L 11 KR 1438/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 4195/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1438/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21. August 2006 aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 bei dem Beigeladenen zu 2 in der Zeit ab 01. November 2002 um ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge endgültig auf 15.338,28 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladene zu 1 seit dem 01.11.2002 bei dem Beigeladenen zu 2 sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Die 1959 geborene Beigeladene zu 1 beendete ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau 1977. Nach anschließender Beschäftigung bei einem Lebensmitteldiscounter war sie von 1983 bis 1997 wegen Kindererziehung nicht berufstätig. Zum 01.11.1997 nahm sie bei dem Beigeladenen zu 2, der einen nicht im Handelsregister eingetragenen Gastronomiebetrieb betreibt, eine Beschäftigung auf. Am 08.11.2002 heiratete sie den Beigeladenen zu 2, mit dem sie seitdem im gesetzlichen Güterstand lebt.

Im Mai 2006 beantragten die Beigeladenen zu 1 und der Beigeladene zu 2 bei der Beklagten die versicherungsrechtliche Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses der Beigeladenen zu 1. Sie legte eine Beschreibung der von ihr zur Zeit ausgeübten Tätigkeit (Service im Restaurant und Hotel, Einkauf, Mithilfe in der Küche, Waschen der gesamten Hotel/Restaurantwäsche, Kassenverwaltung, Reinigung der Zimmer etc.) vor und gab ergänzend an, dass alle Entscheidungen gemeinsam getroffen und auch ausgeführt worden wären. Sie sei allein zuständig für die Gestaltung und Organisation von Festen, d.h. Einkauf und Kalkulation, Dekoration usw ... Sie manage den gesamten Bereich. Nur sie verfüge über den direkten Kundenkontakt, wobei das Hotel wie auch das Restaurant von dem Stammkundenstamm lebe, den sie allein kenne und aufgebaut habe. Im Durchschnitt nehme sie 15 Tage Urlaub im Jahr und lasse sich den Rest zum Wohle des Unternehmens nicht auszahlen. Ausweislich des beigefügten Feststellungsbogen beträgt das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt der Beigeladenen zu 1 1.187,- EUR brutto, eine Eingliederung in den Betrieb habe nicht stattgefunden, es würden keinerlei Weisungen ausgeübt. Zum Wohle des Unternehmens werde auf ein hohes Gehalt verzichtet. Von dem Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet und dieses auch als Betriebsausgabe verbucht. Hierauf wendete sich die Beklagte an die Klägerin mit der Bitte um Abstimmung der versicherungsrechtlichen Beurteilung. Ihrer Auffassung nach liege kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor, weil arbeitsvertragliche Vereinbarungen nicht vorlägen. Die Beigeladene zu 1 sei als mitarbeitende Ehefrau nicht fremdbestimmt, vielmehr wäre ihre Tätigkeit aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Aufgrund der umfangreichen Tätigkeiten und der besonderen Fachkenntnisse könne sie auch ihre Tätigkeit weisungsfrei bestimmen und gestalten. Wirtschaftlich gesehen übe sie die Tätigkeit für ihr "eigenes" Unternehmen aus, was sich darin zeige, dass das Entgelt unternehmensbezogen ausgerichtet wäre.

Hierauf teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie sei der Auffassung, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 weise die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung auf. Die Klägerin sei gelernte Einzelhandelskauffrau und im Betrieb hauptsächlich mit der Leitung des Servicebereichs betraut. Die von ihr zu erledigenden Aufgaben seien typisch für die eines leitenden Arbeitnehmers in der Gastronomie und könnten nicht denen eines Mitunternehmers verglichen werden. Die im Feststellungsbogen gemachten Angaben müssten daher bezweifelt werden und könnten nicht entscheidungsrelevant bei der Beurteilung sein. Die Beigeladene zu 1 beziehe ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt, welches als Betriebsausgabe verbucht und von dem Lohnsteuer abgeführt werde. Sie habe für den Beigeladenen zu 2 auch keine Darlehen oder Bürgschaften übernommen, trage deshalb auch kein eigenes Unternehmerrisiko. Bei Würdigung aller Umstände sei deshalb davon auszugehen, dass bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwögen.

