L 12 AL 3125/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 1385/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3125/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23.5.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Leistungen nach dem Sonderprogramm "Mainzer Modell".

Die 1967 geborene Klägerin ist seit 1995 geschieden und Mutter von zwei 1993 und 1997 geborenen Kindern. Nach einer (erneuten) Zeit der Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosengeld war die Klägerin vom 7.1. bis 31.1.2003 als Telefonistin beschäftigt und bezog danach vom 1.2. bis 16.2.2003 erneut Arbeitslosengeld.

Am 17.2.2003 nahm die Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung mit 32 Wochenstunden als kaufmännische Angestellte bei der Firma P. GmbH Naturwaren in W. auf. Im März 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen zur Förderung nach dem Sonderprogramm "Mainzer Modell". Mit Bescheid vom 13.5.2003 bewilligte die Beklagte einen Zuschuss zum Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen und einen Zuschlag zum Kindergeld in Höhe von insgesamt monatlich 134,17 EUR. Dabei war sowohl im Antrag als auch im Bewilligungsbescheid der Hinweis angeführt, dass die Klägerin dem Arbeitsamt unverzüglich sämtliche Änderungen gegenüber den Angaben im Antrag mitteilen müsse, die sich auf die Zahlung des Zuschusses auswirken würden, insbesondere u. a. die Lösung des Arbeitsverhältnisses während des Förderzeitraumes. Der Zuschuss wurde gewährt bis einschließlich Januar 2006.

Durch eine interne Vergleichsmitteilung erfuhr die Beklagte, dass die Klägerin nur bis 31.8.2003 bei der Firma P. beschäftigt war, vom 1.9.2003 bis 15.1.2004 Arbeitslosengeld bezogen hatte und sich zum 16.1.2004 mit einem Existenzgründungszuschuss selbstständig gemacht hatte. Mit Bescheid vom 13.2.2006 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid mit Wirkung ab 1.9.2003 auf und forderte die überzahlten Zuschüsse in Höhe von 3828,31 EUR zurück.

Mit ihrem Widerspruch dagegen brachte die Klägerin vor, sie habe ihre Mitteilungspflicht nicht verletzt, sie habe das beendete Arbeitsverhältnis bei der Firma P. unverzüglich telefonisch beim Arbeitsamt gemeldet. Nach einem Vermerk der Arbeitsvermittlerin vom 5.9.2003 "wurde vom Arbeitgeber entlassen, weil sie anscheinend ihre Aufgabe nicht erfüllt habe, überlegt sich nun eine Selbstständigkeit im Einzelhandel, über Voraussetzungen für EXGZ unterrichtet" wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2.5.2006 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe zwar die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mitgeteilt, jedoch hätte ihr auffallen müssen, dass die Voraussetzungen für die Weitergewährung nach dem Mainzer Modell auf Grund der Beendigung ihrer Beschäftigung weggefallen seien und sie die über die Beendigung der Beschäftigung hinaus gezahlten Leistungen zu Unrecht erhalten habe. Die Aufhebung und Rückforderung wurde auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III und § 50 Abs. 1 SGB X gestützt.

Dagegen hat die Klägerin am 22.5.2006 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Sie hat zunächst vortragen lassen, sie habe keine Ahnung gehabt, dass die im Rahmen des Mainzer Modells geleisteten Zuschüsse nicht auch im Rahmen des später geleisteten Existenzgründungszuschusses möglich gewesen seien. In einem Erörterungstermin vom 24.1.2007 hat die Klägerin eingeräumt, dass sie bei der Beantragung der Zuschüsse das Informationsblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung über das Sonderprogramm "Mainzer Modell" erhalten habe. Die Klägerin hat ferner angegeben, sie habe sich kurz nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma P. bei der Beklagten gemeldet, die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mitgeteilt und angegeben, dass sie sich selbstständig machen wolle. Der Zuschuss sei weitergezahlt worden, sie habe gedacht, dass sie weiter zu dem förderungsfähigen Personenkreis gehöre. Der Beginn der Selbstständigkeit habe sich dann verzögert, sie habe nach der Beschäftigung bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Arbeitslosengeld bezogen. Es sei ihr klar gewesen, dass sie die Förderung nach dem Mainzer Modell auf Grund der Aufnahme einer Beschäftigung erhalte. Sie habe auch von der Anzeigepflicht bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gewusst. Nachdem sie ihre Anzeigepflicht aber erfüllt habe, sei sie davon ausgegangen, dass es mit der Weiterzahlung seine Richtigkeit habe. Sie habe ja auch später den Existenzgründungszuschuss erhalten.

