L 5 KR 2288/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2734/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2288/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 3.4.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Rückzahlung der in der Zeit von August 2003 bis November 2004 gezahlten freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

Der Kläger, dem das Arbeitsamt H. mit Bescheid vom 6.8.2003 ab 1.8.2003 einen Existenzgründerzuschuss (§ 421 l Sozialgesetzbuch Drittes Buch, SGB III, 600 EUR monatlich zunächst bis 31.7.2004, Verwaltungsakte S. 3) bewilligt hatte, gab bei der Beklagten unter dem 20.8.2003 eine Mitgliedschaftserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung ab. Er sei ab 1.8.2003 (nach vorheriger Arbeitslosigkeit) selbständig erwerbstätig im Rahmen einer so genannten "Ich-AG".

Mit Bescheid vom 26.8.2003 (Verwaltungsakte S. 4) teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei ab 1.8.2003 freiwilliges Mitglied; außerdem setzte sie den Kranken- bzw. Pflegeversicherungsbeitrag auf 165,42 EUR bzw. 20,24 EUR monatlich fest. Dem Bescheid war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.

Der Kläger, der aus der bis zum 31.12.2004 im Rahmen der "Ich-AG" ausgeübten Erwerbstätigkeit keine Einkünfte erzielte (Verwaltungsakte S. 7/18) und deswegen zunächst ergänzende Sozialhilfeleistungen, nach Ablauf der Existenzgründungsförderung Sozialhilfe, sodann Arbeitslosengeld II bezog, zahlte den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag bis November 2004. Mit Schreiben vom 27.1.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei nunmehr (wieder) über die Agentur für Arbeit versichert; die freiwillige Mitgliedschaft ende am 31.12.2004 (Bl.6 VA).

Am 11.3.2005 erhob der Kläger Widerspruch (Verwaltungsakte S. 7). Er habe mit seiner "Ich-AG" (vom 1.8.2003 bis 31.12.2004) keinerlei Einkünfte erzielt; ihm seien nur Kosten entstanden. Daher seien keine Krankenkassenbeiträge angefallen, weshalb die gezahlten Beiträge zurückerstattet werden müssten.

Mit Schreiben vom 4.4.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, im - bestandskräftigen - Bescheid vom 26.8.2003 seien die Mindestbeiträge für freiwillig Versicherte festgesetzt worden: die Mindestbemessungsgrundlage betrage 60 % der Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V). Mindestbeiträge müssten auch dann gezahlt werden, wenn keine Einnahmen aus der selbständigen Erwerbstätigkeit erzielt worden seien. Ergänzend führte die Beklagte im Schreiben vom 13.6.2005 aus, der Kläger gelte wegen des erhaltenen Existenzgründerzuschusses als Selbständiger (§ 7 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV).

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.7.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Der Bescheid vom 26.8.2003 über die Mitgliedschaft zur Kranken- und Pflegeversicherung bzw. die Festsetzung der Beiträge sei bestandskräftig geworden, da die (mangels Rechtsmittelbelehrung) maßgebliche Jahresfrist für die Erhebung des Widerspruchs am 11.3.2005 abgelaufen sei. Der Widerspruch wäre im Übrigen auch unbegründet gewesen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger nach zunächst erfolglosem Zustellversuch mit einem am 25.7.2005 zur Post gegebenen Einschreiben (erneut) zugestellt.

