Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 3919/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 516/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.
Bei dem 1943 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 20.10.2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit 26.05.2004 festgestellt aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen: "Funktionsbehinderung beider Handgelenke, Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, Riss der Bizepssehne beidseitig, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung beider Sprunggelenke, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sowie Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen."
Am 31.10.2005 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag, mit dem er die Erhöhung des GdB beantragte. Nach Beiziehung und Auswertung medizinischer Unterlagen des Internisten und Hausarztes des Klägers Dr. M. hob der Beklagte mit Bescheid vom 19.01.2006 den Bescheid vom 20.10.2004 auf und stellte den GdB mit 40 seit 31.10.2005 fest. Neue Funktionsbeeinträchtigungen wurden nicht festgestellt.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der Beklagte zog daraufhin aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. M. und Dr. P. bei. Nach Auswertung dieser Unterlagen durch den Prüfarzt der Beklagten Dr. B. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.09.2006, auf die Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2006 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 25.10.2006 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens durch Dr. R. und eines orthopädischen Gutachtens durch Dr. A ...
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. hat im Gutachten vom 09.02.2007 eine leicht- bis mittelgradige Depression festgestellt und hierfür einen Teil-GdB von 20 (- 30) für angemessen erachtet. Er hat hierzu ausgeführt, zusätzlich zu den körperlichen Einschränkungen sei der Kläger in seiner Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durch die Entwicklung einer reaktiven Depression zusätzlich beeinträchtigt. Diese seelischen Auswirkungen seien, solange er noch im Erwerbsleben gestanden habe, relativ schwerwiegend gewesen; sie seien nicht mehr ganz so gewichtig, nachdem der Kläger seit November 2006 eine vorgezogene Altersrente beziehe. Der Kläger sei aber auch jetzt noch nicht ganz frei von depressiven Gedankeninhalten, es bestehe insoweit eine latente Rückfallgefährdung. Unter Berücksichtigung der bisher nicht ausreichend gewerteten Wirbelsäulenveränderungen beurteile er den Gesamt-GdB mit 50.
Der Orthopäde Dr. A. hat in seinem Gutachten vom 04.10.2007 folgende Diagnosen gestellt:
1. Outlet-Impingement linke Schulter, AC-Gelenkarthrose; Ruptur der langen Bizepssehnen beider Schultergelenke. 2. Beginnende Radiokarpalarthrose beider Handgelenke; fortgeschrittene Rhizarthrose (Daumensattelgelenkarthrose) rechts. 3. Lokales degeneratives HWS-/LWS-Syndrom 4. Beginnende Retropatellararthrose beidseits, Monoarthritis rechtes OSG - Nachweis einer Borreliose. Auf nichtorthopädischem Fachgebiet hat er die Diagnosen Bluthochdruck, Herzrhythmusstörung, einer Hypercholesterinämie sowie Diabetes mellitus Typ II gestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers lägen maßgeblich im Bereich der oberen Extremitäten. Im Bereich der Wirbelsäule bestünden lediglich endgradige Bewegungseinschränkungen im Bereich der HWS. Das degenerative lokale HWS-/LWS-Syndrom bedinge einen Teil-GdB von 10, die Funktionsbeeinträchtigungen der oberen Extremitäten (Schulter: Impingement linke Schulter - Supraspinatus-outlet, AC-Arthrose, Abriss der langen Supraspinatussehne beider Schultergelenke; Handgelenk: fortgeschrittene Rhizarthrose rechts) bedingten einen Teil-GdB von 30. Die Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Extremitäten (beginnende Retropatellararthrose beidseits, Monoarthritis rechtes OSG [Verdacht auf Borreliose]) bedingten einen Teil-GdB von 10. Die internistischen Erkrankungen seien medikamentös eingestellt und ohne sekundäre Manifestation. Der Bluthochdruck, die Herzrhythmusstörung, die Hypercholesterinämie sowie der Diabetes Typ II bedingten gleichfalls einen Teil-GdB von 10. Insgesamt betrage der GdB 40. Bei der Anamnese und klinischen Untersuchung des Klägers habe eine eigenständige psychiatrische Erkrankung nicht sicher herausgearbeitet werden können. Selbst unter Zugrundelegung einer von Dr. R. diagnostizierten leicht- bis mittelgradigen Depression, die mit einem Teil-GdB von 20 anzusetzen wäre, seien die vorhandenen funktionellen Einschränkungen mit einem Gesamt-GdB von 40 ausreichend und umfassend gewürdigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Funktionsbehinderung beider Handgelenke, des linken Schultergelenkes und der Riss der Bizepssehne links seien mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Der Bluthochdruck sowie die Herzrhythmusstörungen bedingten einen Teil-GdB von 10. Dies ergebe sich aus den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. R. und Dr. A ... Beim Kläger liege darüber hinaus eine mit einem Teil-GdB von 20 zu bewertende leicht- bis mittelgradige Depression vor. Die hierfür ursächliche reaktive Erschöpfungsdepression habe sich durch die zwischenzeitlich gewährte Altersrente leicht gebessert. Das SG folge gleichwohl der Beurteilung von Dr. R. hinsichtlich der Bewertung der psychischen Erkrankung mit einem Teil-GdB von 20. Die Beeinträchtigung der Sprung- und Kniegelenke sowie die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers seien jeweils mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Hinsichtlich beider Funktionsbeeinträchtigungen folge das SG den überzeugenden Ausführungen von Dr. A. und nicht der insoweit fachfremden Einschätzung durch Dr. R ... Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ergebe sich danach ein Gesamt-GdB von 40.
