L 6 R 829/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 49 R 1500/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 829/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf seine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Er ist 1947 geboren und erhält aufgrund eines Bescheides der Beklagten vom 29.12.2006 für die Zeit seit 01.04.2007 Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Als Folge eines im Jahre 1972 erlittenen Arbeitsunfalles erhält der Kläger Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die nach einer MdE um 30 v.H. bemessen ist. Diese Rente rechnet die Beklagte nach § 93 SGB VI in dem dort vorgesehenen Umfang an.

In seinem Widerspruch gegen den Rentenbescheid führte der Kläger u.a. aus, es werde ihm aus dem Bezug der Unfallrente ein finanzieller Vorteil unterstellt. Nach der Darstellung der gesundheitlichen Folgen, insbesondere aufgrund eines ärztlichen Kunstfehlers führte der Kläger auch aus, außerdem seien ihm ohnehin finanzielle Nachteile im Berufsleben seit dieser Schwerbehinderung bzw. seit 1972 entstanden. Nach einem Aufklärungsschreiben der Beklagten über die Rechtslage machte der Kläger geltend, die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei aufgrund ärztlicher Gutachten festgestellt worden. Es sei also Schmerzensgeld, das er erhalte und kein Lohnausgleich. Im folgenden führte er aus, in den Jahren seit 1972 hätte er wesentlich mehr verdienen und höhere Versicherungsbeiträge entrichten können, wäre er nicht behindert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und wies u.a. auf das Urteil des BSG vom 29.07.2004 Az.: B 4 RA 51/03 R hin.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Unfallrente sei ausschließlich aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu 30 v.H. gewährt worden und sei keine Lohnersatzleistung im Sinne des § 93 SGB VI. In diesem wie in folgenden Schriftsätzen finden sich ausgiebige Zitate aus dem o.g. Urteil des Bundessozialgerichts.

In einem drei Tage nach der Klageschrift an den Präsidenten der BfA gerichteten Schreiben hat der Kläger geltend gemacht, die Behinderung habe ihm hinreichend finanzielle Nachteile eingebracht. Dies bedeute, dass er gesund ein wesentlich höheres Einkommen und daraus resultierend eine höhere Altersrente hätte erzielen können.

Zur Untermauerung, dass die ihm gewährte Unfallversicherungsrente keine Lohnersatzleistung sei, hat der Kläger gegenüber dem Sozialgericht vorgetragen und belegt, dass er vor und nach dem Unfall die gleiche Entlohnung erzielt habe. Er hält für anrechenbar nach § 93 SGB VI allein Lohnersatzleistungen und für solche wiederum nur Leistungen, soweit ein Arbeitnehmer vorübergehend keiner Beschäftigung nachgehen könne. Die Anwendung des § 93 SGB VI sei keineswegs zwingend. Die Grundsätze in dem vom BSG entschiedenen Fall seien auf ihn nicht anwendbar, denn der dortige Kläger habe den linken Unterarm verloren. In dieser Situation sei es kaum möglich, als Facharbeiter den vor dem Unfall erzielten Lohn zu erwirtschaften. Die Verletztenrente habe dann in diesen Fällen neben dem immateriellen Ausgleich zudem Lohnersatzfunktion.

In der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2007 hat das Sozialgericht den Kläger nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage darauf hingewiesen, dass die Auferlegung von Kosten in Betracht komme, wenn die Kammer die Fortführung des Rechtsstreits als Missbrauch des grundsätzlich kostenfreien sozialgerichtlichen Rechtsschutzes ansehe.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2007 zu verurteilen, ihm ungekürztes Altersruhegeld zu gewähren.

Mit Urteil vom 19.10.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgesprochen, dass der Kläger an die Staatskasse 150,- EUR zu zahlen habe.

In seiner Begründung hat das Sozialgericht dargelegt, dass die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung nach § 93 SGB VI gesetzlich vorgesehen und richtig durchgeführt worden sei. Mit Hinweis auf das bereits zitierte Urteil des Bundessozialgerichts hat es weiter ausgeführt, dass an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 93 SGB VI keine Zweifel bestünden. Auf den Einwand des Klägers, seine Verletztenrente sei keine Lohnersatzleistung, sondern diene ausschließlich dem Ausgleich immaterieller Schäden hat das Sozialgericht, wieder mit Bezugnahme auf das genannte Urteil des Bundessozialgerichts ausgeführt, dass die Verletztenrente Einkommensersatzfunktion habe und ihre Höhe aufgrund einer abstrakten Schadensberechnung ermittelt werde. Für die Höhe der Verletztenrente sei nicht maßgeblich, wie hoch der unfallbedingte Einkommensverlust tatsächlich sei.

Zur Verhängung von Verschuldenskosten gemäß § 193 SGG hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei die Rechtslage und die daraus resultierende offensichtliche Aussichtslosigkeit des Klagebegehrens ausführlich dargelegt worden. Der Kläger habe die Ausführungen hierzu auch verstanden, gleichwohl aber an seinem Klagebegehren festgehalten.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, "die zum Rentenbescheid vom 29.12.2006 beinhaltete Minderung der Altersrente aus Verletztenrente der Metallberufsgenossenschaft ab dem 01.04.2007 aufzuheben sowie die Aufhebung von Verschuldungskosten in Höhe von 150,- EUR".

