L 1 U 4549/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3234/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4549/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch der Klägerin auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 25. April 2000.

Die 1943 geborene Klägerin war als Objektleiterin einer Gebäudereinigungsfirma tätig. Am 25. April 2000 ist sie beim Herabgehen von einer Treppe gestolpert bzw. abgerutscht und gestürzt. Das rechte Bein knickte um und die Klägerin schlug mit der Innenseite des Knies an der Treppenkante an. Sie erlitt eine Innenbandteilruptur rechts sowie ein flächiges Hämatom am rechten Kniegelenk innenseitig (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 24. Januar 2001; Durchgangsarztbericht Prof. Dr. D. vom 25. April 2000). Eine diagnostische Arthroskopie lehnte die Klägerin zunächst aus privaten Gründen ab, so dass eine Ruhigstellung mit Schiene verordnet wurde. Noch am Nachmittag des Unfalltags stellte sich die Klägerin beim Orthopäden Dr. K. vor. Dieser berichtete unter dem 25. April 2000 über ein Rotationstrauma des rechten Kniegelenks.

Am 3. Mai 2000 führte Dr. K. eine Arthroskopie am rechten Kniegelenk durch. Darin wird lediglich eine hintere Hornruptur des Innenmeniskus und eine Flake fracture Grad II des medialen Condylus beschrieben. Er führte eine Knorpelglättung durch. Eine Histologie wurde nicht veranlasst.

Unter dem 7. Juni 2000 berichtete der Arzt für Chirurgie Dr. D., dass offenbar ein Zustand nach Arthroskopie des rechten Kniegelenks nach Arbeitsunfall bestehe. Die Klägerin klage über erheblichen Dauerschmerz seit der Arthroskopie. Es bestehe eine leichte Rötung, kein Erguss, die passive Beweglichkeit sei unter Schmerzen möglich. Röntgenlogisch habe sich kein auffälliger Befund ergeben. Im Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 28. Juni 2000 wurde eine Kontusion des rechten Kniegelenks bei unfallunabhängiger medialer Gonarthrose diagnostiziert.

Die Klägerin teilte der Bau-Berufsgenossenschaft H., eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (künftig: die Beklagte) im Schreiben vom 11. September 2000 mit, sie habe vor dem Unfall kleinere Probleme mit dem Knie gehabt, auch nach dem Unfall, habe aber nach ärztlicher Versorgung laufen können. Erst seit der Operation Anfang Mai hätten die starken Beschwerden angefangen. Bis heute habe sie Schmerzen und könne kaum laufen.

Im Auftrag der Beklagten erstellte Prof. Dr. D. das unfallchirurgische Gutachten vom 20. Oktober 2000. Dieser führte aus, unfallbedingt habe eine Prellung am rechten Kniegelenk vorgelegen. Eine Distorsion des rechten Kniegelenks mit Beteiligung des Innenbandes könne nicht sicher ausgeschlossen werden, auch wenn die kernspintomographischen Sequenzen zwei Monate nach dem Unfallereignis keine pathologischen Merkmale erkennen ließen. Im ungünstigen Fall sei davon auszugehen, dass durch eine solche Distorsion eine 4-wöchige Arbeitsunfähigkeit entstehe, danach seien die Folgen einer solchen Verletzung ausgeheilt. Die im Rahmen der Arthroskopie vom 3. Mai 2000 festgestellten Meniskusveränderungen und Knorpelschäden an der medialen Femurcondyle könnten nicht dem Unfallereignis angelastet werden, da nachweislich schon am Unfalltag eine deutliche Arthrose des rechten Kniegelenks mit Verschmälerung des Gelenkspalts bestanden habe. Auch sei der Unfallmechanismus (Rotationstrauma ohne Einklemmung des Fußes und ohne begleitende Bandverletzung) nicht geeignet, eine isolierten Schaden des Innenmeniskushinterhorns zu verursachen. Eine Bandverletzung sei nicht nachgewiesen worden. Weitere Behandlungsmaßnahmen wegen der Unfallfolgen seien nicht mehr erforderlich.

