L 9 U 2685/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 4020/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2685/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. April 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin am 12. September 1986 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Die 1938 geborene Klägerin war bei der Standard E. L. AG (S. AG), inzwischen T. C. GmbH, in Pforzheim beschäftigt. Sie wohnte zu diesem Zeitpunkt in Pforzheim in der Luisenstraße, westlich der Berliner Straße auf der Südseite. Die Garage, in der sie ihren Pkw abstellte, befand sich in der Luisenstraße westlich der Berliner Straße auf der Nordseite. Sowohl die Garage wie auch die Wohnung lagen in Nähe der Kreuzung der Luisenstraße und der Berliner Straße. An der ampelgesicherten Kreuzung befanden sich auf jeder Seite auch durch Lichtzeichen gesicherte Fußgängerüberwege. Sowohl die Luisenstraße sowie auch die Berliner Straße waren vierspurig. Wegen der Einzelheiten der Örtlichkeiten wird auf die von der Klägerin vorgelegte Skizze (Blatt 146 der Verwaltungsakten) verwiesen. Südlich des Kreuzungsbereichs befand sich auch ein Supermarkt der Firma C ...

Am 12. September 1986, einem Freitag, kaufte sie in der Mittagspause in der Werkskantine Getränke und Lebensmittel ein, da wegen hohem Arbeitsaufkommens das Arbeitsende ungewiss war und sie nicht wusste, ob sie nach Arbeitsschluss noch einkaufen konnte. Gegen 17.50 Uhr abends wurde die Klägerin beim Überqueren der Berliner Straße von West nach Ost etwa zehn bis zwanzig Meter hinter dem Fußgängerüberweg (südlich des Kreuzungsbereichs) von einem Pkw erfasst und schwer verletzt (Urteil des Landgerichts Karlsruhe [LG], Az. 3 O 233/89, vom 4. Mai 1990 in einem Rechtsstreit der S.AG gegen den Fahrer des an dem Unfall beteiligten Pkw und dessen Haftpflichtversicherung wegen Schadensersatz [u.a. Erstattung der Kosten der Lohnfortzahlung], nachdem die Klägerin in diesem Rechtsstreit als Zeugin vernommen worden war).

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin bei dem Unfall noch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, insbesondere ob sie sich auf direktem Weg von der Arbeitsstätte zu ihrer Wohnung befand.

Die Meldung eines Arbeits- bzw. Wegeunfalls erfolgte weder durch die Arbeitsgeberin, noch die zuständige Betriebskrankenkasse (BKK), noch durch einen behandelnden Arzt oder gar durch die Klägerin selbst.

Erstmals anlässlich einer Unterredung des Berufshelfers Schwarz am 10. Dezember 2001 wegen eines anderen Unfalles gab die Klägerin an, der Unfall vom 12. September 1986 habe sich nach dem Abstellen ihres Pkw in der Garage nach der Fahrt von der Arbeitsstätte nach Hause auf dem Fußweg zu ihrer Wohnung ereignet. Augenzeugen habe sie nicht gehabt.

Die Beklagte nahm Ermittlungen auf, nach deren Ergebnis die Arbeitgeberin und die BKK über keine Unterlagen wegen eines Arbeits- oder Wegeunfalls aus dem Jahr 1986 verfügten und die polizeilichen Ermittlungsakten zwischenzeitlich vernichtet waren.

Weiter zog die Beklagte ärztliche Äußerungen zum Gesundheitszustand der Klägerin nach dem Unfallereignis bei. Gemäß den beigezogenen Akten des Versorgungsamtes wegen Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) hatte die Klägerin zum Antrag vom 2. September 1988 - obgleich im Antragsvordruck bei der Frage nach der Ursache der geltend gemachten Behinderung auch beispielshaft gefragt war, ob es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe - lediglich angegeben, es habe sich bei dem Unfall vom 12. September 1986 um einen "Verkehrsunfall" gehandelt. In den Akten des Versorgungsamts befand sich weiter ein Vermerk des Sachbearbeiters L. vom 30. Dezember 1988 über ein Telefonat mit folgendem Inhalt: "Auf Anfrage teilt M. mit, dass sie den Unfall nicht bei der BG gemeldet hat, da der Unfall nicht auf direktem Weg von der Arbeit passiert sei, sondern sie hätte unterwegs noch eingekauft." Des weiteren enthalten die Akten des Versorgungsamtes zahlreiche ärztliche Äußerungen zum Gesundheitszustand der Klägerin aus der Zeit nach dem Unfall vom 12. September 1986.

