Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 7 KA 2192/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 856/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 29. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Unterlassung von Hinweisen durch die Beklagte an ihre Vertragsärzte.
Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen und stellt u. a. Factor AF2, Selenase und Zinkotase her und vertreibt diese Mittel.
In dem Rundschreiben X/2002 der Beklagten war unter der Rubrik "Aktuelle Verordnungstipps" folgende Passage aufgeführt:
- Prüfanträge der Krankenkassen auf Sonstigen Schaden
In letzter Zeit ist die Zahl von Prüfanträgen auf Feststellung eines Sonstigen Schadens seitens der Krankenkassen deutlich gestiegen. Daher haben wir für Sie eine Liste derjenigen Präparate zusammengestellt, die - nach Meinung der Antrag stellenden Krankenkassen - nicht zu Lasten der GKV hätten verordnet werden dürfen. Grundlage für derartige Anträge waren die derzeit gültigen Arzneimittelrichtlinien (AMR) oder andere Regelungen. Gleichzeitig erhalten Sie die entsprechenden Quellen, auf die sich die Krankenkassen bei ihren Prüfanträgen beziehen. Wir haben für Sie das jeweilige Zitat aus der Rechtsquelle in Klammern aufgeführt.
Die KV Thüringen stellt die nachfolgenden Hinweise als Information an ihre Vertragsärzte zur Verfügung, mit der sie keine rechtliche Wertung vornimmt.
AMR Punkt 17.1.m ("sogenannte Zellulartherapeutika und Organhydrolysate") - Factor AF2
AMR Punkt 17.2.g ("Mineralstoffpräparate zur oralen Anwendung ...") - Selenase - Zink-Präparate
Die am 14. Juli 2003 vor dem Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage auf Unterlassung dieser Hinweise unter Androhung eines Ordnungsgeldes bzw. Ordnungshaft für den Fall der Zuwiderhandlung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 12. August 2003 an das örtlich zuständige Sozialgericht Gotha verwiesen.
Das Sozialgericht Gotha hat mit Urteil vom 29. Juni 2005 die Klage auf Verurteilung, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, ein Rundschreiben an die Vertragsärzte, dort unter "aktuelle Verordnungstipps", auszuführen:
" ... Daher haben wir für Sie eine Liste derjenigen Präparate zusammengestellt, die - nach Meinung der antragstellenden Krankenkassen, nicht zu Lasten der GKV hätten verordnet werden dürfen.
AMR Punkt 17.1 m ("sogenannte Zellulartherapeutika und Organhydrolysate")
- Factor AF2
AMR Punkt 17.2 g ("Mineralstoffpräparate zur oralen Anwendung, ...)
- Selenase - Zink-Präparate"
2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Äußerungen von Krankenkassen über Verordnungsverbote bezüglich der Arzneimittel Factor AF2, Selenase und Zinkotase der Klägerin unkommentiert, d. h. ohne Aufnahme entsprechender Einwendung des/der Hersteller gegen solche Krankenkassenmitteilungen bzw. ohne Hinweis auf die gegebene Verordnungsfähigkeit in eigenen Rundschreiben an die Vertragsärzte weiterzugeben, abgewiesen.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung bzw. Ergänzung der streitgegenständlichen Äußerungen habe, denn insoweit handele es sich nicht um einen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin. Nach § 75 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten die kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Sie hätten die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und diese, soweit notwendig, zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Hierauf gründe sich eine allgemeine Informationsbefugnis der kassenärztlichen Vereinigung gegenüber der Ärzteschaft in ihrem Zuständigkeitsbereich. Hierzu zähle auch die Berechtigung der Beklagten, durch geeignete Hinweise eine Inanspruchnahme ihrer Mitglieder in Folge von Wirtschaftlichkeitsverfahren oder der unzulässigen Verordnung von Arzneimitteln entgegenzuwirken. Sofern diese Hinweise bzw. Informationen inhaltlich (nachweislich) richtig und zur Erreichung des mit ihnen verfolgten (legitimen) Zwecks erforderlich seien, würden Abwehransprüche mittelbar betroffener Dritter, hierzu könnten auch Arzneimittelhersteller gehören, nicht in Betracht kommen, denn insoweit fehle es an der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in deren Gewerbebetrieb. So verhalte es sich hier, denn die umstrittene Publikation der Beklagten halte sich im Rahmen des berechtigten Interessenwahrnehmens gegenüber deren Mitgliedern. Die Grenze dieser Interessenwahrnehmung könnte dann überschritten sein, wenn der als ein Eingriff in den Gewerbebetrieb eines Arzneimittelherstellers zu qualifizierende Informationsgehalt sachlich nicht gerechtfertigt erscheine und inhaltlich falsch sei. Die Beklagte habe, anders als die Klägerin meine, keine Bewertung der Verordnungsfähigkeit bzw. des therapeutischen Nutzens der Präparate vorgenommen. Die