L 6 KR 1204/07 ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 20 KR 1255/07 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1204/07 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Kostengrundentscheidung nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 158 Abs. 2 VwGO ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Juli 2007 - Az.: L 16 B 1/07 R; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Oktober 2006 - Az.: L 5 KA 236/06 AK-B; Hessisches LSG, Beschluss vom 29. März 2004 - Az.: L 14 B 55/03 P; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Mai 2007 - Az.: L 8 AL 3833/06; LSG Berlin, Beschluss vom 28. April 2004 - Az.: L 6 B 44/03 AL ER, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. August 2003 - Az.: L 5 SB 25/02 KR).
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 26. September 2007 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 157,50 Euro festgesetzt.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Mit Antrag vom 19. Juni 2007 an das Sozialgericht Nordhausen (SG) wandte sich die Beschwerdeführerin gegen eine Pfändung ihres Kontos durch die Beschwerdegegnerin aufgrund eines Beitragsbescheides vom 14. August 2006 über Sozial¬versicherungsbeiträge, die sie als Arbeitgeberin abzuführen hatte, zzgl. Säumnisgebühren und Kosten.

Mit Telefax vom 28. Juni 2007 hat die Beschwerdeführerin (weitere) Fristverlängerung beantragt und mitgeteilt, "In der Folge wird beantragt werden, anhängiges einstweiliges Verfahren als ordentliches Klageverfahren weiter zu betreiben, da die Vollstreckung bereits erfolgt ist ". Das SG hat dies – von der Beschwerdeführerin unwidersprochen – als Rück¬nahme des Antrags im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und Antrag im Hauptsache¬verfahren ausgelegt. Mit Beschluss vom 29. Juni 2007 hat es den Streitwert festgesetzt. Nachdem die Beschwerdeführerin auf die Anfrage vom 28. Juni 2007, ob sie – mit gebühren¬senkender Wirkung – erkläre, die Gerichtskosten zu tragen, trotz Erinnerung vom 20. August 2007 nicht reagiert hat, hat sie das SG mit Beschluss vom 26. September 2007 zur Kostentragung verpflichtet.

Mit Telefax vom 24. Oktober 2007 hat die Beschwerdeführerin Beschwerde "gegen unter o. g. AZ ergangenen Beschluss sowie Festsetzung der Kosten" eingelegt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 25. Oktober 2007) und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das Telefax vom 24. Oktober 2007 war dahingehend auszulegen, dass sich die Beschwerde¬führerin gegen den Kostenbeschluss vom 26. September 2007 und nicht etwa gegen den – ebenfalls zu demselben Aktenzeichen ergangenen – Streitwertfestsetzungsbeschluss vom 29. Juni 2007 richtet, denn sie bezog sich gerade auch auf die – der Kostengrundentscheidung folgende – Kostenfestsetzung und machte zudem geltend, von allen Kosten befreit zu sein, während sie sich zur Höhe des Streitgegenstands in keiner Weise äußerte. Ob sich die Beschwerdeführerin auch gegen die Kostenrechnung vom 26. September 2007 wendet, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Erforderlich wäre eine – hier bisher nicht vorliegende – richterliche Entscheidung nach § 66 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dies hat die Vorinstanz abzuklären und ggf. zu entscheiden.

Die Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung des SG ist nicht zulässig.

Da weder die Beschwerdeführerin noch die Beschwerdegegnerin zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Personen (Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I)) gehören, ist das Verfahren gerichtskostenpflichtig; die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden, § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG.

Nach § 161 Abs. 1 VwGO hat das Gericht, wenn das Verfahren in anderer Weise als durch Urteil endet, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. Dies hat das SG im vorliegenden Fall getan und eine Rücknahme aufgrund des Telefaxes vom 28. Juni 2007 unterstellt. Nachdem die Beschwerdeführerin dagegen nicht vorgegangen ist, muss der Senat für seine Entscheidung von einer Beendigung des Verfahrens ausgehen und kann nicht überprüfen, ob tatsächlich eine Rücknahme vorliegt.

Die Kostengrundentscheidung nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 158 Abs. 2 VwGO ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar.