Gegen den am 16.01.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.01.2008 Berufung eingelegt. Er trägt vor, die Wirbelsäulenerkrankung sei mit einem Teil-GdB von 10 unzureichend berücksichtigt, da eine mittelgradige Funktionsbehinderung der HWS und eine leicht- bis mittelgradige Funktionsbehinderung der LWS vorlägen, die mit einem GdB von 20 zu bewerten seien. Zudem habe der Sachverständige Dr. A. den Gesamt-GdB für die Behinderungen allein auf orthopädischem und internistischem Gebiet mit 40 angesetzt. Unter weiterer Berücksichtigung des auf nervenärztlichem Gebiet vorliegenden Teil-GdB von 20 hätte der Gesamt-GdB mit 50 festgestellt werden müssen.
Der Kläger hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, er befinde sich nicht in nervenärztlicher Behandlung.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. Januar 2008 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den bei ihm vorliegenden Grad der Behinderung ab 31. Oktober 2005 mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid des SG ist in der Sache nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 19.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 hat.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Eine wesentliche Änderung liegt dann vor, wenn sich der Gesundheitszustand verändert hat, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung des GdB-Grades wenigstens 10 beträgt.
Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers gegenüber dem im Bescheid vom 20.10.2004 festgestellten Gesundheitszustand ist lediglich insoweit eingetreten, als der damals festgestellte GdB von 30 nunmehr seit dem 26.05.2004 mit 40 festzusetzen ist. Eine darüber hinausgehende Änderung liegt nicht vor. Dem hat der Beklagte mit Bescheid vom 19.01.2006 Rechnung getragen.
Wegen der rechtlichen Voraussetzungen der zu treffenden Entscheidung, der bei der Feststellung des GdB anzuwendenden Maßstäbe sowie der danach für die von den Gesundheitsstörungen des Klägers ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen anzusetzenden Einzel-GdB verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid. Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass mittlerweile die im Wesentlichen mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 gleichlautenden AHP 2008 in Kraft getreten sind. Weiter ist folgendes auszuführen:
Zunächst folgt der Senat dem Sachverständigen Dr. A. hinsichtlich der Bewertung der Funktionseinschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet. Soweit der nervenärztliche Sachverständige Dr. R. für die Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Extremitäten sowie der Hals- und Lendenwirbelsäule einen Teil-GdB von jeweils 20 angesetzt hat, rechtfertigen die von Dr. A. erhobenen Befunde diese Bewertung nicht. Gegen die Beurteilung durch Dr. R. spricht bereits, dass er lediglich einen Befund der Halswirbelsäule, nicht jedoch der Lendenwirbelsäule mitgeteilt hat. Demgegenüber hat Dr. A. eine vollständige Erhebung der Bewegungsmaße aller Wirbelsäulenabschnitte vorgenommen. Danach bestehen im Bereich der Lendenwirbelsäule keine klinisch nachgewiesenen Funktionseinschränkungen und im Bereich der Halswirbelsäule lediglich endgradige geringe Bewegungseinschränkungen bei radiologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen. Wie Dr. A. zutreffend ausgeführt hat, sind die Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten.
