L 9 U 3098/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 4366/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3098/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalles vom 11. August 2004.

Der 1946 geborene Kläger hatte sich am 7. März 2003 bereits einer Innenmeniskusteilresektion am linken Knie unterzogen (Bericht des Orthopäden R. vom 08. April 2003). Im Mai 2004 war ein "riesiger OD-Herd" links am medialen Femurkondylus diagnostiziert sowie eine teilendoprothetische Versorgung empfohlen worden (Bericht Prof. Dr. H. vom 02. Juni 2004) und bereits im Juli 2004 war ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 festgestellt (Schwerbehindertenausweis vom 21. Juli 2004).

Am 11. August 2004 erlitt der als Monteur bei der Firma B. M. GmbH beschäftigte Kläger einen Arbeitsunfall, als er beim Bohren von einer Leiter stürzte und zwischen die Außenfassade und ein Gerüst fiel. Das Arbeitsverhältnis endete im Januar 2006 wegen Insolvenz des Arbeitgebers. Ab 01. Februar 2006 war der Kläger arbeitssuchend gemeldet. Mit Ablauf des 07. Februar 2006 (Ablauf der 78. Woche nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit) wurde das Verletztengeld eingestellt, da mit dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu rechnen sei und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ("derzeit") nicht zu erbringen seien (Bescheid vom 23. Januar 2006).

Die Erstdiagnose im Durchgangsarztbericht (DAB) des Prof. Dr. H., Klinikum Ludwigsburg-Bietigheim, vom 11. August 2004 lautete auf Thoraxprellung rechts, Knieprellung rechts und Fissur Innenknöchel links. Während eines stationären Aufenthalts im Klinikum Ludwigsburg vom 23. August bis 07. September 2004 erfolgte eine Schrauben- und Kirschnerdraht-Osteosynthese zur Behandlung der Innenknöchelfraktur. Der postoperative Heilungsverlauf verzögerte sich wegen stark verminderter Compliance, Ablehnung frühzeitig angeregter krankengymnastischer Behandlung, und ausgeprägter Adipositas (Bericht Dr. M. vom 16. Oktober 2004). Bei fortbestehenden Beschwerden äußerte Prof. Dr. H. im Bericht vom 23. November 2004 erstmals einen Verdacht auf Vorliegen einer Algodystrophie und im Bericht vom 20. Dezember 2004 diagnostizierte er eine Algodystrophie bzw. ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS). Bestätigt wurde diese Diagnose von Dr. K., inzwischen Leiter der Schmerztherapie der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Klinikums Ludwigsburg, in dessen Berichten vom 24. Februar und 07. April 2005. Nach einer Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vom 12. Mai 2005, bei der sich noch eine deutliche Gangbildstörung fand, die Algodystrophie jedoch als abgeklungen angesehen wurde (Bericht Prof. Dr. W. vom 13. Mai 2005), erfolgte dort eine stationäre Heilbehandlung vom 18. Mai bis 23. Juni 2005 wobei - im Ergebnis ohne Erfolg - unter Durchführung einer Physiotherapie, einer Gehschulung und eines Ausdauertrainings das Abtrainieren der Benutzung von Gehstöcken versucht wurde. Gemäß dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. W. vom 24. Juni 2005 waren beide oberen Sprunggelenke (OSG) frei beweglich. Über weitere Behandlungen wegen persistierender Beschwerden berichtete Prof. Dr. H. am 02. August, 06. September, 15. Oktober und 10. November 2005. Nach dem Bericht des Prof. Dr. W. vom 13. Februar 2006 ergab eine ambulante Untersuchung eine Beweglichkeit des OSG von rechts 20-0-40 und links 15-0-30, die Beweglichkeit der unteren Sprunggelenke (USG) war frei. Eine neurologische Konsiliaruntersuchung vom 27. Februar 2006 ergab die Verdachtsdiagnosen eines CRPS nach Innenknöchelfraktur links und einer Teilläsion des linken Nervus tibialis im Bereich des Tarsaltunnels (Befundbericht des Prof. Dr. W. vom 13. Juni 2006). Während einer weiteren stationären Behandlung vom 22. Februar bis 30. März 2006 wurde das Metall am linken Innenknöchel entfernt (Bericht Prof. Dr. W. und Dr. L. vom 3. April 2006).

