Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2894/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3075/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger anstelle einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v. H.) eine Rente nach einer MdE um 70 v.H. zu gewähren ist.
Der 1937 geborene Kläger war als selbstständiger Schlosser bei der Beklagten unfallversichert. Am 7. Juni 1999 stellte er sich wegen eines Zeckenbisses am linken Oberschenkel beim Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. vor. In der ärztlichen Unfallmeldung vom gleichen Tag, eingegangen bei der Beklagten am 11. Juni 1999, führte Dr. L. zum Hergang des Unfalls aus, der Kläger habe am 2. Juni 1999 an einem Gabelstapler eine Reparatur vorgenommen, bei der er mehrmals durch halbhohes Gras und Unkraut habe gehen müssen. Am Abend habe er am Oberschenkel eine nicht vollgesaugte Zecke bemerkt. Weil kein anderer Kontakt mit Gesträuch stattgefunden habe, müsse sich der Kläger die Zecke während der Arbeit zugezogen habe. Bei der ärztlichen Untersuchung zeigte sich Dr. L. ein Zeckenrest mit (unspezifischer) umgebender Rötung am proximalen linken Oberschenkel.
Telefonisch teilte der Kläger der Beklagten im Juni 2001 mit, wegen des Zeckenbisses seien Folgen aufgetreten, er sei seit einem halben Jahr ohne Bescheinigung arbeitsunfähig. Am 19. Juli 2001 ging bei der Beklagten die Unfallanzeige des Klägers vom 18. Juli 2001 ein. Darin führte er aus, er habe ab November 1999 Schmerzen gehabt, bald habe er nur noch an zwei Krücken laufen können. Erst der Arzt für Allgemeinmedizin N. habe nach längerer Zeit als Ursache den Zeckenbiss gefunden. Ergänzend teilte er am 12. September 2001 mit, er habe die Zecke am 2. Juni 1999 abends beim Duschen bemerkt. Am Vortag habe er noch keine Zecke beim Duschen gehabt. Er habe die Zecke teilweise entfernt, habe jedoch am 7. Juni 1999 zu Dr. L., der Vertretung seines Hausarztes Dr. E., gehen müssen.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis vom 18. Juli 2001 sowie ein Verzeichnis über zurückliegende Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 29. August 2001 von der für den Kläger zuständigen Krankenkasse bei.
In den Befundberichten vom 29. Juni und 28. Dezember 2001 informierte Dr. E. die Beklagte unter anderem über die durch ihn durchgeführten Behandlungen von Gelenkerkrankungen ab dem 22. April 1996. Im Juli 2001 gab der Arzt für Allgemeinmedizin N. gegenüber der Beklagten an, er habe erstmalig am 30. Januar 2001 mit dem Kläger Kontakt gehabt. Dieser habe über einen Leistungsknick und eine Beinschwäche beidseits seit Weihnachten 1999 berichtet. Nach mehreren Untersuchungen sei ein Behandlungsversuch mit Antibiotika durchgeführt worden, der eine leichte Besserung der Symptomatik gebracht habe. Als Anlage fügte er seinem Schreiben den Laborbericht von Prof. Dr. S. u. a. vom 2. Februar 2001 bei.
Auf Veranlassung der Beklagten stellte sich der Kläger am 11. Oktober 2001 im Klinikum M. bei Prof. Dr. Sch. vor. Dieser teilte im Befundbericht vom 20. November 2001 mit, die klinisch-neurologische Untersuchung habe kein motorisches oder sensibles Defizit gezeigt. Es hätten aber eine schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der beiden Kniegelenke, der oberen Sprunggelenke sowie eine pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung in die Oberschenkel dorso-lateral und Lumbagobeschwerden mit Reklinationsschmerz sowie eine eingeschränkte Bewegung des linken Schultergelenks bestanden. Dr. Sch. äußerte den Verdacht auf eine abgelaufene Borrelieninfektion mit Arthritis der Sprunggelenke sowie der Kniegelenke beidseits. Differenzialdiagnostisch zog er ein Facettensyndrom der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie eine unspezifische Arthritis in Betracht. Anhand der Laborparameter sei jedoch eine Borrelieninfektion am wahrscheinlichsten. Die arthritischen Beschwerden des Klägers seien ursächlich am ehesten auf eine Lyme-Arthritis aufgrund des erlittenen Zeckenbisses zurückzuführen. Die Beschwerdesymptomatik passe aber nicht vollständig zu einer Lyme-Borreliose. Eine erste Antibiotikabehandlung habe zu keinem dauerhaften Erfolg geführt, es sei fraglich, ob eine weitere Behandlung sinnvoll sei. Der Kläger sei derzeit arbeitsunfähig.
Im Arztbrief vom 6. Dezember 2001 empfahl der behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin PD Dr. H. die Durchführung einer erneuten Antibiotikatherapie. Dieser Empfehlung schloss sich Prof. Dr. Sch. im Befundbericht vom 20. Februar 2002 an, in dem er weiter ausführte, angesichts der neuen Untersuchung könne er ebenfalls einer Borrelieninfektion als Ursache der Beschwerdesymptomatik beim Kläger zustimmen. Im Befundbericht vom 16. April 2002 teilte PD Dr. H. mit, er habe den Kläger am 30. November 2001 und zur Kontrolle am 9. April 2002 gesehen. Es habe sich eine deutliche Besserung des Krankheitsbildes gezeigt. Die Kontrolle der Serologie habe einen deutlichen Rückgang ergeben. Hierzu fügte er seinem Schreiben den Laborbericht von Prof. Dr. S. u. a. vom 8. April 2002 sowie seinen Arztbrief an Dr. E. vom 9. April 2002 bei. Auf Veranlassung der Beklagten gab Dr. Z. (Medizinische Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums H.) die beratende Stellungnahme nach Aktenlage vom 24. Juni 2002 ab. Aufgrund der Zeckenstichanamnese, dem typischen Krankheitsbild und dem Antikörpernachweis sei von einer Lyme-Borreliose auszugehen. Auch die Gelenkbeschwerden des Klägers in den Jahren vor 1999 würden nicht die Entwicklung ab Juni 1999 erklären. Die weitere Entwicklung des Krankheitsbildes müsse abgewartet werden.
Auf Nachfrage der Beklagten vertrat Dr. H. im Schreiben vom 1. Oktober 2002 die Einschätzung, mit einer Arbeitsfähigkeit des Klägers in seinem alten Beruf sei nicht mehr zu rechnen. Der Folgezustand der durchgemachten Borreliose lasse sich nicht von den übrigen mechanischen Verschleißerscheinungen an den Kniegelenken abgrenzen.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. das nervenärztliche Zusatzgutachten vom 13. Dezember 2002. Der Kläger habe über Beschwerden an den Knien, der Hüfte und eine Unsicherheit der Beine beim Bergablaufen mit wiederholtem Hinstürzen geklagt. Bei der Untersuchung hätten sich von fachneurologischer und psychiatrischer Seite keine krankheitswertigen Befunde gezeigt. Es liege ein Zustand nach einer Lyme-Borreliose nach Zeckenbiss vor. Eine Neuroborreliose schloss der Gutachter aus. Aus nervenärztlicher Sicht bestehe keine unfallbedingte MdE. Dr. R. (Krankenhaus Z. in L.) führte in seiner internistischen gutachtlichen Stellungnahme vom 24. Februar 2003 aus, es sei unmöglich, im jetzt geschilderten Beschwerdebild eine exakte Abgrenzung der multifaktoriellen Problematik vorzunehmen. Neben der Möglichkeit von Nachwirkungen der durchgemachten Borrelieninfektion scheine die mechanische Traumatisierung durch das massive Übergewicht bedeutsamer. Das von der Borrelieninfektion herrührende Teilbeschwerdebild sei, wie auch schon von Dr. H. eingeschätzt, mit einer MdE um 20 v. H. ausreichend gewürdigt. Prof. Dr. W. (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik L.) erstellte zur Zusammenhangsfrage unter Einbeziehung der neurologischen und internistischen Fachgutachten das unfallchirurgische Fachgutachten vom 25. März 2003. Er diagnostizierte Gelenkbeschwerden subjektiver Art im Bereich von Hüft-, Knie- und Sprunggelenken sowie einen geringen Gelenkerguss am rechten Knie. Bereits 1998 seien Röntgenaufnahmen des linken Kniegelenks wegen Gelenkbeschwerden angefertigt worden. Zudem befinde sich hier eine Gichtsymptomatik. Ungeachtet dessen sei ein typisches Symptom der Lyme-Borreliose eine Beschwerdesymptomatik im Bereich der großen Gelenke. Diese müsse nicht zwangsweise mit einer Arthrosebildung einhergehen. Die Gelenkbeschwerden könnten auch andauern, nachdem es zur bakteriologischen Ausheilung gekommen sei. Er könne sich der Stellungnahmen der Spezialisten auf diesem Fachgebiet nur anschließen und darauf verweisen, dass eine Verifizierung der Beschwerden nicht möglich sei. Unter funktionellen Gesichtspunkten befinde sich mit Ausnahme der Verschmächtigung des rechten Beines kein krankhafter Unfallfolgezustand. Die Verschmächtigung könne durchaus bandscheibenbedingt entstanden sein. Das einzige, was fassbar bleibe, sei der Gelenkerguss des rechten Kniegelenks und die vom Patienten angegebenen subjektiven Beschwerden, die genau in das Krankheitsbild der Borreliose passten. Mangels objektivierbarer funktioneller Ausfälle sei die Gesamt-MdE um weniger als 10 v. H. einzuschätzen. Da jedoch vom internistisch erfahrenen Kollegen eine MdE um 20 v. H. wegen der Beschwerdesymptomatik gesehen wurde und diese Beschwerden absolut in das Krankheitsbild der ausgeheilten Borreliose passten, sei diese MdE zumindest nachvollziehbar. Der Kläger sei arbeitsfähig. Wegen der typischen Symptomatik sei die MdE mit 20 v. H. festzusetzen.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2003 anerkannte die Beklagte den Zeckenbiss vom 2. Juni 1999 als Arbeitsunfall und als dessen Folgen Gelenkbeschwerden der unteren Extremitäten nach Borrelioseinfektion infolge des Zeckenbisses. Nicht als Folgen des Unfalls anerkannte sie eine Gichterkrankung, Plattfußbildung und Bandscheibenschäden. Die MdE bewertete sie mit 20 v. H. und gewährte dem Kläger eine entsprechende Verletztenrente ab 26. April 2003.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch mit der Begründung, die MdE sei wesentlich zu niedrig. Sein tägliches Leben sei durch die Gelenkbeschwerden und die Kraftlosigkeit stark eingeschränkt. Er habe große gesundheitliche Probleme mit dem Laufen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 20. August 2003 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage. Er machte geltend, Folgen des Zeckenbisses seien eine massive Gehbehinderung, eine allgemeine körperliche Schwäche, ein chronischer Muskelschmerz im Beinbereich, ein chronisches Müdigkeitssyndrom und wiederholt auftretende Sehstörungen. Dabei handle es sich um das typische Bild einer Borreliose. Das SG holte das fachorthopädische (Zusatz-)gutachten von Dr. von St. vom 5. April 2004 ein. Dieser beschrieb auf seinem Fachgebiet subjektive Beschwerden beider Kniegelenke bei leichter Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks, eine Knick-Senk-Plattfußbildung an beiden Füßen sowie eine Fehlstatik der Rumpfwirbelsäule. Allein die Beschwerden an den Kniegelenken seien dem Unfallgeschehen zuzuordnen. Die dort vorhanden degenerativen Veränderungen seien allenfalls minimal und altersentsprechend eher unterdurchschnittlich ausgeprägt. Die Unfallfolgen seien im angefochtenen Bescheid richtig bezeichnet und die MdE mit 20 v. H. ausreichend beurteilt worden. Zum Gangbild führte Dr. von St. aus, es habe sich unter Weglassen der Unterarmstützen relativ flüssig gezeigt und sei auch mit geschlossenen Augen möglich gewesen.
