L 7 SO 2981/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 1286/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2981/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 4. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die am 24. Juni 2008 nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht beim Landessozialgericht eingelegte Beschwerde ist statthaft gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG (in der durch das SGGArbGGÄndG vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 eingeführten Fassung), da in der Hauptsache wegen Überschreitung der Berufungssumme von 750,- EUR die Berufung zulässig wäre. Denn der Antragsteller begehrt neben den - nicht näher substantiierten - "höheren Leistungen" nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) auch die Übernahme von Verbindlichkeiten (u. a. Miete der alten Wohnung für den Monat März 2007 i.H.v. 400,- EUR und Rückzahlung eines Dispositionskredits bei der Sparkasse E.-G. i.H.v. 800,- EUR).

Die Beschwerde ist auch sonst zulässig. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet; das Sozialgericht Konstanz (SG) hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnr. 259 (alle m.w.N.)).

Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung aus den vom SG zutreffend dargestellten Gründen nicht vor. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Ergänzend weist der Senat (lediglich) darauf hin, dass dem Antragsteller höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, welche er ohnehin grundsätzlich erst ab Rechtshängigkeit des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens (5. Mai 2008) beanspruchen kann (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B - (juris)), voraussichtlich nicht zustehen dürften. Denn die durch Bescheid des Landratsamts Konstanz vom 20. Februar 2008 ab 1. Januar 2008 erfolgte Leistungsbewilligung dürfte voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Dies gilt auch, soweit darin Kosten der Warmwasserbereitung mit einem Betrag von 6,53 EUR monatlich in Ansatz gebracht worden sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat zwar entschieden, dass Kosten der Warmwasserbereitung mit einem Betrag von 6,22 EUR (30 % aus 20,74 EUR für Haushaltsenergie) in die Regelleistung nach § 20 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) einfließen und daher grundsätzlich in dieser Höhe aus den Kosten der Unterkunft herausgerechnet werden dürfen (Urteile vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R - und 19. März 2008 - B 11b AS 23/06 R -); Entsprechendes muss für den Regelsatz nach dem SGB XII gelten. Allerdings spricht manches dafür, dass der Warmwasseranteil seit Änderung der Regelsatzverordnung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 (BGBl. I 2006, 2657) mit einem anderen Betrag in Ansatz zu bringen ist. Denn seit 1. Januar 2007 ist die Zusammensetzung der Regelleistung bzw. des Regelsatzes für alleinstehende Personen bei (zunächst) unveränderter Leistungshöhe (von 345,- EUR) eine andere; der Energiekostenanteil beläuft sich auf 21,75 EUR, woraus sich ein Warmwasseranteil von 6,53 EUR ergibt (vgl. zur Zusammensetzung der Regelleistung bzw. des Regelsatzes im Einzelnen, Schwabe, ZfF 2007, 25). Noch nicht berücksichtigt hierbei sind die zwischenzeitlich erfolgten Anpassungen der Regelleistung bzw. des Regelsatzes auf 347,- EUR (zum 1. Juli 2007) bzw. auf 351,- EUR (zum 1. Juli 2008), woraus sich sogar die Berücksichtigung eines höheren Energiekostenanteils - und damit eines höheren Abzugs für Warmwasserbereitung - rechtfertigen könnte. Unter diesen Umständen ist die Berücksichtigung des Warmwasseranteils mit 6,53 EUR für den Kläger jedenfalls nicht nachteilig.

Auch im Übrigen erscheint der Erlass einer Regelungsanordnung nicht geboten. Soweit der Antragsteller (möglicherweise) auch Leistungen für zurückliegende Zeiträume bzw. die Übernahme von Schulden begehrt, fehlt es an dem nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Gegenwartsbezug und damit auch am Anordnungsgrund, nämlich der besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens; dies darf der Senat nicht unbeachtet lassen. Denn die Regelungsanordnung dient zur "Abwendung" wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind (vgl. schon Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2005 - L 7 SO 2060/05 ER-B - und vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - a.a.O. (beide m.w.N.)). Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - a.a.O.; ferner Krodel, NZS 2007, 20, 21 (m.w.N. aus der Rechtsprechung)). Einen derartigen Nachholbedarf hat der Antragsteller indessen nicht glaubhaft gemacht. Dies gilt auch bezüglich der geltend gemachten Übernahme von Verbindlichkeiten aus dem früheren Mietverhältnis bzw. sonstiger Schulden. Der Senat vermag hier eine gegenwärtige existentielle Notlage bzw. des Erfordernis einer gerichtlichen Eilentscheidung zur Vermeidung erheblicher Nachteile nicht zu erkennen. Auch ist insoweit keine Schuldenübernahme nach § 34 Abs. 1 SGB XII veranlasst, da nicht glaubhaft gemacht ist, dass dies zur Sicherung der (aktuellen) Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage erforderlich ist.

Ob der Antragsgegner verpflichtet ist, die beantragten Leistungen für die Vergangenheit nachzuzahlen, hat deshalb der Klärung im anhängigen gerichtlichen Hauptsacheverfahren (S 3 SO 781/08) vorzubehalten bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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