Der Senat folgt nicht der Ansicht, dass § 158 Abs. 2 VwGO nicht über § 197 a SGG im sozial¬gerichtlichen Verfahren anwendbar sei, weil dies in "kaum zu begründenden" unterschied¬lichen Verfahrensweisen zwischen Verfahren nach den §§ 183, 193 SGG einerseits und § 197 a SGG andererseits resultiere (so aber u. a. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Mai 2007 – Az.: L 8 AL 3833/06; LSG Berlin, Beschluss vom 28. April 2004 – Az.: L 6 B 44/03 AL ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. August 2003 – Az.: L 5 B 25/02 KR; alle nach juris); es führe zu Wertungswidersprüchen, wenn gerade den durch Gerichtskosten ggf. höher belasteten Beteiligten in Verfahren nach § 197 a SGG die Beschwerde an das LSG nicht möglich wäre (so LSG Berlin, Beschluss vom 28. April 2004, a. a. O.). Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht (wie hier u. a. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Juli 2007 – Az.: L 16 B 1/07 R; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Oktober 2006 – Az.: L 5 KA 236/06 AK-B; Hessisches LSG, Beschluss vom 29. März 2004 – Az.: L 14 B 55/03 P; alle nach juris; Keller in jurisPR-SozR 16/2007 Anm. 3; Reyels in jurisPR-SozR 12/2007 Anm. 6; Krasney in jurisPR-SozR 43/2004 Anm. 6).

Ihr steht zunächst der Wortlaut des § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG entgegen, der die §§ 154 bis 162 VwGO ohne Einschränkung für entsprechend anwendbar erklärt. Ein § 202 SGG ent¬sprechender Vorbehalt, wonach andere Verfahrensvorschriften dann nicht anwendbar sind, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensarten dies ausschließen, findet sich in § 197 a SGG nicht. Zudem ergibt sich aus der konkreten Ausnahmeregelung in § 197 a Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach die Anwendung von § 161 Abs. 2 VwGO im Falle der Klagerücknahme ausgeschlossen ist, im Umkehrschluss, dass die übrigen Vorschriften anzuwenden sind. Dafür, dass die Verweisung nur die Regelungen zur Kostengrundentscheidung betreffen solle (so u. a. LSG Berlin, Beschluss vom 28. April 2004 a. a. O.), gibt es angesichts des uneingeschränkten Wortlauts keine Anhaltspunkte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Oktober 2006, a.a.O.). Von ihm könnte nur abgewichen werden, wenn sich feststellen ließe, dass es sich bei der fehlenden Einschränkung lediglich um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers handelte. Angesichts der tatsächlich vorgenommenen Anpassungen von § 161 Abs. 2 VwGO (in § 197 a Abs. 1 Satz 2 SGG) und § 154 Abs. 3 VwGO (in § 197 a Abs. 2 Satz 1 SGG für den Fall der Verurteilung Beigeladener nach § 75 Abs. 5 SGG) an die sozialgerichtlichen Gegebenheiten spricht aber mehr dafür, dass der Gesetzgeber sich bei der Einführung des neuen Kostensystems mit dem 6. SGG-Änderungsgesetz vom 17. August 2001 detaillierte Gedanken gemacht hat (so auch Reyels, a. a. O).

Zu den von der Gegenansicht angeführten Wertungswidersprüchen bei Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit hat bereits Krasney (a. a. O.) darauf hingewiesen, dass vieles dafür spreche, dass der Gesetzgeber diese aus beschleunigungs- und prozessökonomischen Gründen gerade erreichen wollte, indem er mit § 197 a SGG ein neues Kostensystem eingeführt hat. Ein ähnlicher "Wertungswiderspruch" könnte auch in den unterschiedlichen Kosten¬folge¬regelungen bei Klagerücknahme (freie Entscheidung des Gerichts nach billigem Ermessen einerseits (§ 193 SGG), vorgeschriebene Kostenlast des Zurücknehmenden nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO andererseits) gesehen werden, ohne dass dies von den Befürwortern der Beschwerdemöglichkeit problematisiert würde. Offenbar hat der Gesetzgeber aber gerade das (gesamte) Kostensystem der VwGO für geeignet gehalten, bei nicht nach § 183 SGG privilegierten Beteiligten über die Kosten zu entscheiden. Diese werden damit den Beteiligten eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gleichgestellt. Unter Zugrundelegung dieser Vergleichsgruppen besteht dann auch kein Wertungswiderspruch (vgl. Reyels, a. a. O.).

Die besseren Gründe sprechen nach alldem dafür, dass § 158 Abs. 2 VwGO über § 197 a SGG im sozialgerichtlichen Verfahren wie geschehen anzuwenden und die Beschwerde somit nicht statthaft ist.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG. Die Beschwerdeführerin wendet sich im Ergebnis gegen die Zahlung von 157,50 Euro.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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