Aufgrund der Untersuchung am 17. März 2004 erstellte Dr. H. unter Mitwirkung von Dr. B. das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 30. April 2004. Der Kläger habe angegeben, nur noch kurze Gehstrecken langsam mit Unterarmgehstützen zurücklegen zu können. Er habe auch das Gefühl, dass die Kraft in den Armen schlechter geworden sei. Gegenwärtig arbeite er noch einige Stunden am Tag und mache kleinere Reparaturen im Rahmen seiner Möglichkeiten. Dr. H. führte aus, der Kläger habe bei der Untersuchung ohne Unterarmgehstützen nur wenige Schritte gehen können und dabei einen breitbeinigen Gang mit ausgeprägter Rekurvation gezeigt. Die Beschwerdeschilderung sei etwas ungenau gewesen. Bei der Untersuchung habe sich im Unterschied zur Vorbegutachtung durch den Neurologen B. ein auffälliger neurologischer Befund in Form einer ätiologisch unklaren, ausgeprägten Tetraparese ergeben. Deswegen sei der Kläger vom 30. März bis 7. April 2004 stationär zur neurologischen Untersuchung im Klinikum K. (Arztbrief vom 13. April 2004) aufgenommen worden. Als Ursache der proximalen und beinbetonten Tetraparese habe sich eine Myopathie (primäre Muskelerkrankung) ergeben. Eine Polyneuropathie und eine Neuroborreliose habe ausgeschlossen werden könne. Die Borreliose sei ausgeheilt. Die Tatsache, dass die Muskelschwäche auch nach erfolgter Behandlung progredient gewesen sei und die Angabe des Klägers, dass eine Schwester ebenfalls an einer progredienten Muskelschwäche leide, spreche mehr für eine hereditäre Myopathie (familiäre Form der Muskelerkrankung). Zur weiteren diagnostischen Einordnung empfahl Dr. H. eine Muskelbiopsie. Vorbehaltlich dieser Biopsie sah er einen Zusammenhang der progredienten, proximalen und beinbetonten Tetraparese mit dem Unfall vom 2. Juni 1999 als unwahrscheinlich an. Auf dem neurologischen Gebiet bestehe keine unfallbedingte MdE.
Am 17. Mai 2004 gab Prof. Dr. D. aufgrund der Untersuchung vom 2. April 2004 eine internistisch-gutachtliche Stellungnahme ab. Auf dem internistischen Gebiet bestünden keine wesentlichen Erkrankungen und damit keine unfallbedingte MdE.
Der Kläger reichte den Arztbrief von Dr. H. vom 15. Juli 2004 über die in der neurologischen Universitätsklinik F. im Juli 2004 durchgeführte Muskelbiopsie ein. Dieser ging von einer floriden Myositis aus. Zum Ergebnis der Biopsie nahm Dr. H. am 7. Oktober 2004 ergänzend Stellung. Nach der Literatur könne eine Myositis auch eine sehr seltene Manifestation einer Borreliose sein. Nach Rücksprache mit dem Neuropathologen der Universitätsklinik F. habe es sich aber um das charakteristische Bild einer Polymyositis gehandelt, eine Assoziation mit der Borreliose sei unwahrscheinlich. Bei der Polymyositis handle es sich um eine entzündliche Muskelerkrankung mit wahrscheinlich zugrundeliegender Autoimmunpathogenese. Ihre Ätiologie sei unbekannt. Insgesamt spreche mehr dafür, dass beim Kläger eine unfallun- abhängige Muskelerkrankung vorliege; ein Zusammenhang mit dem Zeckenbiss sei unwahrscheinlich.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Dr. H. (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Chirotherapie und Allgemeinmedizin) mit der Erstellung eines Gutachtens. In ihrem Gutachten vom 14. Februar 2006 führte sie aus, die Antibiotikabehandlungen der Borreliose seien unterdosiert erfolgt. Nach den Angaben des Kläger sei es unzutreffend, dass seine Schwester an einer progredienten Muskelschwäche leide. Sie habe lediglich ein bisschen Rheuma und eine Borreliose gehabt. Dr. H. beschrieb eine derzeit beinbetonte fortgeschrittene Tetraparese mit beginnender Bulbärparalyse auf dem Boden einer persistierenden Borreliose und einer Polymyositis. Daneben bestünden beginnende Paresen der Oberarme, eine ständig ausgeprägte Müdigkeit, Nachtschweiße, Juckreiz am ganzen Körper, Sehstörungen und rezidivierende Augenentzündungen sowie eine Pollakisurie. Für diese Symptome sei der Zeckenstich eindeutig ursächlich. Dies gelte auch für die Polymyositis. Dafür sprächen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die belegten, dass sich Antikörper gegen körpereigene Zellen richteten und so eine Autoimmunerkrankung auslösen könnten. Zudem seien Borrelien als Auslöser einer Myositis schon seit ca. 20 Jahren bekannt. Dr. H. begründete den Zusammenhang ferner mit der klinischen Symptomatik, verschiedenen Laborwerten - u.a. dem Ergebnis einer Hautbiopsie im Jahr 2003 -, der klinischen Empirie zum Auftreten der Polymyositis und dem mangelnden Erfolg der immunsuppressiven Behandlung. Es liege keine "klassische" Polymyositis vor. Die MdE sei von 40 v. H. im April 2003 in Stufen bis zum Untersuchungszeitpunkt im Januar 2006 auf 70 v. H. gestiegen. Die Krankheit habe sich im Vergleich zu den Vorgutachten rapide verschlechtert. Ohne weitere Therapie sei mit einer baldigen Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit zu rechnen.
Auf Nachfrage des SG teilte Dr. B. mit, er empfehle eine Begutachtung durch Prof. Dr. K. (Klinikum P.). Seinem Schreiben vom 20. März 2006 fügte er u. a. den Arztbrief von Dr. H. vom 14. Oktober 2004 nebst histologischem Gutachten von Prof. Dr. V. vom 2. August 2004 bei. Darin hatte Dr. H. ausgeführt, die Befunde sprächen für eine floride polymyositische muskuläre Entzündungsreaktion, wobei sich aufgrund des Entzündungszellprofils keine Assoziation mit der klinisch angegebenen Borrelieninfektion ergebe. Eine nebenbefundliche, auffällige neurogenatrophe Komponente sei am ehesten auf dem Boden einer zusätzlich bestehenden Polyneuropathie zu deuten. Prof. Dr. V. hatte angegeben, eine Assoziation mit der Grunderkrankung einer Borreliose erscheine weniger wahrscheinlich, da in diesem Falle in aller Regel dermato-myositische Veränderung beobachtet würden.
Sodann erstellte der Chefarzt der Neurologischen Klinik P., Prof. Dr. K., im Auftrag des SG das Gutachten nach Aktenlage vom 3. April 2006. Er führte aus, aufgrund der Aktenlage sei gut vorstellbar, jedoch nicht beweisbar, dass sich der Kläger durch einen Zeckenbiss am 2. Juni 1999 eine Borrelieninfektion zugezogen habe und die anschließend aufgetretenen Gelenkbeschwerden als Folgen der Borrelieninfektion zu interpretieren seien. Die später aufgetretene Tetraparese sei jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Folge der Borrelieninfektion zu sehen, sondern als eigenständige, unfallunabhängige Erkrankung. Das Gutachten von Dr. H. enthalte Begründungen, die den wissenschaftlichen Vorstellungen zur Pathogenese und den klinischen Erfahrungen in der Behandlung der Borreliose nicht standhielten. Es bestünden Zweifel an der Richtigkeit des Laborbefunds vom Juli 2003. Selbst wenn dieser zutreffend wäre, sei das Ergebnis mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit auf einen erneuten Zeckenstich und nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit auf eine persistierende Borrelieninfektion zurückzuführen. 30 bis 40 % der Zeckenstiche würden von den Betroffenen nicht wahrgenommen, da Zecken unbemerkt nur für einige Stunden saugten, hierbei jedoch Erreger übertragen könnten. Eine persistierende Infektion sei wegen der zuvor durchgeführten Antibiotikatherapien äußert unwahrscheinlich. Die Annahme von Dr. H., über den Nachweis von spezifischen Antikörpern irgendetwas über die Aktivität oder Chronizität einer Borreliose aussagen zu können, sei leider falsch. Es gebe keine Korrelation zwischen dem Antikörpermuster bzw. der Konzentration und der Krankheitsaktivität. Dies hätten seine eigenen systematischen Verlaufsuntersuchungen über acht Jahre eindeutig belegt. Die Antibiotikabehandlungen seien lege artis erfolgt. Dauer und Dosis seien ausreichend gewesen. Die persistierende Schwäche in den Beinen und die Schmerzen des Klägers seien mit einer Polymyositis gut vereinbar. Die Ätiologie der Polymyositis sei allgemein jedoch unklar. Genauso unklar sei die Möglichkeit einer Verursachung der Polymyositis zum Beispiel durch eine Borrelieninfektion. Aufgrund des fehlenden Erfolges einer ausreichend langen Antibiotikatherapie sowie des fehlenden Nachweises für eine Borrelienmyositis typischer histologischer Veränderungen seien die beim Kläger jetzt und in den Jahren ab 2001 bestehenden Beschwerden nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Borrelieninfektion zurückzuführen. Dem Gutachten von Dres. H./B. sei zuzustimmen. Die dort zugestandene MdE sei wohlwollend gemeint und seiner Ansicht nach nicht auf eine gesicherte Kausalität der Beschwerden mit der Borrelieninfektion gestützt.
Der Kläger trug nach Rücksprache mit Dr. H. hierzu vor, die Bewertung der AK-IgM und IgG-Konstellationen als Aktivitätsparameter sei in der Tat sehr umstritten. Deshalb stelle der von Prof. von B. im Institut für medizinische Diagnostik weiterentwickelte Lymphocytentransformationstest (LTT) einen großen Fortschritt dar, da er die aktuelle Aktivität der Erkrankung aufzeigen könne. Erst seit wenigen Monaten sei der sog. T-cellspot Borrelien, der hochsensitiv Borrelien-spezifische T-Lymphocyten nachweisen könne, verfügbar. Die von Dr. K. zur Antibiotikatherapie dargestellten Studien bezögen sich auf die Behandlung einer Erythema migrans. Letztlich sei Prof. Dr. K. der Auffassung, dass eine Borreliose nach dreiwöchiger Antibiose ausgeheilt sei und, sollte dies nicht der Fall sein, es sich wohl um eine andere Krankheit handeln müsse. Der Kläger fügte seinem Schreiben die Veröffentlichung von Prof. Dr. K. in Info Neurologie und Psychiatrie 2005 Seite 58 ff. "Post-Lyme-Syndrom - Einmal Borreliose - immer krank?" bei.