Die Klägerin selbst gab im Februar 2004 unter Vorlage einer Skizze unter anderem an, sie sei beim Überqueren der Berliner Straße "auf der Fußgänger-Spur" von dem Pkw angefahren worden. Weiter wurde unter anderem noch ein Schreiben des Landeswohlfahrtsverbands vom 4. April 1991 (zu einer vom Arbeitgeber angestrebten Kündigung und Umsetzungsmöglichkeiten innerbetrieblicher Art) mit der Mitteilung eines Besprechungstermins und ein Attest des Nervenarztes Dr. H. vom 14. Januar 1991 (die Klägerin habe im Jahre 1986 einen schweren Unfall erlitten, in dessen Folge die Konzentrationsfähigkeit und das Leistungsvermögen beeinträchtigt sei) vorgelegt.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 und dem Widerspruchbescheid vom 27. Juli 2006 lehnte die Beklagte Leistungen wegen eines Unfallereignisses vom 12. September 1986 ab, da ein Wegeunfall nicht feststellbar sei. Unter anderem ergebe sich aus der Gesprächsnotiz des Versorgungsamtes vom 30. Dezember 1988, dass sich der Unfall nicht auf dem direkten Heimweg ereignet habe, weil die Klägerin noch eingekauft habe.

Deswegen hat die Klägerin am 21. August 2006 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, sie sei auf dem Weg von der Garage zu ihrer Wohnung angefahren worden. Auf dem Heimweg habe sie nicht eingekauft, sondern bereits auf dem Werksgelände. Für diesen Einkauf habe sie Zeugen benannt.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. April 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Nachweis eines Unfalls bei versicherter Tätigkeit sei nicht erbracht. Wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gründe des Gerichtsbescheids verwiesen.

Gegen am 23. April 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. Mai 2007 Berufung eingelegt. Die Richtigkeit der Telefonnotiz vom 30. Dezember 1988 bestreite sie. Eine Uhrzeit sei darauf nicht angegeben. Dass sie von dem Sachbearbeiter angerufen worden sei, sei unwahrscheinlich, weil sie zwischen Weihnachten und Neujahr Urlaub gehabt habe. Auch habe keinerlei Bedürfnis für ein Telefonat bestanden. Im Übrigen enthalte die Akte einen weiteren handschriftlichen Vermerk gleichen Datums mit anderer Handschrift. Die Akte könne an diesem Tag nicht auf zwei verschiedenen Schreibtischen gelegen haben. Da sie bereits in der Mittagspause eingekauft habe, wofür Zeugen vorhanden seien, habe kein Anlass bestanden, auch auf dem Heimweg einzukaufen und sei zwingend anzunehmen, dass sie auf dem direkten Weg nach Hause gewesen sei. Der Beklagten habe sie (im Februar 2004) den genauen Weg zur Wohnung beschrieben. Auf dem Bereich des Fußgängerüberwegs auf der Berliner Straße habe sich auf dem direkten Heimweg der Unfall ereignet. Die Tatsache, dass sie zur Behandlung an eine BG-Klinik in Tübingen überwiesen worden sei, belege, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Auch ihrem Arbeitgeber sei der Unfall bekannt gewesen. Dieser habe einen Rechtsstreit gegen den Fahrer des am Unfall beteiligten Pkw und dessen Haftpflichtversicherung geführt. Sie habe sich wegen der Unfallfolgen selbst nicht um die Meldung des Unfalls kümmern können und sich darauf verlassen, dass der Arbeitgeber ihn melden würde. Auch Dr. D. sei im Gutachten vom 12. Dezember 1990 von einem Arbeitsunfall ausgegangen. Da sie sich in einem Beweisnotstand befinde, weil sie mehrere Wochen im Koma gelegen habe, sei ihr eine Beweiserleichterung zuzubilligen. Hierzu hat sie Kopien der Urteils des LG vom 9. März 1990, 3 O 233/89, und des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) vom 8. März 1991, 10 U 166/1990, zum Rechtsstreit ihrer Arbeitgeberin gegen den Fahrer des am Unfall beteiligten Pkw und dessen Haftpflichtversicherung vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. April 2007 aufzuheben sowie unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 20. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2006 festzustellen, dass es sich bei dem Unfall vom 12. September 1986 um einen Arbeitsunfall handelte und die Beklagte weiter zu verurteilen, deswegen Leistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ein Versicherungsfall sei nicht nachgewiesen, insbesondere sei die Klägerin nicht auf einem geschützten Weg verunfallt. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen die Aktennotiz des Versorgungsamtes nicht zutreffend sein sollte. Wie sich aus dem vorgelegten Urteil des Landgerichts ergebe, habe sich der Unfall in der Nähe einer Einkaufstelle um 17.50 Uhr ereignet. Die Klägerin habe also noch Zeit gehabt, einkaufen zu gehen.