Im ersten Rentengutachten vom 17. Mai 2006 gelangte Prof. Dr. H. zum Ergebnis, wesentliche Unfallfolgen seien eine knöchern konsolidierte Innenknöchelfraktur links, eine endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des linken OSG mit Dorsalflexion und Plantarextension, eine belastungsabhängige Schwellung im linken OSG-Bereich, Gangbildstörungen im Sinne eines Schonhinkens links, eine Sensibilitätsstörung vom Innenknöchel bis zum medialen Fußrand, (näher beschriebene) vom Kläger geschilderte Beschwerden und eine diskrete Umfangsvermehrung des rechten Oberschenkels. An unfallunabhängigen krankhaften Veränderungen bestünden eine Gonarthrose beidseits, ein degeneratives Bandscheibenleiden, ein Zustand nach Meniskusresektion am linken Knie und eine bekannte Schwerbehinderung mit einem GdB von 90 bei einer Funktionseinschränkung beider Knie- und Hüftgelenke, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizungen, einem hirnorganischen Psychosyndrom, einem Schulterarmsyndrom und einer Schwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus. Die Unfallfolgen bedingten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 v.H., auch bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten und insbesondere das diesem beigefügte Messblatt verwiesen.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab, da die Erwerbsfähigkeit nach dem Ende des Verletztengeldanspruches nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert sei. Als Unfallfolgen anerkannte sie hierbei "Links: Bewegungseinschränkung des Sprunggelenkes nach knöchern konsolidiertem Innenknöchelbruch. Sensibilitätsstörungen im Bereich des Innenknöchels bis zum inneren (medialen) Fußrand. Belastungsabhängige Schwellung im Bereich des oberen Sprunggelenkes. Gangbildstörung im Sinne eines Schonhinkens."

Den dagegen fristgerecht erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, die Zunahme seiner Beschwerden sei auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2006 zurück. Die Unfallfolgen bedingten lediglich eine MdE in Höhe von 10 v.H. Nach der maßgeblichen Rentenliteratur sei ein in guter Stellung unter Erhaltung der Knöchelgabel ohne bedeutsame Funktionseinbuße verheilter Knöchelbruch mit einer MdE von bis zu 10 v.H. auf Dauer zu bewerten und eine rentenberechtigende MdE um 20 v.H. nur gerechtfertigt, wenn beispielsW. eine vollständige Versteifung des OSG und USG vorliege. Auch unter Berücksichtigung der angegebenen Sensibilitätsstörungen sowie der belastungsabhängigen Schwellneigung sei in der Gesamtbetrachtung ein vergleichbar schwer wiegender Befund nicht verblieben. Die daneben bestehenden vielfältigen Beschwerden von Seiten des Bewegungsapparates seien nicht unfallbedingt.

Deswegen hat der Kläger am 24. November 2006 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und geltend gemacht, er sei mit der Einschätzung der bisherigen Gutachten nicht einverstanden. Er habe nach wie vor extreme Beschwerden und könne sich nur mit Gehilfen fortbewegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie auf die Literatur zur Bewertung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung verwiesen. Danach liege erst bei einer völligen Versteifung des OSG und USG eine MdE um 20 v.H. vor. Eine entsprechende Einschränkung bestehe beim Kläger nicht.

Gegen den am 24. Mai 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21. Juni 2007 Berufung eingelegt.

Der Senat hat Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat am 28. November 2007 über die Behandlungstermine berichtet und die erhobenen Befunde sowie die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen mitgeteilt. Gehen sei nur unter Hilfe einer Unterarmgehstütze möglich, allerdings mit Schmerzen und die Beweglichkeit im USG und OSG sei fast vollständig aufgehoben. Zusätzlich bestünden ein Taubheitsgefühl und eine Störung des Lageempfindens und einschießende Schmerzen im Bereich des Nervus tibialis sowie eine ausgeprägte Berührungsempfindlichkeit in diesem Bereich. Eine Gehstrecke ohne Schmerzen sei maximal 100 Meter, längere Strecken ohne Pausen seien ca. bis 500 Meter möglich. Der Kläger benutze eine Unterarmgehstütze, die er zur Entlastung des linken Beines benötige. Ohne Gehstütze sei nur Humpeln möglich. Die Abnutzung an der Gehstütze sei auch erkennbar.