Mit Urteil vom 3. Mai 2006 wies das SG die Klage ab. Die Folgen des Arbeitsunfalls seien mit einer MdE um 20 v. H. zu bewerten. Die Gutachten von Prof. Dr. K., Dr. von St., Dres. H./B. sowie Prof. Dr. D. seien überzeugender als das Gutachten von Dr. H ... Prof. Dr. K. habe, gestützt auf wissenschaftliche Veröffentlichungen und Forschungen, dargelegt, dass der Einschätzung von Dr. H. nicht gefolgt werden könne. Nachdem die Behandlung mit Antibiotika wider Erwarten nicht erfolgreich gewesen sei und der Nachweis einer Borrelienmyositis aufgrund typischer histologischer Veränderungen weder aktuell noch im Jahr 2001 habe geführt werden können, beruhten die Beschwerden des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit auf der Borrelieninfektion. Zwar könne dies nicht ausgeschlossen werden, erforderlich sei aber die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 18. Mai 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Juni 2006 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Der Kläger hat die bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens von seinem Bevollmächtigten eingeholte Stellungnahme von Dr. H. vom 14. April 2006 nebst ergänzenden Unterlagen und verschiedene Fachveröffentlichungen, u. a. auch von Prof. Dr. von B., und Laborzertifizierungen vorgelegt. Dr. K. berücksichtige nicht die neueren Erkenntnisse aus der Borrelioseforschung sowie der Praxis der mit der Borreliosebehandlung tagtäglich befassten Ärzte. Er wiederholt, seine Schwester leide an keiner Muskelerkrankung. Die Borreliose könne auch Jahre nach einem Zeckenstich eine Arthritis ausbilden. Prof. Dr. K. schließe nicht aus, dass in einer geringen Anzahl von Fällen einer Polymyositis eine Borrelieninfektion vorausgehen könne. Es sei zweifelhaft, ob Prof. Dr. K. aus der Zahl der von ihm durchgeführten Behandlungen und Nachuntersuchungen gesicherte Schlussfolgerung ziehen könne. Entgegen den Erfahrungen von Prof. Dr. K. habe die Antibiotikatherapie bei ihm gerade nicht angesprochen. Die unbekannte Ätiologie der Polymyositis schließe nicht aus, dass die Borreliose Ursache oder Auslöser sein könne. In dem Artikel über Lyme-Borreliose in Wikipedia würden im Kapitel "Stadien" als späte Krankheitsmanifestationen die chronische rezidivierende Lyme-Arthritis und die Myositis genannt. Zudem habe sich Prof. Dr. K. nur nach Aktenlage geäußert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 7. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2003 zu verurteilen, ihm ab 26. April 2003 eine Verletztenrente nach einer MdE um 70 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Zu den Äußerungen von Dr. H. äußerte sich Prof. Dr. K. auf Nachfrage des Senats in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2006. Die Ärztin widerspreche sich, wenn sie einerseits die Beschwerden nicht auf eine persistierende und aktive Borreliose zurückführe, andererseits die Symptome einer Polymyositis mit einer bestehenden, d. h. einer persistierenden Borreliose kausal verknüpfe. Es sei durchaus vorstellbar, dass eine Borrelieninfektion durch die hiermit verbundene, oftmals überschießende Immunreaktion gewissermaßen zündend auf die Entstehung einer Polymyositis wirke. Für das Fortbestehen einer Polymyositis sei das Persistieren des Erregers jedoch nicht erforderlich. Der LTT habe nach den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Mikrobiologie und Hygiene für die Borrelien-Diagnostik keine Bedeutung, da u. a. Studien fehlten. Dem wissenschaftlich nicht versierten Laien werde mit diesem Test eine Sensibilität und Spezifität suggeriert, die dieser nicht leisten könne. Darum habe der Test auch keinen Einzug in die Schulmedizin und in die Routinediagnostik gehalten. Da etwa 97 % der Borrelieninfektionen klinisch ohne Symptome verliefen und je nach Region bis zu 30 % der Bevölkerung Antikörper gegen den Erreger aufwiesen, wundere es nicht, wenn bei einer unspezifischen Symptomatik und einem positiven Testergebnis vorschnell der Verdacht einer Borreliose geäußert werde. Entgegen der Annahme von Dr. H. habe er ausreichend Erfahrung mit chronisch kranken Patienten.
Auf Antrag des Klägers beauftragte der Senat Prof. Dr. von B. gemäß § 109 SGG mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. In seinem internistischen Gutachten vom 1. November 2007 diagnostizierte Prof. Dr. von B. eine schwere beinbetonte Tetraplegie. Die Erkrankung sei seit sechs Jahren progredient. Ursächlich sei eine histologisch gesicherte Polymyositis. Erschwerend wirke sich eine hochgradige Adipositas aus. Die Frage der Ursächlichkeit sei außerordentlich schwer zu beantworten. Die Borrelienserologie spreche für eine länger zurückliegende Borrelieninfektion. Eine Aussage darüber, ob diese Infektion gegenwärtig noch aktiv sei, könne nicht getroffen werden. Es sei nicht sicher zu beweisen, dass die beim Kläger bestehende schwere Tetraplegie auf eine Borrelieninfektion zurückzuführen sei. Eine Wahrscheinlichkeit bestehe jedoch. Dafür sprächen der zeitliche Zusammenhang von Borrelieninfektion und Muskelschwäche, die begünstigenden Faktoren für einen chronischen Verlauf der Borrelieninfektion (später Behandlungsbeginn) und die Mitteilungen über das Auftreten einer Myositis im Verlauf einer Borrelieninfektion in der wissenschaftlichen Literatur. Die gegenwärtige MdE betrage 90 v. H. Die Staffelung ab April 2003 könne nur grob geschätzt werden. Prof. Dr. K. weise nicht darauf hin, dass die klinische Forschung zur Borreliose noch große Lücken aufweise, die insbesondere die Spätphase und seltenere Verlaufsformen beträfen. Dieses lückenhafte medizinische Wissen dürfe jedoch nicht zur Benachteiligung von Betroffenen führen.
Zum Gutachten von Prof. Dr. von B. hat Prof. Dr. K. ergänzend am 5. Dezember 2007 Stellung genommen und an seiner bisherigen Einschätzung festgehalten. Die Ursache der Polymyositis sei weitestgehend unbekannt. Selbst wenn man eine irgendwie geartete Infektion in zeitlichem Zusammenhang mit dem Beginn der Polymyositis ausfindig machen könnte, bedeute dies nicht ohne weiteres, dass diese Infektion tatsächlich mit dem pathologischen Immunmechanismus im Zusammenhang stehe. Er habe große Zweifel, wenn nach einer antibiotischen Behandlung von sechs Wochen vermutet werde, dass eine Erregerpersistenz zu einer Unterhaltung des Entzündungsprozess beitrage. In den meisten Fällen einer Polymyositis gehe dieser keine Borrelieninfektion voraus. In den allermeisten Fällen einer Borrelieninfektion und auch klinisch manifesten Borreliose, komme es im weiteren Verlauf nicht zu einer Polymyositis.
In der vom Kläger eingereichten Stellungnahme vom 11. Februar 2008 führte Prof. Dr. von B. hierzu aus, Prof. Dr. K. erwähne nicht, dass es nicht wenige Literaturmitteilungen gebe, die eindeutig auswiesen, dass selbst nach mehrmonatiger antibiotischer Behandlung Borrelien aus Gewebebiopsien von Patienten mittels Kultur oder PZR nachgewiesen werden konnten. Auch beim Kläger habe sich bei einer Hautbiopsie ein solcher Befund ergeben. Die Polymyositis sei zweifellos eine seltene, aber eine mögliche Manifestationsform der Borreliose. Ob diese jetzt noch durch vitale Borrelien oder durch einen erregerinduzierten permanenten Entzündungsprozess unterhalten werde, könne nicht entschieden werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht keine höhere Verletztenrente zu. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche über den Versicherungsfall hinaus wenigstens um 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich gem. § 56 Abs. 2 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
Vorliegend geht es um die Bewertung der Folgen eines Arbeitsunfalls. Denn die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden den Zeckenbiss als Arbeitsunfall und als dessen Folgen "Gelenkbeschwerden der unteren Extremitäten nach Borrelieninfektion" anerkannt. Die hierdurch bedingte MdE hat sie mit 20 v. H. bewertet. Sie hat sich dabei auf die gutachtlichen Einschätzungen von Dr. R. im Gutachten vom 24. Februar 2003 und von Dr. W. im Gutachten vom 25. März 2003 gestützt. Dr. von St. hat diese Bewertung in seinem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten vom 5. April 2004 bestätigt. Prof. Dr. K. bewertete diese Einschätzung in seinem Gutachten vom 3. April 2006 zwar als zustimmungsfähig, jedoch als sehr wohlwollend und seiner Meinung nach nicht auf eine gesicherte Kausalität der Beschwerden gestützt. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist jedoch ausschließlich die Frage, ob die Verletztenrente nach einer höheren MdE als um 20 v. H. zu gewähren ist.
Eine durch den Gesundheitserstschaden verursachte, länger andauernde Unfallfolge, die eine höhere MdE rechtfertigen würde (haftungsausfüllende Kausalität, vgl. BSGE 94,269), konnte der Senat jedoch nicht feststellen.
Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist u. a. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem erlittenen Primärschaden und der verbliebenen Gesundheitsstörung erforderlich. Die eingetretene Gesundheitsstörung muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden.
Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 , 2 RU 43/84, BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987, 2 RU 27/86, BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 29/99 R, HVBG-Info 2000, 2811). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19, 52; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87, BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963, 2 RU 75/61, BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969, 2 RU 40/67, BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977, 8 RU 52/76, BSGE 43, 110, 112).
Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957, 10 RV 945/55, BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90, SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch - epidemiologische Forschungen geben muss. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden. Jedoch gibt es im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, zitiert nach Juris).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe konnte sich der Senat keine Überzeugung davon verschaffen, dass neben den bereits als Arbeitsunfallfolge anerkannten "Gelenkbeschwerden der unteren Extremitäten" weitere Gesundheitsstörungen des Klägers auf den Unfall zurückzuführen sind.
Entgegen der Auffassung von Dr. H. kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass beim Kläger noch eine chronisch-persistierende Borreliose vorliegt, die Ursache der vom Kläger ihr gegenüber beschriebenen ausgeprägten Müdigkeit, der Nachtschweiße, des Juckreizes, der Sehstörungen und rezidivierenden Augenentzündungen sowie der Pollakisurie ist. Denn nach den insoweit im Ergebnis übereinstimmenden Äußerungen von Prof. Dr. K. und Prof. Dr. von B. kann zwischenzeitlich nicht mehr sicher davon ausgegangen werden, dass die Borreliose noch aktiv ist. Prof. Dr. K. weist darauf hin, dass über den Nachweis von spezifischen Antikörpern entgegen der Einschätzung von Dr. H. nichts über die Aktivität oder Chronizität einer Borreliose ausgesagt werden kann. Seine eigenen systematischen Verlaufsuntersuchungen über acht Jahre haben belegt, dass es keine Korrelation zwischen dem Antikörpermuster bzw. der Konzentration und der Krankheitsaktivität gibt. Diese Auffassung, die Prof. Dr. K. auf seine eigene langjährige klinische (Studien-) Erfahrung und eine umfassende Auswertung der einschlägigen Literatur, insbesondere der dort beschriebenen Studien stützt, ist für den Senat überzeugend. Doch selbst wenn diese Einschätzung außer Betracht gelassen würde, wäre eine fortbestehende Borreliose nicht nachgewiesen, denn Prof. Dr. von B. hat sich im Rahmen seiner Begutachtung aufgrund der von ihm durchgeführten Borrelienserologie unter Einschluss einer Borrelien-PCR nach einer Hautbiopsie im Unterschied zu Dr. H. nicht in der Lage gesehen, eine Aussage darüber zu treffen, ob die Infektion gegenwärtig noch aktiv ist. Er hat ausschließlich eine schwere beinbetonte Tetraplegie diagnostiziert und sich gutachtlich allein mit der Frage auseinandergesetzt, ob diese durch die Borreliose verursacht wurde. Aus diesem Grund drängen sich erhebliche Zweifel auf, ob Dr. H. zu Recht aufgrund der von ihr durchgeführten Untersuchungen von einer fortbestehenden Borreliose ausgeht.
Die Erwerbsfähigkeit des Klägers wird seit einigen Jahren in gravierender Weise durch die eben genannte beinbetonte Tetraplegie, die zwischenzeitlich als Polymyositis diagnostiziert wurde, gemindert. Wie sich aus einem Vergleich der Gutachten der Neurologen B. und Dres. H./B. nachvollziehbar ergibt, ist diese Erkrankung in der Zeit zwischen den beiden gutachtlichen Untersuchungsterminen im Dezember 2002 und März 2004 hinzu gekommen bzw. hat sich deutlich verstärkt. Prof. Dr. K. ordnet Beschwerden des Klägers ab dem Jahr 2001 der Polymyositis zu, der Kläger hat eine Beinschwäche allerdings schon ab Weihnachten 1999 geltend gemacht (Befundbericht von Dr. N. vom Juli 2001). Der Neurologe B. hat in seinem Gutachten noch einen unauffälligen neurologischen Befund beschrieben - allerdings hatte der Kläger bereits bei der damaligen Untersuchung von einer Unsicherheit der Beine beim Bergablaufen mit wiederholtem Hinstürzen berichtet. Dres. H./B. zeigte sich sodann beim Kläger eine unklare, ausgeprägte Tetraparese, die aufgrund der nachfolgend im Universitätsklinikum F. durchgeführten Muskelbiopsie als Polymyositis diagnostiziert wurde. Vom Vorliegen einer Polymyositis gehen auch die Sachverständigen Dr. H., Prof. Dr. K. und Prof. Dr. von B. aus. Das Bestehen dieses Krankheitsbilds ist mithin nachgewiesen.
