Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 7368/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3940/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige.
Die 1970 geborene Klägerin ist von Beruf Kinderkrankenschwester. Seit 1.8.1999 übt sie diesen Beruf selbstständig aus. Sie schließt dazu mit den Eltern kranker oder behinderter Kinder Pflegverträge, in denen sie sich verpflichtet, ambulante Intensiv-Behandlungspflege bei einem Kind in dem vereinbarten zeitlichen Umfang gegen eine bestimmte Vergütung zu erbringen.
Am 30.3.2000 beantragte sie bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als arbeitnehmerähnliche Selbstständige in Existenzgründung. Hierzu legte sie Verträge über freie Mitarbeit bei dem ambulanten Pflegedienst St. und die Pflege der Kinder R. G. sowie F. M. vor, wobei sie später ergänzend angab (Blatt 64 Verwaltungsakte -VA-), seit März 2001 ausschließlich F. M. zu betreuen.
Mit Bescheid vom 15.11.2001 und Widerspruchsbescheid vom 22.11.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 231 Abs. 6 SGB VI, wonach Personen, die am 31.12.1998 eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1-3 versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt hätten, sich unter bestimmten Voraussetzungen von der Versicherungspflicht befreien lassen könnten. Die Vorschrift beziehe sich nach ihrem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf selbstständig Tätige, die am 31.12.1998 in ihrer Tätigkeit der Versicherungspflicht unterlagen. Da die Klägerin im Monat Dezember 1998 keine versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe, sondern diese erst zum 1.8.1999 aufgenommen habe, sei eine Befreiung deshalb ausgeschlossen.
Die Klägerin beharrte in der Folge auf der Befreiung von der Versicherungspflicht. Es sei zwar korrekt, dass sie den Befreiungstatbestand des § 231 SGB VI nicht erfülle, sie müsse jedoch nach § 6 Abs. 1 a SGB VI zumindest auf drei Jahre von der Versicherungspflicht befreit werden können. Sie unterfalle als Kinderkrankenschwester zwar grundsätzlich § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, allerdings seien in ihrem Fall auch die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI spätestens seit März 2001, dem Zeitpunkt, von dem an sie lediglich noch einen Auftraggeber betreut habe, gegeben. Die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI sei nicht vorrangig gegenüber der Versicherungspflicht nach Nr. 9 dieser Vorschrift. Zwischen der Regelung in § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI und der unter Nr. 9 bestünden insoweit Unterschiede, weil unter Nr. 2 die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe erfasst werde, wohingegen die Nr. 9 auf den Umfang der selbstständigen Beschäftigung abstelle. Diese Konkurrenz könne nicht dadurch geregelt werden, dass die Nummern 1 bis 8 als Spezialregelungen anzusehen seien. Es gelte vielmehr der allgemeine Grundsatz, wonach die Regelung vorgehe, die im Einzelfall den günstigsten sozialen Schutz gewähre (Günstigkeitsprinzip - Hinweis auf Gürtner KassKomm § 2 SGB VI Rn 12 und 43).
Mit Bescheid vom 23.6.2004 (Blatt 80 VA) lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige ab. Die Befreiung sei nur möglich, wenn eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde, die unter § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI falle. Die Klägerin gehöre wegen ihrer Tätigkeit als Kinderkrankenschwester aber zu dem Personenkreis, für den Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bestehe. Diese Vorschrift sei vorrangig und schließe Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI aus.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch (Blatt 85 VA) verfolgte die Klägerin ihre Auffassung weiter. Liege Versicherungspflicht nach verschiedenen Tatbeständen des § 2 SGB VI vor, könne die Konkurrenz nicht so geregelt werden, dass die Nummern 1-8 als Spezialregelungen anzusehen seien. Nach Ansicht des Gesetzgebers gelte das Günstigkeitsprinzip. Dies habe zur Folge, dass die Nr. 9 des § 2 Satz 1 SGB VI als vorrangig anzusehen sei, da diese Vorschrift wenigstens eine dreijährige Befreiung ermögliche.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6.10.2004 (Blatt 93 VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, dass die Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI dann ausgeschlossen sei, wenn auf Grund der Tätigkeit bereits eine vorrangige Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1-8 bestehe. Die Einführung der Nr. 9 habe der Gesetzgeber damit begründet, dass diese Selbstständigen nicht weniger schutzbedürftig erschienen, als die bisher bereits von der Rentenversicherungspflicht erfassten Selbstständigen. Es sei aber nicht Sinn und Zweck dieser Regelung, selbstständig Tätige, deren soziale Schutzbedürftigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits anerkannt und durch besondere Regelungen ausgestaltet sei, durch Nr. 9 ggfls. erneut in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen.