Außerdem hat der Senat ein orthopädisch-traumatologisches Sachverständigengutachten des Dr. H. vom 05. Mai 2008 eingeholt. Er ist im wesentlichen zum Ergebnis geL.t, als Unfallfolgen bestünden ein Zustand nach Bruch des linken Innenknöchels, versorgt mit Osteosynthese bei zwischenzeitlicher Entfernung des Metalls sowie posttraumatisch ein CRPS bzw. eine Algodystrophie des linken Fußes. Unfallunabhängig leide der Kläger unter einer beginnenden Gonarthrose beidseits, einer Osteochondrosis dissecans des linken Femurcondylus im Kniegelenk, einem Lumbalsyndrom mit mäßigen degenerativen Veränderungen, einer Senk-Spreiz-fußbildung, einem plantaren Fersensporn rechts und einem Morbus Köhler am rechten Mittelfuß. Als Unfallfolge verblieben sei eine Bewegungseinschränkung des OSG, die am Untersuchungstag nach fußrückenwärts um 10 Grad gegenüber der Gegenseite und nach bodenwärts um 25 Grad gegenüber der Gegenseite nachweisbar gewesen sei. Das USG sei in der Bewegung wackelsteif und zusätzlich bestehe eine Fehlstatik durch Senk- und Spreizfüße links. Es habe sich lediglich eine geringfügige Umfangsvermehrung der Knöchelregion von 1,5 bis 2 cm gegenüber der unverletzten Gegenseite gezeigt. Weitere Anhaltspunkte für Blutumlaufstörungen hätten sich nicht ergeben, auch keine Ödembildung oder andersartige Zeichen von Folgen eines CRPS. Die Fraktur sei röntgenologisch fest abgeheilt. Es fänden sich auch röntgenologisch keine Folgen des CRPS. Die Unfallfolgen bedingten eine MdE um 10 v.H.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, er habe nach wie vor starke Schmerzen am Sprunggelenk und könne nicht längere Zeit stehen bzw. ohne Gehstützen gehen. Täglich nehme er Medikamente ein.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2006 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 20 v.H. ab 08. Februar 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuW.n.

Die von Dr. K. beschriebenen, nicht jedoch anhand von Messdaten belegten Befunde seien unter Berücksichtigung der von Prof. Dr. H. erhobenen Messwerte mit einer lediglich endgradigen Bewegungseinschränkung im Bereich des linken USG und OSG nicht nachzuvollziehen. Auch Prof. Dr. W. habe gemäß seinem Bericht vom 24. Juni 2005 am Vortag eine freie Beweglichkeit beider OSG festgestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakte erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 11. August 2004.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, der hier am 11. August 2004 eingetreten ist) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehnteL.er EntW.lung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles und auch ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE bzw. der Verletztenrente ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, soL.e die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).

Auf Grund der Unfallfolgen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente, denn eine unfallbedingte MdE um 20 v.H. liegt unter Zugrundelegung der o. g. Maßstäbe jedenfalls seit 8. Februar 2006 nicht vor.

Der Kläger hat nach dem DAB vom 11. August 2004 und dem weiteren Bericht vom 06. September 2004 von Prof. Dr. H. bei dem Unfall eine Thoraxprellung, eine Knieprellung rechts und eine Fraktur des Innenknöchels links erlitten. Diese Fraktur wurde am 23. August 2004 mit Schrauben- und Kirschnerdraht-Osteosynthese versorgt und das Metall ist schließlich am 06. März 2006 wieder entfernt worden. Posttraumatisch hat sich ein chronisches regionales Schmerzsyndrom bzw. eine Algodystrophie des linken Fußes entW.elt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats schlüssig aus dem Sachverständigengutachten des Dr. H. und auch den Ausführungen des Prof. Dr. H. im ersten Rentengutachten.