Bei der Bemessung des Gesamt-GdB hat der Sachverständige Dr. A. - entgegen der Auffassung des Klägers - auch die vom Sachverständigen Dr. R. mit einem Teil-GdB von 20 beurteilte leicht- bis mittelgradige Depression mit einbezogen. In Beantwortung von Beweisfrage 3a hat er die von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen mit einem GdB bemessen. Hierbei hat er die depressive Störung richtigerweise nicht aufgeführt, da er diese auch nicht festgestellt hat. In Beweisfrage 3b hat er seine Bewertung des Gesamt-GdB getroffen. Den Ausführungen im Gutachten kann entnommen werden, dass er hierbei auch die depressive Störung mit einbezogen hat. Er hat hierzu ausgeführt, in der Gesamtschau der Befunde sei auch unter Berücksichtigung des neurologisch-psychiatrischen Befundes einer leicht- bis mittelgradigen Depression mit einem Teil-GdB von 20 das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung nicht mit den Funktionseinschränkungen einer Schwerbehinderung vergleichbar. Der Gesamt-GdB von 40 entspricht darüber hinaus auch den von Dr. A. festgestellten Einzel-GdB unter Zugrundelegung der AHP 2008 nur dann, wenn der für die Depresssion festgestellte Teil-GdB 20 mit berücksichtigt wird. Nach Ziffer 19 Abs. 4 AHP 2008 führen - von Ausnahmefällen abgesehen - zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Dr. A. hat für die oberen Extremitäten einen Teil-GdB von 30 und für sonstige Funktionsstörungen jeweils einen Teil-GdB von 10 festgestellt. Aufgrund der allein von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen käme danach allein ein Gesamt-GdB von 30 in Betracht. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 40 setzt danach die Einbeziehung des für die Depression angesetzten Teil-GdB von 20 voraus. Diese Erkrankung ist im Übrigen mit einem Teil-GdB von 20 angemessen berücksichtigt, zumal auch Dr. R. davon ausgegangen ist, dass seit der Beendigung der Berufstätigkeit des Klägers eine Besserung eingetreten ist und sich dieser auch nicht in fachärztlicher Behandlung befindet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.
Bei dem 1943 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 20.10.2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit 26.05.2004 festgestellt aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen: "Funktionsbehinderung beider Handgelenke, Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, Riss der Bizepssehne beidseitig, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung beider Sprunggelenke, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sowie Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen."
Am 31.10.2005 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag, mit dem er die Erhöhung des GdB beantragte. Nach Beiziehung und Auswertung medizinischer Unterlagen des Internisten und Hausarztes des Klägers Dr. M. hob der Beklagte mit Bescheid vom 19.01.2006 den Bescheid vom 20.10.2004 auf und stellte den GdB mit 40 seit 31.10.2005 fest. Neue Funktionsbeeinträchtigungen wurden nicht festgestellt.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der Beklagte zog daraufhin aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. M. und Dr. P. bei. Nach Auswertung dieser Unterlagen durch den Prüfarzt der Beklagten Dr. B. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.09.2006, auf die Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2006 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 25.10.2006 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens durch Dr. R. und eines orthopädischen Gutachtens durch Dr. A ...
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. hat im Gutachten vom 09.02.2007 eine leicht- bis mittelgradige Depression festgestellt und hierfür einen Teil-GdB von 20 (- 30) für angemessen erachtet. Er hat hierzu ausgeführt, zusätzlich zu den körperlichen Einschränkungen sei der Kläger in seiner Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durch die Entwicklung einer reaktiven Depression zusätzlich beeinträchtigt. Diese seelischen Auswirkungen seien, solange er noch im Erwerbsleben gestanden habe, relativ schwerwiegend gewesen; sie seien nicht mehr ganz so gewichtig, nachdem der Kläger seit November 2006 eine vorgezogene Altersrente beziehe. Der Kläger sei aber auch jetzt noch nicht ganz frei von depressiven Gedankeninhalten, es bestehe insoweit eine latente Rückfallgefährdung. Unter Berücksichtigung der bisher nicht ausreichend gewerteten Wirbelsäulenveränderungen beurteile er den Gesamt-GdB mit 50.