Der Senat hat die Akten des LG, 3 O 233/89, und des OLG, 10 U 166/1990, beigezogen. Das Protokoll über die Vernehmung der Klägerin als Zeugin ist nach Ausdünnung der Akte darin nicht mehr enthalten. Versuche, es von der Haftpflichtversicherung des am Unfall beteiligten Pkw-Fahrers, der Arbeitgeberin der Klägerin und den damaligen Prozessbevollmächtigten der Parteien beizuziehen, sind erfolglos geblieben, da die Unterlagen nach den eingegangenen Mitteilungen nicht mehr vorhanden sind.

Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin nach dem Urteil des LG die Berliner Straße (mindestens) zehn Meter südlich der Fußgängerfurt überquert hat, und nicht - wie nach der der Beklagten vorgelegten von der Klägerin gefertigten Skizze - auf dem Überweg.

Hierauf haben der Bevollmächtigte der Klägerin und die Beklagte am 28. Mai 2008 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Am 11. Juni 2008 hat die Klägerin persönlich schriftlich u. a. mitgeteilt, sie sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden. Die Zeugin M. sei zum Beweis dafür zu hören, dass sie mittags bereits eingekauft habe. Im Übrigen hat sie nun erstmals noch vorgetragen, auf der rechten Fahrspur der Berliner Straße in Richtung Norden habe sich im Bereich der Fußgängerfurt eine ca. fünf Meter lange abgesperrte Baustelle befunden, weswegen dort ein Überqueren für Fußgänger nicht möglich und eine Umleitung über eine provisorische Furt südlich der Baustellenabsperrung erfolgt sei. Sie sei "auf dem Fußweg etwa vier bis fünf Meter südlich" auf ein Handzeichen eines Bauarbeiters über die Straße gegangen. Schon bei den "juristischen Unfall-Verfahren" sei ihr aufgefallen, dass die Baustelle nicht erwähnt worden sei. Es sei ausschließlich dem Fahrer des Unfallfahrzeuges und den Aussagen der mit ihm befreundeten Zeugen, sie habe "in dem noch zwanzig Meter südlich stationierten C.-Laden eingekauft und gleich von dort unachtsam die Straße überquert", geglaubt worden. Hierzu hat sie eine weitere Skizze des Kreuzungsbereichs vorgelegt, wonach sie entlang der Baustelle südlich des Überwegs die Straße überqueren wollte und in der Mitte angefahren wurde.

Am 16. Juli 2008 ist eine schriftliche Äußerung der Arbeitskollegin der Klägerin, Frau M., vom "10.08.2008" eingegangen, wonach sie die Klägerin am 12. September 1986 in der Mittagspause in der Firmenkantine beim Einkaufen getroffen und dann am 15. September 1986 von deren Unfall erfahren habe. Sie habe danach die Klägerin häufig im Krankenhaus besucht, die ihr als sie wieder klarer bei Bewusstsein gewesen sei, u. a. erzählt habe, sie habe mit den mitgeführten Einkaufswaren die Straßenkreuzung mit Baustelle überquert und sei kurz vor der Baustelle mit Fußgängerumleitung von dem Pkw erfasst worden.

