Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 16 R 199/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 B 869/08 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Untätigkeitsbeschwerde der Klägerin wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat am 07. März 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam eine Klage auf Gewährung einer Altersrente für Frauen bereits ab dem 15. April 2003 (bisheriger Rentenbeginn: 01. September 2004) erhoben. Mit Schreiben vom 06. Mai 2006 hat die Klägerin die Klage begründet. Mit Schriftsatz vom 21. August 2006 hat der Klägerbevollmächtigte seine Vertretung angezeigt. Am 19. Januar 2007 hat ein erster Erörterungstermin stattgefunden, an dessen Ende weiterer Vortrag der Klägerin für erforder-lich gehalten worden ist. Nach Stellungnahmen der Beteiligten mit Schriftsätzen vom 09. Februar 2007, 07. März 2007 und 29. Mai 2007 hat das SG am 28. September 2007 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Ergebnis hat das SG weitere Ermittlungen für notwendig gehalten und die Beklagte zu einer Stellungnahme aufgefordert. Mit Verfügung vom 04. Oktober 2007 hat das SG unter anderem der Klägerin aufgegeben, ihr Aktenzeichen bei der Berufsgenossenschaft (BG) für Gesundheits-dienst und Wohlfahrtspflege sowie das Aktenzeichen des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg mitzuteilen und eine Einverständniserklärung mit der Einsichtnahme in die Akten zu übersenden. Die Klägerin hat anschließend mit Schriftsatz vom 04. Oktober 2007 nochmals ihre rechtliche Position dargelegt und Bescheide der BG zur Verfügung gestellt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2007 die erbetene Stellungnahme abgegeben. Einem Protokoll-berichtigungsantrag der Klägerin vom 01. November 2007 ist das SG nicht nachgekommen (richterliches Schreiben vom 08. November 2007). Mit Schriftsätzen vom 29. November 2007, 25. Januar 2008 und 28. März 2008 hat die Klägerin auf die aus ihrer Sicht gegebene Entscheidungsreife des Rechtsstreits hingewiesen und um Fortsetzung des Verfahrens gebeten, ohne die vom SG geforderte Einverständniserklärung vorzulegen und das Aktenzeichen des Rechtsstreits vor dem LSG mitzuteilen.
Mit Schreiben vom 05. Mai 2008 hat die Klägerin eine Untätigkeitsbeschwerde erhoben und beantragt, dem Ausgangsgericht aufzugeben, binnen einer vom Gericht zu setzenden Frist das Verfahren fortzuführen und zu entscheiden.
Das SG hat daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 13. Juni 2008 mitgeteilt, es beabsichtige, die Verwaltungsakten der BG beizuziehen, die Einverständniserklärung der Klägerin hierzu stehe jedoch trotz Aufforderung aus. Nach Eingang jener Akten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die sich wegen des Beschwerdeverfahrens beim LSG befänden, sei beabsichtigt, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
Die Klägerin hat auf die Anfrage des Senats, ob nunmehr die Beschwerde zurückgenommen werde, mitgeteilt, die Ausführungen des SG entsprächen teilweise nicht der Wahrheit. Darüber hinaus sei eine Notwendigkeit der Beiziehung der Akten der BG nicht ersichtlich und zudem auch ohne ihre Einverständniserklärung zulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Die Untätigkeitsbeschwerde der Klägerin war als unzulässig zu verwerfen (§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde gegen die Entscheidungen der SGe mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte an das LSG statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung des SG liegt bisher nicht vor. Die bloße Untätigkeit des SG in Form der Nichtterminierung eines Rechtsstreits kann nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht Gegenstand einer Beschwerde sein (in diesem Sinne: Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim in NVwZ 2004, 1541 ff; LSG Berlin Beschluss vom 27. Januar 2005 – L 9 B 11/05 KR –, zitiert nach juris, m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 04. Juni 2008 - L 3 B 480/08 R -).