Mit ihrer hiergegen am 4.11.2004 bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) eingegangenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren mit im Wesentlichen gleicher Begründung weiter. Die Auffassung der Beklagten führe zu unsinnigen Ergebnissen. Wer nicht unter die Nummern 1-8 des § 2 Satz 1 SGB VI falle, sei nach § 6 Abs. 1 a SGB VI auf Antrag von der Versicherungspflicht zu befreien, wer hingegen zu dem von § 2 Satz 1 Nr. 1-8 SGB VI umschriebenen Personenkreis gehöre, dürfe nicht entsprechend befreit werden. Diese unterschiedliche Behandlung sei nicht gerechtfertigt. Beide unterlägen den selben finanziellen Belastungen während der Startphase, die durch die Befreiungsmöglichkeiten nach § 6 Abs. 1 a SGB VI gerade abgemildert werden sollten.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der sonst allgemein gültige Grundsatz, wonach die Regelung vorgehe, die im Einzelfall den günstigsten sozialen Schutz gewähre, komme wegen der Entstehungsgeschichte der Norm hier nicht zur Anwendung. Der bisher versicherungspflichtige Personenkreis sei zum 1.1.1999 um die Gruppe der Selbstständigen mit nur einem Auftraggeber erweitert worden. Daraus ergebe sich, dass die Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nachrangig gegenüber der zuvor bereits bestehenden und auf der Ausübung einer bestimmten selbstständigen Tätigkeit beruhenden Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 1-8 sei.
Durch Urteil vom 28.6.2006 wies das SG die Klage ab. Es kam unter Berufung auf die Entscheidung des BSG vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/03 R - zu dem Ergebnis, der Befreiungstatbestand nach § 6 Abs. 1 a SGB VI könne nicht auf die nach § 2 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtige Klägerin angewendet werden. Wegen Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 7.7.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4.8.2006 Berufung eingelegt, mit der sie an ihrer Rechtsauffassung festhält. Es liege eine Ungleichbehandlung zwischen Existenzgründern, die sowohl die Tatbestände der Nrn. 1-8 als auch der Nr. 9 des Satzes 2 Satz 1 SGB VI erfüllten, und denjenigen, die lediglich die Nr. 9 der genannten Vorschrift erfüllten, vor, die sachlich nicht gerechtfertigt sei. Beide Existenzgründer hätten dieselben wirtschaftlichen und finanziellen Anlaufschwierigkeiten. Bei Beachtung des Günstigkeitsprinzips müsse der mündige Versicherungsnehmer selbst darüber entscheiden, ob er sich befreien lassen wolle oder nicht. Die Problematik sei vom Gesetzgeber nicht gesehen worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie ab dem 1. August 1999 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,
hilfsweise, sie ab dem 30. März 2000 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,
weiterhin hilfsweise, sie ab dem 1. März 2001 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,
höchst hilfsweise, sie ab dem 12. Juli 2001 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat ihre Rechtsauffassung wiederholt.
