L 11 R 3191/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3161/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3191/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wehrt sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Kürzung ihrer Altersrente um fiktive, d. h. mögliche, aber mangels Betreibens der Antragstellerin nicht gewährte rumänische Rentenzahlungen.

Die Antragstellerin ist am 12. Oktober 1941 geboren, stammt aus Rumänien, wo sie rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt hat und ist Berechtigte nach § 1 des Fremdrentengesetzes (FRG). Sie stellte am 8. Juli 2006 einen Antrag auf Gewährung von Regelaltersrente und beantragte zugleich eine "Antragsverschiebung" (gemeint wohl: -aufschiebung) nach Art. 22 Abs. 3 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über soziale Sicherheit (nachfolgend: deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommen). Es werde, so teilte sie mit, bis auf Weiteres keine Leistungsfeststellung in Rumänien betrieben.

Die Antragsgegnerin gewährte mit Bescheid vom 11. August 2006 Regelaltersrente ab 1. November 2006 (Rentenhöhe 302,44 EUR), wobei auch in Rumänien zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten Berücksichtigung fanden. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass kein Rentenverfahren beim rumänischen Rentenversicherungsträger eingeleitet werde, da ausdrücklich der Aufschub der Rentenantragstellung beantragt worden sei. Mit Bescheid vom 18. April 2007 wurde der Bescheid vom 11. August 2006 zurückgenommen und die Rente - unter Berücksichtigung weiterer Zeiten bzw. deren Berücksichtigung zu 6/6 statt nur zu 5/6 - neu festgestellt wurde (Rentenhöhe 319,31 EUR).

Mit Schreiben vom 13. Februar 2008 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu an, dass beabsichtigt sei, die Rente zu mindern, da eine von der Antragstellerin nicht gewährte, aber fiktiv anzurechnende rumänischen Rente zu berücksichtigen sei. Die Antragstellerin hingegen sah die rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht als gegeben an.

Mit Bescheid vom 27. Februar 2008 nahm die Antragsgegnerin den Bescheid vom 18. April 2007 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab 1. März 2008 zurück, berechnete die Rente neu und gewährte der Antragstellerin Rente in Höhe von 239,12 EUR. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, man sehe sich aus den im Anhörungsschreiben genannten Gründen gezwungen, die voraussichtlich zustehende rumänische Rente in Höhe von 81,90 EUR anzurechnen.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 zurück. Die Zulässigkeit der Minderung ergebe sich aus § 31 FRG und stehe insbesondere im Zusammenhang mit § 2 Satz 1 Buchstabe b FRG, wonach das FRG nicht für Versicherungs- und Beschäftigungszeiten gelte, die nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, einem bilateralen Sozialversicherungsabkommen oder den innerstaatlichen Vorschriften eines Vertragsstaates anrechenbar seien. Dabei komme es nicht darauf an, ob diese Zeiten im Einzelfall tatsächlich der Berechnung der Leistung zugrunde gelegt würden. Entsprechend den Grundsätzen des über- und zwischenstaatlichen Rechts habe die Entschädigung der ausländischen Versicherungs- und Beschäftigungszeiten vorrangig durch den Träger des Sozialstaates zu erfolgen, nach dessen Rechtsvorschriften sie zurückgelegt worden seien. Das FRG sei insoweit zweitrangig. Aus der "Vertrauensschutzregelung" des § 2 Satz 2 FRG folge, dass das FRG bei Abkommensstaaten nach § 2 Satz 2 FRG weiterhin anzuwenden sei, sofern dieses durch eine entsprechende "FRG-Weitergeltungsbestimmung" im über- und zwischenstaatlichen Recht ausdrücklich geregelt werde. Im Verhältnis zu Rumänien sei die weitere Anwendung des FRG ausdrücklich in Nr. 13 des Schlussprotokolls zum deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommen geregelt und gelte im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsrechts durch den Eintrag im Anhang III Buchstabe A Nr. 20 b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 weiter. Aus dieser Vertrauensschutzregelung ergebe sich eine besondere Verpflichtung für den Berechtigten, seinen ausländischen Rentenanspruch zu realisieren. Tue er dies nicht, sei der deutsche Rentenversicherungsträger im Hinblick auf Sinn und Zweck der abkommensrechtlichen "FRG-Weitergeltungsbestimmung" berechtigt, seine FRG-Leistung auf den Umfang zu beschränken, der dem Berechtigten bei Erhalt der zustehenden ausländischen Rente verbleiben würde. Das nach Art. 44 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in Anspruch genommene Recht, den rumänischen Rentenanspruch auf unbestimmte Zeit aufzuschieben, könne nicht dazu führen, § 31 FRG zu umgehen. Der Anrechnungsbetrag errechne sich nach der rumänischen Rentenformel unter Zugrundelegung des Wertes eines rumänischen Rentenpunktes für die Altersrente eines durchgehend beschäftigten Durchschnittsverdieners in Abhängigkeit zu der Anzahl der deckungsgleichen Zeiten des Berechtigten.