Durch Urteil vom 23.5.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es nach ausführlicher Zitierung der hier anzuwendenden Rechtsnormen § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 SGB X und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ausgeführt, die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung mit Wirkung zum 1.9.2003 hätten vorgelegen. Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma P. habe zum 31.8.2003 geendet, damit seien die Voraussetzungen für die Bewilligung des Zuschusses zum Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen und des Zuschlags zum Kindergeld entfallen. Auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung Mitwirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse seien erfüllt. Eine Unkenntnis der Klägerin über den Wegfall des Anspruchs auf die Förderung nach dem "Mainzer Modell" habe jedenfalls auf grober Fahrlässigkeit beruht. Der Klägerin hätte auf Grund der Hinweise im Förderungsantrag in Verbindung mit dem ihr übergebenen Informationsblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung und der Hinweise im Bewilligungsbescheid ohne weiteres auffallen müssen, dass der Zuschuss zum Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen und der Zuschlag zum Kindergeld auf Grund der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma P. nicht mehr weiter zu gewähren gewesen sei. Zwar habe die Klägerin ihrer Pflicht zur Mitteilung der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses genügt, allerdings habe der Klägerin ohne weiteres klar sein müssen, dass die Förderung im Zusammenhang mit dem bestehenden Beschäftigungsverhältnis gestanden habe und ihr jetzt nicht mehr zustehe. Auch wenn die Klägerin vortrug, sie sei davon ausgegangen, dass die weiter erfolgten Zahlungen nach dem " Mainzer Modell" zu Recht erfolgt seien, so beruhe eine solche Unkenntnis von der inzwischen eingetretenen Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides auf grober Fahrlässigkeit. Allein aus der Tatsache, dass die laufende Förderung nicht abgebrochen worden sei, habe die Klägerin nicht herleiten können, dass ihr eine Förderung etwa aus anderen Gründen in gleicher Höhe zugestanden habe. Dies umso mehr, als sich der Status der Klägerin in den Folgemonaten mehrfach geändert habe. Sie habe nach der Beschäftigung zunächst Arbeitslosengeld bezogen und ab 16.1.2004 den Existenzgründungszuschuss. Angesichts dessen beruhe eine Unkenntnis der Klägerin über den Wegfall des Anspruchs nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses auf grober Fahrlässigkeit. Eine Ermessensausübung bei der Aufhebung der Bewilligung sei hier nach § 330 Abs. 3 SGB III nicht vorzunehmen. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides lägen vor, Berechnungsfehler bezüglich der Höhe des Rückforderungsbetrages seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Gegen dieses am 8.6.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.6.2007 Berufung eingelegt. Sie begründet diese damit, ihr könne keine grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Die Leistungsvoraussetzungen nach dem "Mainzer Modell" seien nicht so offensichtlich gewesen, dass ein Fehler der Arbeitsagentur i. S. der groben Fahrlässigkeit auf jeden Fall hätte erkannt werden müssen. Der Klägerin, die ihren Mitteilungspflichten gewissenhaft und zeitnah nachgekommen sei, könne eine weitergehende Verpflichtung zur Überprüfung des Verwaltungshandelns anhand von ihr nicht bekannten Vorschriften nicht zugemutet werden. Grobe Fahrlässigkeit sei immer subjektiv zu bestimmen. Mit der Erfüllung ihrer Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten habe die Klägerin alle ihr aus dem ihr übergebenen Informationsblatt ersichtlichen Pflichten erfüllt. Sie verletze keine eigene Pflicht, wenn sie sich darüber hinaus nicht nochmals an die Arbeitsagentur wende, um nachzufragen, ob denn die Handhabung der erteilten Informationen durch die Arbeitsagentur auch wirklich richtig sei. Angesichts der Fachkompetenz der beteiligten Behörden dürfe der Bürger davon ausgehen, dass ein auf Grund vollständiger und wahrheitsgemäßer Angaben ergehender Bescheid auch richtig sei bzw. dass eine daraufhin weiter gewährte Leistung zu Recht erfolge. Die verlangte Rückzahlung stelle für die Klägerin eine unzumutbare Härte dar.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23.5.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 13.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.5.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, es gehe hier nicht um die Frage, ob die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, die Entscheidungen der Beklagten über die Leistungen im Rahmen des "Mainzer Modells " zu "überprüfen". Entscheidend sei allein die Frage, ob die Klägerin bei Entgegennahme der weiteren Zahlungen gewusst bzw. grob fahrlässig nicht gewusst habe, dass sie auf eine weitere Förderung keinen Anspruch mehr gehabt habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung der überzahlten Förderleistungen ist zu Recht erfolgt.

