L 6 R 57/07

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 12 R 668/06
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 57/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Aussetzung analog § 114 Abs. 2 SGG kommt in Betracht, wenn Verfahren über dieselbe Rechtsfrage bei einem obersten Gerichtshof des Bundes anhängig sind (vgl. BFH, Urteil vom 18. Juli 1990 - Az.: I R 12/90). ein Senat dieses Gerichts durch Beschluss bei einem anderen Senat anfragt, ob er an einer abweichenden Rechtsansicht festhält oder eine Divergenzvorlage an den Großen Senat gerichtet wurde. Bei der Ermessensentscheidung sind prozessökonomische Gründe mit den Interessen der Beteiligten abzuwägen (vgl. BFH, Urteil vom 18. Juli 1990; a.a.O.).
Das Verfahren wird ausgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

Das Verfahren wird von Amts wegen ausgesetzt.

Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht nach § 114 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist. Zwar kommt im vorliegenden Fall eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht, weil es kein anderes vorgreifliches Rechtsverhältnis gibt. Die h.M. akzeptiert allerdings für eng umgrenzte Fälle auch eine analoge Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG, z.B. wenn wegen der streiterheblichen Frage bereits eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig ist (vgl. BVerfGE 3, 58, 74; 54, 39; Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 1. April 1992 – Az.: 7 RAr 16/91 in Breithaupt 1992, 790; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 114 Rdnr. 7b). Die Aussetzung soll nämlich u.a. verhindern, dass die obersten Gerichtshöfe des Bundes und das BVerfG mit einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle "überschwemmt" werden, ohne dass dies der Klärung eines vorgreiflichen Problems dient (so Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 18. Juli 1990 – Az.: I R 12/90, nach juris). Voraussetzung für die entsprechende Anwendung ist, dass alle Erwägungen ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend für die Aussetzung sprechen (vgl. BSG, Beschluss vom 1. April 1992, a.a.O.; BFH, Urteil vom 18. Juli 1990, a.a.O.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt eine Aussetzung auch in den Fällen in Betracht, wenn Verfahren über dieselbe Rechtsfrage bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (hier: BSG) anhängig sind (vgl. BFH, Urteil vom 18. Juli 1990, a.a.O.; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 114 Rdnr. 7b), ein Senat dieses Gerichts durch Beschluss bei einem anderen Senat anfragt, ob er an einer abweichenden Rechtsansicht festhält oder - erst recht - eine Divergenzvorlage an den Großen Senat des BSG gerichtet wurde (vgl. § 41 Abs. 3 SGG). Es macht dann keinen Sinn, den obersten Gerichtshof mit zusätzlichen Fällen zu belasten, die zur Klärung der Rechtsfrage nichts beitragen können.

Diese Voraussetzungen für die analoge Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG liegen vor: Nach den Ausführungen der Beklagten sind beim BSG mehrere Verfahren anhängig, die die hier relevante Rechtsfrage betreffen (Anrechnung der Unfallrente auf die gesetzliche Altersrente) und der 13. Senat des BSG hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2006 (Az.: B 13 RJ 25/05 R) beim 4. Senat angefragt, ob er an seiner - abweichenden - Rechtsprechung festhält.

Die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts. Dabei sind prozessökonomische Gründe mit den Interessen der Beteiligten abzuwägen (vgl. BFH, Urteil vom 18. Juli 1990, a.a.O.). Hier sprechen sowohl die beabsichtigte Entlastung des BSG als auch die erhebliche Arbeitsbelastung des Senats eindeutig für eine Aussetzung. Die von dem Kläger vorgetragenen Gründe gegen die "Ruhendstellung" überzeugen nicht. Das Argument einer "Behinderung bei der Wahrnehmung und Durchsetzung" des "zustehenden demokratischen und grundgesetzlich verbrieften Rechts" zeigt, dass der Sinn des Ruhens bzw. der Aussetzung nicht verstanden wird. Die für den Kläger positiven Urteile des 4. Senats des BSG stehen angesichts der im Anfragebeschluss des 13. Senats geäußerten Bedenken der Aussetzung gerade nicht entgegen. Die Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens (Klageeingang Juni 2004) ist für den Kläger sicher belastend, angesichts des Ruhens des Verfahrens durch Beschluss des Sozialgerichts vom 27. April 2005 aber verständlich. Im Übrigen wäre das Verfahren auch bei einer Entscheidung des Senats in der Sache nicht beendet, denn der jeweils unterlegene Beteiligte würde sicher die dann zuzulassende Revision beim BSG einlegen. Die Unterstellung des Klägers, die Verfahrensweise habe aus seiner Sicht den Sinn einer "taktischen Zielstellung auf Zeitgewinn und eine biologische Lösung", lässt der Senat unkommentiert; für eine rationale Entscheidung ist sie offensichtlich halt- und bedeutungslos. Sofern auch verbandspolitische Gründe für die Anlehnung eine Rolle spielen sollten, sind sie für den Senat ohne Belang.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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