L 12 AL 615/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AL 3483/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 615/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18.12.2007 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Arbeitslosengeld im Streit.

Die 1948 geborene Klägerin beantragte am 10.11.2005 die Bewilligung von Arbeitslosengeld und gab hierbei an, keine Tätigkeit als Arbeitnehmerin oder Selbständige zu verrichten, und Änderungen an ihren Verhältnissen unverzüglich anzuzeigen. Mit ihrer Unterschrift bestätigte sie, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.

Ab dem 07.01.2006 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Am 28.02.2006 teilte sie mit, sie arbeite ab dem 15.03.2006 in Vollzeit als Servicekraft.

Die Beklagte erfuhr am 28.08.2006 durch eine Überschneidungsmitteilung, dass die Klägerin ab dem 01.01.2006 bei der Firma D.-K. Z. GmbH beschäftigt war. Die Firma teilte der Beklagten am 06.09.2006 mit, die Klägerin habe im Januar 2006 ca. 26 Stunden, im Februar 2006 ca. 28 Stunden und im März 2006 ca. 42 Stunden gearbeitet. Aus einer weiteren Nebenbeschäftigung gab der Landwirt M. an, die Klägerin habe im Januar 2006 15,75 Stunden, im Februar 51,6 Stunden und im März 51,6 Stunden bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 12 Stunden für ihn gearbeitet.

Mit Bescheid vom 18.10.2006 wurde das Nebeneinkommen der Klägerin für die Zeit von Januar bis März 2006 angerechnet und ein Betrag von 215,82 EUR zurückgefordert. Mit einem weiteren Erstattungsbescheid vom 23.10.2006 wurde ein Betrag von 157,92 EUR für Januar 2006 aufgrund des Nebeneinkommens zurückgefordert.

Mit weiterem Bescheid vom 23.10.2006 wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.02.2006 ganz aufgehoben, da die Klägerin aufgrund der zeitlichen Inanspruchnahme durch ihre zwei Nebenbeschäftigungen mindestens 15 Stunden wöchentlich tätig gewesen und daher nicht mehr arbeitslos im Sinne der §§ 118 f. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gewesen sei. Die Klägerin habe insoweit Arbeitslosengeld in Höhe von 1149,28 EUR sowie Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 387,22 EUR zu Unrecht bezogen und zu erstatten. Die Klägerin sei auch grob fahrlässig ihrer Mitteilungspflicht über ihre beiden Nebentätigkeiten nicht nachgekommen.

In ihrem Widerspruchsschreiben gab die Klägerin an, für die Firma D.-K. Zeitungen ausgetragen zu haben, wobei der tägliche Aufwand 45 Minuten (4,5 Stunden pro Woche) betragen habe. Bei dem Landwirt M. habe sie beim Sortieren von Eiern geholfen, wobei der von dem Landwirt angegebene Wochendurchschnitt von 12 Stunden zu hoch gegriffen sei. Tatsächlich habe sie in der Woche nur 8 bis 10 Stunden gearbeitet und sei lediglich bei einer Woche einmal auf 14,5 Stunden gekommen. Sie werde insoweit eine geänderte Bescheinigung des Herrn M. vorlegen. Im übrigen sei sie davon ausgegangen, dass sie die Beschäftigungen nicht habe melden müssen. Sie sei schlecht beraten worden und habe auch im letzten Jahr kein Merkblatt für Arbeitslose erhalten. Sie habe daher nicht gewusst, dass der Nebenverdienst von ihr hätte gemeldet werden müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Zusammenrechnung der von den beiden Arbeitgebern bescheinigten Arbeitszeiten ergebe eine Beschäftigung von insgesamt mindestens 15 Stunden pro Woche. Die Klägerin habe auch durch ihre Unterschrift bestätigt, dass sie das Merkblatt 1 erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe. Im Merkblatt werde deutlich darauf hingewiesen, dass die Klägerin ausschließlich selbst zur unverzüglichen Mitteilung verpflichtet sei und sich nicht auf Zusagen anderer habe verlassen dürfen. Auch werde im Merkblatt auf die Zeitgrenze von 15 Stunden wöchentlich hingewiesen. Die Klägerin habe daher grob fahrlässig gehandelt.

