Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2000/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1908/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. März 2004 insoweit abgeändert, als Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. lediglich vom 1. Dezember 1996 bis 30. September 1997 zu gewähren ist.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin wegen Verschlimmerung ihrer depressiven Störung durch die als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) anerkannte Hauterkrankung Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1961 geborene, aus der Türkei stammende Klägerin wurde von ihrer Mutter, die bereits 1965 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war, im Alter von 11 Jahren mit nach Deutschland genommen. Sie erreichte den Hauptschulabschluss und absolvierte anschließend von 1977 bis 1980 eine Lehre zur Zahnarzthelferin. In diesem Beruf war sie bis 1985 tätig. Im Anschluss an eine von 1985 bis 1989 erfolgte Umschulung zur Zahntechnikerin war die Klägerin bis März 1990 zunächst in einem zahntechnischen Labor tätig, bevor sie im April 1990 wiederum eine Tätigkeit in einer zahnärztlichen Praxis aufnahm, wo sie sowohl als Zahnarzthelferin als auch als Zahntechnikerin eingesetzt war. Ab 1993 war die Klägerin wieder bei Zahnärzten als Zahnarzthelferin beschäftigt, und zwar in S., O., V. und St ... Zuletzt nahm sie im Januar 1996 wieder eine Tätigkeit als Zahnarzthelferin und Zahntechnikerin in einer zahnärztlichen Praxis in V. auf. In dieser Tätigkeit trat am 3. Mai 1996 Arbeitsunfähigkeit wegen eines allergischen Ekzems ein, worauf das Beschäftigungsverhältnis seitens des Arbeitgebers zum 30. Juni 1996 beendet wurde. Wegen der Hauterkrankung war die Klägerin auch über diesen Zeitpunkt hinaus arbeitsunfähig, wobei im Mai 1996 ein psychiatrisches Krankheitsbild hinzutrat, weswegen sie vom 11. Juli bis 11. September 1996 wegen eines depressiven Zustandsbildes mit Somatisierung bei tiefgreifender neurotischer Störung stationär in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie R. behandelt wurde. Ab 11. September 1996 war die Arbeitsunfähigkeit allein durch die psychiatrische Erkrankung bedingt. Eine berufliche Tätigkeit nahm die Klägerin in der Folgezeit nicht mehr auf. Ab 9. Januar 1998 bezog sie zunächst Arbeitslosengeld. Im Anschluss an eine im Januar/Februar 1998 durchgeführte stationäre Maßnahme zur Rehabilitation gewährte die frühere Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin mit Bescheid vom 3. März 1998 zunächst Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Zeit vom 1. Dezember 1996 bis 31. Juli 1999 und im Anschluss an eine weitere Befristung mit Bescheid vom 3. September 1999 EU-Rente auf unbestimmte Dauer.
Im Juni 1996 erstattete der Arzt für Hautkrankheiten/Allergologie Dr. W. bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige über eine BK und verwies auf rezidivierende schwere kontaktallergische Ekzeme, die auf den Kontakt mit berufstypischen Stoffen zurückzuführen seien. Die Beklagte zog vom Arbeitsamt R. die dort geführten Akten sowie zahlreiche medizinische Unterlagen bei und holte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten sowie Auskünfte bei ehemaligen Arbeitgebern der Klägerin ein. Sie veranlasste sodann das dermatologische Gutachten des Prof. Dr. G., Direktor der Hautklinik am Städtischen Klinikum K., vom 4. April 1997, der eine berufliche Sensibilisierung gegen (2-Hydroxyethyl)-methacrylat und Bepanthol-Waschlotion beschrieb und die Kriterien für die Anerkennung als entschädigungspflichtige BK für gegeben erachtete. Er bewertete die hierdurch bedingte MdE mit 10 v.H. Mit Bescheid vom 25. Juni 1997 stellte die Beklagte die Hauterkrankung der Klägerin als BK nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) in Verbindung mit Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO fest; als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls benannte sie den 3. Mai 1996. Es bestehe eine Sensibilisierung gegen (2-Hydroxyethyl)-methacrylat und die Handwaschlotion Bepanthol. Unabhängig von der BK bestehe eine Sensibilisierung gegenüber Nickel und eine atopische Diathese. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in einem rentenberechtigenden Grade resultiere aus der Hauterkrankung nicht, da die maßgeblichen Allergene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur gering verbreitet seien und gegenwärtig keine Hauterscheinungen bestünden.
Am 29. August 1997 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 25. Juni 1997 gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und machte u.a. geltend, auch die bei ihr bestehende Sensibilisierung gegenüber Nickel sei als BK anzuerkennen; außerdem sei die unter dem Begriff "atopische Diathese" aufgeführte Erkrankung als Folge einer BK anzuerkennen sowie nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 40 vom Hundert (v.H.) zu gewähren. In der Folgezeit verwies die Klägerin im Übrigen auf einen Zusammenhang zwischen der Berufsaufgabe wegen der Hauterkrankung und ihrer psychischen Erkrankung und bat auch insoweit um eine Überprüfung. Mit Bescheid vom 20. Januar 2000 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 25. Juni 1997 teilweise zurückzunehmen. Da eine Nickelsensibilisierung nach dem Gutachten des Prof. Dr. G. sehr wahrscheinlich durch das Tragen von Modeschmuck bedingt sei, könne diese nicht als BK anerkannt werden. Auch die wahrscheinlich vorliegende atopische Diathese stehe nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit. Hierbei handele es sich um die genetische Bereitschaft, gegen Substanzen der Umwelt Überempfindlichkeitsreaktionen zu entwickeln. Ebenso wenig seien die Depressionen ursächlich auf die bestehende Hauterkrankung zurückzuführen. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin u. a. geltend, ab ihrer Krankschreibung im Juni 1996 depressiv geworden zu sein und sich ständig in therapeutischer Behandlung befunden zu haben. Zwischenzeitlich sei sie mehrfach in psychosomatischen Kliniken behandelt worden und befinde sich derzeit in einer Langzeittherapie. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2000 wurde der Widerspruch u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, die Depression stehe in keinem Zusammenhang mit der anerkannten BK. Diese sei vielmehr anlagebedingt.