Darüber hinaus existiert derzeit keine gesetzliche Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachte Untätigkeitsbeschwerde. Unter solchen Umständen sieht es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - jedenfalls außerhalb des Bereichs gerichtlicher Untätigkeit bei freiheitsentziehenden Maßnahmen - als fraglich an, ob die gesetzlich nicht geregelte Untätigkeitsbeschwerde dem aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit genügen kann (vgl. BVerfG 1. Kammer 1. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2005 - 1 BvR 2790/04NJW 2005, 2685; generell ablehnend: Beschluss des Plenums desBVerfG vom 30. April 2003, BVerfGE 107, 395, 416 = SozR 4-1100 Art. 103 Nr. 1). Danach müssen die Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein (Beschluss des Plenums des BVerfG, BVerfGE 107, 395, 416). Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Han-delns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtli-cher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 87, 48, 65; 107, 395, 416). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vglBVerfGE 107, 395, 416). Es verstößt deshalb gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rechtsprechung außeror-dentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (BVerfG - Kammerbeschluss vom 16. Januar 2007 - 1 BvR 2803/06 -, NJW 2007, 2538). Entsprechend geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) davon aus, dass eine richterrechtlich begründete außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer ist (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 08. Juni 2006, EuGRZ 2007, 255 = NJW 2006, 2389). Im Hinblick auf diese Entscheidungen verbleibt kein Raum dafür, zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ohne gesetzliche Grundlage durch Richterrecht eine Untätigkeitsbeschwerde zu schaffen, um auf ein laufendes Verfahren einzuwirken (vgl. Beschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, SozR 4-1500 § 160 a Nr. 17; vom 04. September 2007 – B 2 U 208/06 B -, SozR 4-1500 § 160a Nr. 18; vom 06. Februar 2008 – B 6 KA 61/07 B -, zitiert nach juris; vom 28. Februar 2008 – B 7 AL 109/07 B -, zitiert nach juris). Dementsprechend haben auch der Bundesfinanzhof (so das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S –, a. a. O. unter Nennung zweier Beschlüsse des BFH vom 04. Oktober 2005 - II S 10/05 - sowie vom 24. Mai 2006 - VII S 12/06 -) und das Bundesverwaltungsgericht (so ebenfalls das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, a. a. O. unter Benennung eines Be-schlusses des BVerwG vom 05. Dezember 2006 - 10 B 68/06 -) entschieden, dass es ein Rechtsinstitut der "verfassungsrechtlich gebotenen Untätigkeitsbeschwerde" nicht gibt.
Unabhängig von der Zulässigkeit der erhobenen Untätigkeitsbeschwerde ist die Klägerin darauf hinzuweisen, dass es dem Gericht und nicht ihrem Rechtsvertreter obliegt zu bestimmen, ob der Rechtsstreit entscheidungsreif ist. Das Gericht hat nach § 103 SGG den Sachverhalt umfassend von Amts wegen zu erforschen, die Beteiligten haben hierbei mitzuwirken. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin durch ihren Rechtsvertreter ihren Mitwirkungspflichten voll umfänglich nachgekommen wäre. Dabei spielt es keine Rolle, welchen – fehlerhaften - Rechtsauffassungen der Rechtsver-treter insbesondere zur Frage der Zulässigkeit der Beiziehung der Akten anderer Behörden auch ohne Einverständniserklärung der Klägerin anhängt. Die Weigerung, eine Einverständniserklärung abzugeben, kann sich in der Sache zum Nachteil der Klägerin auswirken.
Nicht hinnehmbar ist im Übrigen der vom Rechtsvertreter der Klägerin geäußerte Vorwurf an das SG, es würde in seinem Schreiben vom 13. Juni 2008 die Unwahrheit behaupten. Tatsächlich befanden sich die Gerichts- und Beklagtenakten seit dem 23. Mai 2008 wegen der Beschwerde beim LSG. Zur Abgabe der vom Senat erbetenen Stellungnahme zur Untätigkeitsbeschwerde befand sich die Gerichtsakte für kurze Zeit beim SG. Die Beklagtenakte verblieb beim LSG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (so auch: Beschluss des BSG vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, a. a. O.).
