S 10 U 116/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 U 116/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 103/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Sozialgericht Gelsenkirchen Az.: S 10 U 116/06 Im Namen des Volkes Urteil Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten ihren Bescheid vom 21.05.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2001 zurückzunehmen, mit dem die Beklagte eine Entschädigung aus Anlass eines Arbeitsunfalls des Klägers vom 18.05.2000 abgelehnt hatte.

Der Kläger hat zwei Arbeitsunfälle erlitten. Am 07.04.2000 rutschte ein Bauwohnwagen anlässlich eines vom Kläger durchgeführten Reifenwechsels ab und schlug auf den rechten Oberschenkel des Klägers etwa 3 cm oberhalb des rechten Knies auf. Einen weiteren Arbeitsunfall erlitt der Kläger am 18.05.2000, als er beim Übersteigen von Verschwertungsbrettern auf Schotter ausgerutscht und sich das rechte Bein verdreht hat.

Die Beklagte hatte durch Bescheid vom 21.05.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2001 eine Entschädigung aus Anlass beider Unfälle abgelehnt. Bezüglich des Arbeitsunfalls vom 07.04.2000 hatte das Sozialgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen S 10 U 290/01 durch Urteil vom 22.12.2003 die Klage des Klägers abgewiesen. Im anschließenden Berufungsverfahren hatte sich die Beklagte verpflichtet, den Widerspruch der damaligen Bevollmächtigten des Klägers gegen den Bescheid vom 14.05.2002 im Rahmen der Erteilung eines Widerspruchsbescheides zu entscheiden. Durch Widerspruchsbescheid vom 17.06.2004 hatte die Beklagte die Entschädigung aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 07.04.2000 abgelehnt. In einem daran sich anschließenden Streitverfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen hatte das Sozialgericht Gelsenkirchen durch Urteil vom 31.01.2005 - Az. S 10 U 156/04 - die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte das Landessozialgerichts NW durch Urteil vom 13.12.2005 zurückgewiesen.

Mit einem am 22.02.2006 bei der Beklagten eingegangenen Schriftsatz wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte mit der Begründung, dass die degenerativen Veränderungen im Kniegelenk durch die stattgehabte Distorsionsverletzung anlässlich des Arbeitsunfalls vom 18.05.2000 aktiviert worden seien und bat um Überprüfung gem. § 44 SGB X.

Mit Bescheid vom 21.03.2006 lehnte die Beklagte die Rücknahmen des Bescheides vom 21.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2001 ab, da nach dem Gutachten von Dr. B. das Ereignis vom 18.05.2000 nicht als rechtlich wesentliche Ursache für die degenerativen Veränderungen im Kniegelenk des Klägers anzusehen sei. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27.07.2006 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 25.08.2006 beim Sozialgericht Gelsenkirchen eingegangene Klage des Klägers, mit der er seinen Anspruch weiter verfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 21.05.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2001 zurückzunehmen und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus Anlass des Unfalls vom 18.05.2000 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung aus dem Verwaltungsverfahren fest.

Zur Abklärung, inwieweit beim Kläger Gesundheitsschäden vorliegen, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Entstehung oder ursächlich im Sinne der Verschlimmerung auf den Arbeitsunfall vom 18.05.2000 zurückzuführen sind, hat das Gericht auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG (Sozialgerichtsgesetz) Beweis durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes Dr. B. erhoben. Der Sachverständige führte aus, dass eine wesentliche Wirkung oder Mitwirkung durch das Unfallgeschehen vom 18.05.2000 am Zustand des Knies nicht herzuleiten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten, vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten - insbesondere der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten S 10 U 290/01 und S 10 U 256/04 -, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, weil dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 SGG (Sozialgerichtsgesetz)).

Ein Anspruch auf Rücknahme des nach Auffassung des Klägers rechtswidrigen Bescheides vom 21.03.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2006 besteht nach § 44 SGB (Sozialgesetzbuch) X nur dann, wenn sich im Einzelfall ergeben würde, dass bei Erlass des Bescheides das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beklagte das Recht bei Erlass des Verwaltungsaktes unrichtig angewandt hat. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.

Zwar ist die erste Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente, das Vorliegen eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - erfüllt. Für einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII ist erforderlich, dass die Tätigkeit des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang; vgl. Urteil vom BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R), dass diese Verrichtung zu dem zeitig begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Ereignis vom 18.05.2000 einen Arbeitsunfall darstellt.

Allerdings bestehen nach den ärztlichen Gutachten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieser Arbeitsunfall zu entschädigende Folgen hinterlassen hat.

Die Kammer stützt ihre diesbezügliche Überzeugung dabei auf die zahlreichen im Verlaufe der Gerichts- und Verwatungsverfahren eingeholten Gutachten. Soweit diese Gutachten im Rahmen der Vorverfahren eingeholt worden sind, hat sie die Kammer im Wege des Urkundsbeweises verwertet.

Ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem jetzigen Zustand des Klägers ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Dieser Ursachenzusammenhang beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung, wonach Ursache eines Erfolges jede Bedingung ist, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Rechtserheblich sind dabei jedoch nur die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BSG Urteil vom 15.04.2005; B 2 U 27/04 R). Für den Ursachenzusammenhang genügt die Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit reicht insoweit nicht aus (BSG Urteil vom 18.03.1997 (S 2 RU 19/96). Die Faktoren, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, müssen die Umstände die gegen die Kausalität sprechen überwiegen. Legt man diese Kriterien zu Grunde, so ist die (haftungsausfüllende Kausalität) zu verneinen, denn die Faktoren die gegen den Ursachenzusammenhang sprechen überwiegen die Umstände, die gegen die Kausalität sprechen deutlich.

Für den Ursachenzusammenhang lässt sich im vorliegenden Fall nach Auffassung der Kammer nichts anführen, da bezüglich des Arbeitsunfalls vom 18.05.2000 keine sachverständigen ärztlichen Äusserungen vorhanden sind, die eine Kausalität bejahen.

Bereits Dr. S. hat in seiner am 20.08.2001 bei der Beklagten eingegangenen gutachtlichen Äußerung darauf hingewiesen, dass ein traumatischer Knorpelschaden im Kniegelenk nicht durch Verdrehungstraumen entsteht, sondern durch Anpralltraumen. Ein solches Trauma hat anlässlich des hier streitigen Arbeitsunfalls jedoch nicht stattgefunden. Im Verfahren vor dem LSG (L 15 U 50/05) hat Dr. B. bezüglich des Unfalls vom 18.05.2000 ausgeführt, dass auch bei mehrfacher arthroskopischer Untersuchung mit Nachweis eines intakten vorderen Kreuzbandes und unter Berücksichtigung der Ausführungen im radiologischen Ergänzungsgutachten der Unfall vom 18.05.2000 nicht für den Zustand des Knies verantwortlich gemacht werden kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten, das im Verfahren S 10 U 290/01 von dem praktischen Arzt Herrn L., G., erstattet worden ist, denn Dr. L. führt aus, dass der Unfall vom 18.05.2000 für sich selbst nicht geeignet gewesen ist, eine Verletzung mit Knorpelschaden und Kreuzbandverletzung herbeizuführen. Dr. L. hat in seinem seinerzeitigen erstatteten Gutachten, dem die Kammer ebenso wie das Sozialgericht Gelsenkirchen und das Landessozialgericht nicht folgt, soweit Dr. L. aus dem Unfall vom 07.04.2000 einen Anspruch für den Kläger hergeleitet hat, für den Unfall vom 18.05.2000 darauf hingewiesen, dass dadurch lediglich eine Behandlung und Diagnostik eingeleitet wurde, sodass sich auch aus diesem Gutachten - selbst wenn man es für richtig halten würde - eine Entschädigung für den Kläger nicht ableiten ließe. Schließlich ergibt sich aus dem auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten im Verfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen durch den Sachverständigen Dr. B., dass der Unfall vom 18.05.2000 keine zu entschädigenden Folgen hinterlassen hat. Dr. B. weist darauf hin, dass bei den arthroskopischen Untersuchungen des rechten Kniegelenkes nach dem Unfall vom 18.05.2000 keine wesentliche frische oder ältere Blutung im rechten Kniegelenk festgestellt wurde. Dr. B. hat ausgeführt, dass die Unfallereignisse vom 07.04. bzw. 18.05.2000 zu einer Verschlechterung des Zustandes des rechten Kniegelenkes mit einer Akuterkrankung und einer Behandlungsdauer von vier bis acht Wochen geführt haben. Die weiter bestehende Schmerzhaftigkeit sowie die Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks beruhen auf dem Tatbestand einer degenerativen Gelenkerkrankung im Zusammenhang mit einer in der Folgezeit aufgetretenen Morbus-Crohn-Erkrankung mit wiederkehrenden Reiz- und Schwellungszuständen des rechten Kniegelenks bei entsprechendem Knorpelschaden und entzündlichen Veränderungen des rechten Kniegelenks. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem am 11.03.2008 eingegangenen Schriftsatz des Klägers. Dieser befasst sich im Wesentlichen mit dem Unfall vom 17.04.2000, der nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist. Das vom Kläger eingereichte Konvolut von Ausdrucken aus dem Internet ist demgegenüber nicht geeignet zu einer anderen Beurteilung zu führen, da nicht ersichtlich ist, in welchem Zusammenhang die Unterlagen mit dem Unfall vom 18.05.2000 stehen sollten, bei dem unstreitig dem Kläger kein Bauwagen auf den Oberschenkel geprallt ist. Es gibt keine ärztliche Stellungnahme im konkreten Fall des Klägers, die dem Unfall vom 18.05.2000 eine Bedeutung im Hinblick auf den derzeitigen Zustand des Knies beimisst. Hingegen gibt es ausnahmslos ärztliche Stellungnahmen, die dem Unfall vom 18.05.2000 keine Bedeutung für den Zustand des Knies bemessen, zuletzt die Stellungnahme im anhängigen Verfahren durch den vom Kläger selbst ausgewählten Sachverständigen Dr. B ...

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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