Die Polymyositis ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge der anerkannten (abgelaufenen) Borreliose.
Wie sich auch den Gutachten von Dres. H./B. und Prof. Dr. K. ergibt, ist die Ätiologie der Polymyositis im Allgemeinen unklar.
Soweit Dres. H./B. unter Zugrundelegung einer Angabe des Klägers, seine Schwester leide ebenfalls an einer progredienten Muskelschwäche, von einer familiären Form der Muskelerkrankung ausgehen, hat der Kläger korrigiert, seine Schwester leide nicht an einer solchen Erkrankung. Selbst wenn bei Zugrundelegung dieser Korrektur eine familiäre Form der Muskelerkrankung als Argument, das gegen einen Zusammenhang mit der Borrelieninfektion spricht, ausscheidet, ist dieser Zusammenhang nicht hinreichend wahrscheinlich.
Nach den insoweit übereinstimmenden Einschätzungen der Sachverständigen besteht die Möglichkeit, dass es infolge einer Borrelioseinfektion zu einer Myositis kommt. Ein zwangsläufiger Mechanismus besteht jedoch nicht. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. K. in der ergänzenden Stellungnahme vom 5. Dezember 2007 geht in den meisten Fällen einer Polymyositis keine Borrelieninfektion voraus, in den allermeisten Fällen einer Borrelieninfektion und auch klinisch manifesten Borreliose kommt es im weiteren Verlauf auch nicht zu einer Polymyositis. Eine Bewertung des Ursachenzusammenhangs ist dadurch erschwert, dass die eigentliche Ursache und damit die auslösenden pathologischen Immunprozesse der Polymyositis nicht bekannt sind. Auch Prof. Dr. von B., der einen Zusammenhang mit der Borrelieninfektion sieht, argumentiert auffällig vorsichtig. In seinem Gutachten vom 1. November 2007 beschreibt er die Frage nach dem Zusammenhang als "außerordentlich schwer zu beantworten". In der ergänzenden Stellungnahme vom 11. Februar 2008 bezeichnet er die beim Kläger vorliegende Polymyositis als eine zweifellos seltene, aber mögliche Manifestationsform der Borreliose.
Gegen einen Zusammenhang der Polymyositis mit der Borrelioseinfektion spricht hier nach übereinstimmender Einschätzung von Dres. H./B. und Prof. Dr. K., dass die - nach dem Gutachten Prof. Dr. K. entgegen der Einschätzung von Dr. H. lege artis durchgeführte - Antibiotikatherapie keine günstige Auswirkung auf die Polymyositis hatte. Der Einwand von Prof. Dr. von B. in der Stellungnahme vom 11. Februar 2008, Prof. Dr. K. lasse unerwähnt, dass es nicht wenige Literaturmitteilungen gebe, die eindeutig aufwiesen, dass selbst nach mehrmonatiger antibiotischer Behandlung Borrelien aus Gewebebiopsien von Patienten mittels Kultur oder PZR nachgewiesen werden könnten, führt nach Überzeugung des Senats vorliegend nicht weiter. Denn Prof. Dr. von B. hat schließlich im Rahmen seiner Begutachtung eine Borrelienserologie durchgeführt und auch eine Hautbiopsie veranlasst. Die Ergebnisse der Biopsie waren jedoch negativ und nach den Befunden der Serologie sah er sich nicht zu einer Aussage in der Lage, ob die Infektion gegenwärtig noch aktiv ist. Damit entfällt auch eine tragfähige Grundlage für die Annahme von Dr. H., es liege nach wie vor eine persistierende Borreliose vor.
Soweit Prof. Dr. von B. und Dr. H. ihre Einschätzungen unter anderem auf einen positiven Borrelienbefund aufgrund einer Hautbiopsie am rechten Oberschenkel im Juli 2003 stützen, weist Prof. Dr. K. zum einen auf Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit dieser Untersuchung - die hier dahingestellt bleiben sollen - und vor allem auf die Möglichkeit hin, dass der Befund auf einem erneuten Zeckenstich beruht, denn 30 bis 40 % der Zeckenstiche werden von den Betroffenen nicht wahrgenommen. Eine persistierende Infektion bezogen auf den streitgegenständlichen Zeckenstich betrachtete er aufgrund der zuvor durchgeführten Antibiotikatherapien als äußerst unwahrscheinlich.
Allerdings ist die Erfolglosigkeit der Antibiotikabehandlungen im Hinblick auf die Polymyositis kein zwingendes Argument gegen den hier fraglichen Zusammenhang. Denn selbst Prof. Dr. K. hat es in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2006 als durchaus vorstellbar erachtet, dass eine Borrelieninfektion durch die hiermit verbundene, oftmals überschießende Immunreaktion gewissermaßen zündend auf die Entstehung einer Polymyositis wirkt. Für das Fortbestehen einer Polymyositis ist das Persistieren des Erregers nicht erforderlich, sie kann auch nach Beseitigung des Erregers klinisch manifest weiter bestehen, sodass eine erneute Antibiotikabehandlung nicht hilft, vielmehr immunsuppressive Maßnahmen, wie sie beim Kläger - erfolglos - tatsächlich durchgeführt wurden, angezeigt sind. In der Stellungnahme vom 5. Dezember 2007 ergänzte er hierzu jedoch, dass selbst wenn man eine irgendwie geartete Infektion in zeitlichem Zusammenhang mit dem Beginn der Polymyositis ausfindig machen könne, dies nicht ohne Weiteres bedeute, dass diese Infektion tatsächlich mit dem pathologischen Immunmechanismus in Zusammenhang steht. Denn 97 % der Borrelioseinfektionen verlaufen klinisch inapparent und je nach Region weisen bis zu 30 % der Bevölkerung Antikörper gegen den Erreger auf. Bei unspezifischen Symptomatiken wird deshalb häufig vorschnell der Verdacht einer Borreliose geäußert.
Für einen Unfallzusammenhang spricht zwar, worauf insbesondere Prof. Dr. von B. abhebt, der zeitliche Zusammenhang des Auftretens der Polymyositis mit der Borrelieninfektion. Relativiert wird dieser Gesichtspunkt jedoch durch die eben angedeutete Unsicherheit, welche Beschwerden ab welchem Zeitpunkt welchem Krankheitsbild zuzuordnen sind. So hat Dr. W. (Gutachten vom 25. März 2003) seine Einschätzung der MdE damit begründet, dass die Beschwerden in das Krankheitsbild einer Borreliose passten. Die von Anbeginn geltend gemachte Beinschwäche kann jedoch auch der Polymyositis zugeordnet werden. Zudem ist in diesem Zusammenhang noch an die von Prof. Dr. K. aufgezeigte Möglichkeit einer weiteren - nicht versicherten - Borrelioseinfektion durch einen unbemerkt gebliebenen Zeckenbiss zu denken.
Gegen den Unfallzusammenhang spricht der histologische Befund der Muskelbiopsie vom Juli 2004. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. K. vom 3. April 2006 kann die Diagnose einer Borrelienmyositits nur gestellt werden, wenn im Muskelbiopsat Borrelienantigen mittels monoklonaler Antikörper oder Borrelien DNA mittels Polymerase Kettenreaktion (PCR) nachgewiesen werden kann. Im histologischen Gutachten der Muskelbiopsie vom Juli 2004 fanden die Untersucher zwar entzündliche Infiltrate, diese entsprachen jedoch nicht dem typischen Verteilungsmuster einer Borrelienmyositits. Zwar wendet Prof. Dr. von B. in seinem Gutachten vom 1. November 2007 ein, dass die bereits damals mögliche, von Prof. Dr. K. - wie eben ausgeführt - auch angesprochene PCR nicht durchgeführt wurde. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. K. hätten sich jedoch gleichwohl indirekte Hinweise für das Vorliegen eines Borrelienantigen bzw. von Borrelioseerregern ergeben müssen, die nicht vorhanden waren. Zudem geht aus dem histologischen Gutachten von Prof. Dr. V. vom 2. August 2004 hervor, dass die damalige Begutachtung auch unter dem Blickwinkel einer Verursachung durch eine Borreliose erfolgt war. Eine solche betrachtete dieser damals als weniger wahrscheinlich, da die in der Regel zu erwartenden dermato-myositischen Veränderungen fehlten. Im Arztbrief vom 14. Oktober 2004 teilte Dr. H. (Neurologische Universitätsklinik F.) unter Erwähnung eines weiteren histologischen Gutachtens von Prof. Dr. V. vom 6. Oktober 2004 mit, dass sich aufgrund des Entzündungszellprofils keine Assoziation mit der klinisch angegebenen Borrelieninfektion im Jahr 1999 ergeben hat.
Der hier zu Tage getretene Expertenstreit zwischen Prof. Dr. K. und Prof. Dr. von B. betrifft u. a. diagnostische Methoden und das Auffinden eines Aktivitätsparameters bei Borrelieninfektionen. Insbesondere der LTT hat sich in der Schulmedizin bislang nicht durchgesetzt. So hat auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Beschluss vom 10. Juni 2005 (L 5 KA 562/05 ER-B, zitiert nach Juris) ausgeführt, dass es sich dabei um eine bislang noch nicht vergütungsfähige Leistung handle. Dies wird auch in dem in der vom Kläger vorgelegten Mitteilung der Borreliosegesellschaft e. V. vom Dezember 2006 veröffentlichten Artikel von Prof. Dr. von B. "Neues zum Lymphozytentransformationstest " bestätigt. Nach dem Schreiben von Prof. Dr. von B. an Dr. H. vom 17. Januar 2006 (ebenfalls vom Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 2007 vorgelegt) führten zum damaligen Zeitpunkt gerade einmal vier Labore in der Bundesrepublik Deutschland den LTT durch.
Zudem weist Prof. Dr. von B. in seinem Gutachten selbst abschließend darauf hin, dass die klinische Forschung zur Borreliose noch große Lücken aufweist, die insbesondere die Spätphase und seltene Verlaufsformen betreffen. Entgegen seiner Einschätzung müssen jedoch Versicherte Nachteile aufgrund solcher Wissenslücken hinnehmen, da sie die materielle Beweislast zu tragen haben.
Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte konnte der Senat nicht feststellen, dass mehr für als gegen einen Zusammenhang der Polymyositis mit der Borrelieninfektion spricht. Wie bereits das SG geht auch der Senat davon aus, dass ein solcher Zusammenhang möglich ist; er ist jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich. Für einen Zusammenhang spricht im Wesentlichen der zeitliche Ablauf der klinischen Symptomatik, dagegen spricht der histologische Befund. Vor dem Hintergrund der im Übrigen bestehenden Wissenslücken, dem Meinungsstreit der Experten und der begrenzten Aussagekraft sämtlicher genannten Gesichtspunkte, ist die Unsicherheit hinsichtlich der Beurteilung des Zusammenhangs so groß, dass - wie bereits ausgeführt - die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen nicht festgestellt werden kann. Dem Gutachten von Prof. Dr. K. kann dabei nicht entgegen gehalten werden, dass es nur nach Aktenlage erstellt wurde. Für eine aussagekräftige Beurteilung der Zusammenhangsfrage bei im Wesentlichen unstreitigen Befunden war eine persönliche Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen nicht erforderlich.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger anstelle einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v. H.) eine Rente nach einer MdE um 70 v.H. zu gewähren ist.