Die Antragstellerin hat hiergegen am 28. April 2008 bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben (S 4 R 3160/08) und zugleich Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Sie ist der Ansicht, allein der tatsächliche, nicht aber der fiktive Bezug einer rumänischen Rente berechtige zur Anwendung des § 31 FRG. Ein (dem Rentenbezug gleichzustellender) Verzicht auf die rumänische Rente sei nicht erfolgt. Sie sei auf die Rente angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Mit Beschluss vom 11. Juni 2008 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, Folgen der Vollziehung der Bescheide für die Dauer der aufschiebenden Wirkung rückgängig zu machen. Bei einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, denn es fehle an einer Rechtsgrundlage für eine Anrechnung einer fiktiven Rente aus der rumänischen Rentenversicherung. Nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG ruhe die Rente nur in Höhe des Betrages, der ausgezahlt werde, wenn eine ausländische Rente gewährt werde. Mangels planwidriger Regelungslücke komme auch eine analoge Anwendung auf den Fall, dass der (Renten-)Antragsteller von seinem Dispositionsrecht nach Art. 22 Abs. 3 deutsch-rumänisches Sozialversicherungsabkommen bzw. Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Gebrauch mache und die rumänische Rente nicht beantrage, nicht in Betracht. Eine Verpflichtung des (Renten-)Antragstellers, die rumänische Rente zu beantragen, bestehe nicht. Auch aus dem Sinn und Zweck des § 31 FRG folge nichts anderes. Dieser diene dazu, Doppelleistungen zu verhindern. Sei eine ausländische Rente aber nicht beantragt worden, bestehe die Gefahr einer Doppelleistung nicht. Wenn die Antragstellerin von ihrem Aufschubrecht Gebrauch mache, liege darin auch kein Verzicht auf die Rente. Nach der vorzunehmenden Abwägung überwiege das subjektive Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides, zumal die Rente den Lebensunterhalt der Antragstellerin sichere und die Kürzung im Verhältnis zur Rentenhöhe nicht nur geringfügig sei.

Die Antragsgegnerin hat gegen den Beschluss am 2. Juli 2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ihre Rechtsansicht wiederholt und vertieft. Die Antragstellerin habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr durch die Rentenkürzung ein derartiger wesentlicher Nachteil entstanden sei, der es ihr unzumutbar mache, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Es liege in ihrem Einflussbereich, ihre ausländische Rechtsposition zu realisieren, um schadlos gestellt zu werden.

Das SG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 7. Juli 2008 nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Juni 2008 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat den Beschluss des Bayerischen LSG vom 2. Juli 2008, L 14 B 469/08 R ER, der ihre Rechtsansicht bestätigt, vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin, weiterhin die Akten des Klageverfahrens S 4 R 3160/08 verwiesen.

II.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig. Ohne Bedeutung ist, dass das SG der Beschwerde nicht abgeholfen hat, obwohl die Abhilfemöglichkeit durch die Streichung von § 174 SGG durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung zum 1. April 2008 entfallen ist. Wenn das SG eine Abhilfe der Beschwerde prüft, diese dann aber nicht vorgenommen hat, obwohl ein solches Abhilferecht im Gesetz nicht mehr vorgesehen ist, beschwert dies keinen der Beteiligten.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat die aufschiebende Wirkung der Klage zu Recht angeordnet.

Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber nach § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen.

Der Bescheid vom 27. Februar 2008 stellt einen solchen, eine laufende Leistung der Rentenversicherung, damit auch der Sozialversicherung (vgl. § 4 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I), herabsetzenden Verwaltungsakt dar.