Beide Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig, insbesondere statthaft. Berufungsausschlussgründe nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG liegen nicht vor. Der Rechtsstreit geht nicht um Geld- oder Sachleistungen, sondern um einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte mit dem hier allein streitigen Bescheid vom 23.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.10. 2004 es abgelehnt, die Klägerin von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zu befreien. Sie hat darauf keinen Anspruch, weil sie kraft Gesetzes versicherungspflichtig ist. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Gem. § 2 Satz 1 SGB VI sind versicherungspflichtig selbstständig tätige
1. Lehrer und Erzieher 2. Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings-, oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, 3. Hebammen und Entbindungspfleger 4. Seelotsen 5. Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes, 6. Hausgewerbetreibende, 7. Küstenschiffer und Küstenfischer 8. Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und 9. Personen, die a.) im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten und b.) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
10. Personen für die Dauer des Bezugs eines Zuschusses nach § 421 l SGB III oder Nach Satz 1 Nr. 1-9 ist nicht versicherungspflichtig, wer in dieser Tätigkeit nach Satz 1 Nr. 10 versicherungspflichtig ist. Nach Satz 1 Nr. 10 ist nicht versicherungspflichtig, wer mit der Tätigkeit, für die ein Zuschuss nach § 421 l SGB III gezahlt wird, die Voraussetzungen für die Versicherung nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte erfüllt.
Gem. § 6 Abs. 1 a SGB VI werden Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig sind, von der Versicherungspflicht befreit 1.) für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Abs. 1 Nr. 9 erfüllt. 2.) Nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbstständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Die Vorschrift sieht somit eine vorübergehende Befreiungsmöglichkeit der betreffenden Selbstständigen in der Existenzgründungsphase (Nr. 1) und daneben eine endgültige Befreiungsmöglichkeit für versicherungspflichtige ältere Selbstständige (Nr. 2) vor. Sie berücksichtigt, dass viele Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden, noch während der Existenzgründungsphase aus der Versicherungspflicht herauswachsen, weil sie im entsprechenden Umfang Arbeitnehmer beschäftigen, bzw. nicht mehr nur für einen Auftraggeber tätig sind und ermöglicht damit, die finanziellen Mittel auf den Aufbau des Betriebes zu konzentrieren. Die in dem Befreiungsrecht angelegte Wahlmöglichkeit erlaubt dem Selbstständigen seine Entscheidung nach individueller Einschätzung der Entwicklung der selbstständigen Tätigkeit und unter Berücksichtigung etwaiger in der Rentenversicherung bereits erworbener Rechtspositionen zu treffen (Gürtner in KassKomm § 6 SGB VI Rn 20b sowie BT-Drucks. 14/1855 S. 9 zu Art. 2 zu Nr. 2).
Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass die Klägerin bei Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 1.8.1999 sowohl die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI als auch diejenigen von Nr. 9 a und seit dem März 2001 auch die der Nr. 9 b des § 2 Satz 1 SGB VI erfüllt. Als gelernte Kinderkrankenschwester übte die Klägerin eine selbstständige Tätigkeit im Bereich der Kinderpflege aus (§ 2 Satz 1 Nr. 2), sie beschäftigte aber auch im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer und war jedenfalls seit März 2001 mit der Pflege lediglich des Kindes F. M. nur für einen Auftraggeber tätig. Während für eine selbstständige Tätigkeit als Pflegeperson in der Kinderpflege eine Befreiung von der Versicherungspflicht gesetzlich nicht möglich ist, können Selbstständige, die die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erfüllen, sich nach § 6 Abs. 1 a SGB VI zumindest für den Zeitraum von drei Jahren nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreien lassen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt hier keine offene Rechtsfrage vor, vielmehr hat das Bundessozialgericht bereits eine klare Entscheidung zu der Frage getroffen, wie die doppelte Erfüllung von in § 2 Satz 1 SGB VI aufgeführten Voraussetzungen, insbesondere die gleichzeitige Erfüllung einer der Nrn. 1-8 neben der Nr. 9 dieser Vorschrift, sich auf die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 a SGB VI auswirkt. Das BSG (Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/03 R) hat aus dem Gesamtkontext der Regelung abgeleitet, dass die zum 1.1.1999 in Kraft getretene Neuregelung nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI Grundlage und Bestand der bereits nach § 2 Satz 1 Nr. 1-8 SGB VI begründeten Versicherungsverhältnisse unangetastet lässt. Die Norm verzichtet aber auch darauf, hinsichtlich erst nach dem 31.12.1998 eintretender Sachverhalte in Konkurrenz zu Normen zu treten, die insofern schon bisher zur Versicherungspflicht geführt haben. Das BSG hat dies aus dem Umstand abgeleitet, dass das SGB VI - anders als etwa § 5 Abs. 6 SGB V - auf Regelungen zum Verhältnis gleichzeitig erfüllter Versicherungstatbestände verzichtet, obwohl erkennbar naheliegt, dass auch solche Selbstständige die Voraussetzungen der neuen Versicherungspflicht erfüllen, die bereits nach § 2 Satz 1 Nr. 1-8 SGB VI versicherungspflichtig sind. Auch gebietet es das begrenzte Ziel des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, der gesetzlichen Rentenversicherung eine neue Gruppe von Versicherungspflichtigen zu erschließen, den Anwendungsbereich der Norm auf bei ihrem Inkrafttreten noch nicht Versicherungspflicht begründende Sachverhalte zu begrenzen. Eine partielle Neubegründung bereits vorbestehender Systemzugehörigkeiten im Wege des Paradigmenwechsels von einer durch Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe (nach Nr. 1-8) zu einer durch Erfüllung typischer Tätigkeitsmerkmale (wie bei Nr. 9) begründeten Versicherungspflicht ist nach Auffassung des BSG hiervon gerade nicht umfasst. Mangels Deckungsgleichheit der Regelungsgegenstände findet die lex-posterior-Regel keine Anwendung. Probleme der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu den von § 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 9 SGB VI angeführten Personengruppen existierten damit schon einfach gesetzlich nicht und stünden deshalb von vornherein nicht zu einer verfassungsrechtlichen Lösung an. Ein Problem der sogenannten Versicherungskonkurrenz, d. h. der gleichzeitigen Erfüllung mehrerer Rentenversicherungstatbestände für ein und dieselbe Tätigkeit, ist nach der Auffassung des BSG (BSG a.a.O.) damit nicht gegeben. Da die Klägerin eindeutig und unstreitig die Voraussetzungen von § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI als in der Kinderpflege selbstständige Pflegeperson erfüllt, kann dies wegen der Vorrangigkeit dieser Versicherungspflicht, nicht zu einer Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 führen (so ausdrücklich BSG a.a.O.). Damit scheidet auch eine Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1 a SGB VI aus (siehe zu allem BSG Urt. v. 23.11.2005 - B 12 RA 5/03 R, bestätigt durch Urteil vom 5.7.2006 - B 12 RA 4/05 R sowie BSG vom 27. 9. 2007 - B 12 R 12/06 R -).
Nach dieser höchstrichterlichen Rechtssauffassung hat die Klägerin somit keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Es kann in diesem Zusammenhang deshalb dahingestellt bleiben, wann die Klägerin erstmals einen wirksamen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt hat und zu welchem Zeitpunkt erstmals die Voraussetzungen von § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI vollständig erfüllt waren (bereits bei Berufsaufnahme am 1.8.1999 oder erst mit Beschränkung der Tätigkeit auf die Pflege nur des Kindes F. M.) und ab wann ggfs die dreijährige Befreiung beginnen würde. Offen bleiben kann aus dem gleichen Grund auch die Frage, ob die Klägerin in der Zeit vom 1.6.2000 bis 30. 4. 2001 wegen ihrer Tätigkeit für den ambulanten Pflegedienst St. überhaupt selbstständig oder in Wirklichkeit als Arbeitnehmerin und damit schon nach allgemeinen Grundsätzen sozialversicherungspflichtig tätig war (vgl. dazu Blatt 49 VA). Nicht Streitgegenstand, weil in den angefochtenen Bescheiden nicht geregelt, ist die schriftsätzlich mehrfach aufgeworfene Frage, in welcher Höhe die Klägerin als selbstständig tätige Pflegeperson Beiträge zu entrichten hat. Schließlich steht zwischen den Beteiligten durch den Bescheid vom 15.11.2001 und den Widerspruchsbescheid vom 22.11.2004 bindend fest, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI nicht vorgelegen haben, weil die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit erst im August 1999 und damit nach dem nach dieser Vorschrift maßgeblichen Zeitraum des Dezember 1998 aufgenommen hatte.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die hier streitige Rechtsfrage ist durch die Entscheidung des BSG vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/03 R geklärt.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige.