Der 1937 geborene Kläger war als selbstständiger Schlosser bei der Beklagten unfallversichert. Am 7. Juni 1999 stellte er sich wegen eines Zeckenbisses am linken Oberschenkel beim Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. vor. In der ärztlichen Unfallmeldung vom gleichen Tag, eingegangen bei der Beklagten am 11. Juni 1999, führte Dr. L. zum Hergang des Unfalls aus, der Kläger habe am 2. Juni 1999 an einem Gabelstapler eine Reparatur vorgenommen, bei der er mehrmals durch halbhohes Gras und Unkraut habe gehen müssen. Am Abend habe er am Oberschenkel eine nicht vollgesaugte Zecke bemerkt. Weil kein anderer Kontakt mit Gesträuch stattgefunden habe, müsse sich der Kläger die Zecke während der Arbeit zugezogen habe. Bei der ärztlichen Untersuchung zeigte sich Dr. L. ein Zeckenrest mit (unspezifischer) umgebender Rötung am proximalen linken Oberschenkel.
Telefonisch teilte der Kläger der Beklagten im Juni 2001 mit, wegen des Zeckenbisses seien Folgen aufgetreten, er sei seit einem halben Jahr ohne Bescheinigung arbeitsunfähig. Am 19. Juli 2001 ging bei der Beklagten die Unfallanzeige des Klägers vom 18. Juli 2001 ein. Darin führte er aus, er habe ab November 1999 Schmerzen gehabt, bald habe er nur noch an zwei Krücken laufen können. Erst der Arzt für Allgemeinmedizin N. habe nach längerer Zeit als Ursache den Zeckenbiss gefunden. Ergänzend teilte er am 12. September 2001 mit, er habe die Zecke am 2. Juni 1999 abends beim Duschen bemerkt. Am Vortag habe er noch keine Zecke beim Duschen gehabt. Er habe die Zecke teilweise entfernt, habe jedoch am 7. Juni 1999 zu Dr. L., der Vertretung seines Hausarztes Dr. E., gehen müssen.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis vom 18. Juli 2001 sowie ein Verzeichnis über zurückliegende Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 29. August 2001 von der für den Kläger zuständigen Krankenkasse bei.
In den Befundberichten vom 29. Juni und 28. Dezember 2001 informierte Dr. E. die Beklagte unter anderem über die durch ihn durchgeführten Behandlungen von Gelenkerkrankungen ab dem 22. April 1996. Im Juli 2001 gab der Arzt für Allgemeinmedizin N. gegenüber der Beklagten an, er habe erstmalig am 30. Januar 2001 mit dem Kläger Kontakt gehabt. Dieser habe über einen Leistungsknick und eine Beinschwäche beidseits seit Weihnachten 1999 berichtet. Nach mehreren Untersuchungen sei ein Behandlungsversuch mit Antibiotika durchgeführt worden, der eine leichte Besserung der Symptomatik gebracht habe. Als Anlage fügte er seinem Schreiben den Laborbericht von Prof. Dr. S. u. a. vom 2. Februar 2001 bei.
Auf Veranlassung der Beklagten stellte sich der Kläger am 11. Oktober 2001 im Klinikum M. bei Prof. Dr. Sch. vor. Dieser teilte im Befundbericht vom 20. November 2001 mit, die klinisch-neurologische Untersuchung habe kein motorisches oder sensibles Defizit gezeigt. Es hätten aber eine schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der beiden Kniegelenke, der oberen Sprunggelenke sowie eine pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung in die Oberschenkel dorso-lateral und Lumbagobeschwerden mit Reklinationsschmerz sowie eine eingeschränkte Bewegung des linken Schultergelenks bestanden. Dr. Sch. äußerte den Verdacht auf eine abgelaufene Borrelieninfektion mit Arthritis der Sprunggelenke sowie der Kniegelenke beidseits. Differenzialdiagnostisch zog er ein Facettensyndrom der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie eine unspezifische Arthritis in Betracht. Anhand der Laborparameter sei jedoch eine Borrelieninfektion am wahrscheinlichsten. Die arthritischen Beschwerden des Klägers seien ursächlich am ehesten auf eine Lyme-Arthritis aufgrund des erlittenen Zeckenbisses zurückzuführen. Die Beschwerdesymptomatik passe aber nicht vollständig zu einer Lyme-Borreliose. Eine erste Antibiotikabehandlung habe zu keinem dauerhaften Erfolg geführt, es sei fraglich, ob eine weitere Behandlung sinnvoll sei. Der Kläger sei derzeit arbeitsunfähig.
Im Arztbrief vom 6. Dezember 2001 empfahl der behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin PD Dr. H. die Durchführung einer erneuten Antibiotikatherapie. Dieser Empfehlung schloss sich Prof. Dr. Sch. im Befundbericht vom 20. Februar 2002 an, in dem er weiter ausführte, angesichts der neuen Untersuchung könne er ebenfalls einer Borrelieninfektion als Ursache der Beschwerdesymptomatik beim Kläger zustimmen. Im Befundbericht vom 16. April 2002 teilte PD Dr. H. mit, er habe den Kläger am 30. November 2001 und zur Kontrolle am 9. April 2002 gesehen. Es habe sich eine deutliche Besserung des Krankheitsbildes gezeigt. Die Kontrolle der Serologie habe einen deutlichen Rückgang ergeben. Hierzu fügte er seinem Schreiben den Laborbericht von Prof. Dr. S. u. a. vom 8. April 2002 sowie seinen Arztbrief an Dr. E. vom 9. April 2002 bei. Auf Veranlassung der Beklagten gab Dr. Z. (Medizinische Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums H.) die beratende Stellungnahme nach Aktenlage vom 24. Juni 2002 ab. Aufgrund der Zeckenstichanamnese, dem typischen Krankheitsbild und dem Antikörpernachweis sei von einer Lyme-Borreliose auszugehen. Auch die Gelenkbeschwerden des Klägers in den Jahren vor 1999 würden nicht die Entwicklung ab Juni 1999 erklären. Die weitere Entwicklung des Krankheitsbildes müsse abgewartet werden.
Auf Nachfrage der Beklagten vertrat Dr. H. im Schreiben vom 1. Oktober 2002 die Einschätzung, mit einer Arbeitsfähigkeit des Klägers in seinem alten Beruf sei nicht mehr zu rechnen. Der Folgezustand der durchgemachten Borreliose lasse sich nicht von den übrigen mechanischen Verschleißerscheinungen an den Kniegelenken abgrenzen.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. das nervenärztliche Zusatzgutachten vom 13. Dezember 2002. Der Kläger habe über Beschwerden an den Knien, der Hüfte und eine Unsicherheit der Beine beim Bergablaufen mit wiederholtem Hinstürzen geklagt. Bei der Untersuchung hätten sich von fachneurologischer und psychiatrischer Seite keine krankheitswertigen Befunde gezeigt. Es liege ein Zustand nach einer Lyme-Borreliose nach Zeckenbiss vor. Eine Neuroborreliose schloss der Gutachter aus. Aus nervenärztlicher Sicht bestehe keine unfallbedingte MdE. Dr. R. (Krankenhaus Z. in L.) führte in seiner internistischen gutachtlichen Stellungnahme vom 24. Februar 2003 aus, es sei unmöglich, im jetzt geschilderten Beschwerdebild eine exakte Abgrenzung der multifaktoriellen Problematik vorzunehmen. Neben der Möglichkeit von Nachwirkungen der durchgemachten Borrelieninfektion scheine die mechanische Traumatisierung durch das massive Übergewicht bedeutsamer. Das von der Borrelieninfektion herrührende Teilbeschwerdebild sei, wie auch schon von Dr. H. eingeschätzt, mit einer MdE um 20 v. H. ausreichend gewürdigt. Prof. Dr. W. (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik L.) erstellte zur Zusammenhangsfrage unter Einbeziehung der neurologischen und internistischen Fachgutachten das unfallchirurgische Fachgutachten vom 25. März 2003. Er diagnostizierte Gelenkbeschwerden subjektiver Art im Bereich von Hüft-, Knie- und Sprunggelenken sowie einen geringen Gelenkerguss am rechten Knie. Bereits 1998 seien Röntgenaufnahmen des linken Kniegelenks wegen Gelenkbeschwerden angefertigt worden. Zudem befinde sich hier eine Gichtsymptomatik. Ungeachtet dessen sei ein typisches Symptom der Lyme-Borreliose eine Beschwerdesymptomatik im Bereich der großen Gelenke. Diese müsse nicht zwangsweise mit einer Arthrosebildung einhergehen. Die Gelenkbeschwerden könnten auch andauern, nachdem es zur bakteriologischen Ausheilung gekommen sei. Er könne sich der Stellungnahmen der Spezialisten auf diesem Fachgebiet nur anschließen und darauf verweisen, dass eine Verifizierung der Beschwerden nicht möglich sei. Unter funktionellen Gesichtspunkten befinde sich mit Ausnahme der Verschmächtigung des rechten Beines kein krankhafter Unfallfolgezustand. Die Verschmächtigung könne durchaus bandscheibenbedingt entstanden sein. Das einzige, was fassbar bleibe, sei der Gelenkerguss des rechten Kniegelenks und die vom Patienten angegebenen subjektiven Beschwerden, die genau in das Krankheitsbild der Borreliose passten. Mangels objektivierbarer funktioneller Ausfälle sei die Gesamt-MdE um weniger als 10 v. H. einzuschätzen. Da jedoch vom internistisch erfahrenen Kollegen eine MdE um 20 v. H. wegen der Beschwerdesymptomatik gesehen wurde und diese Beschwerden absolut in das Krankheitsbild der ausgeheilten Borreliose passten, sei diese MdE zumindest nachvollziehbar. Der Kläger sei arbeitsfähig. Wegen der typischen Symptomatik sei die MdE mit 20 v. H. festzusetzen.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2003 anerkannte die Beklagte den Zeckenbiss vom 2. Juni 1999 als Arbeitsunfall und als dessen Folgen Gelenkbeschwerden der unteren Extremitäten nach Borrelioseinfektion infolge des Zeckenbisses. Nicht als Folgen des Unfalls anerkannte sie eine Gichterkrankung, Plattfußbildung und Bandscheibenschäden. Die MdE bewertete sie mit 20 v. H. und gewährte dem Kläger eine entsprechende Verletztenrente ab 26. April 2003.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch mit der Begründung, die MdE sei wesentlich zu niedrig. Sein tägliches Leben sei durch die Gelenkbeschwerden und die Kraftlosigkeit stark eingeschränkt. Er habe große gesundheitliche Probleme mit dem Laufen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 20. August 2003 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage. Er machte geltend, Folgen des Zeckenbisses seien eine massive Gehbehinderung, eine allgemeine körperliche Schwäche, ein chronischer Muskelschmerz im Beinbereich, ein chronisches Müdigkeitssyndrom und wiederholt auftretende Sehstörungen. Dabei handle es sich um das typische Bild einer Borreliose. Das SG holte das fachorthopädische (Zusatz-)gutachten von Dr. von St. vom 5. April 2004 ein. Dieser beschrieb auf seinem Fachgebiet subjektive Beschwerden beider Kniegelenke bei leichter Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks, eine Knick-Senk-Plattfußbildung an beiden Füßen sowie eine Fehlstatik der Rumpfwirbelsäule. Allein die Beschwerden an den Kniegelenken seien dem Unfallgeschehen zuzuordnen. Die dort vorhanden degenerativen Veränderungen seien allenfalls minimal und altersentsprechend eher unterdurchschnittlich ausgeprägt. Die Unfallfolgen seien im angefochtenen Bescheid richtig bezeichnet und die MdE mit 20 v. H. ausreichend beurteilt worden. Zum Gangbild führte Dr. von St. aus, es habe sich unter Weglassen der Unterarmstützen relativ flüssig gezeigt und sei auch mit geschlossenen Augen möglich gewesen.