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger wiederholt im Berufungsverfahren im Wesentlichen seine bereits im Verwaltungs- und Klageverfahren vorgebrachten Einwände.

Mit Schreiben vom 14.12.2007 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass er nach § 153 Abs. 4 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte und dass er erwäge, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Hierzu hat der Kläger in mehreren Schriftsätzen seinen bisherigen Standpunkt wiederholt und hierbei u.a. ausgeführt, es bestehe nicht der geringste Anlass zu unterstellen, die Verletztenrente beinhalte Teile einer Lohnersatzleistung. Er hält auch die Annahme, die Berücksichtigung der Verletztenrente bei der Leistung einer Altersrente sei nach § 93 SGB VI zwingend, durch das bereits genannte Urteil des BSG für widerlegt.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der Entscheidung waren die Akten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts München in dem vorangegangenen Klageverfahren sowie die Akten des Bayer. Landessozialgerichts in zwei vorangegangenen Berufungsverfahren, einen anderen Streitgegenstand betreffend. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG bestand nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Verletztenrente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu Recht und in zutreffender Weise nach § 93 SGB VI auf die Altersrente angerechnet.

Der Senat weist in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Einwendungen des Klägers hiergegen greifen nicht durch. Sie enthalten keine Gesichtspunkte, die nicht schon in der sozialgerichtlichen Begründung berücksichtigt worden wären.

Dass § 93 SGB VI zwingend auf den Fall des Klägers anzuwenden ist, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes und ist im übrigen, was den zwingenden Charakter der Regelung anbetrifft, weder in Literatur noch in Rechtsprechung jemals zweifelhaft gewesen (stellvertretend hierzu vgl. BSG SozR 4-2600 § 93 Nr. 5).

Dass es auf die Frage, ob der Kläger durch den Arbeitsunfall Einkommensverluste erlitten habe, und inwieweit die Verletztenrente zur Abdeckung solcher Verluste geleistet wurde, nicht ankomme, hat das Sozialgericht mit Verweis auf das Urteil des BSG vom 31.03.1998 bereits ausgeführt. Wenngleich dem Kläger der Inhalt dieses Urteils ausweislich seiner häufigen Zitierung bekannt ist, muss ihm hier die entscheidende Passage vorgehalten werden: "Die Verletztenrente hat, wenngleich der Wert dieses Rechts nach dem Prinzip der abstrakten Schadensberechnung ermittelt wird, Einkommensersatzfunktion; zudem soll sie immaterielle Schäden kompensieren ... Der monatliche Wert des Rechts auf Verletztenrente wird nach dem sog. Prinzip der abstrakten Schadensberechnung ermittelt. Dies bedeutet, dass eine Bemessung der Entschädigungsleistung allein nach dem Maß der eingetretenen Beeinträchtigung der Gesundheit (Verlust an körperlicher, geistiger oder seelischer Integrität) unabhängig davon erfolgt, ob und inwieweit konkret materielle und immaterielle Schäden infolge der Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten sind. Von den konkreten Auswirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigungen auf Erwerbseinkommen oder Vermögen etc. wird also "abstrahiert", insbesondere davon, welche Verdiensteinbußen tatsächlich durch den Arbeitsunfall hervorgerufen wurden. Die in Form einer Rente zu gewährende Entschädigung für die MdE wird - anknüpfend an den Integritätsverlust - nach dem Unterschied der auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens bestehenden Erwerbsfähigkeit vor und nach dem Unfall bemessen ( ...). Dies wird mit der Erwägung begründet, mit dem Verlust an Fertigkeiten und Fähigkeiten gehe infolge des Arbeitsunfalls "typischerweise" ein entsprechender Verdienstausfall einher; daher sei nicht auf den Einzelfall und somit nicht darauf abzustellen, ob es jeweils tatsächlich zu einem konkreten Einkommensverlust gekommen ist."

Der Kläger kann sich nicht damit begnügen, nur die daran anschließenden Zeilen zu zitieren und in seinem Sinne auszulegen. Seine Rechtsauffassung würde bedeuten, dass die immateriellen Schäden umso höher entschädigt würden, je niedriger der konkrete Einkommensverlust wäre. Umgekehrt hätte ein Unfallgeschädigter bei gleichen gesundheitlichen Einbußen einen umso höheren Verlust an Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung hinzunehmen, je höher die tatsächliche Einkommenseinbuße durch die Unfallschädigung wäre und dies nicht nur in Gestalt geringere Beiträge sondern auch im Wege der Arechnung eines höheren Anteils der Verletztenrente auf eine ohnehin niedriger ausfallenden Rente.

Die Auferlegung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG durch das Sozialgericht ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf dem Eindruck des Sozialgerichts in der mündlichen Verhandlung von der Einsicht des Klägers in die Rechtslage und die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Eindruck unzutreffend gewesen wäre, hat der Senat nicht; sie ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers.

Die Berufung war deshalb in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.

Der Senat konnte durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hielt.
Rechtskraft
Aus
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