maßgeblichen Passagen des Rundschreibens zielten erkennbar darauf ab, die Ärzte über die für die Einleitung von Prüfanträgen auf Feststellung eines Sonstigen Schadens relevante Auffassung der Krankenkasse zur Verordnungsfähigkeit bestimmter Arzneimittel zu informieren. Dass die Beklagte sich bewusst von eigenen Empfehlungen zum Verordnungsverhalten der angesprochenen Ärzte enthalten habe, belege im Übrigen der in dem relevanten Teil des Rundschreibens drucktechnisch hervorgehobene Hinweis, dass sie keine rechtliche Wertung vornehme. Eine andere rechtliche Bewertung sei insbesondere nicht deshalb geboten, weil die Beklagte die beanstandeten Informationen in der Rubrik "Aktuelle Verordnungstipps" untergebracht habe. Allein diese Überschrift, die im Übrigen mit dem streitgegenständlichen Inhalt durchaus korrespondiere, denn das Vorgehen der Krankenkasse betreffe das Verordnungsverhalten der Ärzte, mache den nachfolgenden Informationsgehalt nicht zu einer konkludenten Bewertung der Verordnungsfähigkeit der Präparate der Klägerin. Die Kammer übersehe in diesem Zusammenhang nicht, dass die streitgegenständlichen Informationen das Verordnungsverhalten der angesprochenen Ärzte beeinflussen könne, was zu einem Rückgang des Verordnungsvolumens führe und sich damit letztlich zu Lasten der Klägerin auswirken könne. Die Klägerin werde jedoch derartige Auswirkungen der berechtigten Interessenwahrung seitens der Beklagten als rechtmäßige Beeinträchtigung ihres Gewerbebetriebes hinzunehmen haben und sie habe rechtlich nicht untermauert, weshalb ihr Geschäftsinteresse höher gewichtet werden sollte als die berechtigte Aufgabenwahrnehmung seitens der Beklagten gegenüber ihren Mitgliedern.
Mit der dagegen eingelegten Berufung hält die Klägerin an ihrem Begehren fest und führt aus, dass die besagte Rubrik in dem Rundschreiben X/2002 überschrieben mit der Überschrift "Aktuelle Verordnungstipps" eine Wertung ausdrücke. Die Subsumtion der Präparatsbezeichnung unter verschiedenen Nummern der AMR werde von den Ärzten als verbindlicher Hinweis verstanden, zur Vermeidung von Prüfanträgen auf die Verordnung dieser Arzneimittel zu verzichten. Eine Berichterstattung über Prüfanträge wäre nur dann zulässig, wenn gleichzeitig mitgeteilt werde, aus welchem Grund sie gestellt worden seien und ob Gegenargumente geltend gemacht wurden. Ferner müsste dann auch über das Ergebnis (z. B. die Einstellung eines Verfahrens oder die Zurückweisung eines Prüfantrages) berichtet werden. Dies alles sei jedoch nicht geschehen. Die Hinweise der Beklagte seien einseitig und irreführend und zudem auch falsch. Die genannten Arzneimittel der Klägerin seien verordnungsfähig. Zum Beweis werde die Einholung von Sachverständigengutachten angeboten. Das Verhalten der Beklagten wirke sich unmittelbar geschäftsschädigend aus. Es handele sich hierbei um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, welcher sich auch als unmittelbar betriebsbezogen darstelle. Die falsche Darstellung der Beklagten führe unmittelbar dazu, dass Ärzte die betreffenden Präparate nicht mehr verordnen würden, was zu einer erheblichen Umsatzeinbuße der Klägerin führe. Die falschen Angaben der Beklagten seien richtig zu stellen. Hinsichtlich des Präparates Zinkotase könne dies dadurch geschehen, dass den Vertragsärzten die Ausnahmetatbestände bei Zinkpräparaten mitgeteilt würden. Entscheidend sei hier jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich in ihrem Rundschreiben X/2002 die Position anmaße, über die Verordnungsfähigkeit der betreffenden Präparate zu entscheiden. Ob die Verordnung eines Arzneimittels im Einzelfall als wirtschaftlich angesehen werde, sei anhand des jeweiligen Falls zu prüfen. Keinesfalls könne hier eine pauschale Aussage getroffen werden. Die Beklagte erwecke zu Unrecht den Eindruck, die besagten Arzneimittel seien nach den Arzneimittelrichtlinien nicht verordnungsfähig. Zu Unrecht meine das Sozialgericht, dass es sich hierbei nicht um einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin handele. Das Sozialgericht habe selbst erkannt, dass niedergelassene Ärzte aufgrund des Hinweises der Beklagten Abstand von den Verordnungen nähmen. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten, auf vermehrte Regressanträge der Kassen hinzuweisen, weil eine solche Aussage lediglich niedergelassene Ärzte verunsichere, jedoch keinen konkreten Informationsgehalt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 29. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in Rundschreiben an die Vertragsärzte, dort unter "Aktuelle Verordnungstipps", auszuführen:
" ... daher haben wir für Sie eine Liste derjenigen Präparate zusammengestellt, die - nach Meinung der Antrag stellenden Krankenkassen - nicht zu Lasten der GKV hätten verordnet werden dürfen.