Der Orthopäde Dr. A. hat in seinem Gutachten vom 04.10.2007 folgende Diagnosen gestellt:
1. Outlet-Impingement linke Schulter, AC-Gelenkarthrose; Ruptur der langen Bizepssehnen beider Schultergelenke. 2. Beginnende Radiokarpalarthrose beider Handgelenke; fortgeschrittene Rhizarthrose (Daumensattelgelenkarthrose) rechts. 3. Lokales degeneratives HWS-/LWS-Syndrom 4. Beginnende Retropatellararthrose beidseits, Monoarthritis rechtes OSG - Nachweis einer Borreliose. Auf nichtorthopädischem Fachgebiet hat er die Diagnosen Bluthochdruck, Herzrhythmusstörung, einer Hypercholesterinämie sowie Diabetes mellitus Typ II gestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers lägen maßgeblich im Bereich der oberen Extremitäten. Im Bereich der Wirbelsäule bestünden lediglich endgradige Bewegungseinschränkungen im Bereich der HWS. Das degenerative lokale HWS-/LWS-Syndrom bedinge einen Teil-GdB von 10, die Funktionsbeeinträchtigungen der oberen Extremitäten (Schulter: Impingement linke Schulter - Supraspinatus-outlet, AC-Arthrose, Abriss der langen Supraspinatussehne beider Schultergelenke; Handgelenk: fortgeschrittene Rhizarthrose rechts) bedingten einen Teil-GdB von 30. Die Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Extremitäten (beginnende Retropatellararthrose beidseits, Monoarthritis rechtes OSG [Verdacht auf Borreliose]) bedingten einen Teil-GdB von 10. Die internistischen Erkrankungen seien medikamentös eingestellt und ohne sekundäre Manifestation. Der Bluthochdruck, die Herzrhythmusstörung, die Hypercholesterinämie sowie der Diabetes Typ II bedingten gleichfalls einen Teil-GdB von 10. Insgesamt betrage der GdB 40. Bei der Anamnese und klinischen Untersuchung des Klägers habe eine eigenständige psychiatrische Erkrankung nicht sicher herausgearbeitet werden können. Selbst unter Zugrundelegung einer von Dr. R. diagnostizierten leicht- bis mittelgradigen Depression, die mit einem Teil-GdB von 20 anzusetzen wäre, seien die vorhandenen funktionellen Einschränkungen mit einem Gesamt-GdB von 40 ausreichend und umfassend gewürdigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Funktionsbehinderung beider Handgelenke, des linken Schultergelenkes und der Riss der Bizepssehne links seien mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Der Bluthochdruck sowie die Herzrhythmusstörungen bedingten einen Teil-GdB von 10. Dies ergebe sich aus den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. R. und Dr. A ... Beim Kläger liege darüber hinaus eine mit einem Teil-GdB von 20 zu bewertende leicht- bis mittelgradige Depression vor. Die hierfür ursächliche reaktive Erschöpfungsdepression habe sich durch die zwischenzeitlich gewährte Altersrente leicht gebessert. Das SG folge gleichwohl der Beurteilung von Dr. R. hinsichtlich der Bewertung der psychischen Erkrankung mit einem Teil-GdB von 20. Die Beeinträchtigung der Sprung- und Kniegelenke sowie die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers seien jeweils mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Hinsichtlich beider Funktionsbeeinträchtigungen folge das SG den überzeugenden Ausführungen von Dr. A. und nicht der insoweit fachfremden Einschätzung durch Dr. R ... Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ergebe sich danach ein Gesamt-GdB von 40.
Gegen den am 16.01.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.01.2008 Berufung eingelegt. Er trägt vor, die Wirbelsäulenerkrankung sei mit einem Teil-GdB von 10 unzureichend berücksichtigt, da eine mittelgradige Funktionsbehinderung der HWS und eine leicht- bis mittelgradige Funktionsbehinderung der LWS vorlägen, die mit einem GdB von 20 zu bewerten seien. Zudem habe der Sachverständige Dr. A. den Gesamt-GdB für die Behinderungen allein auf orthopädischem und internistischem Gebiet mit 40 angesetzt. Unter weiterer Berücksichtigung des auf nervenärztlichem Gebiet vorliegenden Teil-GdB von 20 hätte der Gesamt-GdB mit 50 festgestellt werden müssen.