Die Thoraxprellung und die Knieprellung sind folgenlos ausgeheilt. Verblieben sind für die Zeit ab 8. Februar 2006 als Unfallfolgen bzw. unfallbedingte Funktionseinschränkungen noch die durch die Innenknöchelfraktur bedingten und insofern noch verbliebenen Beschwerden am linken Sprunggelenk, eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung sowie eine leichte Schwellneigung von Sprunggelenk und Fußwurzel links nach Innenknöchelbruch, Osteosynthese, Metallentfernung und CRPS. Dabei ist die Beweglichkeit des linken Sprunggelenks gegenüber dem rechten insofern eingeschränkt, als rechts eine Hebung um 20 Grad, links eine solche um 10 Grad sowie rechts eine Senkung des Fußes um 45 Grad und links eine Senkung um 20 Grad möglich ist (so die von Dr. H. erhobenen Messdaten). Dies ergibt eine Fußbeweglichkeit links von insgesamt 30 Grad. Eine entsprechende Beweglichkeit hat auch Prof. Dr. H. anlässlich der Untersuchung für sein Gutachten erhoben. Des weiteren bestanden bei einer Untersuchung vom 2. Februar 2006 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen gemäß dem Bericht von Prof. Dr. W. vom 13. Februar 2006 eine Beweglichkeit des OSG rechts von 20-0-40 und links von 15-0-30 sowie eine freie Beweglichkeit des USG.

Die beginnende Gonarthrose beidseits, eine Osteochondrosis dissecans des linken Femurkondylus im Kniegelenk, ein Lumbalsyndrom mit mäßigen degenerativen Veränderungen, eine Senk-Spreizfußbildung und ein plantarer Fersensporn rechts sowie ein Morbus Köhler am rechten Mittelfuß sind nicht Folge des angeschuldigten Arbeitsunfalles. Dies ergibt sich für den Senats schlüssig aus dem Sachverständigengutachten des Dr. H ... Diese Gesundheitsstörungen wirken sich zwar in erheblichem Maße auf die Gehfähigkeit aus, sind aber bei der Bemessung der unfallbedingten MdE nicht zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten unfallbedingten funktionellen Einschränkungen, die keine Versteifung des Sprunggelenks, sondern die beschriebene Restbeweglichkeit ergeben, und auch unter Einbeziehung der vom Kläger geklagten Beschwerden ergibt sich nach den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Dr. H., die insofern auch in Übereinstimmung stehen mit der Einschätzung von Prof. Dr. H. und auch der Literatur zur Bewertung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. Mehrhoff, Meindl, Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 170, Ricke in Kasseler Kommentar, § 56 RdNr. 77; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzlichen Unfallversicherung, Anh. 12, J 033; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 746), eine unfallbedingte MdE von höchsten 10 v.H. Dieser Bewertung der Gutachter folgt der Senat deshalb und schätzt die MdE auf 10 v.H ...

Auch unter Berücksichtigung der Aussage von Dr. K. als sachverständiger Zeuge ergibt sich keine höhere unfallbedingte MdE. Soweit er eine wesentlich stärkere Einschränkung des linken Sprunggelenkes angegeben hat, insbesondere eine fast vollständige Aufhebung der Beweglichkeit im USG und OSG, lässt sich dies auf Grund der Untersuchungsergebnisse von Prof. Dr. H. und Dr. H. nicht feststellen. Im Übrigen unterscheidet Dr. K. bei der Bewertung der Gehfähigkeit und der funktionellen Einschränkungen der unteren Extremitäten nicht zwischen den Folgen der Sprunggelenksverletzung, die der Kläger bei dem Unfall erlitten hat, und den unfallunabhängigen massiven Einschränkungen im Bereich der unteren Extremitäten, insbesondere der Kniegelenke, hinsichtlich derer bereits 2004 vor dem Unfall eine teilendoprothetische Versorgung empfohlen worden war, und den beschriebenen einschießenden Schmerzen im Bereich des Nervus tibialis. Der Senat sieht keine Veranlassung, von den Feststellungen des Dr. H. und des Prof. Dr. H. hinsichtlich bestehender funktioneller Einschränkungen, die unabhängig von einander die von ihnen in ihren Gutachten niedergelegten Bewegungsmaße erhoben haben, und von deren zutreffender Einschätzung der unfallbedingten MdE abzuweichen.

Unter Berücksichtigung dessen bedingen die Unfallfolgen des Klägers lediglich eine MdE um 10 v.H., die in Ermangelung eines Stützrenten-Tatbestandes (z. B. Vorliegen einer weiteren MdE um wenigstens 10 v.H. auf Grund eines anderen Arbeitsunfalles) einen Anspruch auf Verletztenrente nicht zu begründen vermag.

Da die Beklagte zu Recht die Gewährung von Verletztenrente abgelehnt hat und die Abweisung der Klage durch das SG nicht zu beanstanden ist, weist der Senat die Berufung des Klägers zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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