Am 4. August 2000 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren Klage, ihr unter anderem wegen ihrer depressiven Störung, die mit ihrer Hauterkrankung in Zusammenhang stehe, Verletztenrente zu gewähren. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Bei der Klägerin bestünden bk-unabhängig erhebliche psychische Störungen. Bereits früher hätten schwere Persönlichkeitsstörungen bestanden, die sogar weit in die Kindheit zurückreichten. Die psychische Erkrankung sei auch nicht durch die Berufsaufgabe verursacht, sondern in der Angst begründet, keinen neuen Beruf zu finden. Sie legte die gutachtliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 31. Juli 2001 zu dem zuvor eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. Sch., Kliniken Sch. in K., vom 12. April 2001 vor. Im Rahmen seines Gutachtens war Dr. Sch. zu der Einschätzung gelangt, dass die psychische Erkrankung der Klägerin nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Auftreten der BK stehe und diese auch nicht zu einer richtunggebenden oder dauernden Verschlimmerung geführt habe. Im Hinblick auf die vorbestehende psychischen Schädigung sei jedoch von einer vorübergehenden Verschlimmerung durch die Hauterkrankung auszugehen. Die MdE hierfür schätzte er ab 12. September 1996 zunächst auf 40 v.H., ab 1. April 1997 auf 30. v.H., ab 1. Oktober 1997 auf 20 v.H. und ab 1. Oktober 1998 auf 10 v.H. Dr. F. wollte demgegenüber eine MdE (wenn überhaupt) allenfalls für die Dauer eines Jahres um 20 v.H. akzeptieren, da eine schwerwiegende Störung bereits vorbestanden habe und angesichts der spezifischen Auslösesituation von einer sehr leicht ansprechbaren Anlage der Störung auszugehen sei. Nach Einholung des nervenärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. Dr. W. durch das SG erklärte sich die Beklagte bereit, eine vorübergehende Verschlimmerung der depressiven Störung unmittelbar nach der Berufsaufgabe als Folge der BK anzuerkennen, die Gewährung einer Rente lehnte sie jedoch ab, da die von der anerkannten BK unabhängigen depressiven Störungen so erheblich gewesen seien, dass die vorübergehende Verschlimmerung keine Erhöhung der MdE wegen der Hauterkrankung von 10 auf 20 v.H. rechtfertige. Im Hinblick auf die geltend gemachte Sensibilisierung gegenüber Nickel legte die Beklagte die Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. Sch., Universität O. (Dermatologie - Umweltmedizin und Gesundheitstheorie) vom 18. August 2003 vor. Das SG zog die Entlassungsberichte über die stationären Behandlungen der Klägerin in der Klinik R. (5. bis 25. April 2002) und der Rehaklink S. (24. Juli bis 27. August 2002) bei und erhob das nervenärztliche Gutachten des Prof. Dr. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation im Bezirkskrankenhaus G., vom 29. Januar 2003. Dieser ging von einer vorübergehenden Verschlimmerung der depressiven Störung durch die als BK anerkannte Hauterkrankung aus und bewertete die MdE unter Einbeziehung der hautärztlichen Situation für den Zeitraum vom 12. September 1996 bis 30. September 1997 mit 30 v.H. und hiernach mit 10 v.H. Das SG hörte darüber hinaus Dr. W. unter dem 5. Februar 2004 schriftlich als sachverständigen Zeugen. Mit Urteil vom 30. März 2004 änderte es den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 6. Juli 2000 sowie den Bescheid vom 25. Juni 1997 ab und verurteilte die Beklagte, eine vorübergehende Verschlimmerung der depressiven Störung als Folge der anerkannten BK anzuerkennen und der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. vom 1. Dezember 1996 bis 30. November 1997 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Soweit es der Klage statt gab, stützte es sich auf das Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. und die Beurteilung des Dr. Sch., die übereinstimmend von einer vorübergehenden Verschlimmerung der psychischen Erkrankung durch die BK und die Aufgabe der Berufstätigkeit für einen Zeitraum von einem Jahr ausgegangen waren. Hinsichtlich der Bewertung der MdE schloss es sich Prof. Dr. Dr. W. an, während es die von Dr. Sch. getroffene Einschätzung als zu weit reichend erachtete. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 29. April 2004 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 18. Mai 2004 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) mit dem Begehren Berufung eingelegt, es sei eine dauerhafte Verschlimmerung der depressiven Störung durch die Hauterkrankung anzuerkennen und ab 1. Dezember 1996 auf Dauer Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 30 v.H. zu gewähren. Im Hinblick auf das Gutachten des Dr. Sch. hätte das SG die Beklagte zumindest noch für die Zeit vom 1. Dezember 1997 bis 30. September 1998 zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. verurteilen müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. März 2004 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2000 sowie des Bescheids vom 25. Juni 1997 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer dauerhaften Verschlimmerung der depressiven Störung durch die Hauterkrankung Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 30 v. H. über den 30. November 1997 hinaus zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte, die am 4. November 2004 Anschlussberufung eingelegt hat, beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. März 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die BK der Klägerin habe weder eine vorübergehende noch eine dauerhafte Verschlimmerung ihrer depressiven Störung ausgelöst. Die depressiven Störungen der Klägerin seien auf traumatische Erfahrungen in der Kindheit und Jugend zurückzuführen. Dr. Sch. habe in seinem Gutachten auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen den geprüften Anlässen (Verkehrsunfälle 1986 und 1992 sowie BK) und dem klinischen Bild der Erkrankung bei gleichzeitigem Vorliegen zahlreicher anderer Einflussfaktoren hingewiesen. Auch Dr. F. habe die Unfälle und die BK aufgrund der vorbestehenden Erkrankung allenfalls als Anlassgeschehen beurteilt. Von einer dauerhaften Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung sei im Übrigen kein Gutachter ausgegangen. Soweit das SG Verletztenrente bis 30. November 1997 zugesprochen habe, sei es zwei Monate über den Zeitraum hinausgegangen, für den Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. eine MdE um 30 v.H. zugrunde gelegt hätten. Sie legte im Hinblick auf die im Klageverfahren noch geltend gemachte Sensibilisierung gegenüber Nickel die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 19. Februar 2007 vor.
Der Senat hat den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. unter dem 25. Mai 2005 sowie den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. unter dem 2. Juni 2005 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Darüber hinaus hat es auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Dr. Sch., Ärztlicher Direktor des Fachkrankenhauses N., vom 11. Dezember 2007 erhoben. Dieser sah die psychische und Verhaltensproblematik in einer bestimmten Phase der Entwicklung - ebenso wie Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. - als durch die berufsbedingten Ereignisse beeinflusst und beurteilte die psychoreaktiven Auswirkungen der BK Nr. 5101 vom 1. Dezember 1996 bis 30. November 1997 mit einer MdE um 30 v.H. Der Sachverständige diagnostizierte zusätzlich eine Multiple Chemical Sensitivity (MCS), die er als berufsbedingt ausgelöst ansah. Diese Störung bedinge fortlaufend eine MdE um 30. v.H.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, ebenso die Anschlussberufung der Beklagten. Hingegen ist die Berufung der Klägerin unbegründet, während die Berufung der Beklagten zu einem geringen Teil Erfolg hat.