Mit Bescheid vom 15. Februar 2001 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab 3. Mai 2000, die Gewährung einer Verletztenrente sowie Heilbehandlung und Verletztengeld ab. Die Folgen des Arbeitsunfalls vom 25. April 2000 seien ohne Folgen ausgeheilt. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren beauftragte die Beklagte Prof. Dr. W., berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T., mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 14. Januar 2002, erstellt mit Oberarzt Dr. V., führte er aus, es sei unzweifelhaft, dass sich die Klägerin eine die Innenseite betreffende Prellung des rechten Kniegelenks zugezogen habe, wobei bei der Erstuntersuchung sonographisch auch eine Teilruptur des Innenbandes festgestellt worden sei. Der Wertung von Prof. Dr. D. könne nur teilweise gefolgt werden. Zweifelsohne bestünden bei der Klägerin degenerative Veränderungen an der Innenseite beider Kniegelenke, wobei auf der Röntgenaufnahme vom Unfalltag eine leichte Gelenkspaltverschmälerung zu erkennen gewesen sei. Diese habe jedoch zwischenzeitlich sichtbar zugenommen. Auch sei in dem 6 Wochen nach dem Unfall durchgeführten Kernspintomogramm ein Knochenmarksödem erkennbar gewesen, das doch auf eine erhebliche Kontusion hinweise. Eine Knochen-Knorpelläsion in diesem Bereich spreche nach Auffassung der Radiologen eher für einen posttraumatischen Zustand als für eine degenerativ bedingte Veränderung. Es sei daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es im Rahmen der Prellung zu einer Knorpelkontusion gekommen sei, welche zu einer schubweisen Verschlimmerung einer vorbestehenden mäßiggradigen medialen Gonarthrose geführt habe. Die im Hinterhornbereich des Innenmeniskus festgestellten Veränderungen seien dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unfallbedingt. Als Unfallfolgen bestünde eine Zunahme der vorbestehenden medialen Kniegelenksarthrose rechts nach Kniegelenkskontusion mit hierdurch hervorgerufenen subjektiven Beschwerden. Die MdE belaufe sich nach einer Arbeitsunfähigkeit von 6 bis 8 Wochen auf 20 v.H. für 6 Monate, dann auf 10 v.H. Der um Stellungnahme gebetene Beratungsarzt Dr. L. führte unter dem 26. Februar 2002 aus, die Klägerin habe zwar eine kräftige Prellung der Oberschenkelrolle bei ihrem Sturz erlitten. Allerdings sei im Rahmen der am 3. Mai 2000 durchgeführten Knorpelglättung ebenfalls im weitesten Sinne eine posttraumatische Verletzung des Kniegelenks erfolgt, wodurch sich auch die Ödembildung erklären lasse. Darüber hinaus könne er die von Prof. Dr. W. / OA Dr. V. gemessene Minderung der Gelenkspaltweite nicht nachvollziehen. Er schließe sich daher der Auffassung von Prof. Dr. D. an. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2002 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 11. Juli 2002 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. P. hat unter dem 20. Januar 2003 Stellung genommen, Dr. D., Facharzt für Chirurgie, unter dem 27. Januar 2003, die Ärzte für Allgemeinmedizin R. unter dem 29. Januar 2003, die Fachärztin für Orthopädie Dr. B. unter dem 21. Februar 2003, der Facharzt für Orthopädie Dr. B. unter dem 30. April 2003. Dr. B. führte aus, die Klägerin hinsichtlich des Kniegelenks nur einmalig am 8. November 1999 wegen Beschwerden im rechten Kniegelenk behandelt zu haben. Er habe eine beginnende Gonarthrose retropatellar und medial betont mit medialem Reizzustand diagnostiziert. Am 1. Oktober 2003 hat das SG einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf den Inhalt der Niederschrift wird verwiesen.

