Rechtsmittelverfahren, welche im Zeitpunkt einer Gesetzesänderung bereits anhängig sind, lässt sich eine generelle einschränkende Konkretisierung des Grundsatzes des intertemporalen Prozessrechts ableiten: Fehlen abweichende Bestimmungen, führt eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln gerade nicht dazu, dass die Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels entfällt (vgl. dazu bereits Beschluss des Senats vom 2. April 2008 - L 28 B 19/08 AS -).

Soweit die Klägerin im Ergebnis ihres Vortrages Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) durch Förderung der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme "Grundkurs Schuldnerberatung" an der Fachhochschule Potsdam begehrt, wäre die Berufung in der Hauptsache nicht zulässig. Für die Teilnahme an dem Kurs vom 22. Februar 2008 bis zum 12. Juli 2008 fallen Kursgebühren in Höhe von 565,- Euro an. Weitere Leistungen hat die Antragstellerin in diesem Zusammenhang nicht beantragt. Die Berufungssumme in Höhe von 750,- Euro (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG n. F.) ist damit nicht erreicht. Die Beschwerde ist nicht statthaft. Auch soweit die Antragstellerin lediglich die Verpflichtung zur Neubescheidung ihres entsprechenden Antrages gerichtet auf Übernahme der Maßnahmekosten geltend macht, gilt nichts anderes, da die Begrenzung des Beschwerdewertes auch entsprechende Verpflichtungsklagen als Klagen auf Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes erfasst (Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 144 RdNr. 13).

Die Ablehnung von Kosten der Weiterbildung mit der Begründung, bei der Begründung, die Antragstellerin sei nach eigenen Angaben auf nicht absehbare Zeit arbeitsunfähig und deshalb nicht erwerbsfähig und gehöre also nicht zum förderfähigen Personenkreis (Bescheid vom 6. Februar 2008), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung des Beschwerdewertes. Dabei kann dahin stehen, ob zu erwarten ist, dass solche Begründungselemente auch zur Ablehnung weiterer Anträge führen werden. Über Folgestreitigkeiten ist (noch) nicht zu entscheiden. Rechtliche oder wirtschaftliche werterhöhende oder wertmindernde Folgewirkungen bleiben bei Berechnung des Streitwertes außer Betracht, selbst dann, wenn die angestrebte Änderung eines Verwaltungsaktes kraft Gesetzes weitere Änderungen nach sich ziehen würde (BSG Beschlussvom 6. Februar 1997 - 14/10 BKg 14/9, NZS 97, 391), was hier ohnehin nicht der Fall ist. Es steht mit der Ablehnung einer bestimmten Förderung gerade nicht bindend fest, ob die Antragstellerin grundsätzlich zum förderfähigen Personenkreis gehört oder nicht. Dieses Begründungselement einer solchen Entscheidung erwächst nicht in Rechtskraft.

Soweit die Antragstellerin nicht eine Verpflichtung zur vorläufigen Förderung begehrt, sondern die (vorläufige) Feststellung, sie gehöre zum förderungsfähigen Personenkreis nach § 16 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 7 SGB II bzw. sei gesundheitlich in der Lage, an dem Lehrgang teilzunehmen, stehen der Statthaftigkeit der Beschwerde dieselben Bedenken entgegen soweit es im Ergebnis um die Förderung der konkreten Maßnahme geht, an der die Antragstellerin derzeit teilnimmt. Im Übrigen ist eine Beschwerde schon deshalb unbegründet, weil die Anträge vor dem Sozialgericht bereits unzulässig waren. Die Antragstellerin hat an einer solchen Feststellung kein berechtigtes Interesse, wie es § 55 Abs. 1 SGG voraussetzt. Die Feststellungsklage ist subsidiär zu Leistungs- oder Gestaltungsklagen. Das hinter der Feststellung stehende Begehren, Leistungen nach § 16 SGB II zu erhalten, hätte sie mit einem Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag bzw. (bei behaupteter Ermessensreduzierung auf Null) mit einem Anfechtungs- und Leistungsantrag verfolgen können. Eine Feststellung des Vorliegens bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen für einen solchen Anspruch kann demgegenüber nicht isoliert festgestellt werden. Die Annahme der Antragstellerin, im einstweiligen Rechtsschutz müsse anderes gelten, weil anderenfalls mit einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen werde, ist unzutreffend. Von einer Vorwegnahme der Hauptsache kann nur gesprochen werden, wenn die Maßnahme nachträglich nicht mehr für die Vergangenheit korrigierbar ist (etwa im Falle der Erteilung einer Arbeitserlaubnis). Die Vorwegnahme der Hauptsache ist bei der Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Sozialleistungen (wie der begehrten Übernahme von Maßnahmekosten) praktisch nicht relevant, da eine Rückforderung in solchen Fällen so gut wie nie ausgeschlossen sein wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b RdNr. 31). So liegt es auch hier. Die vorläufige Übernahme von Maßnahmekosten verbunden mit der Verpflichtung zur Rückzahlung im Falle eines Unterliegens in der Hauptsache kommt ohne weiteres in Betracht. Auf die Frage, in welchen Fällen Ausnahmen vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich sind, kommt es daher nicht an.