a) AMR Punkt 17.1.m ("sog. Cellulartherapeutika und Organhydrolysate") - Faktor AF 2
b) AMR Punkt 17.2 g (Mineralstoffpräparates zur oralen Anwendung, ...") - Selenase - Zink-Präparate"
Ferner Beklagte weiterhin zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Äußerungen von Krankenkassen über Verordnungsverbote bezüglich der Arzneimittel FACTOR AF 2, selenase® und zinkotase® der Klägerin unkommentiert, d. h. ohne Aufnahme entsprechender Einwendungen des/der Hersteller gegen solche Krankenkassenmitteilungen bzw. ohne Hinweis auf die gegebene Verordnungsfähigkeit in eigenen Rundschreiben an die Vertragsärztinnen/-ärzte weiterzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie zu keinem Zeitpunkt die Verordnungsfähigkeit der Medikamente beeinflusst habe. Es habe lediglich eine wertfreie Darstellung des Sachverhaltes stattgefunden. Dieser habe zum Inhalt gehabt, dass in zunehmendem Maße seitens der Krankenkassen Antragstellungen über die Feststellung eines sonstigen Schadens erfolgt seien. Dabei entscheide die Beklagte nicht über die Verordnungsfähigkeit der Medikamente, sondern stelle lediglich dar, inwieweit es möglicherweise bei der Verordnung der Präparate zu Prüfanträgen und Regressen kommen könne.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nach § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG - auch wenn hier ein privatrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird - eröffnet, weil die Beklagte als Behörde- und hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Unterlassungsklage - aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm (§ 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V) ihren Überwachungspflichten gegenüber den Vertragsärzten nachkommt.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, auch wenn es das Sozialgericht unterlassen hat, die konkrete Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ausdrücklich zu benennen und an einer Norm festzumachen. Jedoch kommt das Sozialgericht zu dem Ergebnis, dass es einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin verneint. Mit dieser Einschätzung geht der Senat konform.
Unter keinerlei Gesichtspunkt besteht ein Anspruch der Klägerin auf Unterlassung bestimmter Äußerungen und die Androhung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung durch die Beklagte. Die Äußerungen der Beklagten in dem streitgegenständlichen Rundschreiben stellen kein widerrechtliches Verhalten dar, das einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen könnte. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 8 Abs. 1 und 2 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) i.V.m. den §§ 3 ff UWG besteht schon deshalb nicht, weil die Klägerin nicht nach § 8 Abs. 3 UWG für einen solchen Anspruch aktivlegitimiert ist. Zwischen den Beteiligten besteht kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Auch aus den Nr. 2 mit 4 des § 8 Abs. 3 UWG ergibt sich keine Anspruchsberechtigung der Klägerin für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch richtet sich allein nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften und kann sich daher nur aus den §§ 823, 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und den dazu entwickelten Grundsätzen ergeben. Die hiernach allein in Betracht kommenden bürgerlich–rechtlichen Unterlassungsansprüche (§ 1004 Abs.1 analog i.V.m. §§ 823 ff BGB) setzen die unmittelbar drohende Gefahr eines widerrechtlichen Eingriffs in ein durch §§ 823 ff BGB geschütztes Rechtsgut voraus, wobei es sich nicht unbedingt um ein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Ausschließlichkeitsrecht handeln muss. Auch sonstige Rechte wie der "eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb" oder Verstöße gegen § 823 Abs.2, § 824 oder § 826 BGB können Abwehransprüche auslösen.
Dabei muss bei der Beurteilung, ob die angegriffene Maßnahme einen unzulässigen und damit zu unterlassenden Eingriff in den - hier allein als betroffenes Rechtsgut in Betracht kommenden - eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, auf das Verhalten der Beklagten in dem streitgegenständlichen Rundbrief abgestellt werden, das es zu bewerten gilt.
Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch ist, dass das Verhalten der Beklagten einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin darstellt und weiteren solchen Eingriffen, also einer Gefahr der Wiederholung solcher Eingriffe nur durch ein strafbewehrtes Unterlassungsgebot begegnet werden kann.