Gründe:
I.
Die Klägerin hat am 07. März 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam eine Klage auf Gewährung einer Altersrente für Frauen bereits ab dem 15. April 2003 (bisheriger Rentenbeginn: 01. September 2004) erhoben. Mit Schreiben vom 06. Mai 2006 hat die Klägerin die Klage begründet. Mit Schriftsatz vom 21. August 2006 hat der Klägerbevollmächtigte seine Vertretung angezeigt. Am 19. Januar 2007 hat ein erster Erörterungstermin stattgefunden, an dessen Ende weiterer Vortrag der Klägerin für erforder-lich gehalten worden ist. Nach Stellungnahmen der Beteiligten mit Schriftsätzen vom 09. Februar 2007, 07. März 2007 und 29. Mai 2007 hat das SG am 28. September 2007 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Ergebnis hat das SG weitere Ermittlungen für notwendig gehalten und die Beklagte zu einer Stellungnahme aufgefordert. Mit Verfügung vom 04. Oktober 2007 hat das SG unter anderem der Klägerin aufgegeben, ihr Aktenzeichen bei der Berufsgenossenschaft (BG) für Gesundheits-dienst und Wohlfahrtspflege sowie das Aktenzeichen des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg mitzuteilen und eine Einverständniserklärung mit der Einsichtnahme in die Akten zu übersenden. Die Klägerin hat anschließend mit Schriftsatz vom 04. Oktober 2007 nochmals ihre rechtliche Position dargelegt und Bescheide der BG zur Verfügung gestellt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2007 die erbetene Stellungnahme abgegeben. Einem Protokoll-berichtigungsantrag der Klägerin vom 01. November 2007 ist das SG nicht nachgekommen (richterliches Schreiben vom 08. November 2007). Mit Schriftsätzen vom 29. November 2007, 25. Januar 2008 und 28. März 2008 hat die Klägerin auf die aus ihrer Sicht gegebene Entscheidungsreife des Rechtsstreits hingewiesen und um Fortsetzung des Verfahrens gebeten, ohne die vom SG geforderte Einverständniserklärung vorzulegen und das Aktenzeichen des Rechtsstreits vor dem LSG mitzuteilen.
Mit Schreiben vom 05. Mai 2008 hat die Klägerin eine Untätigkeitsbeschwerde erhoben und beantragt, dem Ausgangsgericht aufzugeben, binnen einer vom Gericht zu setzenden Frist das Verfahren fortzuführen und zu entscheiden.
Das SG hat daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 13. Juni 2008 mitgeteilt, es beabsichtige, die Verwaltungsakten der BG beizuziehen, die Einverständniserklärung der Klägerin hierzu stehe jedoch trotz Aufforderung aus. Nach Eingang jener Akten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die sich wegen des Beschwerdeverfahrens beim LSG befänden, sei beabsichtigt, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
Die Klägerin hat auf die Anfrage des Senats, ob nunmehr die Beschwerde zurückgenommen werde, mitgeteilt, die Ausführungen des SG entsprächen teilweise nicht der Wahrheit. Darüber hinaus sei eine Notwendigkeit der Beiziehung der Akten der BG nicht ersichtlich und zudem auch ohne ihre Einverständniserklärung zulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Die Untätigkeitsbeschwerde der Klägerin war als unzulässig zu verwerfen (§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde gegen die Entscheidungen der SGe mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte an das LSG statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung des SG liegt bisher nicht vor. Die bloße Untätigkeit des SG in Form der Nichtterminierung eines Rechtsstreits kann nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht Gegenstand einer Beschwerde sein (in diesem Sinne: Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim in NVwZ 2004, 1541 ff; LSG Berlin Beschluss vom 27. Januar 2005 – L 9 B 11/05 KR –, zitiert nach juris, m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 04. Juni 2008 - L 3 B 480/08 R -).