Das SG hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2000 sowie des Bescheids vom 25. Juni 1997 zu Recht verurteilt, der Klägerin wegen einer vorübergehenden Verschlimmerung ihrer depressiven Störung als Folge der anerkannten BK Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. Allerdings hätte es die Beklagte nicht verurteilen dürfen, die Verletztenrente bis 30. November 1997 zu gewähren. Denn diese steht der Klägerin lediglich bis 30. September 1997 zu. Entsprechend war die Berufung der Beklagten erfolgreich, soweit das SG diese verurteilt hat, der Klägerin Verletztenrente für die Monate Oktober und November 1997 zu gewähren. Die Berufung der Klägerin war demgegenüber in vollem Umfang zurückzuweisen. Denn Verletztenrente steht der Klägerin weder nach einer MdE um mehr als 30 v.H. zu, noch über den zunächst zuerkannten Zeitraum hinaus auf Dauer oder zumindest bis 30. September 1998.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs im Einzelnen dargelegt, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung verweist. Zutreffend ist das SG auch davon ausgegangen, dass der als Folge der anerkannten BK eingetretene weitere Gesundheitsschaden als mittelbarer Schaden zu entschädigen ist. Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs ist dabei hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Diese liegt dann vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19, 52; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts.
Auf dieser Grundlage ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass die Folgen der bei der Klägerin mit Bescheid vom 25. Juni 1997 festgestellten BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der bereits zuvor bestandenen depressiven Störung geführt hat und dieser Verschlimmerungsanteil die Bewertung mit einer MdE um 30 v. H. rechtfertigt. Der Senat schießt sich auf der Grundlage des von der Beklagten eingeholten Gutachtens des Dr. Sch. sowie den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. dieser Beurteilung an.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die durch die allergischen Hautreaktionen bedingte Aufgabe der Berufstätigkeit, die zur Anerkennung einer Hauterkrankung als BK geführt hat, für sich betrachtet nicht Ursache der bei der Klägerin aufgetretenen schweren Depressionen war. Vielmehr lag bei ihr zum Zeitpunkt der Aufgabe der Berufstätigkeit bereits ein seit längerem andauerndes manifestes depressives Zustandsbild mit Somatisierung vor, und zwar auf der Grundlage einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung, die auf schweren psychosozialen Belastungen und psychisch traumatisierenden Erfahrungen gründet. Insoweit hat Prof. Dr. Dr. W. auf eine schwere körperliche Traumatisierung im Kleinkindalter mit einer drittgradigen Verbrennung der rechten Hand mit ausgeprägten Narbenkontrakturen im Alter von einem Jahr, auf eine frühe Trennung der von der engsten Bezugsperson, nämlich der Mutter, die die Klägerin im Alter von vier Jahren verließ, um nach Deutschland zu gehen, einen sexuellen Missbrauch durch den Stiefbruder im Alter von elf Jahren, einen Suizidversuch mit Tabletten im Alter von zwölf Jahren sowie rezidivierende Selbstverletzungen in Form von Verbrühungen der rechten Hand im Alter von siebzehn bis zweiundzwanzig Jahren hingewiesen. Jeder einzelne dieser Faktoren ist nach den Darlegungen des Prof. Dr. Dr. W. für sich genommen in der Lage, eine depressive Erkrankung zu bedingen. In ihrer Gesamtheit haben sie bei der Klägerin jedoch eine Anlage bewirkt, die auch schon lange vor dem Auftreten der BK, und zwar bereits in den Jahren 1989 und 1992, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen depressiver Erschöpfungszustände bzw. psychovegetativen Erschöpfungen geführt hat. Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung des Sachverständigen, wonach die Gesamtheit dieser traumatisierenden Situationen und ihrer Einwirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung der Klägerin als überwiegende Ursache der bestehenden und anhaltenden depressiven Störung anzusehen ist, schlüssig und überzeugend. Auch Dr. Sch. hat sich in diesem Sinne geäußert und auf eine schwerwiegende psychische Störung hingewiesen, die weit in die Kindheit zurückreicht und in schweren psychosozialen Belastungen und psychisch traumatisierenden Erfahrungen gründet.
Vor diesem Hintergrund war daher zu prüfen, ob und ggf. inwieweit das Auftreten der Hauterkrankung, die zu einem Verlust der Arbeitsmöglichkeiten im bisherigen Berufsbereich geführt hat, bei der Klägerin nunmehr zu der von ihr geltend gemachten Verschlimmerung der depressiven Erkrankung geführt hat. Dies war nach Überzeugung des Senats bei der Klägerin der Fall. Denn nach Auftreten der ekzematösen Hautveränderungen, die nach stetig zunehmender Ausprägung im Mai 1996 zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit führten, war bei der Klägerin erstmals ein so schweres depressives Zustandsbild aufgetreten, dass ab 11. Juli 1996 eine zweimonatige stationäre Behandlung notwendig geworden war. Ebenso wie Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. sieht der Senat hierin hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass als Folge der aufgetretenen BK eine relevante Verschlimmerung der schon zuvor manifesten psychischen Störung eingetreten ist.
Allerdings war die durch das Auftreten der Hauterkrankung bedingte Verschlimmerung der psychischen Situation - wie Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. übereinstimmend dargelegt haben - nicht von Dauer. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Klägerin in der Folgezeit keinerlei berufliche Tätigkeit mehr aufgenommen hat und bei ihr Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, was zu einem dauerhaften Ausscheiden aus dem Erwerbsleben geführt hat. Denn auch nach Überzeugung des Senats war wesentliche Bedingung für diese weitere Entwicklung nicht mehr das Auftreten der BK. Denn das Auftreten der Hauterkrankung hätte keinesfalls eine Aufgabe jeglicher beruflicher Aktivitäten nach sich ziehen müssen. Art und Ausprägung der durch die beruflich bedingte Hauterkrankung hervorgerufenen Beeinträchtigungen waren nämlich nicht so schwerwiegend, dass nicht nach einer gewissen Zeit der Behandlung mit einer beruflichen Neuorientierung hätte gerechnet werden können. Keinesfalls musste allein als Folge der Sensibilisierung gegen (2-Hydroxylethyl)-methacrylat und die Handwaschlotion Bepanthol mit einem dauerhaften Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gerechnet werden. Der Umstand, dass das Krankheitsgeschehen bei der Klägerin jedoch weiter fortschritt und sich chronifizierte, macht nach Überzeugung des Senats deutlich, dass bei der Klägerin andere psychodynamische Kräfte wirksam geworden sind, als dies durch die eingetretene BK, die nur zu Beeinträchtigungen unter ganz bestimmten Arbeitsplatzbedingungen führt, erwartet werden konnte. Die weitere Entwicklung bzw. das Aufrechterhalten der depressiven Störung war nach Überzeugung des Senats daher nicht mehr wesentlich ursächlich auf die Hauterkrankung zurückzuführen. Die Chronifizierung der Erkrankung sieht der Senat ebenso wie Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. vielmehr in der psychischen Verletzlichkeit der Klägerin aufgrund der weit zurückreichenden psychischen Probleme, die den Eintritt der anerkannten BK nachrangig erscheinen lassen. Dies machen gerade auch die Beschwerden und Symptome deutlich, die im Mittelpunkt der Wahrnehmung der Klägerin und der weiteren Behandlung stehen. Dies sind körperliche Beschwerden und Beeinträchtigungen sowie daneben die weit zurückreichenden psychischen Probleme und Beziehungserfahrungen, gerade auch im Hinblick auf Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, nicht aber die hier in Rede stehende Hauterkrankung. Die weitere Entwicklung der psychischen Erkrankung steht deshalb nicht mehr in einem wesentlichen Zusammenhang mit der Haut-BK.