Im Auftrag des SG erstellte Leitender Oberarzt Dr. S., Orthopädische Klinik der Klinik am E., das Gutachten vom 23. Januar 2005. Dieser diagnostizierte eine posttraumatische, medial betonte Gonarthrose rechts mit großer Baker-Zyste, chronische Synovialitis und Bewegungseinschränkung, minimal beginnende Gonarthrose links, beginnender Hallux valgus beidseits, Spondylose in der Lendenwirbelsäule, Zustand nach Bandscheibenoperation L 5/S 1 1980 und eine minimale Beinverkürzung rechts. Die am rechten Knie bestehenden Veränderungen seien wesentlich auf den Unfall zurückzuführen. Insbesondere wäre die Klägerin ohne den Unfall nicht am 3. Mai 2000 operiert worden, die dabei durchgeführte Knorpelglättung hätte nicht zu einem Knorpeldefekt geführt, der wiederum nicht das Fortschreiten der vorhandenen minimalen Arthrose wesentlich beschleunigt hätte. Das schnelle Fortschreiten der Gonarthrose spreche auch gegen eine schicksalsmäßige Weiterentwicklung, gleiches gelte für den mit 1999 noch immer vergleichbaren Zustand der Gonarthrose links. Die MdE belaufe sich auf 20 v.H. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. L. vom 25. April 2005 vorgelegt, der weitere Ermittlungen angeregt hat, insbesondere noch Unterlagen von Dr. K. beizuziehen. Nachdem dies wegen unbekannten Aufenthalts des Arztes nicht gelungen war, hat die Beklagte die weitere Stellungnahme des Dr. L. vom 9. Dezember 2006 mit fachradiologischem Gutachten vom 22. November 2006 vorgelegt.

Mit Urteil vom 18. Juli 2007 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu zahlen und entsprechende Heilbehandlung zu gewähren. Zur Begründung hat das SG u.a. ausgeführt, auch die Folgen der offenbar missglückten Heilbehandlung durch Dr. K. seien als mittelbare Unfallfolgen von der Beklagten zu entschädigen. Die MdE in Höhe von 20 v.H. sei als vorläufige Rente aufgrund eines leicht großzügigeren Maßstabs geschätzt worden.

Gegen das ihr am 28. August 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. September 2007 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, es sei nach Auffassung von Dr. L. nicht zu dem von Dr. S. angenommenen traumatischen Knorpelschaden gekommen. Vielmehr seien die bestehenden Beschwerden auf die vorbestehenden degenerativen Veränderungen zurückzuführen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, vor dem Unfall ohne Beschwerden im Bereich des rechten Knies gewesen zu sein.

Im Auftrag des Gerichts hat PD Dr. F., Ärztlicher Direktor der Abteilung für Unfallchirurgie, Krankenhaus B., das Zusammenhangsgutachten vom 8. Februar 2008 erstellt. Dieser hat ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine medial betonte Gonarthrose rechts, deutlich weniger ausgeprägt auch links. Der Unfall sei tatsächlich geeignet gewesen, eine Binnenschädigung im Bereich des rechten Kniegelenks hervorzurufen bei vorbestehender mäßiger Gonarthrose medialseitig am rechten Kniegelenk. Es sei sehr wahrscheinlich, dass es durch den Unfall bzw. die wegen des Unfalls durchgeführte Arthroskopie zu einer deutlichen Schädigung des medialen Femurcondylus gekommen sei, was zu einer deutlichen Progredienz der innenseitigen Gonarthrose rechts geführt habe. Wie Dr. S. schätze man die MdE mit 20 v.H. ein.

Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. P. vom 14. März 2008 vorgelegt, auf die verwiesen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat durch mündliche Verhandlung entscheiden können, obwohl die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind. In der ordnungsgemäß bekanntgegebenen Terminsbestimmung ist darauf hingewiesen worden, dass der Senat auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten verhandeln und entscheiden kann (§ 126 SGG).

Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Stuttgart ist nicht zu beanstanden, denn die Klägerin hat Anspruch auf die darin zugesprochene Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 20 v.H. und auf Gewährung von Heilbehandlung.

Versicherte haben nach Maßgabe der §§ 26 ff Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) u.a. Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf Geldleistungen (§ 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztätige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Verletztengeld wird ab dem Tag gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert (§ 46 Abs. 1 SGB VII).

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht der Klägerin schon deshalb kein Anspruch auf Verletztengeld zu, weil sie wegen der Folgen des Versicherungsfalls nicht arbeitsunfähig war, sondern weiter gearbeitet hat. Dies haben die behandelnden Ärzte übereinstimmend bestätigt.

Allerdings besteht, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ein Anspruch auf Verletztenrente, weil fortbestehende Unfallfolgen im Bereich des rechten Knies vorliegen. Insoweit kann die Klägerin auch die Übernahme der Kosten der Heilbehandlung und die Gewährung künftiger Heilbehandlung als Sachleistung von der Beklagten verlangen.

Es liegen als Unfallfolgen im Bereich des rechten Knies eine Zunahme der vorbestehenden medialen Kniegelenksarthrose rechts nach Kniegelenkskontusion mit hierdurch hervorgerufener rezidivierende Synovialitis vor, wie dies Dr. S. und im Ergebnis auch Prof. Dr. W./OA Dr. V. und PD Dr. F. in ihren Gutachten nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt haben. Die Klägerin hat sich bei ihrem Treppensturz eine erhebliche Kniekontusion zugezogen, die in ihrer Stärke auch geeignet war, einen Kniebinnenschaden, nämlich einen Knorpelschaden, zu verursachen. Dieser Knorpelschaden, der im Rahmen der am 3. Mai 2000 durchgeführten Arthroskopie geglättet worden ist, hat zu einem Fortschreiten der vorbestehenden medialen Gonarthrose im rechten Kniegelenk der Klägerin geführt und ist wesentlich für die bestehenden funktionellen Einschränkungen. Dabei kann offen bleiben, ob schon der durch den Unfall verursachte Knorpelschaden oder erst die im Rahmen der unfallbedingten Arthroskopie vorgenommene Knorpelglättung wesentlich ursächlich für die bestehenden funktionellen Einschränkungen ist. Denn auch wenn erst durch den arthroskopischen Eingriff ein - weiterer - Knorpeldefekt entstanden sein sollte (wofür auch nach der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. P. Einiges spricht), der für die Beschwerden wesentlich ursächlich wäre, handelte es sich dabei - da der Eingriff unfallbedingt durchgeführt worden ist - um eine mittelbare Unfallfolge. Durch ärztliche Eingriffe hervorgerufene Gesundheitsstörungen sind mittelbare Unfallfolgen, auch wenn es sich dabei um Folgen ärztlicher Kunstfehler handelt (vgl. BSGE 17, 60, 62; 46, 283, 284; BSG SozR 2200 § 548 Nr 59). Nur wenn eine zwar durch den Unfall indizierte diagnostische Arthroskopie durchgeführt wird und der Kunstfehler aber im Zusammenhang mit der anlässlich dieses Eingriffs vorgenommenen therapeutischen Maßnahme an einer unfallfremden Gesundheitsstörung auftritt, fehlt es für den hieraus entstandenen Gesundheitsschaden am wesentlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis (vgl. BSG, Urt. vom 30.10.1991 - 2 RU 41/90 - , veröffentlicht in Juris, SozR 3-2200 § 548 Nr. 13). Insoweit kann offen bleiben, ob, wie Dr. P. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme ausgeführt hat, durch den von PD Dr. F. insoweit unterstellten Drehsturz der Klägerin tatsächlich eine Flake-fracture entstanden ist oder ob der im Juni 2000 festgestellte ausgedehnte Knorpelschaden erst wesentlich durch die Maßnahmen im Rahmen des arthroskopischen Eingriffs entstanden ist. Selbst wenn bereits vom Operateur die Indikation für den unfallbedingten diagnostischen Eingriff fehlerhaft gestellt worden wäre, stünden unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätzen die hieraus folgenden Gesundheitsstörungen noch im wesentlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis.

Zur Überzeugung des Senats sind die insoweit bestehenden Veränderungen im Kniegelenk auch nicht degenerativer Natur, auch wenn eine beginnende Gonarthrose am rechten Knie schon vorbestehend war. Dies ist durch den Befund des Dr. B. aus dem Jahr 1999 bestätigt und entspricht den Angaben der Klägerin, wonach sie vor dem Unfall einmal leichtere Beschwerden im Bereich des rechten Knies gehabt habe. Allerdings spricht die Geschwindigkeit des Fortschreitens der Gonarthrose, nicht zuletzt im Seitenvergleich mit links, nach übereinstimmender Beurteilung von Prof. Dr. W., Dr. S. und PD Dr. F. für einen traumatisch bedingten Prozess, wenn nicht im Sinne der Verursachung, dann im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung. Dr. S. hat für den Senat überzeugend ausgeführt, dass aus dem unfallbedingt entstandenen Knorpelschaden ein chronischer Reizzustand im rechten Kniegelenk resultiert, der auch zu der Entwicklung der von ihm diagnostizierten großen Baker-Zyste in der rechten Kniekehle der Klägerin geführt hat. Zutreffend hat Dr. S. darauf hingewiesen, dass das von ihm diagnostizierte Reizknie auch bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W./Dr. V. im Juli 2001 in der BG Unfallklinik T.n, also ein Jahr nach dem Unfall, bestanden hatte, wie sich aus den mitgeteilten Befunden der Klinik ergibt. Eine rückfällige Synovitis lag nach seiner überzeugenden Einschätzung damals bereits vor. Auch der von PD Dr. F. am 15. Januar 2008 erhobene Befund eines Kniegelenkergusses, wenn auch von minimaler Ausprägung, aber mit deutlicher Belastungsstörung bei der Kniebeugung, spricht für den fortbestehenden Zustand einer rezidivierenden Synovialitis. Auffallend ist, dass die von Dr. S. und PD Dr. F. erhobenen Umfangmaße am rechten Kniegelenk, nämlich 10 Zentimeter oberhalb der Kniegelenkspalte und in Höhe der Kniescheibenmitte, jeweils um ein bis zwei Zentimeter größer als im Vergleich zum unverletzten linken Kniegelenk waren.

Nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf dem Unfall beruht der Schaden im Bereich des Innenmeniskus. Wie bereits Prof. Dr. D. in seinem Gutachten im Verwaltungsverfahren ausgeführt hat und wie Prof. Dr. W. mit Oberarzt Dr. V. bestätigt hat, liegt schon kein geeigneter Unfallverlauf vor, der eine isolierte Verletzung des Innenmeniskus verursachen könnte. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit dem aktuellen medizinischen Wissensstand in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 690 ff) und wird auch durch Dr. S., der den Innenmeniskusschaden nicht als Unfallfolge aufgeführt hat, wie auch PD Dr. F. bestätigt.