Das SG hat im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend begründet, dass und aus welchen Gründen die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung rechtmäßig ist. Der Senat weist nach eigener Überprüfung die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, er nimmt auf die angefochtenen Entscheidungsgründe Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Entscheidungserheblich ist hier lediglich die Frage, ob die Klägerin, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, nicht wusste, dass der sich aus dem Bewilligungsbescheid ergebende Anspruch weggefallen war (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Dieser Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis kann der Klägerin auch nach der Überzeugung des Senats nicht erspart werden. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist dagegen eine Rechtsfrage, ob es etwa Aufgabe der Klägerin (gewesen) sein könne, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu überprüfen. Entscheidend für die Beurteilung der grob fahrlässiger Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligung sind die Informationen, Hinweise und Unterlagen, die die Klägerin zur Verfügung hatte.

Danach ist auch der Senat davon überzeugt, dass die Unkenntnis der Klägerin grob fahrlässig war. Die Klägerin hatte im Antrag und im Bewilligungsbescheid eindeutige Hinweise erhalten, dass sie jede Änderung, das Beschäftigungsverhältnis betreffend, mitzuteilen habe. Die Klägerin hat auch selbst eingeräumt, gewusst zu haben, dass die Förderung nach dem "Mainzer Modell" im Zusammenhang mit ihrer Arbeitsaufnahme stand. Diese positive Kenntnis von dem Zusammenhang zwischen Arbeitsverhältnis und Förderung ist schon deshalb evident, weil die Förderung, was im Bewilligungsbescheid ausdrücklich aufgeführt war, in einem Zuschuss zum Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen und einem Zuschlag zum Kindergeld bestand. Deswegen liegt es auf der Hand bzw. drängt sich geradezu auf, den Schluss zu ziehen, dass einem kein Zuschuss zum Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen mehr zustehen kann, wenn das Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht sofort in die mit dem Existenzgründungszuschuss geförderte Selbstständigkeit gewechselt ist, sondern zunächst vom 1.9.2003 bis 15.1.2004 Arbeitslosengeld bezogen hat. Hierzu hat sich die Klägerin ausweislich der vorliegenden Akten am 1.8.2003 arbeitslos gemeldet und am 26.8.2003 den ausgefüllten Arbeitslosengeldantrag eingereicht. Der Klägerin war aus früheren Zeiten des Leistungsbezuges (Unterhaltsgeld und Arbeitslosengeld) bekannt, dass zur Leistung (Arbeitslosengeld) kein Zuschuss zum Arbeitnehmeranteil an Sozialversicherungsbeiträgen oder ein Zuschlag zum Kindergeld gewährt wird. Angesichts dessen ist die Unkenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit der weiteren Gewährung von Förderleistungen nach dem Ende der geförderten Beschäftigung grob fahrlässig. Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung ist nach alledem zu Recht erfolgt.

Die Rückforderung der überzahlten Förderleistungen beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X. Rechenfehler sind insoweit weder vorgetragen noch nach Lage der Akten ersichtlich. Da der Beklagten wegen § 330 Abs. 2 SGB III weder bei der Aufhebung der Bewilligung noch nach § 50 Abs. 1 SGB X bei der Rückforderung ein Ermessen eingeräumt ist, kann die Klägerin mit ihrem Einwand, die Rückforderung stelle eine unzumutbare Härte für sie dar, nicht gehört werden. Insoweit wird ihr anheim gegeben, gegebenenfalls die Stundung, den Erlass oder Teilerlass oder die Niederschlagung der Rückforderungssumme zu beantragen. Weil hierzu jedoch eine gesonderte Verwaltungsentscheidungen erforderlich ist, kann die Frage der unzumutbare Härte im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt werden.

Die Berufung der Klägerin kann deshalb keinen Erfolg haben, sie ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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