Die 1970 geborene Klägerin ist von Beruf Kinderkrankenschwester. Seit 1.8.1999 übt sie diesen Beruf selbstständig aus. Sie schließt dazu mit den Eltern kranker oder behinderter Kinder Pflegverträge, in denen sie sich verpflichtet, ambulante Intensiv-Behandlungspflege bei einem Kind in dem vereinbarten zeitlichen Umfang gegen eine bestimmte Vergütung zu erbringen.
Am 30.3.2000 beantragte sie bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als arbeitnehmerähnliche Selbstständige in Existenzgründung. Hierzu legte sie Verträge über freie Mitarbeit bei dem ambulanten Pflegedienst St. und die Pflege der Kinder R. G. sowie F. M. vor, wobei sie später ergänzend angab (Blatt 64 Verwaltungsakte -VA-), seit März 2001 ausschließlich F. M. zu betreuen.
Mit Bescheid vom 15.11.2001 und Widerspruchsbescheid vom 22.11.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 231 Abs. 6 SGB VI, wonach Personen, die am 31.12.1998 eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1-3 versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt hätten, sich unter bestimmten Voraussetzungen von der Versicherungspflicht befreien lassen könnten. Die Vorschrift beziehe sich nach ihrem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf selbstständig Tätige, die am 31.12.1998 in ihrer Tätigkeit der Versicherungspflicht unterlagen. Da die Klägerin im Monat Dezember 1998 keine versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe, sondern diese erst zum 1.8.1999 aufgenommen habe, sei eine Befreiung deshalb ausgeschlossen.
Die Klägerin beharrte in der Folge auf der Befreiung von der Versicherungspflicht. Es sei zwar korrekt, dass sie den Befreiungstatbestand des § 231 SGB VI nicht erfülle, sie müsse jedoch nach § 6 Abs. 1 a SGB VI zumindest auf drei Jahre von der Versicherungspflicht befreit werden können. Sie unterfalle als Kinderkrankenschwester zwar grundsätzlich § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, allerdings seien in ihrem Fall auch die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI spätestens seit März 2001, dem Zeitpunkt, von dem an sie lediglich noch einen Auftraggeber betreut habe, gegeben. Die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI sei nicht vorrangig gegenüber der Versicherungspflicht nach Nr. 9 dieser Vorschrift. Zwischen der Regelung in § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI und der unter Nr. 9 bestünden insoweit Unterschiede, weil unter Nr. 2 die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe erfasst werde, wohingegen die Nr. 9 auf den Umfang der selbstständigen Beschäftigung abstelle. Diese Konkurrenz könne nicht dadurch geregelt werden, dass die Nummern 1 bis 8 als Spezialregelungen anzusehen seien. Es gelte vielmehr der allgemeine Grundsatz, wonach die Regelung vorgehe, die im Einzelfall den günstigsten sozialen Schutz gewähre (Günstigkeitsprinzip - Hinweis auf Gürtner KassKomm § 2 SGB VI Rn 12 und 43).
Mit Bescheid vom 23.6.2004 (Blatt 80 VA) lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige ab. Die Befreiung sei nur möglich, wenn eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde, die unter § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI falle. Die Klägerin gehöre wegen ihrer Tätigkeit als Kinderkrankenschwester aber zu dem Personenkreis, für den Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bestehe. Diese Vorschrift sei vorrangig und schließe Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI aus.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch (Blatt 85 VA) verfolgte die Klägerin ihre Auffassung weiter. Liege Versicherungspflicht nach verschiedenen Tatbeständen des § 2 SGB VI vor, könne die Konkurrenz nicht so geregelt werden, dass die Nummern 1-8 als Spezialregelungen anzusehen seien. Nach Ansicht des Gesetzgebers gelte das Günstigkeitsprinzip. Dies habe zur Folge, dass die Nr. 9 des § 2 Satz 1 SGB VI als vorrangig anzusehen sei, da diese Vorschrift wenigstens eine dreijährige Befreiung ermögliche.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6.10.2004 (Blatt 93 VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, dass die Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI dann ausgeschlossen sei, wenn auf Grund der Tätigkeit bereits eine vorrangige Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1-8 bestehe. Die Einführung der Nr. 9 habe der Gesetzgeber damit begründet, dass diese Selbstständigen nicht weniger schutzbedürftig erschienen, als die bisher bereits von der Rentenversicherungspflicht erfassten Selbstständigen. Es sei aber nicht Sinn und Zweck dieser Regelung, selbstständig Tätige, deren soziale Schutzbedürftigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits anerkannt und durch besondere Regelungen ausgestaltet sei, durch Nr. 9 ggfls. erneut in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen.