Die Klägerin hat durch ihre Bevollmächtigten am 12.12.2006 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Die tatsächliche Arbeitszeit für den Landwirt M. sei wesentlich geringer als bescheinigt gewesen. Auch habe die Klägerin wesentlich weniger Zeit für das Austragen der Zeitung als von der D.-K. Z. GmbH bescheinigt benötigt.

Auf Anfrage des SG teilte die Firma D.-K. Z. GmbH über die Mitarbeiterin W. ihrer Personalabteilung mit, dass nach Auskunft der zuständigen Sachbearbeiterin der tägliche Zeiteinsatz für den Bezirk der Klägerin ca. eine Stunde erfordert habe, was eine wöchentliche Arbeitszeit von ca. sechs Stunden ergebe. Außerdem sei die Klägerin vom 11.01. bis 30.06.2006 gelegentlich als Urlaub- oder Krankheitsvertretung eingesetzt worden, für welche eine tägliche Arbeitszeit von einer weiteren Stunden angesetzt werden müsse. Nach einer aktualisierten Bescheinigung der Firma habe die Klägerin demnach im Februar 29 Stunden und im März 38 Stunden lang Zeitungen ausgetragen. Der Landwirt M. gab mit Schreiben vom 08.08.2007 an, dass die Klägerin im Februar 51,6 Stunden und im März ebenfalls 51,6 Stunden gearbeitet habe. Der Klägerbevollmächtigte trat diesen Mitteilungen erneut mit der Behauptung entgegen, dass die Klägerin lediglich an sechs Tagen pro Woche 45 Minuten täglich für das Zeitungsaustragen benötigt habe und auch die von dem Landwirt M. mitgeteilten Stunden überhöht seien, weil dieser lediglich die der Klägerin gewährten Beträge durch den Stundenlohn von 7,75 EUR dividiert habe. Maßgeblich seien jedoch die tatsächlichen Arbeitszeiten.

Mit Urteil vom 18.12.2007 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin habe ab dem 01.02.2006 die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit für die Gewährung von Arbeitslosengeld nicht mehr erfüllt, da sie durch ihre beiden Nebenbeschäftigungen insgesamt eine Arbeitszeit von wöchentlich mindestens 15 Stunden erreichte. Aufgrund der Tätigkeit als Zeitungsausträgerin von sechs Stunden wöchentlich und einer Tätigkeit für den Landwirt M. von 12 Stunden wöchentlich habe sie eine Arbeitszeit von ca. 18 Wochenstunden erreicht. Das Gericht folge den Angaben des Landwirts M. hinsichtlich einer wöchentlichen Arbeitszeit von 12 Stunden, weil dessen Angabe mit der von der Klägerin am 15.11.2006 an die Beklagte übersandten Stundenzettel für den Monat Februar 2006 übereinstimme. Außerdem habe die Klägerin in dem von dem Landwirt M. übersandten Personalbogen selbst angegeben, bei der Firma D. K. Z. GmbH sechs Stunden wöchentlich zu arbeiten. Insofern sei es lebensfremd anzunehmen, dass die Klägerin in größerem Umfang von beiden Arbeitgebern für nicht geleistete Arbeitszeiten entlohnt worden sein solle. Die Klägerin habe außerdem bei der Antragstellung falsche Angaben gemacht, denn sie sei bereits seit 2001 als Zustellerin beschäftigt gewesen. Weiter habe sie bestätigt, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben sowie Änderungen unverzüglich anzuzeigen. Sie habe es jedoch unterlassen, die Arbeitsaufnahme bei dem Landwirt M. anzuzeigen, wobei das Merkblatt für Arbeitslose insoweit verständliche Ausführungen zur Zeitgrenze von 15 Stunden wöchentlich enthalte. Die Klägerin habe daher gewusst bzw. allenfalls grob fahrlässig nicht gewusst, dass sie das Arbeitslosengeld zu Unrecht erhalten habe. Zu dem sei die Wirkung der Arbeitslosmeldung gemäß § 122 Abs. 2 erloschen, da die Klägerin die Aufnahme der Beschäftigung nicht mitgeteilt habe. Die Beklagte sei damit nach § 48 SGB X in Verbindung mit § 333 Abs. 3 SGB III sowie § 335 Abs. 3 SGB III zur Erstattung der von der Beklagten geltend gemachten Beträge verpflichtet. Das Urteil des SG wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 07.01.2008 zugestellt.