Ein rechtswidriger Eingriff liegt nicht vor. Die Beklagte kommt mit ihren Hinweisen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 75 Abs. 2 SGB V nach. Nach dieser Norm haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Wie dies zu geschehen hat, steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen der Kassenärztlichen Vereinigungen, dass es zu geschehen hat, ist unmissverständlich, klar und ausnahmslos formuliert und wenn es geschieht, dann ist es ein legitimes Mittel auch wenn dadurch Interessen von außenstehenden Dritten wie der Pharmaindustrie tangiert sein sollten.
Eine zutreffende Information der Vertragsärzte in einem (den Vertragsärzten) zugänglichen Medium wie einem Rundbrief ist auch generell geeignet, der gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen und die Vertragsärzte über bestimmte Maßnahmen der Krankenkassen zu informieren. Allein dies und nicht mehr ist hier geschehen. Das Verhalten der Beklagten richtet sich nicht gegen die Interessen der Klägerin und deren Gewerbebetrieb. Vielmehr besteht eine durch Bundesrecht normierte Verpflichtung, die die Beklagte bindet und die ihr nicht nur das Recht zur Information, sondern auch die Verpflichtung dazu auferlegt. Wenn nun die Beklagte dieser Pflicht nachkommt und dabei wirtschaftliche Interessen eines Dritten berührt, dann ist dies für den Dritten zwar bedauerlich, für die Beklagte aber unvermeidbar Der Dritte muss das Verhalten hinnehmen, weil er in die Vertragsbeziehung zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Vertragsarzt nicht eingebunden ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte keine eigene Position (und auch keine Bewertung) in der Angelegenheit bezogen (bzw. vorgenommen). Das ist aber genau das, was die Klägerin letztlich von der Beklagten verlangt, klarstellend gegenüber den Krankenkassen und Ärzten aufzutreten. Dazu ist die Beklagte jedoch nicht verpflichtet. Insbesondere hat sie nicht auch noch die wirtschaftlichen Interessen Dritter wahrzunehmen ...
Das konkret angegriffene Verhalten bewegt sich ausschließlich und in seiner Gesamtheit im Rahmen des § 75 Abs. 2 SGB V. Die Beklagte weist in ihrem Rundschreiben die Vertragsärzte auf Beanstandungen durch die Krankenkassen hin, die in dieser Form tatsächlich stattgefunden haben und auf die sich die Vertragsärzte gegebenenfalls einrichten müssen.
Im Übrigen ist zu keinem Zeitpunkt eine Bewertung der Verordnungsfähigkeit der Medikamente vorgenommen worden. Insbesondere hat die Beklagte klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich um Prüfanträge der Krankenkasse handelt und nicht um die eigene rechtliche Wertung.
Die Klägerin verkennt bei ihrer Argumentation, dass der Gesetzgeber, die Behörden und auch die Gerichte von dem vertragstreuen und auch mündigen Vertragsarzt ausgehen. Der Vertragsarzt weiß, welche Medikamente zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können und in welchen Fällen die Indikation tatsächlich gegeben ist. Auch nach den Hinweisen der Beklagten ist es seiner Obliegenheit überlassen zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Verordnung eines bestimmten Medikamentes vorliegen oder nicht. Dies hat nach wie vor allein der Vertragsarzt zu entscheiden.
Durch den Hinweis der Beklagten wird er lediglich in der Hinsicht nochmals sensibilisiert, sich genau zu überlegen, dass ein bestimmtes Medikament auch nur in dem Fall verordnet wird, für den es zugelassen ist und für den die gesetzlichen Krankenkassen zur Übernahme der Kosten gesetzlich verpflichtet sind. Durch den Hinweis der Beklagten soll der Vertragsarzt dahingehend informiert werden, dass die Krankenkassen die Verordnung der betroffenen Medikamente kritisch prüfen, nicht jedoch, dass sie diese Medikamentenverordnung generell ablehnen. Die Beklagte weist die Vertragsärzte auf die anhängigen Prüfanträge hin, so dass sich jeder Vertragsarzt bewusst ist, dass er mit Verfahren zur Erstattung des "sonstigen Schadens" rechnen muss, wenn die Voraussetzungen für die Medikamentation eines bestimmten Medikamentes nicht vorliegen.
Wenn dies zum Rückgang des Verordnungsverhaltens führt, so wird dies vor allem dem Umstand geschuldet sein, dass der einzelne Vertragsarzt sein Verordnungsverhalten kritisch überprüft. Einen Anspruch darauf, dass der Arzt weiterhin (unkritisch) verordnet, hat die Klägerin nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Unterlassung von Hinweisen durch die Beklagte an ihre Vertragsärzte.
Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen und stellt u. a. Factor AF2, Selenase und Zinkotase her und vertreibt diese Mittel.
In dem Rundschreiben X/2002 der Beklagten war unter der Rubrik "Aktuelle Verordnungstipps" folgende Passage aufgeführt:
- Prüfanträge der Krankenkassen auf Sonstigen Schaden
In letzter Zeit ist die Zahl von Prüfanträgen auf Feststellung eines Sonstigen Schadens seitens der Krankenkassen deutlich gestiegen. Daher haben wir für Sie eine Liste derjenigen Präparate zusammengestellt, die - nach Meinung der Antrag stellenden Krankenkassen - nicht zu Lasten der GKV hätten verordnet werden dürfen. Grundlage für derartige Anträge waren die derzeit gültigen Arzneimittelrichtlinien (AMR) oder andere Regelungen. Gleichzeitig erhalten Sie die entsprechenden Quellen, auf die sich die Krankenkassen bei ihren Prüfanträgen beziehen. Wir haben für Sie das jeweilige Zitat aus der Rechtsquelle in Klammern aufgeführt.
Die KV Thüringen stellt die nachfolgenden Hinweise als Information an ihre Vertragsärzte zur Verfügung, mit der sie keine rechtliche Wertung vornimmt.
AMR Punkt 17.1.m ("sogenannte Zellulartherapeutika und Organhydrolysate") - Factor AF2
AMR Punkt 17.2.g ("Mineralstoffpräparate zur oralen Anwendung ...") - Selenase - Zink-Präparate
Die am 14. Juli 2003 vor dem Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage auf Unterlassung dieser Hinweise unter Androhung eines Ordnungsgeldes bzw. Ordnungshaft für den Fall der Zuwiderhandlung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 12. August 2003 an das örtlich zuständige Sozialgericht Gotha verwiesen.
Das Sozialgericht Gotha hat mit Urteil vom 29. Juni 2005 die Klage auf Verurteilung, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, ein Rundschreiben an die Vertragsärzte, dort unter "aktuelle Verordnungstipps", auszuführen:
" ... Daher haben wir für Sie eine Liste derjenigen Präparate zusammengestellt, die - nach Meinung der antragstellenden Krankenkassen, nicht zu Lasten der GKV hätten verordnet werden dürfen.
AMR Punkt 17.1 m ("sogenannte Zellulartherapeutika und Organhydrolysate")
- Factor AF2
AMR Punkt 17.2 g ("Mineralstoffpräparate zur oralen Anwendung, ...)
- Selenase - Zink-Präparate"
2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Äußerungen von Krankenkassen über Verordnungsverbote bezüglich der Arzneimittel Factor AF2, Selenase und Zinkotase der Klägerin unkommentiert, d. h. ohne Aufnahme entsprechender Einwendung des/der Hersteller gegen solche Krankenkassenmitteilungen bzw. ohne Hinweis auf die gegebene Verordnungsfähigkeit in eigenen Rundschreiben an die Vertragsärzte weiterzugeben, abgewiesen.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung bzw. Ergänzung der streitgegenständlichen Äußerungen habe, denn insoweit handele es sich nicht um einen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin. Nach § 75 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten die kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Sie hätten die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und diese, soweit notwendig, zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Hierauf gründe sich eine allgemeine Informationsbefugnis der kassenärztlichen Vereinigung gegenüber der Ärzteschaft in ihrem Zuständigkeitsbereich. Hierzu zähle auch die Berechtigung der Beklagten, durch geeignete Hinweise eine Inanspruchnahme ihrer Mitglieder in Folge von Wirtschaftlichkeitsverfahren oder der unzulässigen Verordnung von Arzneimitteln entgegenzuwirken. Sofern diese Hinweise bzw. Informationen inhaltlich (nachweislich) richtig und zur Erreichung des mit ihnen verfolgten (legitimen) Zwecks erforderlich seien, würden Abwehransprüche mittelbar betroffener Dritter, hierzu könnten auch Arzneimittelhersteller gehören, nicht in Betracht kommen, denn insoweit fehle es an der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in deren Gewerbebetrieb. So verhalte es sich hier, denn die umstrittene Publikation der Beklagten halte sich im Rahmen des berechtigten Interessenwahrnehmens gegenüber deren Mitgliedern. Die Grenze dieser Interessenwahrnehmung könnte dann überschritten sein, wenn der als ein Eingriff in den Gewerbebetrieb eines Arzneimittelherstellers zu qualifizierende Informationsgehalt sachlich nicht gerechtfertigt erscheine und inhaltlich falsch sei. Die Beklagte habe, anders als die Klägerin meine, keine Bewertung der Verordnungsfähigkeit bzw. des therapeutischen Nutzens der Präparate vorgenommen. Die maßgeblichen Passagen des Rundschreibens zielten erkennbar darauf ab, die Ärzte über die für die Einleitung von Prüfanträgen auf Feststellung eines