S 6 KR 246/04

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 6 KR 246/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung zugunsten einer Privatperson gegenüber einem Sozialleistungsträger stellt eine "besondere", eigenständige Gebührenansprüche auslösende, anwaltliche Tätigkeit dar.

Ein Vergütungsanspruch für eine anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Zwangsvollstreckung kann nicht im Rahmen der gerichtlichen Kostenfestsetzung gemäß §§ 193, 197 SGG nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens geltend gemacht werden.
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die am 27. April 2007 (Eingangsdatum) erhobene Erinnerung mit dem (sinngemäß gestellten) Antrag der Erinnerungsführerin, unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 23. April 2007 ihre erstattungsfähigen Kosten auf insgesamt 577,98 EUR festzusetzen, der der zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat (Vermerk vom 3. Mai 2007), war zurückzuweisen, da sie zulässig, aber unbegründet ist.

Die Beteiligten streiten im Erinnerungsverfahren nur noch um die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten der Vollstreckungsandrohung. Insoweit hat die Erinnerungsführerin ihr Rechtsmittel in zulässiger Weise beschränkt.

Das Gericht ist zu der Ansicht gekommen, dass der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. April 2007 im Ergebnis zu Recht die Kosten der Vollstreckungsandrohung nicht berücksichtigt hat. Dabei kommt es jedoch entgegen der Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses und entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht darauf an, ob es sich insoweit um eine eigene Angelegenheit im Sinne des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) handelt. Nur der Vollständigkeit halber sei daher ausgeführt, dass die Kammer - anders als der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle - der Meinung ist, dass mit der Vollstreckungsandrohung bereits die Zwangsvollstreckung aus dem im Erkenntnisverfahren erlangten Titel beginnt und dies eine "besondere", eigenständige Gebührenansprüche auslösende, anwaltliche Tätigkeit ist. Dies ergibt sich nach Auffassung des Gerichts unzweifelhaft aus den Regelungen der §§ 18 Nr. 3, 19 Abs. 2 Nr. 4 RVG. Insoweit schließt sich das Gericht der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg an, dass in seinem Beschluss vom 27. September 2006 (Az.: L 10 B 752/06 AS ER) ausgeführt hat, das Vollstreckungsverfahren sei ein außergerichtliche Kosten auslösendes Verfahren. Zu den allgemeinen Voraussetzungen, unter denen eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung die hier geltend gemachte Vollstreckungsgebühr auslöst, siehe den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2003 (Az.: IXa ZB 183/03).

Darauf kommt es hier jedoch nicht an, da einer entsprechenden Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten gemäß § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereits der Umstand entgegenstand, dass bezüglich der streitgegenständlichen Kosten der Vollstreckungsandrohung keine Kostengrundentscheidung zulasten der Erinnerungsgegnerin existiert. Dies ist jedoch zwingende Voraussetzung für das Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl., 2008, S. 547). Zwar hat die Erinnerungsgegnerin (sinngemäß) ein Kostengrundanerkenntnis für das vorangegangene Klageverfahren zwischen den Beteiligten abgegeben. Dieses bezieht sich jedoch (wie andernfalls ein entsprechender Beschluss des Gerichts gemäß § 193 Abs. 1 SGG) lediglich auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Erinnerungsführerin (§ 193 Abs. 2 SGG). Diese außergerichtlichen Kosten müssen sich auf den erledigten Rechtsstreit oder ein vorangegangenes Widerspruchsverfahren beziehen (siehe Meyer-Ladewig/Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., 2005, § 193 Rn. 5). Im vorliegenden Fall handelte es sich bei diesem Rechtsstreit um ein Klageverfahren aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Erinnerungsführerin wandte sich gegen einen Bescheid der Erinnerungsgegnerin vom 28. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2004 und machte Kostenerstattung für eine von ihr vorfinanzierte stationäre Anschlussheilbehandlung geltend. Diese kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage führte zu einem Anerkenntnis der Erinnerungsgegnerin. Dieses stellt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG einen Vollstreckungstitel dar. Mit der Erlangung eines solchen Titels ist das Ziel des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens erreicht. Sich daran eventuell anschließende Maßnahmen zur Durchsetzung eines titulierten Anspruchs - wie die streitgegenständliche Vollstreckungsandrohung - gehören bereits zum Vollstreckungsverfahren. Dabei handelt es sich jedoch nicht um anwaltliche Tätigkeiten im Rahmen des zwischen den Beteiligten unter dem Aktenzeichen S 6 KR 246/04 anhängigen Rechtsstreits. Derartige Maßnahmen unterfallen folglich auch nicht der Kostenentscheidung dieses Klageverfahrens.

Mit dieser Rechtsprechung der Kammer wird auch eine parallele Rechtsanwendung zu der vergleichbaren prozessualen Situation im Zivilrecht erreicht. Auch dort gehören die Kosten der Zwangsvollstreckung (einschließlich der hier streitgegenständlichen Vollstreckungsandrohung) nicht zu den Kosten des Rechtsstreits, über die nach Maßgabe der §§ 91 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) zu entscheiden ist. Vielmehr statuiert § 788 ZPO eine eigenständige Rechtsgrundlage bezüglich der Kosten der Zwangsvollstreckung. Diese Vorschrift findet im Übrigen wegen der umfassenden Verweisung des § 198 Abs. 1 SGG auch auf die Vollstreckung eines sozialgerichtlichen Titels zu Gunsten einer Privatperson Anwendung (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., 2005, § 198 Rn. 5 c).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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