Was den Zeitraum dieser Verschlimmerung anbelangt, schließt sich der Senat der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. an, der von einem Zeitraum von einem Jahr seit dem Ende der stationären Behandlung in der psychiatrischen Klinik R. am 11. September 1996 ausgegangen ist und die MdE bis 30. September 1997 mit 30 v.H. eingeschätzt hat. Der Sachverständige begründete diesen Zeitraum für den Senat schlüssig und nachvollziehbar damit, dass in dieser Zeit noch eine fünfmonatige psychosomatisch-psychotherapeutische stationäre Behandlung liegt und hiernach eine erneute stationäre Therapie nicht mehr erforderlich wurde. Im weiteren Behandlungsverlauf konnten in den Jahren 1998 bis 2000 auftretende psychische Krisen dann im Rahmen ambulant durchgeführter Psychotherapie abgefangen werden. Auch Dr. F. sah dem Grunde nach eine Verschlimmerung für die Dauer von einem Jahr als akzeptabel an. Soweit Dr. Sch. seiner Beurteilung einen Zeitraum von zwei Jahren, d.h. bis 30. September 1998 zu Grunde gelegt hat, hat er für diese Einschätzung keine Begründung gegeben. Auch anhand der Akten vermochte der Senat keine Gesichtspunkte finden, die gegen den von Prof. Dr. Dr. W. angenommenen, aber für den von Dr. Sch. zugrunde gelegten Zeitraum sprechen.
Hinsichtlich der Höhe der MdE hält der Senat den von Prof. Dr. Dr. W. für den Verschlimmerungszeitraum von einem Jahr unter Einbeziehung der hautärztlichen MdE um 10 v.H. zu Grunde gelegten Wert von 30 v.H. für angemessen und die Bewertung des Dr. Sch. mit einer MdE um 40 v.H. (Zeitraum vom 12. September 1996 bis 31. März 1997) - ebenso wie das SG - für überhöht. Insoweit ist für den Senat insbesondere nicht ersichtlich, aus welchen Gründen Dr. Sch. zunächst für den Zeitraum bis 31. März 1997 von dem höheren Wert von 40 v.H. ausgeht und für den Folgezeitraum ab 1. April 1997 dann lediglich noch die niedrigere MdE um 30 v.H. zu Grunde legt und somit eine Abstufung gerade in einen Zeitraum legt, in dem die Klägerin durchgehend stationär behandelt worden war, nämlich in der Klinik St. G. in Bad D. vom 6. Januar 1997 bis 12. Mai 1997. Da nicht davon auszugehen ist, dass inmitten der laufenden stationären Behandlung eine derartige Besserung eingetreten ist, hält es der Senat für sachgerecht, die auch von Dr. Sch. für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 1997 getroffene Bewertung (MdE um 30 v.H.) dem Gesamtzeitraum zu Grunde zu legen. Vor dem Hintergrund der eingetretenen Verschlimmerung der psychischen Störung durch die als BK anerkannte Hauterkrankung steht der Klägerin daher Verletztenrente befristet beginnend ab dem Ende der Arbeitsunfähigkeit, d.h. ab 1. Dezember 1996, bis etwa zum Ablauf eines Jahres nach Ende der Behandlung in der psychiatrischen Klinik R. am 11. September 1996, also bis 30. September 1997 zu. Für die vom SG für die Folgemonate Oktober und November 1997 zugesprochene Verletztenrente sieht der Senat in den vorliegenden Gutachten keine Grundlage. Hierfür hat auch Dr. Sch., der in seinem Gutachten vom 11. Dezember 2007 eine MdE um 30 v.H. wegen der psychoreaktiven Auswirkungen der BK Nr. 5101 bis 30. November 1997 bejaht hat, keine Begründung gegeben. Soweit Dr. Sch. über den 30. November 1997 hinaus eine entschädigungspflichtige MdE um 30 v.H. angenommen hat, hat er dies mit einer MCS begründet, die er auf im Einzelnen nicht spezifizierte berufliche Einwirkungen zurückgeführt hat. Hierüber war im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden, da die Beklagte in den hier angefochtenen Bescheiden nur über eine BK nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO entschieden hat. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich und wird von Dr. Sch. auch nicht dargelegt, unter welchen Tatbestand der Anlage 1 zur BKVO eine MCS subsumiert werden könnte.