§ 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG gibt selbst keinen Maßstab vor, wann die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist. Diese Lücke ist durch eine analoge Anwendung des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu schließen. Das Gericht nimmt also eine eigenständige Abwägung der Beteiligteninteressen vor. Es wägt das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug und das private Aufschubinteresse ab. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Denn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sollen keine Positionen eingeräumt werden, die im Hauptsacheverfahren erkennbar nicht standhalten. Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit der Bescheide ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs die Anordnung hingegen abzulehnen. Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG, in denen wie hier der Rechtsbehelf von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hat, ist diese Entscheidung des Gesetzgebers, den abstrakten öffentlichen Interessen den Vorrang einzuräumen, zu beachten. In analoger Anwendung des § 86a Abs. 3 S. 2 SGG sind Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zugunsten des Antragstellers nur zu berücksichtigen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen, der Erfolg in der Hauptsache also überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. April 2008, L 7 AS 1398/08 ER-B unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Juli 2006, L 13 AS 1709/06 ER-B).

Hier bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

Nach § 2 Satz 1 Buchstabe b FRG gilt das FRG nicht für Versicherungszeiten und Beschäftigungszeiten, die nach einer von einer europäischen Gemeinschaft erlassenen Rechtsvorschrift, die in der Bundesrepublik Deutschland verbindlich ist und unmittelbar gilt, nach einem für die Bundesrepublik Deutschland wirksamen zwischenstaatlichen Abkommen über Sozialversicherung oder nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Staates, für den auch ein für die Bundesrepublik Deutschland verbindliches allgemeines Abkommen über Sozialversicherung wirksam ist, in einer Rentenversicherung des anderen Staates, ohne Rücksicht darauf, ob sie im Einzelfall der Berechnung der Leistungen zugrunde gelegt werden, anrechnungsfähig sind oder nur deshalb nicht anrechnungsfähig sind, weil es Beschäftigungszeiten sind. § 2 Satz 2 FRG regelt aber, dass § 2 Satz 1 FRG nicht gilt, soweit nach einem zwischenstaatlichen Abkommen die Rechtsvorschriften über Leistungen für nach diesem Gesetz anrechenbare Versicherungszeiten oder zu entschädigende Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten unberührt bleiben.

Ein solches zwischenstaatliches Abkommen ist das deutsch-rumänische Sozialversicherungsabkommen vom 8. April 2005. Mit Gesetz vom 6. März 2006 (BGBl. II, S. 162) hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das Gesetz zu diesem Abkommen beschlossen und dem Abkommen zugestimmt. Nr. 13 des Schlussprotokolls zum Abkommen regelt, dass die deutschen Rechtsvorschriften über Leistungen für nach dem Fremdrentenrecht anrechenbaren Versicherungszeiten von dem Abkommen unberührt bleiben. Diese Regelung gilt auch nach dem Beitritt Rumäniens weiter, was aus dem entsprechenden Eintrag im Anhang III Buchstabe A Nr. 20b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in der konsolidierten Fassung (ABl. Nr. L 28 vom 30. Januar 1997, S. 1) folgt.

§ 31 Abs. 1 Satz 1 FRG regelt: Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird.

Der Antragstellerin wird keine Rente aus Rumänien gewährt. Sie hat eine solche nicht einmal beantragt. In der Antragstellung in Deutschland ist nicht zugleich eine solche in Rumänien zu sehen. Zwar bestimmt § 22 Abs. 3 Satz 1 des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens, dass ein Antrag auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des einen Vertragsstaats auch als Antrag auf eine entsprechende Leistung nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats gilt. Dies gilt aber nach Satz 2 nicht, wenn der (Renten-)Antragsteller - wie hier - ausdrücklich beantragt, dass die Feststellung der nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter aufgeschoben wird. Die gleiche Regelung findet sich in Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71.

Ob der Argumentation der Antragstellerin gefolgt werden kann, aus dem Zusammenhang von § 2 und § 31 FRG folge, einer Verpflichtung der Berechtigten, die Rente in Rumänien zu beantragen und im Falle, dass dies nicht geschieht, könne eine "fiktive" Rentenzahlung angerechnet werden, ist zweifelhaft. Der Senat teilt die Bedenken des SG und verweist entsprechend § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Die dort vertretene Rechtsansicht wird auch von dem Bayerischen LSG in dem von der Antragstellerin vorgelegten und der Antragsgegnerin bekannten Beschluss geteilt. Dort ist auch dargelegt, warum auch nicht ohne Weiteres von einem Verzicht (§ 46 Abs. 2 SGB I) auf die rumänische Rente ausgegangen werden kann.