Sonstigen Schadens relevante Auffassung der Krankenkasse zur Verordnungsfähigkeit bestimmter Arzneimittel zu informieren. Dass die Beklagte sich bewusst von eigenen Empfehlungen zum Verordnungsverhalten der angesprochenen Ärzte enthalten habe, belege im Übrigen der in dem relevanten Teil des Rundschreibens drucktechnisch hervorgehobene Hinweis, dass sie keine rechtliche Wertung vornehme. Eine andere rechtliche Bewertung sei insbesondere nicht deshalb geboten, weil die Beklagte die beanstandeten Informationen in der Rubrik "Aktuelle Verordnungstipps" untergebracht habe. Allein diese Überschrift, die im Übrigen mit dem streitgegenständlichen Inhalt durchaus korrespondiere, denn das Vorgehen der Krankenkasse betreffe das Verordnungsverhalten der Ärzte, mache den nachfolgenden Informationsgehalt nicht zu einer konkludenten Bewertung der Verordnungsfähigkeit der Präparate der Klägerin. Die Kammer übersehe in diesem Zusammenhang nicht, dass die streitgegenständlichen Informationen das Verordnungsverhalten der angesprochenen Ärzte beeinflussen könne, was zu einem Rückgang des Verordnungsvolumens führe und sich damit letztlich zu Lasten der Klägerin auswirken könne. Die Klägerin werde jedoch derartige Auswirkungen der berechtigten Interessenwahrung seitens der Beklagten als rechtmäßige Beeinträchtigung ihres Gewerbebetriebes hinzunehmen haben und sie habe rechtlich nicht untermauert, weshalb ihr Geschäftsinteresse höher gewichtet werden sollte als die berechtigte Aufgabenwahrnehmung seitens der Beklagten gegenüber ihren Mitgliedern.
Mit der dagegen eingelegten Berufung hält die Klägerin an ihrem Begehren fest und führt aus, dass die besagte Rubrik in dem Rundschreiben X/2002 überschrieben mit der Überschrift "Aktuelle Verordnungstipps" eine Wertung ausdrücke. Die Subsumtion der Präparatsbezeichnung unter verschiedenen Nummern der AMR werde von den Ärzten als verbindlicher Hinweis verstanden, zur Vermeidung von Prüfanträgen auf die Verordnung dieser Arzneimittel zu verzichten. Eine Berichterstattung über Prüfanträge wäre nur dann zulässig, wenn gleichzeitig mitgeteilt werde, aus welchem Grund sie gestellt worden seien und ob Gegenargumente geltend gemacht wurden. Ferner müsste dann auch über das Ergebnis (z. B. die Einstellung eines Verfahrens oder die Zurückweisung eines Prüfantrages) berichtet werden. Dies alles sei jedoch nicht geschehen. Die Hinweise der Beklagte seien einseitig und irreführend und zudem auch falsch. Die genannten Arzneimittel der Klägerin seien verordnungsfähig. Zum Beweis werde die Einholung von Sachverständigengutachten angeboten. Das Verhalten der Beklagten wirke sich unmittelbar geschäftsschädigend aus. Es handele sich hierbei um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, welcher sich auch als unmittelbar betriebsbezogen darstelle. Die falsche Darstellung der Beklagten führe unmittelbar dazu, dass Ärzte die betreffenden Präparate nicht mehr verordnen würden, was zu einer erheblichen Umsatzeinbuße der Klägerin führe. Die falschen Angaben der Beklagten seien richtig zu stellen. Hinsichtlich des Präparates Zinkotase könne dies dadurch geschehen, dass den Vertragsärzten die Ausnahmetatbestände bei Zinkpräparaten mitgeteilt würden. Entscheidend sei hier jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich in ihrem Rundschreiben X/2002 die Position anmaße, über die Verordnungsfähigkeit der betreffenden Präparate zu entscheiden. Ob die Verordnung eines Arzneimittels im Einzelfall als wirtschaftlich angesehen werde, sei anhand des jeweiligen Falls zu prüfen. Keinesfalls könne hier eine pauschale Aussage getroffen werden. Die Beklagte erwecke zu Unrecht den Eindruck, die besagten Arzneimittel seien nach den Arzneimittelrichtlinien nicht verordnungsfähig. Zu Unrecht meine das Sozialgericht, dass es sich hierbei nicht um einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin handele. Das Sozialgericht habe selbst erkannt, dass niedergelassene Ärzte aufgrund des Hinweises der Beklagten Abstand von den Verordnungen nähmen. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten, auf vermehrte Regressanträge der Kassen hinzuweisen, weil eine solche Aussage lediglich niedergelassene Ärzte verunsichere, jedoch keinen konkreten Informationsgehalt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 29. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in Rundschreiben an die Vertragsärzte, dort unter "Aktuelle Verordnungstipps", auszuführen:
" ... daher haben wir für Sie eine Liste derjenigen Präparate zusammengestellt, die - nach Meinung der Antrag stellenden Krankenkassen - nicht zu Lasten der GKV hätten verordnet werden dürfen.