Der Bevollmächtigte der Klägerin wurde auf deren Schreiben vom 11. Juni 2008 mit Verfügungen vom 12. Juni 2008 und - auf die schriftliche Äußerung der Arbeitskollegin M. - 16. Juli 2008 darauf hingewiesen, dass Gründe, die einen Widerruf bzw. eine Rücknahme der Zustimmungserklärung rechtfertigten, nicht ersichtlich seien und diese bindend sei. Es sei beabsichtigt, in Bälde ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Er hat sich hierauf nicht mehr geäußert.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten sowie die beigezogenen Akten des LG und des OLG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet.

Auf Grund des vom Bevollmächtigten der Klägerin und auch der Beklagten erteilten Einverständnisses entscheidet der Senat nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung. Gründe, die eine Rücknahme der Einverständniserklärung des Bevollmächtigten der Klägerin nach Zustimmung der Beklagten zulassen könnten, sind weder dargetan, noch ersichtlich. Grundsätzlich ist ein freier Widerruf der Einverständniserklärung nur möglich, bis die Verzichtserklärung des anderen Beteiligten bei Gericht eingegangen ist. Dies war vor dem Eingang des von der Klägerin persönlich verfassten Schreibens am 11. Juni 2008 der Fall. Ein Widerruf ist danach nur möglich, wenn sich die Prozesslage wesentlich geändert hat, was hier nicht der Fall ist (vgl. zu alledem Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar 8. Auflage, § 124 Rdnr. 3d). Eine geänderte Prozesslage ergibt sich auch nicht aus der zuletzt eingegangenen schriftlichen Äußerung der Arbeitskollegin M., zu der sich zu äußern der Bevollmächtigte der Klägerin bzw. diese und auch die Beklagte Gelegenheit hatten.

Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann die Klägerin eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Dies hat sie bei sinnentsprechender Auslegung ihres Vorbringens auch getan (vgl. hierzu BSG-Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 und Urteil vom 30. Oktober 2007, 2 U 29/06 R). Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des gestellten Antrags kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2).

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Eine versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).

Allerdings steht nicht jeder Weg unter Versicherungsschutz, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus angetreten wird. Es muss sich darüber hinaus vielmehr um den unmittelbaren Weg handeln, wobei es sich damit nicht notwendiger Weise um den kürzesten handeln muss. Es muss aber ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges bestehen. Dieser setzt voraus, dass die Zurücklegung des Weges wesentlich dazu bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit oder nach Beendigung der Tätigkeit die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 4 und 16, jeweils m.w.N.). Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf der selben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (BSG SozR 3-2300 § 550 RVO Nr. 21 m.w.N.; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10 m.w.N. und BSG, Urteil vom 24. Juni 2003, B 2 U 40/02 R).

Es steht dem Versicherten frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen, wenn die Fortbewegung nach seiner Handlungstendenz der Zurücklegung des Weges von oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Grundsätzlich steht es hierbei dem Versicherten auch frei, welche Seite des Verkehrsraums er benutzt, also ob ein Radfahrer z.B. den Radweg auf der linken oder auf der rechten Seite benutzt. Dem entsprechend stellt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Begriff des "unmittelbaren" Weges nicht nur die kürzeste Wegestrecke dar. Bei Bestehen bestimmter allein durch die Verkehrsverhältnisse geprägter Umstände (Staub, schlechter Weg, schlechte Sicht oder ähnliches) ist auch die längere Wegstrecke dem Versicherungsschutz unterstellt (vgl. u.a. BSG 3-2700 § 8 Nr. 9 m.w.N.). Sobald ein Versicherter aber allein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmen, wird der Versicherungsschutz unterbrochen bis die Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin wieder aufgenommen wird. Ein Umdrehen und Zurückfahren auf dem ursprünglich bereits benutzten Weg, für das betriebliche Zwecke nicht vorliegen, unterbricht insofern den Versicherungsschutz (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09. Dezember 2003, Az. B 2 U 23/03 R, veröffentlicht in SozR 4-2700 § 8 Nr. 3). Eine Änderung der Handlungstendenz in Richtung auf eine unversicherte private Tätigkeit liegt hierbei aber nur dann vor, wenn sie einen klaren und damit objektivierbaren Ausdruck gefunden hat.

Gemessen daran ist nicht feststellbar, dass die Klägerin sich bei dem Unfall noch auf dem unmittelbaren und damit versicherten Weg von ihrer Arbeitsstätte befand. Das Überqueren der Straße an der Unfallstelle zehn bis zwanzig Meter südlich des Fußgängerüberweges im Bereich eines Einkaufsmarktes war vielmehr durch private Motivation bestimmt und stand deshalb nicht unter Versicherungsschutz.

Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin einen Wegeunfall gegenüber der Beklagten erstmals bei einem Gespräch mit dem Berufshelfer S. vom 3. Dezember 2001, also mehr als 15 Jahre nach dem Unfall, behauptet hat. Dies spricht dafür, dass sie selbst bis dahin das Ereignis nicht als Arbeitsunfall eingeschätzt hat. Es wäre nicht nachvollziehbar, dass sie dies nicht früher geltend gemacht hat, zumal sie in der Lage war, die begehrten Feststellungen beim Versorgungsamt schon im September 1988 und in der Folgezeit zielgerichtet zu verfolgen. Auch im Antrag auf Feststellungen nach dem SchwbG vom 2. September 1988 hat sie auf die Fragen, was die Ursache der Behinderung sei, obwohl beispielhaft auch ein Arbeitsunfall angeführt war, lediglich angegeben, "Verkehrsunfall 12.09.1986". Auch aus den vielzähligen ärztlichen Äußerungen und Berichten ergibt sich nicht, dass die Klägerin einen versicherten Arbeitsunfall behauptet hat. Dem zu Folge ist auch weder von den behandelnden Ärzten ein Durchgangsarztbericht gefertigt worden, noch eine entsprechende Anzeige bei der Beklagten erfolgt. Auch die BKK und die Arbeitgeberin haben zu keinem Zeitpunkt Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht bzw. eine Unfallanzeige erstattet. Dies ist ungeachtet dessen, dass eine Verpflichtung hierzu bestanden hätte, nicht nachvollziehbar, wenn ihnen gegenüber irgendwelche Erkenntnisse und Angaben der Klägerin vorgelegen hätten, die auf einen Wegeunfall hingewiesen hätten.

Im Übrigen ergibt sich aus dem Telefonvermerk des Mitarbeiters des Versorgungsamts L. vom 30. Dezember 1988, dass die Klägerin diesem gegenüber angab, sie habe den Unfall nicht der Berufsgenossenschaft gemeldet, weil er sich nicht auf dem direkten Weg von der Arbeit nach Hause ereignet habe, nachdem sie unterwegs noch eingekauft habe. Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit dieses Vermerks. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin sind nicht überzeugend. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass eine Uhrzeit nicht angegeben ist und aus der Sicht der Klägerin keinerlei Bedürfnis bestand, am letzten Arbeitstag des Jahres 1988 ein Telefongespräch zu führen. Gerade die Tatsache, dass bei einer Entscheidung des Versorgungsamts etwaige Feststellungen durch den Unfallversicherungsträger zu berücksichtigten gewesen wären und dass die Entscheidung dann am 5. Januar 1989 ergangen ist, weist darauf hin, dass dies vom Sachbearbeiter noch geklärt wurde. Der Hinweis, es befinde sich ein weiterer handschriftlicher Vermerk mit anderer Handschrift vom selben Tag in den Akten, beweist nicht, dass der Aktenvermerk des Sachbearbeiters Lösch unrichtig und falsch war.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, Dr. D. sei am 12. Dezember 1990 in seinem Gutachten von einem Arbeitsunfall ausgegangen, ist dies nicht beweisend. Aus eigener Erkenntnis konnte Dr. D. nichts dazu beitragen, was einen Arbeitsunfall belegen würde, insbesondere ob sich die Klägerin (noch) auf einem versicherten Weg befand. Auch in den weiteren ärztlichen Äußerungen ist im Übrigen überwiegend von einem Verkehrsunfall die Rede, ohne dass dieser als Arbeitsunfall eingeordnet worden wäre. Ansonsten ist auch davon auszugehen, dass eine Meldung an die Beklagte erfolgt wäre. Die Angaben des Dr. D. beruhen im Übrigen ansonsten allenfalls auf Äußerungen der Klägerin, die allerdings zu diesem Zeitpunkt das Vorliegen eines Arbeitsunfalles nicht geltend macht.