Nicht zu folgen vermochte der Senat der Ansicht der Beklagten, die gestützt auf die Erwägungen des Dr. F. im Berufungsverfahren die Auffassung vertrat, aufgrund der vorbestehenden psychischen Störung könne die anerkannte BK, die lediglich Auslöser für einen neuen Krankheitsschub gewesen sei, als bloßes Anlassgeschehen angesehen werden. Davon, dass die bei der Klägerin bereits angelegten psychischen Faktoren so leicht ansprechbar waren, dass sie einer spezifischen Auslösesituation nicht bedurft haben, vermochte sich der Senat jedoch nicht zu überzeugen. Denn schließlich war die Klägerin über Jahre hinweg in der Lage, die emotionale Mangelsituation durch Leistungsbereitschaft und Anerkennung recht gut durch beruflichen Erfolg zu kompensieren. Bei einer solchen, den Selbstwert stabilisierenden Funktion der Berufstätigkeit hat die Berufsaufgabe für die Klägerin aber einen massiven Verlust dargestellt. Dies schließt es nach Überzeugung des Senats aus, dieses Ereignis der krankheitsbedingten Berufsaufgabe lediglich als Gelegenheitsursache zu betrachten.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten geringfügig abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin wegen Verschlimmerung ihrer depressiven Störung durch die als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) anerkannte Hauterkrankung Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1961 geborene, aus der Türkei stammende Klägerin wurde von ihrer Mutter, die bereits 1965 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war, im Alter von 11 Jahren mit nach Deutschland genommen. Sie erreichte den Hauptschulabschluss und absolvierte anschließend von 1977 bis 1980 eine Lehre zur Zahnarzthelferin. In diesem Beruf war sie bis 1985 tätig. Im Anschluss an eine von 1985 bis 1989 erfolgte Umschulung zur Zahntechnikerin war die Klägerin bis März 1990 zunächst in einem zahntechnischen Labor tätig, bevor sie im April 1990 wiederum eine Tätigkeit in einer zahnärztlichen Praxis aufnahm, wo sie sowohl als Zahnarzthelferin als auch als Zahntechnikerin eingesetzt war. Ab 1993 war die Klägerin wieder bei Zahnärzten als Zahnarzthelferin beschäftigt, und zwar in S., O., V. und St ... Zuletzt nahm sie im Januar 1996 wieder eine Tätigkeit als Zahnarzthelferin und Zahntechnikerin in einer zahnärztlichen Praxis in V. auf. In dieser Tätigkeit trat am 3. Mai 1996 Arbeitsunfähigkeit wegen eines allergischen Ekzems ein, worauf das Beschäftigungsverhältnis seitens des Arbeitgebers zum 30. Juni 1996 beendet wurde. Wegen der Hauterkrankung war die Klägerin auch über diesen Zeitpunkt hinaus arbeitsunfähig, wobei im Mai 1996 ein psychiatrisches Krankheitsbild hinzutrat, weswegen sie vom 11. Juli bis 11. September 1996 wegen eines depressiven Zustandsbildes mit Somatisierung bei tiefgreifender neurotischer Störung stationär in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie R. behandelt wurde. Ab 11. September 1996 war die Arbeitsunfähigkeit allein durch die psychiatrische Erkrankung bedingt. Eine berufliche Tätigkeit nahm die Klägerin in der Folgezeit nicht mehr auf. Ab 9. Januar 1998 bezog sie zunächst Arbeitslosengeld. Im Anschluss an eine im Januar/Februar 1998 durchgeführte stationäre Maßnahme zur Rehabilitation gewährte die frühere Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin mit Bescheid vom 3. März 1998 zunächst Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Zeit vom 1. Dezember 1996 bis 31. Juli 1999 und im Anschluss an eine weitere Befristung mit Bescheid vom 3. September 1999 EU-Rente auf unbestimmte Dauer.
Im Juni 1996 erstattete der Arzt für Hautkrankheiten/Allergologie Dr. W. bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige über eine BK und verwies auf rezidivierende schwere kontaktallergische Ekzeme, die auf den Kontakt mit berufstypischen Stoffen zurückzuführen seien. Die Beklagte zog vom Arbeitsamt R. die dort geführten Akten sowie zahlreiche medizinische Unterlagen bei und holte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten sowie Auskünfte bei ehemaligen Arbeitgebern der Klägerin ein. Sie veranlasste sodann das dermatologische Gutachten des Prof. Dr. G., Direktor der Hautklinik am Städtischen Klinikum K., vom 4. April 1997, der eine berufliche Sensibilisierung gegen (2-Hydroxyethyl)-methacrylat und Bepanthol-Waschlotion beschrieb und die Kriterien für die Anerkennung als entschädigungspflichtige BK für gegeben erachtete. Er bewertete die hierdurch bedingte MdE mit 10 v.H. Mit Bescheid vom 25. Juni 1997 stellte die Beklagte die Hauterkrankung der Klägerin als BK nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) in Verbindung mit Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO fest; als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls benannte sie den 3. Mai 1996. Es bestehe eine Sensibilisierung gegen (2-Hydroxyethyl)-methacrylat und die Handwaschlotion Bepanthol. Unabhängig von der BK bestehe eine Sensibilisierung gegenüber Nickel und eine atopische Diathese. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in einem rentenberechtigenden Grade resultiere aus der Hauterkrankung nicht, da die maßgeblichen Allergene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur gering verbreitet seien und gegenwärtig keine Hauterscheinungen bestünden.
Am 29. August 1997 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 25. Juni 1997 gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und machte u.a. geltend, auch die bei ihr bestehende Sensibilisierung gegenüber Nickel sei als BK anzuerkennen; außerdem sei die unter dem Begriff "atopische Diathese" aufgeführte Erkrankung als Folge einer BK anzuerkennen sowie nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 40 vom Hundert (v.H.) zu gewähren. In der Folgezeit verwies die Klägerin im Übrigen auf einen Zusammenhang zwischen der Berufsaufgabe wegen der Hauterkrankung und ihrer psychischen Erkrankung und bat auch insoweit um eine Überprüfung. Mit Bescheid vom 20. Januar 2000 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 25. Juni 1997 teilweise zurückzunehmen. Da eine Nickelsensibilisierung nach dem Gutachten des Prof. Dr. G. sehr wahrscheinlich durch das Tragen von Modeschmuck bedingt sei, könne diese nicht als BK anerkannt werden. Auch die wahrscheinlich vorliegende atopische Diathese stehe nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit. Hierbei handele es sich um die genetische Bereitschaft, gegen Substanzen der Umwelt Überempfindlichkeitsreaktionen zu entwickeln. Ebenso wenig seien die Depressionen ursächlich auf die bestehende Hauterkrankung zurückzuführen. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin u. a. geltend, ab ihrer Krankschreibung im Juni 1996 depressiv geworden zu sein und sich ständig in therapeutischer Behandlung befunden zu haben. Zwischenzeitlich sei sie mehrfach in psychosomatischen Kliniken behandelt worden und befinde sich derzeit in einer Langzeittherapie. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2000 wurde der Widerspruch u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, die Depression stehe in keinem Zusammenhang mit der anerkannten BK. Diese sei vielmehr anlagebedingt.