a) AMR Punkt 17.1.m ("sog. Cellulartherapeutika und Organhydrolysate") - Faktor AF 2
b) AMR Punkt 17.2 g (Mineralstoffpräparates zur oralen Anwendung, ...") - Selenase - Zink-Präparate"
Ferner Beklagte weiterhin zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Äußerungen von Krankenkassen über Verordnungsverbote bezüglich der Arzneimittel FACTOR AF 2, selenase® und zinkotase® der Klägerin unkommentiert, d. h. ohne Aufnahme entsprechender Einwendungen des/der Hersteller gegen solche Krankenkassenmitteilungen bzw. ohne Hinweis auf die gegebene Verordnungsfähigkeit in eigenen Rundschreiben an die Vertragsärztinnen/-ärzte weiterzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie zu keinem Zeitpunkt die Verordnungsfähigkeit der Medikamente beeinflusst habe. Es habe lediglich eine wertfreie Darstellung des Sachverhaltes stattgefunden. Dieser habe zum Inhalt gehabt, dass in zunehmendem Maße seitens der Krankenkassen Antragstellungen über die Feststellung eines sonstigen Schadens erfolgt seien. Dabei entscheide die Beklagte nicht über die Verordnungsfähigkeit der Medikamente, sondern stelle lediglich dar, inwieweit es möglicherweise bei der Verordnung der Präparate zu Prüfanträgen und Regressen kommen könne.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nach § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG - auch wenn hier ein privatrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird - eröffnet, weil die Beklagte als Behörde- und hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Unterlassungsklage - aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm (§ 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V) ihren Überwachungspflichten gegenüber den Vertragsärzten nachkommt.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, auch wenn es das Sozialgericht unterlassen hat, die konkrete Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ausdrücklich zu benennen und an einer Norm festzumachen. Jedoch kommt das Sozialgericht zu dem Ergebnis, dass es einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin verneint. Mit dieser Einschätzung geht der Senat konform.
Unter keinerlei Gesichtspunkt besteht ein Anspruch der Klägerin auf Unterlassung bestimmter Äußerungen und die Androhung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung durch die Beklagte. Die Äußerungen der Beklagten in dem streitgegenständlichen Rundschreiben stellen kein widerrechtliches Verhalten dar, das einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen könnte. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 8 Abs. 1 und 2 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) i.V.m. den §§ 3 ff UWG besteht schon deshalb nicht, weil die Klägerin nicht nach § 8 Abs. 3 UWG für einen solchen Anspruch aktivlegitimiert ist. Zwischen den Beteiligten besteht kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Auch aus den Nr. 2 mit 4 des § 8 Abs. 3 UWG ergibt sich keine Anspruchsberechtigung der Klägerin für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch richtet sich allein nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften und kann sich daher nur aus den §§ 823, 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und den dazu entwickelten Grundsätzen ergeben. Die hiernach allein in Betracht kommenden bürgerlich–rechtlichen Unterlassungsansprüche (§ 1004 Abs.1 analog i.V.m. §§ 823 ff BGB) setzen die unmittelbar drohende Gefahr eines widerrechtlichen Eingriffs in ein durch §§ 823 ff BGB geschütztes Rechtsgut voraus, wobei es sich nicht unbedingt um ein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Ausschließlichkeitsrecht handeln muss. Auch sonstige Rechte wie der "eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb" oder Verstöße gegen § 823 Abs.2, § 824 oder § 826 BGB können Abwehransprüche auslösen.
Dabei muss bei der Beurteilung, ob die angegriffene Maßnahme einen unzulässigen und damit zu unterlassenden Eingriff in den - hier allein als betroffenes Rechtsgut in Betracht kommenden - eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, auf das Verhalten der Beklagten in dem streitgegenständlichen Rundbrief abgestellt werden, das es zu bewerten gilt.
Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch ist, dass das Verhalten der Beklagten einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin darstellt und weiteren solchen Eingriffen, also einer Gefahr der Wiederholung solcher Eingriffe nur durch ein strafbewehrtes Unterlassungsgebot begegnet werden kann.