Darüber hinaus existiert derzeit keine gesetzliche Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachte Untätigkeitsbeschwerde. Unter solchen Umständen sieht es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - jedenfalls außerhalb des Bereichs gerichtlicher Untätigkeit bei freiheitsentziehenden Maßnahmen - als fraglich an, ob die gesetzlich nicht geregelte Untätigkeitsbeschwerde dem aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit genügen kann (vgl. BVerfG 1. Kammer 1. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2005 - 1 BvR 2790/04NJW 2005, 2685; generell ablehnend: Beschluss des Plenums desBVerfG vom 30. April 2003, BVerfGE 107, 395, 416 = SozR 4-1100 Art. 103 Nr. 1). Danach müssen die Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein (Beschluss des Plenums des BVerfG, BVerfGE 107, 395, 416). Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Han-delns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtli-cher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 87, 48, 65; 107, 395, 416). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vglBVerfGE 107, 395, 416). Es verstößt deshalb gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rechtsprechung außeror-dentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (BVerfG - Kammerbeschluss vom 16. Januar 2007 - 1 BvR 2803/06 -, NJW 2007, 2538). Entsprechend geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) davon aus, dass eine richterrechtlich begründete außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer ist (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 08. Juni 2006, EuGRZ 2007, 255 = NJW 2006, 2389). Im Hinblick auf diese Entscheidungen verbleibt kein Raum dafür, zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ohne gesetzliche Grundlage durch Richterrecht eine Untätigkeitsbeschwerde zu schaffen, um auf ein laufendes Verfahren einzuwirken (vgl. Beschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, SozR 4-1500 § 160 a Nr. 17; vom 04. September 2007 – B 2 U 208/06 B -, SozR 4-1500 § 160a Nr. 18; vom 06. Februar 2008 – B 6 KA 61/07 B -, zitiert nach juris; vom 28. Februar 2008 – B 7 AL 109/07 B -, zitiert nach juris). Dementsprechend haben auch der Bundesfinanzhof (so das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S –, a. a. O. unter Nennung zweier Beschlüsse des BFH vom 04. Oktober 2005 - II S 10/05 - sowie vom 24. Mai 2006 - VII S 12/06 -) und das Bundesverwaltungsgericht (so ebenfalls das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, a. a. O. unter Benennung eines Be-schlusses des BVerwG vom 05. Dezember 2006 - 10 B 68/06 -) entschieden, dass es ein Rechtsinstitut der "verfassungsrechtlich gebotenen Untätigkeitsbeschwerde" nicht gibt.
Unabhängig von der Zulässigkeit der erhobenen Untätigkeitsbeschwerde ist die Klägerin darauf hinzuweisen, dass es dem Gericht und nicht ihrem Rechtsvertreter obliegt zu bestimmen, ob der Rechtsstreit entscheidungsreif ist. Das Gericht hat nach § 103 SGG den Sachverhalt umfassend von Amts wegen zu erforschen, die Beteiligten haben hierbei mitzuwirken. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin durch ihren Rechtsvertreter ihren Mitwirkungspflichten voll umfänglich nachgekommen wäre. Dabei spielt es keine Rolle, welchen – fehlerhaften - Rechtsauffassungen der Rechtsver-treter insbesondere zur Frage der Zulässigkeit der Beiziehung der Akten anderer Behörden auch ohne Einverständniserklärung der Klägerin anhängt. Die Weigerung, eine Einverständniserklärung abzugeben, kann sich in der Sache zum Nachteil der Klägerin auswirken.
Nicht hinnehmbar ist im Übrigen der vom Rechtsvertreter der Klägerin geäußerte Vorwurf an das SG, es würde in seinem Schreiben vom 13. Juni 2008 die Unwahrheit behaupten. Tatsächlich befanden sich die Gerichts- und Beklagtenakten seit dem 23. Mai 2008 wegen der Beschwerde beim LSG. Zur Abgabe der vom Senat erbetenen Stellungnahme zur Untätigkeitsbeschwerde befand sich die Gerichtsakte für kurze Zeit beim SG. Die Beklagtenakte verblieb beim LSG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (so auch: Beschluss des BSG vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S -, a. a. O.).
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