Aufgrund der Untersuchung am 17. März 2004 erstellte Dr. H. unter Mitwirkung von Dr. B. das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 30. April 2004. Der Kläger habe angegeben, nur noch kurze Gehstrecken langsam mit Unterarmgehstützen zurücklegen zu können. Er habe auch das Gefühl, dass die Kraft in den Armen schlechter geworden sei. Gegenwärtig arbeite er noch einige Stunden am Tag und mache kleinere Reparaturen im Rahmen seiner Möglichkeiten. Dr. H. führte aus, der Kläger habe bei der Untersuchung ohne Unterarmgehstützen nur wenige Schritte gehen können und dabei einen breitbeinigen Gang mit ausgeprägter Rekurvation gezeigt. Die Beschwerdeschilderung sei etwas ungenau gewesen. Bei der Untersuchung habe sich im Unterschied zur Vorbegutachtung durch den Neurologen B. ein auffälliger neurologischer Befund in Form einer ätiologisch unklaren, ausgeprägten Tetraparese ergeben. Deswegen sei der Kläger vom 30. März bis 7. April 2004 stationär zur neurologischen Untersuchung im Klinikum K. (Arztbrief vom 13. April 2004) aufgenommen worden. Als Ursache der proximalen und beinbetonten Tetraparese habe sich eine Myopathie (primäre Muskelerkrankung) ergeben. Eine Polyneuropathie und eine Neuroborreliose habe ausgeschlossen werden könne. Die Borreliose sei ausgeheilt. Die Tatsache, dass die Muskelschwäche auch nach erfolgter Behandlung progredient gewesen sei und die Angabe des Klägers, dass eine Schwester ebenfalls an einer progredienten Muskelschwäche leide, spreche mehr für eine hereditäre Myopathie (familiäre Form der Muskelerkrankung). Zur weiteren diagnostischen Einordnung empfahl Dr. H. eine Muskelbiopsie. Vorbehaltlich dieser Biopsie sah er einen Zusammenhang der progredienten, proximalen und beinbetonten Tetraparese mit dem Unfall vom 2. Juni 1999 als unwahrscheinlich an. Auf dem neurologischen Gebiet bestehe keine unfallbedingte MdE.
Am 17. Mai 2004 gab Prof. Dr. D. aufgrund der Untersuchung vom 2. April 2004 eine internistisch-gutachtliche Stellungnahme ab. Auf dem internistischen Gebiet bestünden keine wesentlichen Erkrankungen und damit keine unfallbedingte MdE.
Der Kläger reichte den Arztbrief von Dr. H. vom 15. Juli 2004 über die in der neurologischen Universitätsklinik F. im Juli 2004 durchgeführte Muskelbiopsie ein. Dieser ging von einer floriden Myositis aus. Zum Ergebnis der Biopsie nahm Dr. H. am 7. Oktober 2004 ergänzend Stellung. Nach der Literatur könne eine Myositis auch eine sehr seltene Manifestation einer Borreliose sein. Nach Rücksprache mit dem Neuropathologen der Universitätsklinik F. habe es sich aber um das charakteristische Bild einer Polymyositis gehandelt, eine Assoziation mit der Borreliose sei unwahrscheinlich. Bei der Polymyositis handle es sich um eine entzündliche Muskelerkrankung mit wahrscheinlich zugrundeliegender Autoimmunpathogenese. Ihre Ätiologie sei unbekannt. Insgesamt spreche mehr dafür, dass beim Kläger eine unfallun- abhängige Muskelerkrankung vorliege; ein Zusammenhang mit dem Zeckenbiss sei unwahrscheinlich.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Dr. H. (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Chirotherapie und Allgemeinmedizin) mit der Erstellung eines Gutachtens. In ihrem Gutachten vom 14. Februar 2006 führte sie aus, die Antibiotikabehandlungen der Borreliose seien unterdosiert erfolgt. Nach den Angaben des Kläger sei es unzutreffend, dass seine Schwester an einer progredienten Muskelschwäche leide. Sie habe lediglich ein bisschen Rheuma und eine Borreliose gehabt. Dr. H. beschrieb eine derzeit beinbetonte fortgeschrittene Tetraparese mit beginnender Bulbärparalyse auf dem Boden einer persistierenden Borreliose und einer Polymyositis. Daneben bestünden beginnende Paresen der Oberarme, eine ständig ausgeprägte Müdigkeit, Nachtschweiße, Juckreiz am ganzen Körper, Sehstörungen und rezidivierende Augenentzündungen sowie eine Pollakisurie. Für diese Symptome sei der Zeckenstich eindeutig ursächlich. Dies gelte auch für die Polymyositis. Dafür sprächen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die belegten, dass sich Antikörper gegen körpereigene Zellen richteten und so eine Autoimmunerkrankung auslösen könnten. Zudem seien Borrelien als Auslöser einer Myositis schon seit ca. 20 Jahren bekannt. Dr. H. begründete den Zusammenhang ferner mit der klinischen Symptomatik, verschiedenen Laborwerten - u.a. dem Ergebnis einer Hautbiopsie im Jahr 2003 -, der klinischen Empirie zum Auftreten der Polymyositis und dem mangelnden Erfolg der immunsuppressiven Behandlung. Es liege keine "klassische" Polymyositis vor. Die MdE sei von 40 v. H. im April 2003 in Stufen bis zum Untersuchungszeitpunkt im Januar 2006 auf 70 v. H. gestiegen. Die Krankheit habe sich im Vergleich zu den Vorgutachten rapide verschlechtert. Ohne weitere Therapie sei mit einer baldigen Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit zu rechnen.
Auf Nachfrage des SG teilte Dr. B. mit, er empfehle eine Begutachtung durch Prof. Dr. K. (Klinikum P.). Seinem Schreiben vom 20. März 2006 fügte er u. a. den Arztbrief von Dr. H. vom 14. Oktober 2004 nebst histologischem Gutachten von Prof. Dr. V. vom 2. August 2004 bei. Darin hatte Dr. H. ausgeführt, die Befunde sprächen für eine floride polymyositische muskuläre Entzündungsreaktion, wobei sich aufgrund des Entzündungszellprofils keine Assoziation mit der klinisch angegebenen Borrelieninfektion ergebe. Eine nebenbefundliche, auffällige neurogenatrophe Komponente sei am ehesten auf dem Boden einer zusätzlich bestehenden Polyneuropathie zu deuten. Prof. Dr. V. hatte angegeben, eine Assoziation mit der Grunderkrankung einer Borreliose erscheine weniger wahrscheinlich, da in diesem Falle in aller Regel dermato-myositische Veränderung beobachtet würden.
Sodann erstellte der Chefarzt der Neurologischen Klinik P., Prof. Dr. K., im Auftrag des SG das Gutachten nach Aktenlage vom 3. April 2006. Er führte aus, aufgrund der Aktenlage sei gut vorstellbar, jedoch nicht beweisbar, dass sich der Kläger durch einen Zeckenbiss am 2. Juni 1999 eine Borrelieninfektion zugezogen habe und die anschließend aufgetretenen Gelenkbeschwerden als Folgen der Borrelieninfektion zu interpretieren seien. Die später aufgetretene Tetraparese sei jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Folge der Borrelieninfektion zu sehen, sondern als eigenständige, unfallunabhängige Erkrankung. Das Gutachten von Dr. H. enthalte Begründungen, die den wissenschaftlichen Vorstellungen zur Pathogenese und den klinischen Erfahrungen in der Behandlung der Borreliose nicht standhielten. Es bestünden Zweifel an der Richtigkeit des Laborbefunds vom Juli 2003. Selbst wenn dieser zutreffend wäre, sei das Ergebnis mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit auf einen erneuten Zeckenstich und nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit auf eine persistierende Borrelieninfektion zurückzuführen. 30 bis 40 % der Zeckenstiche würden von den Betroffenen nicht wahrgenommen, da Zecken unbemerkt nur für einige Stunden saugten, hierbei jedoch Erreger übertragen könnten. Eine persistierende Infektion sei wegen der zuvor durchgeführten Antibiotikatherapien äußert unwahrscheinlich. Die Annahme von Dr. H., über den Nachweis von spezifischen Antikörpern irgendetwas über die Aktivität oder Chronizität einer Borreliose aussagen zu können, sei leider falsch. Es gebe keine Korrelation zwischen dem Antikörpermuster bzw. der Konzentration und der Krankheitsaktivität. Dies hätten seine eigenen systematischen Verlaufsuntersuchungen über acht Jahre eindeutig belegt. Die Antibiotikabehandlungen seien lege artis erfolgt. Dauer und Dosis seien ausreichend gewesen. Die persistierende Schwäche in den Beinen und die Schmerzen des Klägers seien mit einer Polymyositis gut vereinbar. Die Ätiologie der Polymyositis sei allgemein jedoch unklar. Genauso unklar sei die Möglichkeit einer Verursachung der Polymyositis zum Beispiel durch eine Borrelieninfektion. Aufgrund des fehlenden Erfolges einer ausreichend langen Antibiotikatherapie sowie des fehlenden Nachweises für eine Borrelienmyositis typischer histologischer Veränderungen seien die beim Kläger jetzt und in den Jahren ab 2001 bestehenden Beschwerden nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Borrelieninfektion zurückzuführen. Dem Gutachten von Dres. H./B. sei zuzustimmen. Die dort zugestandene MdE sei wohlwollend gemeint und seiner Ansicht nach nicht auf eine gesicherte Kausalität der Beschwerden mit der Borrelieninfektion gestützt.
Der Kläger trug nach Rücksprache mit Dr. H. hierzu vor, die Bewertung der AK-IgM und IgG-Konstellationen als Aktivitätsparameter sei in der Tat sehr umstritten. Deshalb stelle der von Prof. von B. im Institut für medizinische Diagnostik weiterentwickelte Lymphocytentransformationstest (LTT) einen großen Fortschritt dar, da er die aktuelle Aktivität der Erkrankung aufzeigen könne. Erst seit wenigen Monaten sei der sog. T-cellspot Borrelien, der hochsensitiv Borrelien-spezifische T-Lymphocyten nachweisen könne, verfügbar. Die von Dr. K. zur Antibiotikatherapie dargestellten Studien bezögen sich auf die Behandlung einer Erythema migrans. Letztlich sei Prof. Dr. K. der Auffassung, dass eine Borreliose nach dreiwöchiger Antibiose ausgeheilt sei und, sollte dies nicht der Fall sein, es sich wohl um eine andere Krankheit handeln müsse. Der Kläger fügte seinem Schreiben die Veröffentlichung von Prof. Dr. K. in Info Neurologie und Psychiatrie 2005 Seite 58 ff. "Post-Lyme-Syndrom - Einmal Borreliose - immer krank?" bei.