Mit ihrer hiergegen am 4.11.2004 bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) eingegangenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren mit im Wesentlichen gleicher Begründung weiter. Die Auffassung der Beklagten führe zu unsinnigen Ergebnissen. Wer nicht unter die Nummern 1-8 des § 2 Satz 1 SGB VI falle, sei nach § 6 Abs. 1 a SGB VI auf Antrag von der Versicherungspflicht zu befreien, wer hingegen zu dem von § 2 Satz 1 Nr. 1-8 SGB VI umschriebenen Personenkreis gehöre, dürfe nicht entsprechend befreit werden. Diese unterschiedliche Behandlung sei nicht gerechtfertigt. Beide unterlägen den selben finanziellen Belastungen während der Startphase, die durch die Befreiungsmöglichkeiten nach § 6 Abs. 1 a SGB VI gerade abgemildert werden sollten.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der sonst allgemein gültige Grundsatz, wonach die Regelung vorgehe, die im Einzelfall den günstigsten sozialen Schutz gewähre, komme wegen der Entstehungsgeschichte der Norm hier nicht zur Anwendung. Der bisher versicherungspflichtige Personenkreis sei zum 1.1.1999 um die Gruppe der Selbstständigen mit nur einem Auftraggeber erweitert worden. Daraus ergebe sich, dass die Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nachrangig gegenüber der zuvor bereits bestehenden und auf der Ausübung einer bestimmten selbstständigen Tätigkeit beruhenden Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 1-8 sei.
Durch Urteil vom 28.6.2006 wies das SG die Klage ab. Es kam unter Berufung auf die Entscheidung des BSG vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/03 R - zu dem Ergebnis, der Befreiungstatbestand nach § 6 Abs. 1 a SGB VI könne nicht auf die nach § 2 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtige Klägerin angewendet werden. Wegen Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 7.7.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4.8.2006 Berufung eingelegt, mit der sie an ihrer Rechtsauffassung festhält. Es liege eine Ungleichbehandlung zwischen Existenzgründern, die sowohl die Tatbestände der Nrn. 1-8 als auch der Nr. 9 des Satzes 2 Satz 1 SGB VI erfüllten, und denjenigen, die lediglich die Nr. 9 der genannten Vorschrift erfüllten, vor, die sachlich nicht gerechtfertigt sei. Beide Existenzgründer hätten dieselben wirtschaftlichen und finanziellen Anlaufschwierigkeiten. Bei Beachtung des Günstigkeitsprinzips müsse der mündige Versicherungsnehmer selbst darüber entscheiden, ob er sich befreien lassen wolle oder nicht. Die Problematik sei vom Gesetzgeber nicht gesehen worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie ab dem 1. August 1999 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,
hilfsweise, sie ab dem 30. März 2000 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,
weiterhin hilfsweise, sie ab dem 1. März 2001 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,
höchst hilfsweise, sie ab dem 12. Juli 2001 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat ihre Rechtsauffassung wiederholt.
Beide Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig, insbesondere statthaft. Berufungsausschlussgründe nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG liegen nicht vor. Der Rechtsstreit geht nicht um Geld- oder Sachleistungen, sondern um einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte mit dem hier allein streitigen Bescheid vom 23.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.10. 2004 es abgelehnt, die Klägerin von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zu befreien. Sie hat darauf keinen Anspruch, weil sie kraft Gesetzes versicherungspflichtig ist. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Gem. § 2 Satz 1 SGB VI sind versicherungspflichtig selbstständig tätige
1. Lehrer und Erzieher 2. Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings-, oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, 3. Hebammen und Entbindungspfleger 4. Seelotsen 5. Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes, 6. Hausgewerbetreibende, 7. Küstenschiffer und Küstenfischer 8. Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und 9. Personen, die a.) im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten und b.) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
10. Personen für die Dauer des Bezugs eines Zuschusses nach § 421 l SGB III oder Nach Satz 1 Nr. 1-9 ist nicht versicherungspflichtig, wer in dieser Tätigkeit nach Satz 1 Nr. 10 versicherungspflichtig ist. Nach Satz 1 Nr. 10 ist nicht versicherungspflichtig, wer mit der Tätigkeit, für die ein Zuschuss nach § 421 l SGB III gezahlt wird, die Voraussetzungen für die Versicherung nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte erfüllt.
Gem. § 6 Abs. 1 a SGB VI werden Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig sind, von der Versicherungspflicht befreit 1.) für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Abs. 1 Nr. 9 erfüllt. 2.) Nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbstständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Die Vorschrift sieht somit eine vorübergehende Befreiungsmöglichkeit der betreffenden Selbstständigen in der Existenzgründungsphase (Nr. 1) und daneben eine endgültige Befreiungsmöglichkeit für versicherungspflichtige ältere Selbstständige (Nr. 2) vor. Sie berücksichtigt, dass viele Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden, noch während der Existenzgründungsphase aus der Versicherungspflicht herauswachsen, weil sie im entsprechenden Umfang Arbeitnehmer beschäftigen, bzw. nicht mehr nur für einen Auftraggeber tätig sind und ermöglicht damit, die finanziellen Mittel auf den Aufbau des Betriebes zu konzentrieren. Die in dem Befreiungsrecht angelegte Wahlmöglichkeit erlaubt dem Selbstständigen seine Entscheidung nach individueller Einschätzung der Entwicklung der selbstständigen Tätigkeit und unter Berücksichtigung etwaiger in der Rentenversicherung bereits erworbener Rechtspositionen zu treffen (Gürtner in KassKomm § 6 SGB VI Rn 20b sowie BT-Drucks. 14/1855 S. 9 zu Art. 2 zu Nr. 2).
Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass die Klägerin bei Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 1.8.1999 sowohl die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI als auch diejenigen von Nr. 9 a und seit dem März 2001 auch die der Nr. 9 b des § 2 Satz 1 SGB VI erfüllt. Als gelernte Kinderkrankenschwester übte die Klägerin eine selbstständige Tätigkeit im Bereich der Kinderpflege aus (§ 2 Satz 1 Nr. 2), sie beschäftigte aber auch im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer und war jedenfalls seit März 2001 mit der Pflege lediglich des Kindes F. M. nur für einen Auftraggeber tätig. Während für eine selbstständige Tätigkeit als Pflegeperson in der Kinderpflege eine Befreiung von der Versicherungspflicht gesetzlich nicht möglich ist, können Selbstständige, die die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erfüllen, sich nach § 6 Abs. 1 a SGB VI zumindest für den Zeitraum von drei Jahren nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreien lassen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt hier keine offene Rechtsfrage vor, vielmehr hat das Bundessozialgericht bereits eine klare Entscheidung zu der Frage getroffen, wie die doppelte Erfüllung von in § 2 Satz 1 SGB VI aufgeführten Voraussetzungen, insbesondere die gleichzeitige Erfüllung einer der Nrn. 1-8 neben der Nr. 9 dieser Vorschrift, sich auf die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 a SGB VI auswirkt. Das BSG (Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/03 R) hat aus dem