Mit einem an die Beigeladene zu 1 gerichteten Bescheid vom 23.08.2006 stellte die Beklagte fest, die Beigeladene zu 1 übe keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2 aus. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die bereits gegenüber der Klägerin dargelegten Gründe.

Im Rahmen einer bei der Beigeladenen zu 2 im November 2006 durchgeführten Betriebsprüfung, bei dem die Klägerin mit Bescheid vom 27.12.2006 für den Prüfzeitraum 01.01.2002 bis 30.09.2006 feststellte, dass die Beigeladene zu 1 beitragspflichtig beschäftig sei, erfuhr auch die Klägerin von dem angefochtenen Bescheid. Sie forderte die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 21.11.2006 auf, den Bescheid vom 23.08.2006 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzunehmen. Die Beklagte erwiderte, bei diesem Bescheid handele es sich nicht um einen begünstigenden feststellenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, für den die gesetzlichen Voraussetzungen einer Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht vorlägen. Am 25.05.2007 erstattete die Beklagte dem Beigeladenen zu 2 die Beiträge i.H.v. insgesamt 10.485,39 EUR.

Hierauf erhob die Klägerin am 22.08.2007 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie ihre bisherigen Ausführungen vertiefte. Die Angaben im Feststellungsbogen seien ergebnisorientiert auf die Erstattung vermeintlich zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge ausgerichtet. Offenbar habe hier ein Motivwechsel stattgefunden. Über Jahre hin sei ein aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht ein Beschäftigungsverhältnis gelebt worden. Nun erscheine die selbständige Tätigkeit mit der Folge der Beitragserstattung attraktiv. Die Beigeladene zu 1 habe für ihre Tätigkeit nachgewiesen einen zu versteuernden und als sozialversicherungspflichtig geführten Lohn, der auch über die gesamte Dauer des Beschäftigungsverhältnisses als Betriebsausgabe verbucht worden wäre, erhalten. Dass steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen worden wäre, lasse regelmäßig für die Sozialversicherung auf ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schließen. Der Lohn sei im fraglichen Zeitraum monatlich in fast gleichbleibender Höhe bar gegen Quittung gezahlt worden, stelle auch einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit dar und gehe mithin über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten weit hinaus. Da sie die Tätigkeit auch im Betrieb ausübe, sei sie nicht frei in der Wahl ihres Arbeitsplatzes. Bezüglich der Arbeitszeit müsse davon ausgegangen werden, dass diese wesentlich durch die betrieblichen Erfordernisse bestimmt sei. Sie sei auch in den Betrieb eingegliedert wie eine fremde Arbeitskraft, ohne ihre Mitarbeit hätte eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Dies ergebe sich bereits aufgrund der behaupteten wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden an sechs Arbeitstagen. Bei familienhafter Mitarbeit müsse auch davon ausgegangen werden, dass im Innenbereich eine familienhafte Rücksichtnahme kennzeichnend sei, deswegen das Weisungsrecht möglicherweise verfeinert ausgeübt werde. Dass das Unternehmen in der Rechtsform einer Einzelfirma unter dem Namen des Ehegatten geführt werde, spreche ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung. Im Internet tauche ebenso wie auf dem Betriebsstempel lediglich der Ehemann der Beigeladenen zu 1 als Betriebsinhaber auf. Deswegen obliege dem Einzelunternehmer auch allein die Geschäftsführung. Wenn eine Mitunternehmerschaft der Ehefrau tatsächlich gewollt worden wäre, so hätte ihr Ehegatte diesen Schritt bereits bei der Heirat im Jahre 2002 vollziehen und durch die Gründung einer Personengesellschaft dokumentieren können. Dass dies nicht geschehen sei, zeige deutlich, dass die Beigeladene zu 1 nicht bewusst in die Unternehmensverantwortung hätte einbezogen werden sollen. Ihr Ehemann trage aufgrund seiner unternehmerischen Stellung allein die Haftung für die Firma und somit auch allein das unternehmerische Risiko. Auch fehle ihr das mit einem Kapitaleinsatz verbundene erhebliche Unternehmerrisiko. Sie habe nach den Angaben im Feststellungsbogen keine Darlehen oder Bürgschaften übernommen. Sie trage lediglich - wie jeder andere Arbeitnehmer auch - das Risiko des Verlustes des Arbeitsplatzes. Nach ihrem Tätigkeitsbereich sei sie auch hauptsächlich mit der Leitung des Betriebes Service betraut, daneben noch mit dem Zahlungsverkehr und weiteren Aufgaben. Diese Tätigkeiten seien typisch für die eines leitenden Arbeitnehmers in der Gastronomie und könnten nicht mit denen eines Mitunternehmers verglichen werden.

Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 habe ihren Grund seit der Heirat am 01.11.2002 gerade nicht im Lohnwert dieser Arbeit, sondern werde aufgrund familiärer Verbundenheit ausgeübt. Sie sei zu keiner Zeit wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert gewesen. Sie teile sich selbst Art, Inhalt und Zeit ihrer Tätigkeit ein. Nur der Ort der Tätigkeit sei lediglich von der Zweckmäßigkeit bestimmt. Mitarbeitende Angehörige aber, deren Vorgaben in Bezug auf Inhalt, Dauer und Ort ihrer Tätigkeit nicht gemacht würden, seien bei familiärer Verbundenheit nicht abhängig beschäftigt. Das Kriterium der steuerlichen Behandlung des Arbeitsentgeltes habe keinerlei Indizwirkung für die Sozialversicherungspflicht. Auch eine Unternehmensbeteiligung sei für die Annahme einer Nichtsozialversicherungspflicht nicht erforderlich.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG nach Beiladung der Beigeladenen zu 1 und des Beigeladenen zu 2 (Beschluss vom 30.08.2007) die Beigeladene zu 1 und Frau A. als Zeugin gehört. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf die Niederschrift vom 16.01.2008 verwiesen.

Durch Urteil vom 16.01.2008, der Klägerin zugestellt am 04.03.2008, hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid beschwert und damit klagebefugt. Soweit die Beklagte die Rentenversicherungsfreiheit der Beigeladenen zu 1 festgestellt habe, habe die Klägerin von dem angefochtenen Bescheid nur im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung erfahren, so dass es an der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes fehle. Die Beschwer könne sich aber auch aufgrund des Rechtscheins eines nicht wirksam gewordenen Verwaltungsaktes ergeben, so liege es hier. Da vorliegend die Einzugsstelle über die Versicherungs- oder Beitragspflicht in der Rentenversicherung entschieden habe, habe sie damit auch über ein Recht des Rentenversicherungsträgers verfügt. Der Durchführung eines Vorverfahrens habe es dabei nicht bedurft. Für die Anfechtungsklage gelte mangels Bekanntgabe die Jahresfrist, die gewahrt worden sei. Das erforderliche Feststellungsinteresse für die Feststellungsklage läge ebenfalls vor, weil die Klägerin Einfluss auf Entscheidungen der Einzugsstelle über die Versicherungs- und Beitragspflicht haben müsse. Der angefochtene Bescheid sei nicht aus formellen Gründen aufzuheben. Ob die Klägerin als Rentenversicherungsträger von dem Verwaltungsverfahren hätte benachrichtigt werden müssen, könne unentschieden bleiben, denn sie habe im gerichtlichen Verfahren erklärt, auf eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens aus rein verfahrensrechtlichen Gründen zu verzichten. Die Beigeladene zu 1 sei bei dem Beigeladenen zu 2 zumindest seit dem 01.11.2002 nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung beschäftigt, denn sie übe keine abhängige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt aus. Wie die Beweisaufnahme ergeben habe, übe die Beigeladene zu 1 gegenüber der Beschäftigten Arndt ein umfassendes Weisungsrecht aus und trete gleichsam als Hauptansprechpartnerin auf. Dies gelte auch gegenüber weiteren Vertragspartnern des Beigeladenen zu 2, wie etwa Bierlieferanten. Bei den Vertragsverhandlungen und -abschlüssen träte sie entweder gemeinsam mit ihrem Ehegatten auf oder führe diese eigenständig durch. Nach ihrer Heirat sei sie in zunehmendem Maße in die maßgeblichen betrieblichen Entscheidungen eingebunden worden und habe dabei eine zumindest gleichberechtigte Position eingenommen. Dies zeige sich z.B. an dem zu errichtenden Neubau, wo sich letztlich die Beigeladene zu 1 mit ihrem Vorschlag, insgesamt kleinere Wohnungen einzurichten, die vermietet werden sollten, durchgesetzt habe. Damit habe sie eine Position erlangt, die über diejenige eines leitenden Angestellten hinausgehe. Sie sei zwar nicht unmittelbar an den Gewinnen und Verlusten des Beigeladenen zu 2 beteiligt und trage deswegen auch kein eigenes unternehmerisches Risiko im engeren Sinne. Sie habe aber auf Urlaub verzichtet und über eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sei lediglich von Fall zu Fall entschieden worden. Dass sie teilweise Arbeiten verrichtet habe, die zuvor von anderen Servicekräften oder dem Onkel des Inhabers ausgeübt worden wäre, stünde dem nicht entgegen. Ihre Mitarbeit ginge erheblich über den Rahmen dessen hinaus, den eine sonst eingestellte Arbeitskraft ausfüllen würde. Auf den Visitenkarten werde deswegen auch "Familie Stelzenmüller" aufgeführt. Insgesamt überwögen damit die Mehrzahl der Indizien gegen eine abhängige Beschäftigung in dem streitigen Zeitraum.