Am 4. August 2000 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren Klage, ihr unter anderem wegen ihrer depressiven Störung, die mit ihrer Hauterkrankung in Zusammenhang stehe, Verletztenrente zu gewähren. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Bei der Klägerin bestünden bk-unabhängig erhebliche psychische Störungen. Bereits früher hätten schwere Persönlichkeitsstörungen bestanden, die sogar weit in die Kindheit zurückreichten. Die psychische Erkrankung sei auch nicht durch die Berufsaufgabe verursacht, sondern in der Angst begründet, keinen neuen Beruf zu finden. Sie legte die gutachtliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 31. Juli 2001 zu dem zuvor eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. Sch., Kliniken Sch. in K., vom 12. April 2001 vor. Im Rahmen seines Gutachtens war Dr. Sch. zu der Einschätzung gelangt, dass die psychische Erkrankung der Klägerin nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Auftreten der BK stehe und diese auch nicht zu einer richtunggebenden oder dauernden Verschlimmerung geführt habe. Im Hinblick auf die vorbestehende psychischen Schädigung sei jedoch von einer vorübergehenden Verschlimmerung durch die Hauterkrankung auszugehen. Die MdE hierfür schätzte er ab 12. September 1996 zunächst auf 40 v.H., ab 1. April 1997 auf 30. v.H., ab 1. Oktober 1997 auf 20 v.H. und ab 1. Oktober 1998 auf 10 v.H. Dr. F. wollte demgegenüber eine MdE (wenn überhaupt) allenfalls für die Dauer eines Jahres um 20 v.H. akzeptieren, da eine schwerwiegende Störung bereits vorbestanden habe und angesichts der spezifischen Auslösesituation von einer sehr leicht ansprechbaren Anlage der Störung auszugehen sei. Nach Einholung des nervenärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. Dr. W. durch das SG erklärte sich die Beklagte bereit, eine vorübergehende Verschlimmerung der depressiven Störung unmittelbar nach der Berufsaufgabe als Folge der BK anzuerkennen, die Gewährung einer Rente lehnte sie jedoch ab, da die von der anerkannten BK unabhängigen depressiven Störungen so erheblich gewesen seien, dass die vorübergehende Verschlimmerung keine Erhöhung der MdE wegen der Hauterkrankung von 10 auf 20 v.H. rechtfertige. Im Hinblick auf die geltend gemachte Sensibilisierung gegenüber Nickel legte die Beklagte die Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. Sch., Universität O. (Dermatologie - Umweltmedizin und Gesundheitstheorie) vom 18. August 2003 vor. Das SG zog die Entlassungsberichte über die stationären Behandlungen der Klägerin in der Klinik R. (5. bis 25. April 2002) und der Rehaklink S. (24. Juli bis 27. August 2002) bei und erhob das nervenärztliche Gutachten des Prof. Dr. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation im Bezirkskrankenhaus G., vom 29. Januar 2003. Dieser ging von einer vorübergehenden Verschlimmerung der depressiven Störung durch die als BK anerkannte Hauterkrankung aus und bewertete die MdE unter Einbeziehung der hautärztlichen Situation für den Zeitraum vom 12. September 1996 bis 30. September 1997 mit 30 v.H. und hiernach mit 10 v.H. Das SG hörte darüber hinaus Dr. W. unter dem 5. Februar 2004 schriftlich als sachverständigen Zeugen. Mit Urteil vom 30. März 2004 änderte es den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 6. Juli 2000 sowie den Bescheid vom 25. Juni 1997 ab und verurteilte die Beklagte, eine vorübergehende Verschlimmerung der depressiven Störung als Folge der anerkannten BK anzuerkennen und der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. vom 1. Dezember 1996 bis 30. November 1997 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Soweit es der Klage statt gab, stützte es sich auf das Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. und die Beurteilung des Dr. Sch., die übereinstimmend von einer vorübergehenden Verschlimmerung der psychischen Erkrankung durch die BK und die Aufgabe der Berufstätigkeit für einen Zeitraum von einem Jahr ausgegangen waren. Hinsichtlich der Bewertung der MdE schloss es sich Prof. Dr. Dr. W. an, während es die von Dr. Sch. getroffene Einschätzung als zu weit reichend erachtete. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 29. April 2004 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 18. Mai 2004 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) mit dem Begehren Berufung eingelegt, es sei eine dauerhafte Verschlimmerung der depressiven Störung durch die Hauterkrankung anzuerkennen und ab 1. Dezember 1996 auf Dauer Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 30 v.H. zu gewähren. Im Hinblick auf das Gutachten des Dr. Sch. hätte das SG die Beklagte zumindest noch für die Zeit vom 1. Dezember 1997 bis 30. September 1998 zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. verurteilen müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. März 2004 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2000 sowie des Bescheids vom 25. Juni 1997 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer dauerhaften Verschlimmerung der depressiven Störung durch die Hauterkrankung Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 30 v. H. über den 30. November 1997 hinaus zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte, die am 4. November 2004 Anschlussberufung eingelegt hat, beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. März 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die BK der Klägerin habe weder eine vorübergehende noch eine dauerhafte Verschlimmerung ihrer depressiven Störung ausgelöst. Die depressiven Störungen der Klägerin seien auf traumatische Erfahrungen in der Kindheit und Jugend zurückzuführen. Dr. Sch. habe in seinem Gutachten auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen den geprüften Anlässen (Verkehrsunfälle 1986 und 1992 sowie BK) und dem klinischen Bild der Erkrankung bei gleichzeitigem Vorliegen zahlreicher anderer Einflussfaktoren hingewiesen. Auch Dr. F. habe die Unfälle und die BK aufgrund der vorbestehenden Erkrankung allenfalls als Anlassgeschehen beurteilt. Von einer dauerhaften Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung sei im Übrigen kein Gutachter ausgegangen. Soweit das SG Verletztenrente bis 30. November 1997 zugesprochen habe, sei es zwei Monate über den Zeitraum hinausgegangen, für den Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. eine MdE um 30 v.H. zugrunde gelegt hätten. Sie legte im Hinblick auf die im Klageverfahren noch geltend gemachte Sensibilisierung gegenüber Nickel die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 19. Februar 2007 vor.
Der Senat hat den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. unter dem 25. Mai 2005 sowie den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. unter dem 2. Juni 2005 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Darüber hinaus hat es auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Dr. Sch., Ärztlicher Direktor des Fachkrankenhauses N., vom 11. Dezember 2007 erhoben. Dieser sah die psychische und Verhaltensproblematik in einer bestimmten Phase der Entwicklung - ebenso wie Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. - als durch die berufsbedingten Ereignisse beeinflusst und beurteilte die psychoreaktiven Auswirkungen der BK Nr. 5101 vom 1. Dezember 1996 bis 30. November 1997 mit einer MdE um 30 v.H. Der Sachverständige diagnostizierte zusätzlich eine Multiple Chemical Sensitivity (MCS), die er als berufsbedingt ausgelöst ansah. Diese Störung bedinge fortlaufend eine MdE um 30. v.H.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, ebenso die Anschlussberufung der Beklagten. Hingegen ist die Berufung der Klägerin unbegründet, während die Berufung der Beklagten zu einem geringen Teil Erfolg hat.