Letztlich kann dies aber offen gelassen werden, denn der angefochtene Bescheid stellt sich schon aus anderen Gründen als rechtswidrig dar.

Grundlage der Rentengewährung der Antragstellerin ist der Bescheid vom 18. April 2007. Da die Antragstellerin bereits mit der Rentenantragstellung erklärte, ein Rentenverfahren in Rumänien nicht betreiben zu wollen, ist nach Erlass des Bescheids vom 18. April 2007 (der den Bescheid vom 11. August 2006 ersetzt hat) keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten. Grundlage einer Rücknahme des Bescheides kann daher nur § 45 SGB X sein.

§ 45 Abs. 1 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), und der rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4, in denen Vertrauenstatbestände und Fristen normiert sind, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden darf.

Ob der Bescheid rechtswidrig ist (woran, wie dargelegt, Zweifel bestehen) und die Voraussetzungen der § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X vorliegen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine Entscheidung nach § 45 SGB X erfordert - dies ergibt sich aus dem Wort "darf" (vgl. nur BSG, Urteil vom 15. Februar 1990, 7 RAr 28/88, SozR 3-1300 § 45 Nr. 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 45 SGB X Rdnr. 51) - die Ausübung von Ermessen. Hieran fehlt es hier schon deshalb, weil die Antragsgegnerin sich der Notwendigkeit einer Ermessensausübung nicht bewusst war. Ermessensgesichtspunkte sind im angefochtenen Bescheid wie im Widerspruchsbescheid an keiner Stelle zu erkennen. Die Antragsgegnerin sah sich nach den Ausführungen im Bescheid vom 27. Februar 2008 sogar "gezwungen" die Anrechnung vorzunehmen. Dass hier ein Fall einer sog. "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt, bei der sich das Ermessen der Antragsgegnerin derart verdichtet, dass nur eine Entscheidungsmöglichkeit rechtsfehlerfrei möglich ist (vgl. Schütze in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 45 Rdnr. 91), ist nicht erkennbar. Hiergegen spricht schon, dass die Antragstellerin lediglich eine aus ihrer Sicht gesetzlich vorgesehene Gestaltungsmöglichkeit genutzt hat, was ihr grundsätzlich auch nicht vorzuwerfen ist. Zu berücksichtigen wären zudem denkbare Nachteile einer erst heute erfolgten Rentenantragstellung in Rumänien, die darzustellen, zunächst etwaige Ermittlungen der Antragsgegnerin (§ 20 SGB X) erfordern würde. Zu alldem findet sich im Vorbringen der Antragsgegnerin nichts.

Schon die fehlende Ermessensausübung begründet die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Denn nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ist ein Verwaltungsakt auch dann rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Ein solcher Ermessensfehler liegt auch dann vor, wenn die Behörde von ihrem Ermessen gar keinen Gebrauch machte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 54 Rdnr. 30).

Die Antragstellerin hat auch ein berechtigtes Interesse ihre ohnehin nicht hohe Rente ungekürzt zu beziehen, um daraus ihren laufenden Lebensunterhalt zu bestreiten. Ihr kann auch nicht, wie es die Antragsgegnerin meint, zugemutet werden, die rumänische Rente zu beantragen und damit auf das Recht aus Art. 22 Abs. 3 deutsch-rumänisches Sozialversicherungsabkommen bzw. Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zu verzichten. Denn mit ihrem Klagebegehren wendet sie sich ja gerade dagegen, dies tun zu müssen. Es kann aber nicht sein, dass ihr im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Verhalten abverlangt wird, das im Hauptsacheverfahren zu dem (ganz oder teilweisen) Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führen würde (so auch Bayerisches LSG, a.a.O.). Die Antragsgegnerin hat auf der anderen Seite nicht geltend gemacht, im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache sei eine Erstattung der dann zu Unrecht geleisteten Beträge durch die Antragstellerin ausgeschlossen. Nimmt man die dargestellten Erfolgsaussichten in der Hauptsache hinzu, überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angefochtenen Bescheides nicht.

Die Kostenentscheidung folgt einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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