L 9 B 324/07 KR NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 2723/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 324/07 KR NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2007 ist gem. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Nach § 144 Abs. 1 SGG in der bis zum In-Kraft-Treten des Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGG/ArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl I 2008, 444) am 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 Euro nicht übersteigt. Das ist hier der Fall, weil die Klage auf die Erstattung von Kosten für die leihweise Überlassung einer Schulterbewegungsmaschine in Höhe von 268,00 Euro gerichtet ist.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts weicht zum einen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. September 2004 - B 3 KR 19/03 R und B 3 KR 15/04 R - sowie vom 3. August 2006 - B 3 KR 25/05 R - ab. Wer sich auf den Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Sozialgerichts einerseits und in einer höchstrichterlichen Entscheidung andererseits gegenüberstellen und begründen, weshalb diese miteinander unvereinbar seien (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Juni 2005 - B 1 KR 43/04 B; BSG Beschluss vom 18. Juli 2005 - B 1 KR 110/04 B - m. w. N.; BSG Beschluss vom 24. Januar 2007 - B 1 KR 155/06 B m. w. N.). Erforderlich ist, dass das Sozialgericht bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich nur fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl. z. Bsp. BSG, Beschluss vom 15. Januar 2007 - B 1 KR 149/06 B zitiert nach juris). Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin hierfür darlegen müssen, dass das Sozialgericht einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den das Bundessozialgericht in den von ihr zitierten Entscheidungen entwickelt und angewendet hat, und dass die Entscheidung des Sozialgerichts auf dieser Divergenz beruht. Hierzu wäre es notwendig gewesen, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des Sozialgerichts herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des Bundessozialgerichts aufzuzeigen. Denn eine Abweichung liegt nur dann vor, wenn das Sozialgericht diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Berufung wegen Divergenz (vgl. BSG SozR 1500 § 160A Nr. 14, 21, 29, und 76 sowie Beschluss vom 24. Mai 2007 - B 3 P 7/07 B- zitiert nach juris).

Weder aus der Beschwerde noch sonst ist ersichtlich, dass das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung von tragenden Rechtssätzen der von der Klägerin zitierten Urteile des BSG bewusst und im Grundsätzlichen abweichen wollte. Eine Divergenz von den zitierten Entscheidungen des BSG läge nur dann vor, wenn das Sozialgericht dem Prüfungsprogramm des Bundessozialgericht ausdrücklich widersprochen und andere rechtliche Maßstäbe für seine Entscheidung entwickelt hätte (vgl. BSG, Beschluss vom 31. Juli 2007 - B 13 R 204/07 B - zitiert nach juris). Davon kann hier jedoch keine Rede sein, denn das Sozialgericht hat sich bei seiner Beurteilung, ob eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - vorlag, mit der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach eine solche unaufschiebbare Leistung dann vorliegt, wenn das Hilfsmittel im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Einzelfall erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, gerade nicht auseinander gesetzt. Ein bewusstes Abweichen des Sozialgerichts hiervon liegt deshalb nicht vor.

Die Rechtssache hat auch nicht die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn von ihrer Entscheidung erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Das ist der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige entscheidungserhebliche konkrete Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. An einer solchen Frage fehlt es hier: Die Klägerin sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, dass die Rechtslage nicht eindeutig sei, wie im Falle der Verordnung einer "CPM Motorbewegungsschiene" die Vorschrift des § 33 Abs. 1 SGB V auszulegen ist und insbesondere, ob ein Anspruch auf Versorgung mit einer "CPM Therapie" besteht. Die Beantwortung dieser Frage ist jedoch im vorliegenden Fall nach der für die Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblichen Sicht des Sozialgerichts bereits nicht entscheidungserheblich, denn es hat seine Entscheidung allein auf das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V gestützt und einen Kostenerstattungsanspruch verneint, weil weder eine unaufschiebbare Leistung im Sinne der ersten Alternative vorgelegen habe noch der für die Bejahung der zweiten Alternative erforderliche Kausalzusammenhang festgestellt werden könne. Es bedarf deshalb keiner grundsätzlichen Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Frage. Hinzu kommt, dass als Rechtsfrage im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG regelmäßig nur eine solche des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts anzusehen ist, die mit den Mitteln der juristischen Methodik beantwortet werden kann. Die Zulassung der Berufung ist danach nicht eröffnet, wenn die Beurteilung einer Sache ausschlaggebend von der Würdigung der Umstände des konkreten Falls abhängt und sie infolge dessen gerade nicht auf eine Rechtsfrage führt, die sich in verallgemeinerungsfähiger Weise klären läst (grundlegend hierzu BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7; BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 193). So liegt der Fall hier, weil der Frage, ob ein Anspruch auf Versorgung mit einer "CPM Motorbewegungsschine" besteht, wegen der Abhängigkeit vom konkreten Einzelfall und dem hierfür maßgebenden Tatsachenstoff nicht den Charakter einer Rechtsfrage sondern einer Tatfrage beizumessen ist. Die Klärung von Tatsachenfragen, auch wenn sie verallgemeinerungsfähige Auswirkungen besitzen, genügt nicht, um einem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beizumessen (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig u. a., Kommentar zum SGG, 8. Auflage, Rn. 29 zu § 144).

Schließlich liegt auch der Berufungszulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht vor, da die Klägerin keine der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensfehler geltend gemacht hat, die vorliegen und auf denen das Urteil beruhen kann. Ein Verfahrensmangel liegt nur vor bei einem Verstoß des erstinstanzlichen Gerichts gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils. Es geht insoweit nicht um die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 6. Senat, Beschluss vom 27. September 2005, L 6 AL 63/05 NZB m. w. N.). Ein Verfahrensmangel verpflichtet zudem nur dann zur Zulassung der Berufung, wenn er gerügt ("geltend gemacht") wird. Dafür genügt es, wenn Tatsachen substantiiert vorgetragen werden, aus denen sich der Mangel des Verfahrens ergibt.

Die Rüge der Klägerin, das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung, ob eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V vorgelegen hat, nicht den Stellungnahmen des MDK den Vorrang einräumen dürfen, vielmehr habe es weiteren medizinischen Beweis erheben müssen, führt nach diesen Grundsätzen nicht zur Begründetheit der Beschwerde. Denn das Sozialgericht hat hierdurch seine Pflicht zur Amtsermittlung nicht verletzt. Die Verletzung der Amtsermittlungspflicht kann auf die Übergehung eines Beweisantrages gestützt werden, dem das Sozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dazu muss der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellt oder, falls er vorher schriftsätzlich niedergelegt war, aufrecht erhalten worden sein (Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 21. August 2007, B 3 P 18/07 B, zitiert nach juris). Die Klägerin hat keinen Beweisantrag in einem Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt oder aufrechterhalten, sondern sich ebenso wie die Beklagte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Dass sich das Sozialgericht auf Grund der von ihm ermittelten Tatsachen und des Vorbringens der Klägerin zu der von ihr nunmehr geltend gemachten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Im Übrigen ist dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen, dass sie sich letztlich gegen die sachliche Richtigkeit des Urteils wendet. Die sachliche Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens jedoch nicht zu überprüfen. Vielmehr soll es gemäß § 144 abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei einem Verfahren mit geringem Streitwert - wie hier - grundsätzlich mit einer gerichtlichen sachlichen Überprüfung des Klagebegehrens sein Bewenden haben.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG). Nach § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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