Zutreffend ist die Annahme der Antragstellerin, die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) mangels Erfolgsaussichten sei - entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung durch das Sozialgericht - unabhängig von einem Beschwerdewert in der Hauptsache statthaft. Die vereinzelt gebliebene gegenteilige Auffassung (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. September 2005 - L 8 AL 1862/05 PKH-B -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - L 8 B 147/05 AS - und Beschluss vom 10. Juli 2006, L 6 B 142/06 AS; jeweils dokumentiert unter sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2007 - L 25 B 109/07 AS PKH -), erscheint dem Senat, der sich dieser Auffassung ohnehin nicht angeschlossen hatte, nach umfangreicher Änderung des § 172 SGG zum 1. April 2008 und des Gesetzgebungsprozesses hierzu nicht mehr vertretbar (vgl. im Einzelnen unter Aufgabe der bisherigen Rechtssprechung LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. Mai 2008 - L 6 B 48/08 AS; zitiert nach juris RdNr. 6 ff.).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Bewilligung von PKH nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) verneint. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dabei kann unentschieden bleiben, ob die Antragstellerin erwerbsfähig ist oder nicht. Jedenfalls spricht aufgrund ihren eigenen Angaben, sie könne sich derzeit eine Erwerbsfähigkeit nicht vorstellen, ihrer seit August 2007 anhaltenden Arbeitsunfähigkeit für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und dem Gutachten Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 6. Februar 2008 (aufgrund Untersuchung am 4. Februar 2008), wonach auf absehbare Zeit keine Leistungsfähigkeit für eine Tätigkeit von mehr als 3 Stunden bestehe, alles dafür, dass eine erfolgreiche Eingliederung in den Arbeitsmarkt derzeit aufgrund andauernder Arbeitsunfähigkeit nicht möglich ist. Ob die Maßnahme zur Weiterbildung zugelassen ist (vgl. § 85 SGB III), wie es Voraussetzung für die Erteilung eines Bildungsgutscheines wäre, ist ohnehin fraglich, denn nach den Angaben des Trägers im Internet hierzu ist die Weiterbildung lediglich in Berlin als Bildungsurlaub anerkannt (was für eine Anerkennung nach § 85 SGB III nicht genügen dürfte). Außerdem endet sie lediglich mit einer Teilnahmebescheinigung, dagegen wohl nicht mit einem qualifizierten Zeugnis. Allein die mögliche Dauer des Hauptsacheverfahrens, in dem die aufgeworfenen Fragen abschließend zu klären sind, kann den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht rechtfertigen. Denn die begehrten Kurse werden - wie dem Internet zu entnehmen ist - von der Fachhochschule Potsdam laufend (beginnend beispielsweise wieder ab Oktober 2008) angeboten. Ein Zuwarten auf den Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache erscheint daher ohne weiteres zumutbar. Dass die Antragstellerin mit dem Kurs begonnen hat, begründet für sich genommen keine schutzwürdige Position, denn eine ablehnende Entscheidung des Antragsgegners lag zu diesem Zeitpunkt bereits vor.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren scheidet aus den genannten Gründen wegen fehlender Erfolgsaussicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung und § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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