Die Klägerbevollmächtigten haben am 07.02.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG habe fehlerhaft auf die von den Arbeitgebern pauschal mitgeteilten Arbeitszeiten und nicht auf die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden abgestellt.

Das SG gehe fälschlicherweise von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 6 Stunden aus, weil die Klägerin schließlich auch für 6 Stunden bezahlt werde. Nicht die Vergütungsgrundlage sei jedoch entscheidend, sondern die tatsächliche Arbeitszeit. Da die Klägerin seit vielen Jahren im selben Bezirk Zeitungen austrage, benötige sie weniger Zeit als vom Arbeitgeber vorgegeben und der Vergütung zugrunde gelegt. Welche Arbeitszeiten die Klägerin beim Landwirt M. tatsächlich erbracht habe, sei bereits in der ersten Instanz vorgetragen unter Beweis gestellt worden. Bereits aus dem Stundenlohn für den Monat Februar ergebe sich, dass die Mitteilung des Landwirtes M. sich lediglich aus dem Monatslohn dividiert durch den Stundenlohn ergäben und eine reine Rechnungsgröße seien, die mit der tatsächlichen geleisteten Stundenzahl nicht übereinstimme. Insgesamt habe die Klägerin von der 5. bis zur 10. Kalenderwoche lediglich ein Mal die 15 Stundengrenze überschritten, nämlich in der 9. Kalenderwoche mit 22 Stunden. Dies sei jedoch nicht erheblich, da eine gelegentliche Abweichung von geringer Dauer vorläge.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18.12.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2006 aufzuheben, hilfsweise, den Landwirt M. als Zeugen zu vernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des Sozialgerichts und die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 ff. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Im Anhörungsverfahren (vgl. Hinweis vom 10.06.2008) haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen.

Das SG hat unter Angabe der einschlägigen Rechtsnormen zutreffend entschieden, dass die Bescheide der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten falsche Angaben bezüglich ihrer Nebenbeschäftigungen gemacht. Ihrem Versprechen, korrigierte Arbeitgeberbescheinigungen mit einer geringeren Stundenzahl vorzulegen, ist sie nicht nachgekommen. Der Senat hält es insoweit ebenso wie das SG ebenfalls für unwahrscheinlich, dass die Klägerin von zwei Arbeitgebern für Arbeitsstunden entlohnt worden ist, die sie tatsächlich nicht geleistet hat. Der Senat stuft auch die Glaubwürdigkeit der Angaben der beiden Arbeitgeber als höher ein als diejenige der Klägerin, da die Klägerin ihre Tätigkeit ursprünglich ganz verschwiegen hat und die Klägerin anders als ihre beiden Arbeitgeber auch ein unmittelbares Interesse am Ausgang des vorliegenden Verfahrens hat.

Der Senat ist auch der Auffassung, dass der Aussage der Klägerin gegenüber dem Landwirt M., ihre Beschäftigung mit dem Zeitaustragen betrage einen wöchentlichen Zeitaufwand von sechs Stunden (vgl. Bl. 36 der SG-Akte) ein besonderer Beweiswert beikommt, weil dies die erste unbefangene bekannte Einlassung der Klägerin zu ihrem Zeiteinsatz für das Zeitungsaustragen ist.

Sofern der Klägerbevollmächtigte auf Unstimmigkeiten in der Aufstellung der Arbeitszeiten durch den Landwirt M. verweist, sind diese - unterstellt sie treffen zu - vorliegend irrelevant. Unstreitig ist insoweit, dass der Landwirt der Klägerin in den Monaten Februar bis April 2006 jeweils 400,00 EUR Lohn gezahlt hat. Auch wenn bei einer korrekten Umrechnung aufgrund des Stundenlohns von 7,75 EUR eine geringere wöchentliche Arbeitszeit anzunehmen wäre, hätte die Klägerin doch jedenfalls 12 Stunden wöchentlich gearbeitet und dadurch einschließlich ihrer anderen Tätigkeit von sechs Stunden Dauer wöchentlich die Kurzfristigkeitsgrenze unterschritten. Auf die Vernehmung des Landwirtes M. als Zeuge kommt es daher im Ergebnis nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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