Das SG hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2000 sowie des Bescheids vom 25. Juni 1997 zu Recht verurteilt, der Klägerin wegen einer vorübergehenden Verschlimmerung ihrer depressiven Störung als Folge der anerkannten BK Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. Allerdings hätte es die Beklagte nicht verurteilen dürfen, die Verletztenrente bis 30. November 1997 zu gewähren. Denn diese steht der Klägerin lediglich bis 30. September 1997 zu. Entsprechend war die Berufung der Beklagten erfolgreich, soweit das SG diese verurteilt hat, der Klägerin Verletztenrente für die Monate Oktober und November 1997 zu gewähren. Die Berufung der Klägerin war demgegenüber in vollem Umfang zurückzuweisen. Denn Verletztenrente steht der Klägerin weder nach einer MdE um mehr als 30 v.H. zu, noch über den zunächst zuerkannten Zeitraum hinaus auf Dauer oder zumindest bis 30. September 1998.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs im Einzelnen dargelegt, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung verweist. Zutreffend ist das SG auch davon ausgegangen, dass der als Folge der anerkannten BK eingetretene weitere Gesundheitsschaden als mittelbarer Schaden zu entschädigen ist. Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs ist dabei hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Diese liegt dann vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19, 52; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts.
Auf dieser Grundlage ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass die Folgen der bei der Klägerin mit Bescheid vom 25. Juni 1997 festgestellten BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der bereits zuvor bestandenen depressiven Störung geführt hat und dieser Verschlimmerungsanteil die Bewertung mit einer MdE um 30 v. H. rechtfertigt. Der Senat schießt sich auf der Grundlage des von der Beklagten eingeholten Gutachtens des Dr. Sch. sowie den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. dieser Beurteilung an.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die durch die allergischen Hautreaktionen bedingte Aufgabe der Berufstätigkeit, die zur Anerkennung einer Hauterkrankung als BK geführt hat, für sich betrachtet nicht Ursache der bei der Klägerin aufgetretenen schweren Depressionen war. Vielmehr lag bei ihr zum Zeitpunkt der Aufgabe der Berufstätigkeit bereits ein seit längerem andauerndes manifestes depressives Zustandsbild mit Somatisierung vor, und zwar auf der Grundlage einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung, die auf schweren psychosozialen Belastungen und psychisch traumatisierenden Erfahrungen gründet. Insoweit hat Prof. Dr. Dr. W. auf eine schwere körperliche Traumatisierung im Kleinkindalter mit einer drittgradigen Verbrennung der rechten Hand mit ausgeprägten Narbenkontrakturen im Alter von einem Jahr, auf eine frühe Trennung der von der engsten Bezugsperson, nämlich der Mutter, die die Klägerin im Alter von vier Jahren verließ, um nach Deutschland zu gehen, einen sexuellen Missbrauch durch den Stiefbruder im Alter von elf Jahren, einen Suizidversuch mit Tabletten im Alter von zwölf Jahren sowie rezidivierende Selbstverletzungen in Form von Verbrühungen der rechten Hand im Alter von siebzehn bis zweiundzwanzig Jahren hingewiesen. Jeder einzelne dieser Faktoren ist nach den Darlegungen des Prof. Dr. Dr. W. für sich genommen in der Lage, eine depressive Erkrankung zu bedingen. In ihrer Gesamtheit haben sie bei der Klägerin jedoch eine Anlage bewirkt, die auch schon lange vor dem Auftreten der BK, und zwar bereits in den Jahren 1989 und 1992, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen depressiver Erschöpfungszustände bzw. psychovegetativen Erschöpfungen geführt hat. Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung des Sachverständigen, wonach die Gesamtheit dieser traumatisierenden Situationen und ihrer Einwirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung der Klägerin als überwiegende Ursache der bestehenden und anhaltenden depressiven Störung anzusehen ist, schlüssig und überzeugend. Auch Dr. Sch. hat sich in diesem Sinne geäußert und auf eine schwerwiegende psychische Störung hingewiesen, die weit in die Kindheit zurückreicht und in schweren psychosozialen Belastungen und psychisch traumatisierenden Erfahrungen gründet.
Vor diesem Hintergrund war daher zu prüfen, ob und ggf. inwieweit das Auftreten der Hauterkrankung, die zu einem Verlust der Arbeitsmöglichkeiten im bisherigen Berufsbereich geführt hat, bei der Klägerin nunmehr zu der von ihr geltend gemachten Verschlimmerung der depressiven Erkrankung geführt hat. Dies war nach Überzeugung des Senats bei der Klägerin der Fall. Denn nach Auftreten der ekzematösen Hautveränderungen, die nach stetig zunehmender Ausprägung im Mai 1996 zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit führten, war bei der Klägerin erstmals ein so schweres depressives Zustandsbild aufgetreten, dass ab 11. Juli 1996 eine zweimonatige stationäre Behandlung notwendig geworden war. Ebenso wie Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. sieht der Senat hierin hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass als Folge der aufgetretenen BK eine relevante Verschlimmerung der schon zuvor manifesten psychischen Störung eingetreten ist.
Allerdings war die durch das Auftreten der Hauterkrankung bedingte Verschlimmerung der psychischen Situation - wie Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. übereinstimmend dargelegt haben - nicht von Dauer. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Klägerin in der Folgezeit keinerlei berufliche Tätigkeit mehr aufgenommen hat und bei ihr Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, was zu einem dauerhaften Ausscheiden aus dem Erwerbsleben geführt hat. Denn auch nach Überzeugung des Senats war wesentliche Bedingung für diese weitere Entwicklung nicht mehr das Auftreten der BK. Denn das Auftreten der Hauterkrankung hätte keinesfalls eine Aufgabe jeglicher beruflicher Aktivitäten nach sich ziehen müssen. Art und Ausprägung der durch die beruflich bedingte Hauterkrankung hervorgerufenen Beeinträchtigungen waren nämlich nicht so schwerwiegend, dass nicht nach einer gewissen Zeit der Behandlung mit einer beruflichen Neuorientierung hätte gerechnet werden können. Keinesfalls musste allein als Folge der Sensibilisierung gegen (2-Hydroxylethyl)-methacrylat und die Handwaschlotion Bepanthol mit einem dauerhaften Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gerechnet werden. Der Umstand, dass das Krankheitsgeschehen bei der Klägerin jedoch weiter fortschritt und sich chronifizierte, macht nach Überzeugung des Senats deutlich, dass bei der Klägerin andere psychodynamische Kräfte wirksam geworden sind, als dies durch die eingetretene BK, die nur zu Beeinträchtigungen unter ganz bestimmten Arbeitsplatzbedingungen führt, erwartet werden konnte. Die weitere Entwicklung bzw. das Aufrechterhalten der depressiven Störung war nach Überzeugung des Senats daher nicht mehr wesentlich ursächlich auf die Hauterkrankung zurückzuführen. Die Chronifizierung der Erkrankung sieht der Senat ebenso wie Dr. Sch. und Prof. Dr. Dr. W. vielmehr in der psychischen Verletzlichkeit der Klägerin aufgrund der weit zurückreichenden psychischen Probleme, die den Eintritt der anerkannten BK nachrangig erscheinen lassen. Dies machen gerade auch die Beschwerden und Symptome deutlich, die im Mittelpunkt der Wahrnehmung der Klägerin und der weiteren Behandlung stehen. Dies sind körperliche Beschwerden und Beeinträchtigungen sowie daneben die weit zurückreichenden psychischen Probleme und Beziehungserfahrungen, gerade auch im Hinblick auf Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen, nicht aber die hier in Rede stehende Hauterkrankung. Die weitere Entwicklung der psychischen Erkrankung steht deshalb nicht mehr in einem wesentlichen Zusammenhang mit der Haut-BK.