Gesamtkontext der Regelung abgeleitet, dass die zum 1.1.1999 in Kraft getretene Neuregelung nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI Grundlage und Bestand der bereits nach § 2 Satz 1 Nr. 1-8 SGB VI begründeten Versicherungsverhältnisse unangetastet lässt. Die Norm verzichtet aber auch darauf, hinsichtlich erst nach dem 31.12.1998 eintretender Sachverhalte in Konkurrenz zu Normen zu treten, die insofern schon bisher zur Versicherungspflicht geführt haben. Das BSG hat dies aus dem Umstand abgeleitet, dass das SGB VI - anders als etwa § 5 Abs. 6 SGB V - auf Regelungen zum Verhältnis gleichzeitig erfüllter Versicherungstatbestände verzichtet, obwohl erkennbar naheliegt, dass auch solche Selbstständige die Voraussetzungen der neuen Versicherungspflicht erfüllen, die bereits nach § 2 Satz 1 Nr. 1-8 SGB VI versicherungspflichtig sind. Auch gebietet es das begrenzte Ziel des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, der gesetzlichen Rentenversicherung eine neue Gruppe von Versicherungspflichtigen zu erschließen, den Anwendungsbereich der Norm auf bei ihrem Inkrafttreten noch nicht Versicherungspflicht begründende Sachverhalte zu begrenzen. Eine partielle Neubegründung bereits vorbestehender Systemzugehörigkeiten im Wege des Paradigmenwechsels von einer durch Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe (nach Nr. 1-8) zu einer durch Erfüllung typischer Tätigkeitsmerkmale (wie bei Nr. 9) begründeten Versicherungspflicht ist nach Auffassung des BSG hiervon gerade nicht umfasst. Mangels Deckungsgleichheit der Regelungsgegenstände findet die lex-posterior-Regel keine Anwendung. Probleme der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu den von § 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 9 SGB VI angeführten Personengruppen existierten damit schon einfach gesetzlich nicht und stünden deshalb von vornherein nicht zu einer verfassungsrechtlichen Lösung an. Ein Problem der sogenannten Versicherungskonkurrenz, d. h. der gleichzeitigen Erfüllung mehrerer Rentenversicherungstatbestände für ein und dieselbe Tätigkeit, ist nach der Auffassung des BSG (BSG a.a.O.) damit nicht gegeben. Da die Klägerin eindeutig und unstreitig die Voraussetzungen von § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI als in der Kinderpflege selbstständige Pflegeperson erfüllt, kann dies wegen der Vorrangigkeit dieser Versicherungspflicht, nicht zu einer Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 führen (so ausdrücklich BSG a.a.O.). Damit scheidet auch eine Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1 a SGB VI aus (siehe zu allem BSG Urt. v. 23.11.2005 - B 12 RA 5/03 R, bestätigt durch Urteil vom 5.7.2006 - B 12 RA 4/05 R sowie BSG vom 27. 9. 2007 - B 12 R 12/06 R -).
Nach dieser höchstrichterlichen Rechtssauffassung hat die Klägerin somit keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Es kann in diesem Zusammenhang deshalb dahingestellt bleiben, wann die Klägerin erstmals einen wirksamen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt hat und zu welchem Zeitpunkt erstmals die Voraussetzungen von § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI vollständig erfüllt waren (bereits bei Berufsaufnahme am 1.8.1999 oder erst mit Beschränkung der Tätigkeit auf die Pflege nur des Kindes F. M.) und ab wann ggfs die dreijährige Befreiung beginnen würde. Offen bleiben kann aus dem gleichen Grund auch die Frage, ob die Klägerin in der Zeit vom 1.6.2000 bis 30. 4. 2001 wegen ihrer Tätigkeit für den ambulanten Pflegedienst St. überhaupt selbstständig oder in Wirklichkeit als Arbeitnehmerin und damit schon nach allgemeinen Grundsätzen sozialversicherungspflichtig tätig war (vgl. dazu Blatt 49 VA). Nicht Streitgegenstand, weil in den angefochtenen Bescheiden nicht geregelt, ist die schriftsätzlich mehrfach aufgeworfene Frage, in welcher Höhe die Klägerin als selbstständig tätige Pflegeperson Beiträge zu entrichten hat. Schließlich steht zwischen den Beteiligten durch den Bescheid vom 15.11.2001 und den Widerspruchsbescheid vom 22.11.2004 bindend fest, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI nicht vorgelegen haben, weil die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit erst im August 1999 und damit nach dem nach dieser Vorschrift maßgeblichen Zeitraum des Dezember 1998 aufgenommen hatte.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die hier streitige Rechtsfrage ist durch die Entscheidung des BSG vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/03 R geklärt.
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