Geeignete Verletzungsmechanismen für einen Meniskusriss sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 690) entweder perforierende Gelenkverletzungen, Brüche der Gelenkkörper mit Meniskusbeteiligung - beide Alternativen können hier schon von vornherein ausgeschlossen werden - oder eine direkte mittelbare Krafteinwirkung. Bei Letzterem beruht der Verletzungsmechanismus auf der Wirkung, der das gestreckte oder mehr oder weniger gebeugte Kniegelenk auf der entgegen gesetzten Gelenkseite durch die von außen auftretende Kraft ausgesetzt wird. Die Kraft kann durch schwere Gegenstände auf das leicht gebeugte Kniegelenk oder das gewaltsame seitliche Abbiegen des Knies im X-Sinne bei fixiertem Unterschenkel und Fuß gegeben sein. Eine solche Fixierung ist angesichts des von der Klägerin geschilderten Unfallmechanismus weder behauptet noch nachgewiesen. Eine direkte Unfallverletzung könnte hingegen dann angenommen werden, wenn weitere Verletzungszeichen an Strukturen, die nicht bevorzugt degenerativen Veränderungen unterliegen (z.B. Knochen-, Kapsel-Bandstrukturen) vorliegen würden, also kein "isolierter Meniskusriss". Solche typischen Begleitverletzungen fehlen hier. Auch indirekte Krafteinwirkungen, die des Weiteren einen Innenmeniskusschaden auslösen können, sind angesichts des Unfallverlaufs nicht wahrscheinlich, nämlich beispielsweise eine passive Rotation des gebeugten Kniegelenks oder eine plötzliche passive Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels (sog. Drehsturz). Soweit PD Dr. F. in seinem Gutachten einen solchen vermutet, ist in Übereinstimmung mit der Beklagten zu konstatieren, dass ein solcher Drehsturz nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen ist und daher nicht als Unfallmechanismus der weiteren Beurteilung zugrunde gelegt werden kann.

Für die unfallbedingten funktionellen Einschränkungen im Bereich des rechten Knies der Klägerin hat das SG zutreffend eine MdE um 20 v.H. angenommen.

Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Nach diesen Grundsätzen ist die unfallbedingte MdE mit 20 v.H. zutreffend eingeschätzt, denn eine rezidivierende Synovialitis rechtfertigt eine MdE von 20 bis 40 v.H. (vgl. beispielhaft Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 724; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung S. 169). Die von Dr. S. diagnostizierte unfallbedingte Synovialitis ist rezidivierend, wie sich aus seinen Darlegungen zu den seit 2001 erhobenen Befunden ergibt, die sich auch noch mit dem von PD Dr. F. im Jahr 2008 erhobenen Befund vereinbaren lassen. Auch wenn PD Dr. F. eine Synovialitis nicht mehr ausdrücklich als Diagnose aufführt, so stimmt er doch ausdrücklich den Ausführungen von Dr. S. zur Höhe der MdE zu, was die MdE-begründende Diagnose unter Berücksichtigung der von ihm noch im Januar 2008 erhobenen Befunde einschließt. Die von den Sachverständigen Dr. S. und PD Dr. F. vorgenommene MdE-Einstufung mit 20 v.H. ist somit für den Senat nachvollziehbar gewesen. Damit ist die unfallbedingte funktionelle Einschränkung des rechten Knies der Klägerin am unteren Rand der in Betracht kommenden Bewertungsstufe überzeugend zugeordnet. Auf die von der Beklagten geltend gemachten nur geringfügigen Bewegungseinschränkungen kommt es nicht an. Dem ist damit ausreichend Rechnung getragen, dass keine höhere Einstufung innerhalb der einschlägigen Bewertungsstufe vorgenommen wird.

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass zum derzeitigen Verfahrensstand aufgrund des im Januar 2008 erhobenen Befunds davon auszugehen ist, dass nach Maßgabe des § 62 Abs. 2 SGB VII nun eine Rente auf unbestimmte Zeit zu leisten ist. Die Abänderung der Rente unterliegt daher den Voraussetzungen des § 48 SGB X und kann nicht unter den erleichterten Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 SGB VII erfolgen.

Da, wie ausgeführt, bis auf den Schaden im Bereich des Innenmeniskus, die Beschwerden der Klägerin unfallbedingt sind, besteht insoweit ein Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Heilbehandlungskosten gemäß §§ 27 ff SGB VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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