Am 26.8.2005 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht H ... Nachdem der Senat mit Beschluss vom 21.3.2007 (L 5 KR 905/07 A) einen gegen die zuständige Richterin gerichteten Befangenheitsantrag des Klägers für unbegründet erklärt hatte, wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3.4.2007 ab. Zur Begründung führte es aus, der angefochtene Bescheid vom 26.8.2003 sei bestandskräftig geworden, weil der Kläger erst am 11.3.2005 und damit nach Ablauf der - mangels Rechtsbehelfsbelehrung einjährigen - Widerspruchsfrist Widerspruch eingelegt habe (§§ 84 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Auf den ihm am 5.4.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 5.5.2007 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und beharrt auf der Erstattung der gezahlten Versicherungsbeiträge. Ihm hätte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist gewährt werden müssen, da die Beklagte weder ganzheitlich noch vollständig noch wissenschaftlich und verfassungsrechtlich korrekt arbeiten dürfe. Bescheide der BfA (Vgl. Bescheide SG-Akte S. 19 ff. - keine Rentenversicherungspflicht ab 1.1.2005 wegen Wegfall des Existenzgründerzuschusses; im Übrigen Hinweis auf § 2 Satz 1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI: Rentenversicherungspflicht von Beziehern eines Existenzgründerzuschusses) seien auch für die Beklagte verbindlich. Die Bescheide der Beklagten seien gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rückwirkend aufzuheben. Der Kläger erklärt noch in der mündlichen Verhandlung, er mache nur die Erstattung der Beiträge von August 2003 bis Juli 2004 geltend, da in der Folgezeit der Sozialhilfeträger (Landratsamt) die Beiträge übernommen habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 3.4.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.8.2003 über die Festsetzung von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.7.2005 zu verurteilen, die von August 2003 bis Juli 2004 gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zurückzuerstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Seinerzeit seien die nach Maßgabe des § 240 Abs. 4 SGB V errechneten Mindestbeiträge festgesetzt worden. Als Mindestbemessungsgrundlage sei danach der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße anzusetzen gewesen (2003: 2.380 EUR x 60% =1.190 EUR; 2004: 2.415 EUR x 60 % = 1.207,05 EUR). Die sich hieraus ergebenden Beiträge seien bis November 2004 gezahlt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 26.8.2003 ist bestandskräftig geworden. Die Beklagte hat den dagegen am 11.3.2005 erhobenen Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, da die (hier einjährige) Widerspruchsfrist (§§ 84 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs.- 2 Satz 1 SGG) versäumt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 84 Abs. 2 Satz 3, 67 SGG) nicht zu gewähren war. Die Beklagte hat die vom Kläger ab 1.8.2003 (bis November 2004) zu zahlenden Kranken- bzw. Pflegeversicherungsbeiträge im genannten Bescheid zudem rechtsfehlerfrei auf monatlich 165,42 EUR bzw. 20,24 EUR festgesetzt. Die Abänderung bzw. Aufhebung des Beitragsbescheids ist daher auch nach Maßgabe des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht möglich.

Der Bescheid vom 26.8.2003 ist bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden. Der dagegen über ein Jahr später, am 11.3.2005, eingelegte Widerspruch war verspätet und ist von der Beklagten deshalb zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden (§§ 84 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 2 Satz 1 SGG). Das Berufungsvorbringen des Klägers ändert nichts. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist (§§ 84 Abs. 2 Satz 3, 67 SGG) kommt nicht in Betracht, da für ein schuldloses Fristversäumnis (§ 67 Abs. 1 SGG) nichts ersichtlich oder vorgetragen ist; das entsprechende Vorbringen des Klägers liegt neben der Sache. Das gilt auch für die Hinweise auf Bescheide der BfA.

Der Bescheid der Beklagten vom 26.8.2003 ist im Übrigen auch rechtmäßig. Die Beklagte hat dies im Widerspruchsbescheid vom 18.7.2005 - hilfsweise - zutreffend dargelegt. Da der Kläger einen Existenzgründerzuschuss nach § 421 l SGB III beantragt (und auch erhalten) hatte, ist er im Hinblick auf die Bestimmung des § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB IV als selbständig Tätiger einzustufen. Die deswegen nach Maßgabe des § 240 Abs. 4 SGB V (§ 57 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, SGG XI) geschuldeten Mindestbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung hat die Beklagte rechtsfehlerfrei festgesetzt; Berechnungsfehler sind weder ersichtlich noch geltend gemacht. Rechtlich unerheblich ist, ob der Kläger aus seiner "Ich-AG" tatsächlich Einkünfte erzielt hat oder nicht (vgl. etwa KassKomm-Peters SGB V § 240 Rdnr. 32). Da der Beitragsbescheid rechtmäßig ist, ist dessen Abänderung oder Aufhebung gem. § 44 SGB X nicht möglich.

Der Kläger sei im übrigen noch darauf hingewiesen, dass es sich bei der freiwilligen Krankenversicherung - wie sie hier unter anderem für die streitige Zeit bestand - nicht um eine private Krankenversicherung auf der Grundlage eines individuell ausgehandelten Vertrages handelt, sondern um die freiwillige Krankenversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, die durch die Regelungen im Gesetz auch hinsichtlich ihres Umfanges bestimmt wird, insbesondere auch hinsichtlich der Beitragszahlung. Im übrigen wäre der Kläger auch bei einer privaten Krankenversicherung, wenn er den Krankenversicherungsschutz hätte aufrecht erhalten wollen, gezwungen gewesen, Beiträge auch dann zu zahlen, wenn er keine Einnahmen erzielt.

Die Berufung des Kläger kann nach alledem keinen Erfolg haben. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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