Was den Zeitraum dieser Verschlimmerung anbelangt, schließt sich der Senat der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. an, der von einem Zeitraum von einem Jahr seit dem Ende der stationären Behandlung in der psychiatrischen Klinik R. am 11. September 1996 ausgegangen ist und die MdE bis 30. September 1997 mit 30 v.H. eingeschätzt hat. Der Sachverständige begründete diesen Zeitraum für den Senat schlüssig und nachvollziehbar damit, dass in dieser Zeit noch eine fünfmonatige psychosomatisch-psychotherapeutische stationäre Behandlung liegt und hiernach eine erneute stationäre Therapie nicht mehr erforderlich wurde. Im weiteren Behandlungsverlauf konnten in den Jahren 1998 bis 2000 auftretende psychische Krisen dann im Rahmen ambulant durchgeführter Psychotherapie abgefangen werden. Auch Dr. F. sah dem Grunde nach eine Verschlimmerung für die Dauer von einem Jahr als akzeptabel an. Soweit Dr. Sch. seiner Beurteilung einen Zeitraum von zwei Jahren, d.h. bis 30. September 1998 zu Grunde gelegt hat, hat er für diese Einschätzung keine Begründung gegeben. Auch anhand der Akten vermochte der Senat keine Gesichtspunkte finden, die gegen den von Prof. Dr. Dr. W. angenommenen, aber für den von Dr. Sch. zugrunde gelegten Zeitraum sprechen.
Hinsichtlich der Höhe der MdE hält der Senat den von Prof. Dr. Dr. W. für den Verschlimmerungszeitraum von einem Jahr unter Einbeziehung der hautärztlichen MdE um 10 v.H. zu Grunde gelegten Wert von 30 v.H. für angemessen und die Bewertung des Dr. Sch. mit einer MdE um 40 v.H. (Zeitraum vom 12. September 1996 bis 31. März 1997) - ebenso wie das SG - für überhöht. Insoweit ist für den Senat insbesondere nicht ersichtlich, aus welchen Gründen Dr. Sch. zunächst für den Zeitraum bis 31. März 1997 von dem höheren Wert von 40 v.H. ausgeht und für den Folgezeitraum ab 1. April 1997 dann lediglich noch die niedrigere MdE um 30 v.H. zu Grunde legt und somit eine Abstufung gerade in einen Zeitraum legt, in dem die Klägerin durchgehend stationär behandelt worden war, nämlich in der Klinik St. G. in Bad D. vom 6. Januar 1997 bis 12. Mai 1997. Da nicht davon auszugehen ist, dass inmitten der laufenden stationären Behandlung eine derartige Besserung eingetreten ist, hält es der Senat für sachgerecht, die auch von Dr. Sch. für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 1997 getroffene Bewertung (MdE um 30 v.H.) dem Gesamtzeitraum zu Grunde zu legen. Vor dem Hintergrund der eingetretenen Verschlimmerung der psychischen Störung durch die als BK anerkannte Hauterkrankung steht der Klägerin daher Verletztenrente befristet beginnend ab dem Ende der Arbeitsunfähigkeit, d.h. ab 1. Dezember 1996, bis etwa zum Ablauf eines Jahres nach Ende der Behandlung in der psychiatrischen Klinik R. am 11. September 1996, also bis 30. September 1997 zu. Für die vom SG für die Folgemonate Oktober und November 1997 zugesprochene Verletztenrente sieht der Senat in den vorliegenden Gutachten keine Grundlage. Hierfür hat auch Dr. Sch., der in seinem Gutachten vom 11. Dezember 2007 eine MdE um 30 v.H. wegen der psychoreaktiven Auswirkungen der BK Nr. 5101 bis 30. November 1997 bejaht hat, keine Begründung gegeben. Soweit Dr. Sch. über den 30. November 1997 hinaus eine entschädigungspflichtige MdE um 30 v.H. angenommen hat, hat er dies mit einer MCS begründet, die er auf im Einzelnen nicht spezifizierte berufliche Einwirkungen zurückgeführt hat. Hierüber war im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden, da die Beklagte in den hier angefochtenen Bescheiden nur über eine BK nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO entschieden hat. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich und wird von Dr. Sch. auch nicht dargelegt, unter welchen Tatbestand der Anlage 1 zur BKVO eine MCS subsumiert werden könnte.
Nicht zu folgen vermochte der Senat der Ansicht der Beklagten, die gestützt auf die Erwägungen des Dr. F. im Berufungsverfahren die Auffassung vertrat, aufgrund der vorbestehenden psychischen Störung könne die anerkannte BK, die lediglich Auslöser für einen neuen Krankheitsschub gewesen sei, als bloßes Anlassgeschehen angesehen werden. Davon, dass die bei der Klägerin bereits angelegten psychischen Faktoren so leicht ansprechbar waren, dass sie einer spezifischen Auslösesituation nicht bedurft haben, vermochte sich der Senat jedoch nicht zu überzeugen. Denn schließlich war die Klägerin über Jahre hinweg in der Lage, die emotionale Mangelsituation durch Leistungsbereitschaft und Anerkennung recht gut durch beruflichen Erfolg zu kompensieren. Bei einer solchen, den Selbstwert stabilisierenden Funktion der Berufstätigkeit hat die Berufsaufgabe für die Klägerin aber einen massiven Verlust dargestellt. Dies schließt es nach Überzeugung des Senats aus, dieses Ereignis der krankheitsbedingten Berufsaufgabe lediglich als Gelegenheitsursache zu betrachten.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten geringfügig abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
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