Dafür, dass die Klägerin die Straße zehn bis zwanzig Meter südlich des Fußgängerüberweges überquerte und hierfür private Belange ihre Handlungstendenz bestimmten, spricht neben ihren Angaben gegenüber dem Versorgungsamt vom 30. Dezember 1988 - sie hätte noch eingekauft - auch das Urteil des LG, das auf ihrer Zeugenaussage beruht. Das Protokoll über die Vernehmung der Klägerin als Zeugin in jenem Rechtsstreit liegt zwar nicht mehr vor, doch ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils, dass die Klägerin die Fahrbahn zehn bis zwanzig Meter hinter dem Überweg überquerte. Weiter führte das LG aus: "Ein Umweg war ihr bei dieser geringen Entfernung zumutbar, da der Überweg nur ein paar Schritte von dem Eingang des Einkaufsladens entfernt war". Dies weist zur Überzeugung des Senats darauf hin, dass die Klägerin die Straße an dieser Stelle wegen des Aufsuchens des Einkaufsladens überquerte. Betriebliche Zwecke und insbesondere das Zurücklegen des unmittelbaren Weges von der Arbeit nach Hause bestimmen weder das Aufsuchen des "Einkaufsladen", noch das - nachfolgende - Überqueren der Straße an dieser Stelle. Soweit die Klägerin nun zuletzt und erstmals geltend macht, im Bereich der südlichen Fußgängerfurt zur Überquerung der Berliner Straße habe sich eine etwa fünf Meter lange Baustelle befunden und sie sei deswegen vier bis fünf Meter südlich über die Straße gegangen, finden sich hierfür weder im Urteil des Landgerichts Karlsruhe noch sonstwie in den Akten irgendwelche Hinweise. Dagegen spricht auch die von der Klägerin im Februar 2004 gefertigte Unfallskizze. Die Behauptung der Klägerin ist insofern weder nachvollziehbar, noch glaubhaft. Im Übrigen ergibt sich aus den Feststellungen des LG, dass die Klägerin nicht lediglich vier bis fünf Meter sondern zehn bis zwanzig Meter südlich der Fußgängerfurt versuchte, die Straße zu überqueren. Diese Feststellungen des LG beruhten auf den Angaben der als Zeugin vernommenen Klägerin und auch auf den damals noch vorliegenden Ermittlungsakten. Dass diese im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Feststellungen unzutreffend sind, kann der Senat nicht feststellen.

Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin die Berliner Straße zehn bis zwanzig Meter südlich der südlichen Fußgängerfurt überquerte, ohne dass hierfür betriebliche Zwecke (das Zurücklegen des Weges, um von der Arbeit nach Hause zu gelangen) maßgeblich waren. Maßgeblich waren vielmehr unversicherte persönliche Zwecke, hier das Aufsuchen des Lebensmittelmarktes in der Berliner Straße.

Soweit die Klägerin hiergegen eingewandt hat, sie habe ihre Einkäufe bereits in der Mittagspause erledigt, geht der Senat hiervon aus. Dies steht aber einem weiteren Aufsuchen eines Lebensmittelmarktes um etwa 17.50 Uhr nicht entgegen. Insbesondere ist es naheliegend, dass die Klägerin, nachdem sie noch vor Ladenschluss zurückgekommen war, noch eine, eventuell vergessene, Besorgung gemacht hat. Demzufolge bedurfte es auch keiner Vernehmung von Zeugen zum Beweis dafür, dass die Klägerin bereits in der Mittagspause Einkäufe getätigt hat. Insofern ergibt sich auch aus der zuletzt eingegangenen Äußerung der Arbeitskollegin M. nichts Neues, was entscheidungserheblich wäre.

Soweit die Arbeitskollegin erklärt, die Klägerin habe ihr nach dem Unfall, als es ihr wieder besser gegangen sei, gesagt, sie habe die Straßenkreuzung mit Baustelle überquert und sei kurz vor der Baustelle mit Fußgängerumleitung von dem Pkw erfasst worden, bestätigt dies allenfalls, dass die Klägerin dies geäußert hat. Aus eigener Anschauung kann die Arbeitskollegin M., die die Klägerin nach dem Treffen in der Kantine erst nach dem Unfall im Krankenhaus wieder gesehen hat, weder zum Unfallhergang, noch zu den Örtlichkeiten und weiteren Umständen des Ereignisses Angaben machen.

Da somit die Beklagte zu Recht die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt und das SG zutreffend die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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