Ein rechtswidriger Eingriff liegt nicht vor. Die Beklagte kommt mit ihren Hinweisen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 75 Abs. 2 SGB V nach. Nach dieser Norm haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Wie dies zu geschehen hat, steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen der Kassenärztlichen Vereinigungen, dass es zu geschehen hat, ist unmissverständlich, klar und ausnahmslos formuliert und wenn es geschieht, dann ist es ein legitimes Mittel auch wenn dadurch Interessen von außenstehenden Dritten wie der Pharmaindustrie tangiert sein sollten.
Eine zutreffende Information der Vertragsärzte in einem (den Vertragsärzten) zugänglichen Medium wie einem Rundbrief ist auch generell geeignet, der gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen und die Vertragsärzte über bestimmte Maßnahmen der Krankenkassen zu informieren. Allein dies und nicht mehr ist hier geschehen. Das Verhalten der Beklagten richtet sich nicht gegen die Interessen der Klägerin und deren Gewerbebetrieb. Vielmehr besteht eine durch Bundesrecht normierte Verpflichtung, die die Beklagte bindet und die ihr nicht nur das Recht zur Information, sondern auch die Verpflichtung dazu auferlegt. Wenn nun die Beklagte dieser Pflicht nachkommt und dabei wirtschaftliche Interessen eines Dritten berührt, dann ist dies für den Dritten zwar bedauerlich, für die Beklagte aber unvermeidbar Der Dritte muss das Verhalten hinnehmen, weil er in die Vertragsbeziehung zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Vertragsarzt nicht eingebunden ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte keine eigene Position (und auch keine Bewertung) in der Angelegenheit bezogen (bzw. vorgenommen). Das ist aber genau das, was die Klägerin letztlich von der Beklagten verlangt, klarstellend gegenüber den Krankenkassen und Ärzten aufzutreten. Dazu ist die Beklagte jedoch nicht verpflichtet. Insbesondere hat sie nicht auch noch die wirtschaftlichen Interessen Dritter wahrzunehmen ...
Das konkret angegriffene Verhalten bewegt sich ausschließlich und in seiner Gesamtheit im Rahmen des § 75 Abs. 2 SGB V. Die Beklagte weist in ihrem Rundschreiben die Vertragsärzte auf Beanstandungen durch die Krankenkassen hin, die in dieser Form tatsächlich stattgefunden haben und auf die sich die Vertragsärzte gegebenenfalls einrichten müssen.
Im Übrigen ist zu keinem Zeitpunkt eine Bewertung der Verordnungsfähigkeit der Medikamente vorgenommen worden. Insbesondere hat die Beklagte klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich um Prüfanträge der Krankenkasse handelt und nicht um die eigene rechtliche Wertung.
Die Klägerin verkennt bei ihrer Argumentation, dass der Gesetzgeber, die Behörden und auch die Gerichte von dem vertragstreuen und auch mündigen Vertragsarzt ausgehen. Der Vertragsarzt weiß, welche Medikamente zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können und in welchen Fällen die Indikation tatsächlich gegeben ist. Auch nach den Hinweisen der Beklagten ist es seiner Obliegenheit überlassen zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Verordnung eines bestimmten Medikamentes vorliegen oder nicht. Dies hat nach wie vor allein der Vertragsarzt zu entscheiden.
Durch den Hinweis der Beklagten wird er lediglich in der Hinsicht nochmals sensibilisiert, sich genau zu überlegen, dass ein bestimmtes Medikament auch nur in dem Fall verordnet wird, für den es zugelassen ist und für den die gesetzlichen Krankenkassen zur Übernahme der Kosten gesetzlich verpflichtet sind. Durch den Hinweis der Beklagten soll der Vertragsarzt dahingehend informiert werden, dass die Krankenkassen die Verordnung der betroffenen Medikamente kritisch prüfen, nicht jedoch, dass sie diese Medikamentenverordnung generell ablehnen. Die Beklagte weist die Vertragsärzte auf die anhängigen Prüfanträge hin, so dass sich jeder Vertragsarzt bewusst ist, dass er mit Verfahren zur Erstattung des "sonstigen Schadens" rechnen muss, wenn die Voraussetzungen für die Medikamentation eines bestimmten Medikamentes nicht vorliegen.
Wenn dies zum Rückgang des Verordnungsverhaltens führt, so wird dies vor allem dem Umstand geschuldet sein, dass der einzelne Vertragsarzt sein Verordnungsverhalten kritisch überprüft. Einen Anspruch darauf, dass der Arzt weiterhin (unkritisch) verordnet, hat die Klägerin nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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