Mit ihrer dagegen am 25.03.2008 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 sei typisch für die einer leitenden Arbeitnehmerin in der Gastronomie und könne nicht mit der eines Mitunternehmers verglichen werden, da hierzu der erforderliche Kapitaleinsatz und damit das Unternehmerrisiko fehle. Es sei nicht auszuschließen, dass die eine oder andere Unternehmerentscheidung auch nach Rücksprache mit ihrem Ehemann gefällt worden wäre, wie z.B. der Neubau. Eine Absprache bestimmter Unternehmerentscheidungen mit dem Ehepartner, zumal wenn dieser noch davon betroffen sei, entspreche aber dem Normalfall einer Ehe. Hierdurch werde ein ansonsten bestehendes, durch die familiären Bindungen modifiziertes Weisungsrecht des Ehemannes nicht ausgeschlossen. Dieser trage allein aufgrund seiner unternehmerischen Stellung die Haftung für den Betrieb und damit auch das unternehmerische Risiko. Er habe das Sagen und sei "Kopf und Seele" des Betriebes. Somit hätte seine Ehefrau ihre Vorstellungen vom Neubau niemals gegen seinen Veto durchsetzen können. Die Entscheidung für den Neubau sei nicht gegen den Willen des Ehemannes gefallen. Dass die Visitenkarten des Beigeladenen zu 2 auf "Familie S." abgeändert worden wären, ändere an den tatsächlichen Besitzverhältnissen nichts.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 2008 sowie den Bescheid vom 23. August 2006 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 bei dem Beigeladenen zu 2 in der Zeit ab 01. November 2002 um ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht ergangen sei.

Mit Beschluss vom 06.06.2008 hat der Senat die übrigen Versicherungsträger zum Rechtsstreit beigeladen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn es geht um die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1 über einen längeren Zeitraum als ein Jahr. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn die Beklagte hat unzutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 bei dem Beigeladenen zu 2 im streitigen Zeitraum ab 01.11.2002 nicht abhängig beschäftigt war und deshalb nicht der Sozialversicherungspflicht unterlag.

Dass die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft ist, hat das SG ausführlich begründet und zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des SG an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG.

Die Beklagte stellt als Einzugsstelle die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest (§ 28 h Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV -). Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem Betrieb ist das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgeblich ist dabei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSGE 45, 199, 200 ff.; SozR 3 - 2490 § 7 Nr. 13; SozR 3 - 3400 § 7 Nr. 15, jeweils m.w.N.; zuletzt Urteil des BSG vom 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R -, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 7 - und vom 04.07.2007 - B 11 a AL 5/96 R).

Das BSG hat in zahlreichen Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung betont, dass es auch bei einer Familiengesellschaft wesentlich auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Betrieb ankommt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen (BSG, Urteil vom 17.12.2002 - B 7 AL 34/02 R, USK 2002-42). Zwar führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, jedoch ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann z.B. bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z.B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1987 - 7 RAR 25/86, BB 1989, 72). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist vielmehr ebenfalls unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 f.; 17, 1, 7 f. = SozR Nr. 31 zu § 165 RVO; BSGE 74, 275, 278 f. = SozR 3 - 2500 § 5 Nr. 17; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; BSG SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11; Seewald in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Band 1, § 7 SGB IV Rdnr. 2).

Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtsatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG Urteil vom 12.09.1996 - 7 RAr 120/95, USK 9635). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist (BSG SozR 2 - 2500 § 5 Nr. 17). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 1; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11).

In Ansehung dieser rechtlichen Gegebenheiten ist die Beigeladene zu 1 im streitbefangenen Zeitraum sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Für das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung spricht maßgeblich ihr fehlende Unternehmerrisiko. Der Gastronomiebetrieb wird unter ausschließlicher Inhaberschaft ihres Ehemannes geführt, der aufgrund seiner unternehmerischen Stellung somit die volle Haftung und damit auch allein das unternehmerische Risiko trägt. Die von der Beigeladenen zu 1 eingesetzte Arbeitskraft kann dem Wagniskapital eines Unternehmers nicht gleichgesetzt werden. Bei ihr bestand auch nie die Gefahr, die Arbeitskraft ohne Gegenleistung einzusetzen. Sie hat über Jahre hinweg Lohn für ihre Tätigkeit erhalten.

Was die geltend gemachte Verpflichtung angeht, dem Unternehmen beizustehen und ggfs. auf Urlaubsabgeltung zu verzichten, so begründet dies ebenfalls kein unternehmerisches Risiko.

Die Beigeladenen zu 1 hat vielmehr den Gastronomiebetrieb und das Hotel wie eine leitende Angestellte geführt und dabei typische Tätigkeiten einer abhängig Beschäftigten ausgeübt. Sie erhält für ihre Tätigkeit ein zu versteuerndes und ein sozialversicherungspflichtig geführtes Gehalt, welches als Betriebsausgabe verbucht wurde. Die keineswegs geringen Bezüge hatten eindeutig Entgeltfunktion und versetzen sie in die Lage, ihren Lebensunterhalt davon eigenständig zu bestreiten.

Schließlich vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass die Beigeladene zu 1 keinerlei Weisungen ihres Ehemannes unterlag. Dass das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen zu 1 infolge Inhaberschaft ihres Ehemannes durch familienhafte Rücksichtnahme gekennzeichnet und daher das Weisungsrecht möglicherweise verfeinert ausgeübt wird, steht ihrer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Vielmehr ist ein eingeschränktes Weisungsrecht und eine mildere Form des Über- und Unterordnungsverhältnisses bei familienhafter Mitarbeit im Beschäftigungsverhältnis symptomatisch. Dies gilt auch für eine freiere Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses mit größeren Freiheiten für die Arbeitszeit und für den Urlaub. Nach der ständige Rechtsprechung des BSG kann überdies das Weisungsrecht des Arbeitgebers vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in dem Betrieb eingegliedert ist (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 18). Begründete Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene zu 1 nicht in dem Betrieb eingegliedert war, ergeben sich danach für den Senat nicht. Insbesondere war ihre Tätigkeit an den Ort der Arbeit gebunden. Auch der Umstand, dass sie selbst einer Putzfrau Weisungen erteilen konnte, steht dem nicht entgegen. Dies ist typischerweise mit der Tätigkeit einer leitenden Angestellten verbunden. Sie hatte keine Rechtsmacht, die Geschicke des gesamten Betriebes selbständig zu leiten und zu bestimmen. Dass sie an Unternehmensentscheidungen beteiligt war und hierbei durch Argumente im Einzelfall ihre Meinung durchsetzen konnte, steht dem nicht entgegen. Andernfalls hätte es nämlich nahegelegen, auch das Haftungsrisiko zu verbreitern und eine entsprechende gesellschaftsrechtliche Anpassung vorzunehmen.

Im übrigen handelt es sich bei den von der Beigeladenen zu 1 geltend gemachten fachlichen Überlegenheit, insbesondere bei der Kundenaquisition, um Eigenschaften, die in der Regel eine leitende Stellung mit sich bringt.

Auf die Berufung der Klägerin war daher das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe sowie der Bescheid aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 bei dem Beigeladenen zu 2 in der Zeit ab 01.11.2002 um ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG.

Der Streitwert wird im Hinblick auf die von der Klägerin mitgeteilten Versicherungsbeiträgen nach § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG endgültig auf 15.338,28 EUR festgesetzt. Der Senat ändert damit zugleich die Festsetzung des Streitwerts für die erste Instanz (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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