Mit Urteil vom 3. Mai 2006 wies das SG die Klage ab. Die Folgen des Arbeitsunfalls seien mit einer MdE um 20 v. H. zu bewerten. Die Gutachten von Prof. Dr. K., Dr. von St., Dres. H./B. sowie Prof. Dr. D. seien überzeugender als das Gutachten von Dr. H ... Prof. Dr. K. habe, gestützt auf wissenschaftliche Veröffentlichungen und Forschungen, dargelegt, dass der Einschätzung von Dr. H. nicht gefolgt werden könne. Nachdem die Behandlung mit Antibiotika wider Erwarten nicht erfolgreich gewesen sei und der Nachweis einer Borrelienmyositis aufgrund typischer histologischer Veränderungen weder aktuell noch im Jahr 2001 habe geführt werden können, beruhten die Beschwerden des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit auf der Borrelieninfektion. Zwar könne dies nicht ausgeschlossen werden, erforderlich sei aber die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 18. Mai 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Juni 2006 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Der Kläger hat die bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens von seinem Bevollmächtigten eingeholte Stellungnahme von Dr. H. vom 14. April 2006 nebst ergänzenden Unterlagen und verschiedene Fachveröffentlichungen, u. a. auch von Prof. Dr. von B., und Laborzertifizierungen vorgelegt. Dr. K. berücksichtige nicht die neueren Erkenntnisse aus der Borrelioseforschung sowie der Praxis der mit der Borreliosebehandlung tagtäglich befassten Ärzte. Er wiederholt, seine Schwester leide an keiner Muskelerkrankung. Die Borreliose könne auch Jahre nach einem Zeckenstich eine Arthritis ausbilden. Prof. Dr. K. schließe nicht aus, dass in einer geringen Anzahl von Fällen einer Polymyositis eine Borrelieninfektion vorausgehen könne. Es sei zweifelhaft, ob Prof. Dr. K. aus der Zahl der von ihm durchgeführten Behandlungen und Nachuntersuchungen gesicherte Schlussfolgerung ziehen könne. Entgegen den Erfahrungen von Prof. Dr. K. habe die Antibiotikatherapie bei ihm gerade nicht angesprochen. Die unbekannte Ätiologie der Polymyositis schließe nicht aus, dass die Borreliose Ursache oder Auslöser sein könne. In dem Artikel über Lyme-Borreliose in Wikipedia würden im Kapitel "Stadien" als späte Krankheitsmanifestationen die chronische rezidivierende Lyme-Arthritis und die Myositis genannt. Zudem habe sich Prof. Dr. K. nur nach Aktenlage geäußert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 7. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2003 zu verurteilen, ihm ab 26. April 2003 eine Verletztenrente nach einer MdE um 70 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Zu den Äußerungen von Dr. H. äußerte sich Prof. Dr. K. auf Nachfrage des Senats in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2006. Die Ärztin widerspreche sich, wenn sie einerseits die Beschwerden nicht auf eine persistierende und aktive Borreliose zurückführe, andererseits die Symptome einer Polymyositis mit einer bestehenden, d. h. einer persistierenden Borreliose kausal verknüpfe. Es sei durchaus vorstellbar, dass eine Borrelieninfektion durch die hiermit verbundene, oftmals überschießende Immunreaktion gewissermaßen zündend auf die Entstehung einer Polymyositis wirke. Für das Fortbestehen einer Polymyositis sei das Persistieren des Erregers jedoch nicht erforderlich. Der LTT habe nach den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Mikrobiologie und Hygiene für die Borrelien-Diagnostik keine Bedeutung, da u. a. Studien fehlten. Dem wissenschaftlich nicht versierten Laien werde mit diesem Test eine Sensibilität und Spezifität suggeriert, die dieser nicht leisten könne. Darum habe der Test auch keinen Einzug in die Schulmedizin und in die Routinediagnostik gehalten. Da etwa 97 % der Borrelieninfektionen klinisch ohne Symptome verliefen und je nach Region bis zu 30 % der Bevölkerung Antikörper gegen den Erreger aufwiesen, wundere es nicht, wenn bei einer unspezifischen Symptomatik und einem positiven Testergebnis vorschnell der Verdacht einer Borreliose geäußert werde. Entgegen der Annahme von Dr. H. habe er ausreichend Erfahrung mit chronisch kranken Patienten.
Auf Antrag des Klägers beauftragte der Senat Prof. Dr. von B. gemäß § 109 SGG mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. In seinem internistischen Gutachten vom 1. November 2007 diagnostizierte Prof. Dr. von B. eine schwere beinbetonte Tetraplegie. Die Erkrankung sei seit sechs Jahren progredient. Ursächlich sei eine histologisch gesicherte Polymyositis. Erschwerend wirke sich eine hochgradige Adipositas aus. Die Frage der Ursächlichkeit sei außerordentlich schwer zu beantworten. Die Borrelienserologie spreche für eine länger zurückliegende Borrelieninfektion. Eine Aussage darüber, ob diese Infektion gegenwärtig noch aktiv sei, könne nicht getroffen werden. Es sei nicht sicher zu beweisen, dass die beim Kläger bestehende schwere Tetraplegie auf eine Borrelieninfektion zurückzuführen sei. Eine Wahrscheinlichkeit bestehe jedoch. Dafür sprächen der zeitliche Zusammenhang von Borrelieninfektion und Muskelschwäche, die begünstigenden Faktoren für einen chronischen Verlauf der Borrelieninfektion (später Behandlungsbeginn) und die Mitteilungen über das Auftreten einer Myositis im Verlauf einer Borrelieninfektion in der wissenschaftlichen Literatur. Die gegenwärtige MdE betrage 90 v. H. Die Staffelung ab April 2003 könne nur grob geschätzt werden. Prof. Dr. K. weise nicht darauf hin, dass die klinische Forschung zur Borreliose noch große Lücken aufweise, die insbesondere die Spätphase und seltenere Verlaufsformen beträfen. Dieses lückenhafte medizinische Wissen dürfe jedoch nicht zur Benachteiligung von Betroffenen führen.
Zum Gutachten von Prof. Dr. von B. hat Prof. Dr. K. ergänzend am 5. Dezember 2007 Stellung genommen und an seiner bisherigen Einschätzung festgehalten. Die Ursache der Polymyositis sei weitestgehend unbekannt. Selbst wenn man eine irgendwie geartete Infektion in zeitlichem Zusammenhang mit dem Beginn der Polymyositis ausfindig machen könnte, bedeute dies nicht ohne weiteres, dass diese Infektion tatsächlich mit dem pathologischen Immunmechanismus im Zusammenhang stehe. Er habe große Zweifel, wenn nach einer antibiotischen Behandlung von sechs Wochen vermutet werde, dass eine Erregerpersistenz zu einer Unterhaltung des Entzündungsprozess beitrage. In den meisten Fällen einer Polymyositis gehe dieser keine Borrelieninfektion voraus. In den allermeisten Fällen einer Borrelieninfektion und auch klinisch manifesten Borreliose, komme es im weiteren Verlauf nicht zu einer Polymyositis.
In der vom Kläger eingereichten Stellungnahme vom 11. Februar 2008 führte Prof. Dr. von B. hierzu aus, Prof. Dr. K. erwähne nicht, dass es nicht wenige Literaturmitteilungen gebe, die eindeutig auswiesen, dass selbst nach mehrmonatiger antibiotischer Behandlung Borrelien aus Gewebebiopsien von Patienten mittels Kultur oder PZR nachgewiesen werden konnten. Auch beim Kläger habe sich bei einer Hautbiopsie ein solcher Befund ergeben. Die Polymyositis sei zweifellos eine seltene, aber eine mögliche Manifestationsform der Borreliose. Ob diese jetzt noch durch vitale Borrelien oder durch einen erregerinduzierten permanenten Entzündungsprozess unterhalten werde, könne nicht entschieden werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht keine höhere Verletztenrente zu. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche über den Versicherungsfall hinaus wenigstens um 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich gem. § 56 Abs. 2 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
Vorliegend geht es um die Bewertung der Folgen eines Arbeitsunfalls. Denn die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden den Zeckenbiss als Arbeitsunfall und als dessen Folgen "Gelenkbeschwerden der unteren Extremitäten nach Borrelieninfektion" anerkannt. Die hierdurch bedingte MdE hat sie mit 20 v. H. bewertet. Sie hat sich dabei auf die gutachtlichen Einschätzungen von Dr. R. im Gutachten vom 24. Februar 2003 und von Dr. W. im Gutachten vom 25. März 2003 gestützt. Dr. von St. hat diese Bewertung in seinem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten vom 5. April 2004 bestätigt. Prof. Dr. K. bewertete diese Einschätzung in seinem Gutachten vom 3. April 2006 zwar als zustimmungsfähig, jedoch als sehr wohlwollend und seiner Meinung nach nicht auf eine gesicherte Kausalität der Beschwerden gestützt. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist jedoch ausschließlich die Frage, ob die Verletztenrente nach einer höheren MdE als um 20 v. H. zu gewähren ist.
Eine durch den Gesundheitserstschaden verursachte, länger andauernde Unfallfolge, die eine höhere MdE rechtfertigen würde (haftungsausfüllende Kausalität, vgl. BSGE 94,269), konnte der Senat jedoch nicht feststellen.
Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist u. a. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem erlittenen Primärschaden und der verbliebenen Gesundheitsstörung erforderlich. Die eingetretene Gesundheitsstörung muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden.
Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 , 2 RU 43/84, BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987, 2 RU 27/86, BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 29/99 R, HVBG-Info 2000, 2811). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19, 52; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87, BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963, 2 RU 75/61, BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969, 2 RU 40/67, BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977, 8 RU 52/76, BSGE 43, 110, 112).
Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957, 10 RV 945/55, BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90, SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch - epidemiologische Forschungen geben muss. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden. Jedoch gibt es im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, zitiert nach Juris).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe konnte sich der Senat keine Überzeugung davon verschaffen, dass neben den bereits als Arbeitsunfallfolge anerkannten "Gelenkbeschwerden der unteren Extremitäten" weitere Gesundheitsstörungen des Klägers auf den Unfall zurückzuführen sind.
Entgegen der Auffassung von Dr. H. kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass beim Kläger noch eine chronisch-persistierende Borreliose vorliegt, die Ursache der vom Kläger ihr gegenüber beschriebenen ausgeprägten Müdigkeit, der Nachtschweiße, des Juckreizes, der Sehstörungen und rezidivierenden Augenentzündungen sowie der Pollakisurie ist. Denn nach den insoweit im Ergebnis übereinstimmenden Äußerungen von Prof. Dr. K. und Prof. Dr. von B. kann zwischenzeitlich nicht mehr sicher davon ausgegangen werden, dass die Borreliose noch aktiv ist. Prof. Dr. K. weist darauf hin, dass über den Nachweis von spezifischen Antikörpern entgegen der Einschätzung von Dr. H. nichts über die Aktivität oder Chronizität einer Borreliose ausgesagt werden kann. Seine eigenen systematischen Verlaufsuntersuchungen über acht Jahre haben belegt, dass es keine Korrelation zwischen dem Antikörpermuster bzw. der Konzentration und der Krankheitsaktivität gibt. Diese Auffassung, die Prof. Dr. K. auf seine eigene langjährige klinische (Studien-) Erfahrung und eine umfassende Auswertung der einschlägigen Literatur, insbesondere der dort beschriebenen Studien stützt, ist für den Senat überzeugend. Doch selbst wenn diese Einschätzung außer Betracht gelassen würde, wäre eine fortbestehende Borreliose nicht nachgewiesen, denn Prof. Dr. von B. hat sich im Rahmen seiner Begutachtung aufgrund der von ihm durchgeführten Borrelienserologie unter Einschluss einer Borrelien-PCR nach einer Hautbiopsie im Unterschied zu Dr. H. nicht in der Lage gesehen, eine Aussage darüber zu treffen, ob die Infektion gegenwärtig noch aktiv ist. Er hat ausschließlich eine schwere beinbetonte Tetraplegie diagnostiziert und sich gutachtlich allein mit der Frage auseinandergesetzt, ob diese durch die Borreliose verursacht wurde. Aus diesem Grund drängen sich erhebliche Zweifel auf, ob Dr. H. zu Recht aufgrund der von ihr durchgeführten Untersuchungen von einer fortbestehenden Borreliose ausgeht.
Die Erwerbsfähigkeit des Klägers wird seit einigen Jahren in gravierender Weise durch die eben genannte beinbetonte Tetraplegie, die zwischenzeitlich als Polymyositis diagnostiziert wurde, gemindert. Wie sich aus einem Vergleich der Gutachten der Neurologen B. und Dres. H./B. nachvollziehbar ergibt, ist diese Erkrankung in der Zeit zwischen den beiden gutachtlichen Untersuchungsterminen im Dezember 2002 und März 2004 hinzu gekommen bzw. hat sich deutlich verstärkt. Prof. Dr. K. ordnet Beschwerden des Klägers ab dem Jahr 2001 der Polymyositis zu, der Kläger hat eine Beinschwäche allerdings schon ab Weihnachten 1999 geltend gemacht (Befundbericht von Dr. N. vom Juli 2001). Der Neurologe B. hat in seinem Gutachten noch einen unauffälligen neurologischen Befund beschrieben - allerdings hatte der Kläger bereits bei der damaligen Untersuchung von einer Unsicherheit der Beine beim Bergablaufen mit wiederholtem Hinstürzen berichtet. Dres. H./B. zeigte sich sodann beim Kläger eine unklare, ausgeprägte Tetraparese, die aufgrund der nachfolgend im Universitätsklinikum F. durchgeführten Muskelbiopsie als Polymyositis diagnostiziert wurde. Vom Vorliegen einer Polymyositis gehen auch die Sachverständigen Dr. H., Prof. Dr. K. und Prof. Dr. von B. aus. Das Bestehen dieses Krankheitsbilds ist mithin nachgewiesen.
