L 19 B 170/07 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 21 AS 226/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 170/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 05.11.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antragsteller hat im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) begehrt, die diese wegen der nicht vollständigen Vorlage von Kontoauszügen abgelehnt hatte. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag abgelehnt und auf die Beschwerde des Antragstellers im Wege der Prozeßkostenhilfe den jetzigen Beschwerdeführer dem Antragsteller als Rechtsanwalt für das Beschwerdeverfahren beigeordnet. Nachdem der Antragsteller die fehlenden Kontoauszüge vorgelegt hat, hat die Antragsgegnerin die begehrten Leistungen bewilligt, woraufhin das Verfahren für erledigt erklärt worden ist.

Der Beschwerdeführer hat daraufhin 428,40 Euro (160,00 Euro Verfahrensgebühr, 180,00 Euro Erledigungsgebühr, 20,00 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, 68,40 Euro Mehrwertsteuer) zur Abrechnung gestellt. Der Urkundsbeamte hat die Vergütung auf 124,95 Euro unter Kürzung der Verfahrensgebühr auf 87,50 Euro und Streichung der Erledigungsgebühr herabgesetzt. Das Sozialgericht hat die hiergegen eingelegte Erinnerung zurückgewiesen (Beschluss vom 05.11.2007).

Über die dagegen gerichtete Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und nicht durch den Einzelrichter gem. § 56 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 8 S. 1 HS. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), auch wenn der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. § 33 Abs. 8 S. 1 HS. 2 RVG, wonach auch über die Beschwerde der Einzelrichter entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung, auch wenn die angefochtene Entscheidung durch den Kammervorsitzenden allein ergangen ist. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG weist die Entscheidung dem Einzelrichter als Mitglied des Gerichts zu. Der Kammervorsitzende des Sozialgerichts entscheidet jedoch nicht als einzelnes Mitglied der Kammer, sondern lediglich als Kammer in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter, denn diese wirken gem. § 12 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist daher keine Einzelrichterentscheidung im Sinne des § 33 Abs. 8 S. 1 RVG.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht durch §§ 178 S. 1, 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen, wonach das Gericht, das gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten angerufen werden kann, endgültig entscheidet. Diese Bestimmungen sind auf das Prozesskostenhilfeverfahren nicht anwendbar (vgl. LSG NRW v. 21.09.2007 - L 19 B 112/07 AS und ausführlich LSG NW Beschl. v. 09.08.2007 - L 20 B 91/07 AS m.w.N.). Die erforderliche Beschwer von 200,00 Euro (§§ 56 Abs. 2 S.1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG) ist vorliegend erreicht.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Dabei kann dahinstehen, ob schon mangels wirksamer Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht (höhere) Gebühren vom Beschwerdeführer nicht abgerechnet werden können. Das SG hat "für diesen Rechtszug für die Zeit ab 15.12.2006 Prozesskostenhilfe bewilligt". Da der Beschwerdeführer sich erst im Beschwerdeverfahren bestellt und für dieses Prozesskostenhilfe beantragt hat, kann die Entscheidung des Sozialgerichts nur dahin verstanden werden, dass das Sozialgericht für das Abhilfeverfahren als Teil des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe gewähren wollte, was auch dem Zeitpunkt der Bewilligung entspricht. Die Zuständigkeit für diese Entscheidung wird schon mit der Einlegung der Beschwerde beim Gericht des ersten Rechtszuges von der herrschenden Meinung allein dem Beschwerdegericht zugewiesen (grundlegend BFH Beschl. v. 10.07.1981 - VII S 8/81 - = BFHE 133, 350; vgl. ferner BFH Beschl. v. 20.04.1988 - X S 13/87 - = BFH/NV 1988, 728; LG Osnabrück Beschl. v. 27.06.2006 - 3 T 167/06 - = NdsRpfl 2006, 273; Philippi in Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., § 127 Rn. 8). Dem widerspricht allerdings der Wortlaut des § 127 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach das Gericht des höheren Rechtszugs nur zuständig ist, wenn das Verfahren dort anhängig ist, weil mit der Einlegung des Rechtsmittels beim Ausgangsgericht das Verfahren in der Beschwerdeinstanz noch nicht anhängig ist (so auch BFH a.a.O.). Auch erscheint es bedenklich, allein dem für den Rechtsbehelf zuständigen Gericht die funktionelle Entscheidungskompetenz zu zubilligen, selbst wenn das Ausgangsgericht der Beschwerde abhelfen will. In diesen Fällen können nämlich die Entscheidungen in der Sache und über die Prozesskostenhilfe zu Lasten des Rechtssuchenden auseinanderfallen, ohne dass er im sozialgerichtlichen Verfahren eine Kompensation über die Kostenentscheidung zwingend erlangt, da diese nicht allein vom Umfang des Obsiegens in der Sache abhängt (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 9).

Diese Fragen können jedoch dahinstehen, weil der Beschwerdeführer ohnehin keine höheren Gebühren abrechnen kann. Eine Erledigungsgebühr (Nr. 10005/1006 des Vergütungsverzeichnisses - VV - zum RVG) ist vorliegend nicht angefallen. Sie entsteht, wenn die Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten über die mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Tätigkeit hinausgeht (vgl. BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R u.a.- = ZfS 2007, 86; BSG Urt. v. 21.03.2007 - B 11a AL 53/06 R - = SGb 2007, 291; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., VV 1002 Rn. 12). Sie erfordert ein besonderes Bemühen um die gütliche Erledigung des Rechtsstreits im Sinne einer aktiven Mitwirkung des Rechtsanwalts an einer die Erledigung des Verfahrens verursachenden Maßnahme - sei es durch Einwirkung auf den Mandanten oder auf die Behörde - (BSG aaO.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil ein besonderes Mitwirken des Beschwerdeführers nicht feststellbar ist. Nach seinem eigenen Vorbringen war der Antragsteller grundsätzlich bereit, die fehlenden Kontounterlagen der Antragsgegnerin vorzulegen. Wenn dies allein unter Mithilfe des Beschwerdeführers im Gerichtsverfahren geschehen ist, liegt dies nur im Rahmen der erforderlichen Begründung des Rechtsbehelfs, ohne dass es darauf ankommt, inwieweit die Vorlage der Kontoauszüge im Verwaltungsverfahren geschuldet war.

Das Sozialgericht hat die Verfahrensgebühr (Nr. 3501 VVRVG) zu Recht auf 87,50 Euro entsprechend der Mittelgebühr herabgesetzt. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Bei unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen des Antragstellers sind weder die Bedeutung der Angelegenheit noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hier als überdurchschnittlich zu bewerten. Zum einen war der zu bearbeitende Verwaltungsvorgang - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - gemessen an sonstigen sozialgerichtlichen Verfahren nicht von einem besonderen Umfang und zum anderen sind keine sonstigen Umstände ersichtlich, die die anwaltliche Tätigkeit als besonders schwierig darstellen könnten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Klägers, weil sich in der Sache selbst lediglich die Frage der Vorlage der erforderlichen Kontoauszüge stellte. Daher ist auch insoweit lediglich der Ansatz der Mittelgebühr zu rechtfertigen, wie sie der Beschwerdeführer selbst bei der Erledigungsgebühr für angemessen erachtet hat.

Danach sind die Gebühren in Höhe von 124,95 Euro (87,50 Euro Verfahrensgebühr, 17,50 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, 19,95 Euro Mehrwertsteuer) festzusetzen.

Die Nichterstattungsfähigkeit der Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 56 Abs. 2 S.3 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 33 Abs. 4 S. 3 RVG, 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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