Der Kläger hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, er befinde sich nicht in nervenärztlicher Behandlung.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. Januar 2008 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den bei ihm vorliegenden Grad der Behinderung ab 31. Oktober 2005 mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid des SG ist in der Sache nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 19.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 hat.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Eine wesentliche Änderung liegt dann vor, wenn sich der Gesundheitszustand verändert hat, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung des GdB-Grades wenigstens 10 beträgt.
Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers gegenüber dem im Bescheid vom 20.10.2004 festgestellten Gesundheitszustand ist lediglich insoweit eingetreten, als der damals festgestellte GdB von 30 nunmehr seit dem 26.05.2004 mit 40 festzusetzen ist. Eine darüber hinausgehende Änderung liegt nicht vor. Dem hat der Beklagte mit Bescheid vom 19.01.2006 Rechnung getragen.
Wegen der rechtlichen Voraussetzungen der zu treffenden Entscheidung, der bei der Feststellung des GdB anzuwendenden Maßstäbe sowie der danach für die von den Gesundheitsstörungen des Klägers ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen anzusetzenden Einzel-GdB verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid. Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass mittlerweile die im Wesentlichen mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 gleichlautenden AHP 2008 in Kraft getreten sind. Weiter ist folgendes auszuführen:
Zunächst folgt der Senat dem Sachverständigen Dr. A. hinsichtlich der Bewertung der Funktionseinschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet. Soweit der nervenärztliche Sachverständige Dr. R. für die Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Extremitäten sowie der Hals- und Lendenwirbelsäule einen Teil-GdB von jeweils 20 angesetzt hat, rechtfertigen die von Dr. A. erhobenen Befunde diese Bewertung nicht. Gegen die Beurteilung durch Dr. R. spricht bereits, dass er lediglich einen Befund der Halswirbelsäule, nicht jedoch der Lendenwirbelsäule mitgeteilt hat. Demgegenüber hat Dr. A. eine vollständige Erhebung der Bewegungsmaße aller Wirbelsäulenabschnitte vorgenommen. Danach bestehen im Bereich der Lendenwirbelsäule keine klinisch nachgewiesenen Funktionseinschränkungen und im Bereich der Halswirbelsäule lediglich endgradige geringe Bewegungseinschränkungen bei radiologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen. Wie Dr. A. zutreffend ausgeführt hat, sind die Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten.
Bei der Bemessung des Gesamt-GdB hat der Sachverständige Dr. A. - entgegen der Auffassung des Klägers - auch die vom Sachverständigen Dr. R. mit einem Teil-GdB von 20 beurteilte leicht- bis mittelgradige Depression mit einbezogen. In Beantwortung von Beweisfrage 3a hat er die von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen mit einem GdB bemessen. Hierbei hat er die depressive Störung richtigerweise nicht aufgeführt, da er diese auch nicht festgestellt hat. In Beweisfrage 3b hat er seine Bewertung des Gesamt-GdB getroffen. Den Ausführungen im Gutachten kann entnommen werden, dass er hierbei auch die depressive Störung mit einbezogen hat. Er hat hierzu ausgeführt, in der Gesamtschau der Befunde sei auch unter Berücksichtigung des neurologisch-psychiatrischen Befundes einer leicht- bis mittelgradigen Depression mit einem Teil-GdB von 20 das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung nicht mit den Funktionseinschränkungen einer Schwerbehinderung vergleichbar. Der Gesamt-GdB von 40 entspricht darüber hinaus auch den von Dr. A. festgestellten Einzel-GdB unter Zugrundelegung der AHP 2008 nur dann, wenn der für die Depresssion festgestellte Teil-GdB 20 mit berücksichtigt wird. Nach Ziffer 19 Abs. 4 AHP 2008 führen - von Ausnahmefällen abgesehen - zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Dr. A. hat für die oberen Extremitäten einen Teil-GdB von 30 und für sonstige Funktionsstörungen jeweils einen Teil-GdB von 10 festgestellt. Aufgrund der allein von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen käme danach allein ein Gesamt-GdB von 30 in Betracht. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 40 setzt danach die Einbeziehung des für die Depression angesetzten Teil-GdB von 20 voraus. Diese Erkrankung ist im Übrigen mit einem Teil-GdB von 20 angemessen berücksichtigt, zumal auch Dr. R. davon ausgegangen ist, dass seit der Beendigung der Berufstätigkeit des Klägers eine Besserung eingetreten ist und sich dieser auch nicht in fachärztlicher Behandlung befindet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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