Die Polymyositis ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge der anerkannten (abgelaufenen) Borreliose.
Wie sich auch den Gutachten von Dres. H./B. und Prof. Dr. K. ergibt, ist die Ätiologie der Polymyositis im Allgemeinen unklar.
Soweit Dres. H./B. unter Zugrundelegung einer Angabe des Klägers, seine Schwester leide ebenfalls an einer progredienten Muskelschwäche, von einer familiären Form der Muskelerkrankung ausgehen, hat der Kläger korrigiert, seine Schwester leide nicht an einer solchen Erkrankung. Selbst wenn bei Zugrundelegung dieser Korrektur eine familiäre Form der Muskelerkrankung als Argument, das gegen einen Zusammenhang mit der Borrelieninfektion spricht, ausscheidet, ist dieser Zusammenhang nicht hinreichend wahrscheinlich.
Nach den insoweit übereinstimmenden Einschätzungen der Sachverständigen besteht die Möglichkeit, dass es infolge einer Borrelioseinfektion zu einer Myositis kommt. Ein zwangsläufiger Mechanismus besteht jedoch nicht. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. K. in der ergänzenden Stellungnahme vom 5. Dezember 2007 geht in den meisten Fällen einer Polymyositis keine Borrelieninfektion voraus, in den allermeisten Fällen einer Borrelieninfektion und auch klinisch manifesten Borreliose kommt es im weiteren Verlauf auch nicht zu einer Polymyositis. Eine Bewertung des Ursachenzusammenhangs ist dadurch erschwert, dass die eigentliche Ursache und damit die auslösenden pathologischen Immunprozesse der Polymyositis nicht bekannt sind. Auch Prof. Dr. von B., der einen Zusammenhang mit der Borrelieninfektion sieht, argumentiert auffällig vorsichtig. In seinem Gutachten vom 1. November 2007 beschreibt er die Frage nach dem Zusammenhang als "außerordentlich schwer zu beantworten". In der ergänzenden Stellungnahme vom 11. Februar 2008 bezeichnet er die beim Kläger vorliegende Polymyositis als eine zweifellos seltene, aber mögliche Manifestationsform der Borreliose.
Gegen einen Zusammenhang der Polymyositis mit der Borrelioseinfektion spricht hier nach übereinstimmender Einschätzung von Dres. H./B. und Prof. Dr. K., dass die - nach dem Gutachten Prof. Dr. K. entgegen der Einschätzung von Dr. H. lege artis durchgeführte - Antibiotikatherapie keine günstige Auswirkung auf die Polymyositis hatte. Der Einwand von Prof. Dr. von B. in der Stellungnahme vom 11. Februar 2008, Prof. Dr. K. lasse unerwähnt, dass es nicht wenige Literaturmitteilungen gebe, die eindeutig aufwiesen, dass selbst nach mehrmonatiger antibiotischer Behandlung Borrelien aus Gewebebiopsien von Patienten mittels Kultur oder PZR nachgewiesen werden könnten, führt nach Überzeugung des Senats vorliegend nicht weiter. Denn Prof. Dr. von B. hat schließlich im Rahmen seiner Begutachtung eine Borrelienserologie durchgeführt und auch eine Hautbiopsie veranlasst. Die Ergebnisse der Biopsie waren jedoch negativ und nach den Befunden der Serologie sah er sich nicht zu einer Aussage in der Lage, ob die Infektion gegenwärtig noch aktiv ist. Damit entfällt auch eine tragfähige Grundlage für die Annahme von Dr. H., es liege nach wie vor eine persistierende Borreliose vor.
Soweit Prof. Dr. von B. und Dr. H. ihre Einschätzungen unter anderem auf einen positiven Borrelienbefund aufgrund einer Hautbiopsie am rechten Oberschenkel im Juli 2003 stützen, weist Prof. Dr. K. zum einen auf Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit dieser Untersuchung - die hier dahingestellt bleiben sollen - und vor allem auf die Möglichkeit hin, dass der Befund auf einem erneuten Zeckenstich beruht, denn 30 bis 40 % der Zeckenstiche werden von den Betroffenen nicht wahrgenommen. Eine persistierende Infektion bezogen auf den streitgegenständlichen Zeckenstich betrachtete er aufgrund der zuvor durchgeführten Antibiotikatherapien als äußerst unwahrscheinlich.
Allerdings ist die Erfolglosigkeit der Antibiotikabehandlungen im Hinblick auf die Polymyositis kein zwingendes Argument gegen den hier fraglichen Zusammenhang. Denn selbst Prof. Dr. K. hat es in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2006 als durchaus vorstellbar erachtet, dass eine Borrelieninfektion durch die hiermit verbundene, oftmals überschießende Immunreaktion gewissermaßen zündend auf die Entstehung einer Polymyositis wirkt. Für das Fortbestehen einer Polymyositis ist das Persistieren des Erregers nicht erforderlich, sie kann auch nach Beseitigung des Erregers klinisch manifest weiter bestehen, sodass eine erneute Antibiotikabehandlung nicht hilft, vielmehr immunsuppressive Maßnahmen, wie sie beim Kläger - erfolglos - tatsächlich durchgeführt wurden, angezeigt sind. In der Stellungnahme vom 5. Dezember 2007 ergänzte er hierzu jedoch, dass selbst wenn man eine irgendwie geartete Infektion in zeitlichem Zusammenhang mit dem Beginn der Polymyositis ausfindig machen könne, dies nicht ohne Weiteres bedeute, dass diese Infektion tatsächlich mit dem pathologischen Immunmechanismus in Zusammenhang steht. Denn 97 % der Borrelioseinfektionen verlaufen klinisch inapparent und je nach Region weisen bis zu 30 % der Bevölkerung Antikörper gegen den Erreger auf. Bei unspezifischen Symptomatiken wird deshalb häufig vorschnell der Verdacht einer Borreliose geäußert.
Für einen Unfallzusammenhang spricht zwar, worauf insbesondere Prof. Dr. von B. abhebt, der zeitliche Zusammenhang des Auftretens der Polymyositis mit der Borrelieninfektion. Relativiert wird dieser Gesichtspunkt jedoch durch die eben angedeutete Unsicherheit, welche Beschwerden ab welchem Zeitpunkt welchem Krankheitsbild zuzuordnen sind. So hat Dr. W. (Gutachten vom 25. März 2003) seine Einschätzung der MdE damit begründet, dass die Beschwerden in das Krankheitsbild einer Borreliose passten. Die von Anbeginn geltend gemachte Beinschwäche kann jedoch auch der Polymyositis zugeordnet werden. Zudem ist in diesem Zusammenhang noch an die von Prof. Dr. K. aufgezeigte Möglichkeit einer weiteren - nicht versicherten - Borrelioseinfektion durch einen unbemerkt gebliebenen Zeckenbiss zu denken.
Gegen den Unfallzusammenhang spricht der histologische Befund der Muskelbiopsie vom Juli 2004. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. K. vom 3. April 2006 kann die Diagnose einer Borrelienmyositits nur gestellt werden, wenn im Muskelbiopsat Borrelienantigen mittels monoklonaler Antikörper oder Borrelien DNA mittels Polymerase Kettenreaktion (PCR) nachgewiesen werden kann. Im histologischen Gutachten der Muskelbiopsie vom Juli 2004 fanden die Untersucher zwar entzündliche Infiltrate, diese entsprachen jedoch nicht dem typischen Verteilungsmuster einer Borrelienmyositits. Zwar wendet Prof. Dr. von B. in seinem Gutachten vom 1. November 2007 ein, dass die bereits damals mögliche, von Prof. Dr. K. - wie eben ausgeführt - auch angesprochene PCR nicht durchgeführt wurde. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. K. hätten sich jedoch gleichwohl indirekte Hinweise für das Vorliegen eines Borrelienantigen bzw. von Borrelioseerregern ergeben müssen, die nicht vorhanden waren. Zudem geht aus dem histologischen Gutachten von Prof. Dr. V. vom 2. August 2004 hervor, dass die damalige Begutachtung auch unter dem Blickwinkel einer Verursachung durch eine Borreliose erfolgt war. Eine solche betrachtete dieser damals als weniger wahrscheinlich, da die in der Regel zu erwartenden dermato-myositischen Veränderungen fehlten. Im Arztbrief vom 14. Oktober 2004 teilte Dr. H. (Neurologische Universitätsklinik F.) unter Erwähnung eines weiteren histologischen Gutachtens von Prof. Dr. V. vom 6. Oktober 2004 mit, dass sich aufgrund des Entzündungszellprofils keine Assoziation mit der klinisch angegebenen Borrelieninfektion im Jahr 1999 ergeben hat.
Der hier zu Tage getretene Expertenstreit zwischen Prof. Dr. K. und Prof. Dr. von B. betrifft u. a. diagnostische Methoden und das Auffinden eines Aktivitätsparameters bei Borrelieninfektionen. Insbesondere der LTT hat sich in der Schulmedizin bislang nicht durchgesetzt. So hat auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Beschluss vom 10. Juni 2005 (L 5 KA 562/05 ER-B, zitiert nach Juris) ausgeführt, dass es sich dabei um eine bislang noch nicht vergütungsfähige Leistung handle. Dies wird auch in dem in der vom Kläger vorgelegten Mitteilung der Borreliosegesellschaft e. V. vom Dezember 2006 veröffentlichten Artikel von Prof. Dr. von B. "Neues zum Lymphozytentransformationstest " bestätigt. Nach dem Schreiben von Prof. Dr. von B. an Dr. H. vom 17. Januar 2006 (ebenfalls vom Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 2007 vorgelegt) führten zum damaligen Zeitpunkt gerade einmal vier Labore in der Bundesrepublik Deutschland den LTT durch.
Zudem weist Prof. Dr. von B. in seinem Gutachten selbst abschließend darauf hin, dass die klinische Forschung zur Borreliose noch große Lücken aufweist, die insbesondere die Spätphase und seltene Verlaufsformen betreffen. Entgegen seiner Einschätzung müssen jedoch Versicherte Nachteile aufgrund solcher Wissenslücken hinnehmen, da sie die materielle Beweislast zu tragen haben.
Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte konnte der Senat nicht feststellen, dass mehr für als gegen einen Zusammenhang der Polymyositis mit der Borrelieninfektion spricht. Wie bereits das SG geht auch der Senat davon aus, dass ein solcher Zusammenhang möglich ist; er ist jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich. Für einen Zusammenhang spricht im Wesentlichen der zeitliche Ablauf der klinischen Symptomatik, dagegen spricht der histologische Befund. Vor dem Hintergrund der im Übrigen bestehenden Wissenslücken, dem Meinungsstreit der Experten und der begrenzten Aussagekraft sämtlicher genannten Gesichtspunkte, ist die Unsicherheit hinsichtlich der Beurteilung des Zusammenhangs so groß, dass - wie bereits ausgeführt - die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen nicht festgestellt werden kann. Dem Gutachten von Prof. Dr. K. kann dabei nicht entgegen gehalten werden, dass es nur nach Aktenlage erstellt wurde. Für eine aussagekräftige Beurteilung der Zusammenhangsfrage bei im Wesentlichen unstreitigen Befunden war eine persönliche Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen nicht erforderlich.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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