L 6 SB 2882/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 1488/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2882/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 28.05.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Der 1971 geborene Antragsteller (Ast.) begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50.

Am 20.03.2007 beantragte er bei dem Landratsamt B. (LRA) die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft, nachdem die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) ihm mit Bescheid vom 06.03.2007 wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 10.03.2006 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 vom Hundert (v. H.) ab 03.07.2006 bis auf Weiteres gewährt hatte. Als Folgen des Arbeitsunfalls stellte die BG Bau eine Anosmie beidseits nach Schädelfraktur rechts, eine geringe Hirnleistungsstörung und vegetative Störungen fest. Mit Bescheid vom 11.04.2007 lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des GdB mit der Begründung ab, dass die BG Bau das Vorliegen einer Behinderung und eine darauf beruhende Erwerbsminderung um 25 v. H. festgestellt habe. Ein Interesse an einer anderweitigen Feststellung habe der Ast. nicht geltend gemacht. Im anschließenden Widerspruchsverfahren zog das LRA das für die BG Bau erstattete Gutachten des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. L. vom 16.11.2006 bei und veranlasste die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme des Hals-Nasen-Ohrenarztes Obermedizinalrat (OMR) R. vom 15.05.2007, der sich den Feststellungen der BG Bau anschloss. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.06.2007).

Am 14.02.2008 beantragte der Ast. wiederum die Feststellung seines GdB. Er legte das für die D. AG erstattete Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. vom 23.01.2008 vor. OMR R. bewertete in der vä Stellungnahme vom 21.02.2008 das hirnorganische Psychosyndrom und das Kopfschmerzsyndrom mit einem GdB von 30 und den Verlust des Geruchssinns mit einem GdB von 15. Der Gesamt-GdB betrage 40. Mit Bescheid vom 25.03.2008 stellte das LRA den GdB mit 40 seit 10.03.2006 fest. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2008 zurückgewiesen.

Am 27.04.2008 erhob der Ast. Klage und beantragte einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Ulm (SG). Das SG lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 28.05.2008 ab.

Hiergegen hat der Ast. am 15.06.2008 Beschwerde beim SG erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und die Verwaltungsakten des Antragsgegners (Agg.) Bezug genommen.

II.

Die gem. § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und gem. § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Ast. ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGG kann, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt - was hier nicht der Fall ist, weil weder die aufschiebende Wirkung noch die Aufhebung oder Anordnung eines Sofortvollzugs im Streit ist - das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Ast. vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Da § 86 b Abs. 2 SGG der Vorschrift des § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entspricht und die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung bereits vor Inkrafttreten des § 86 b SGG in Vornahmesachen einstweiligen Rechtsschutz in analoger Anwendung von § 123 VwGO gewährt hat, kann auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit Voraussetzung, dass ein dem Ast. zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegt (sog. Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Ast. schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht in der Lage wäre (sog. Anordnungsgrund). Ein Anordnungsanspruch setzt grundsätzlich voraus, dass der materiell-rechtliche Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, mit ausreichender Wahrscheinlichkeit vorliegt (vgl. Binder, HK-SGG, Randnr. 32 zu § 86 b).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es liegt bereits kein Anordnungsgrund vor. Ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entstehen dem Ast. keine schweren, unzumutbaren Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht in der Lage wäre. Wie das SG im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, wird, wenn sich im Klageverfahren herausstellen sollte, dass der GdB durch den Agg. zu niedrig festgesetzt wurde, dem Klagebegehren im entsprechenden Umfang und für den entsprechenden Zeitraum stattgegeben. Dem Ast. ist es zuzumuten, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Sein Vortrag, dem schwerbehinderten Menschen stünden besondere Rechte zu, er könne z. B. angeordnete Überstunden ablehnen, ohne deshalb seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu verletzen, und habe einen Anspruch auf Zusatzurlaub, ändert hieran nichts. Soweit durch die Schwerbehinderteneigenschaft bedingte Vergünstigungen bei einer möglichen späteren Feststellung für die Vergangenheit nicht mehr erbracht werden können, ist der Ast. in gleicher Weise betroffen wie andere Arbeitnehmer, die die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Gerichtsverfahren geltend machen. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes soll aber schwere, unzumutbare Nachteile im Einzelfall verhindern. Das vom Ast. geltend gemachte besondere Erholungsbedürfnis begründet keinen Anordnungsgrund in diesem Sinne. Das Fehlen von Vergünstigungen, die mit der Schwerbehinderteneigenschaft verknüpft sind, stellt nämlich grundsätzlich keinen schweren, unzumutbaren Nachteil dar. Da somit ein Anordnungsgrund, auf den beim Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht verzichtet werden kann (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, Randnr. 29 zu § 86 b), nicht vorliegt, war ein Anordnungsanspruch nicht zu prüfen. Die im Rahmen des Anordnungsanspruchs gegebenenfalls vorzunehmende Abwägung bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens erübrigte sich.

Nach alledem war die Beschwerde des Ast. in vollem Umfang zurückzuweisen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hält der Senat nicht für notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved