L 21 R 159/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 756/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 R 159/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 28. Februar 2005 insoweit aufgehoben, als die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 31. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2002 verpflichtet worden ist, auch die Zeit der Beschäftigung des Klägers vom 10. Februar 1975 bis 31. Dezember 1984 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz – Zusatzver- sorgungssystem Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüber- führungsgesetz – AAÜG, und die für diesen Zeitraum nachgewiesenen Entgelte festzustellen. Die diesbezüglich erhobene Klage wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt noch von der Beklagten die Feststellung des Zeitraumes vom 10. Februar 1975 bis 31. Dezember 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz - AVItech – mit den in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelten.

Der 1952 geborene Kläger war mit Urkunde vom 07. Februar 1975 berechtigt, den Titel Ingenieur zu führen. Später erhielt er den Titel Fachingenieur für Tribotechnik (14. Juli 1979) sowie den des Diplomingenieurs (20. Dezember 1979). In ein Zusatzversorgungssystem im Beitrittsgebiet ist der Kläger nicht einbezogen worden. Beiträge zur Freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung im Beitrittsgebiet – FZR – entrichtete der Kläger nicht.

Im streitbefangenen Zeitraum war der Kläger im VEB I P- VEB I - zunächst ab 10. Februar 1975 als Ingenieur für Planung und Instandhaltung, ab 21. Juni 1976 als Ingenieur für Planung und Vorbereitung, ab 01. Februar 1982 als Technologe, ab 01. Januar 1984 als Leiter Technologie und ab 01. Dezember 1989 als Gruppenleiter Instandhaltung MTA - Bauliche Anlagen tätig.

Seinen Antrag aus November 2000, Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der AVItech nebst entsprechenden Entgelten für Beschäftigungszeiten von 1975 bis 1990 festzustellen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Juli 2002 ab. Den hiergegen am 28. August 2002 erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 05. Dezember 2002 mit der Begründung zurück, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen sei.

Mit seiner am 16. Dezember 2002 vor dem Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, der VEB I sei ein Betrieb der speziellen Produktion im VEB S D gewesen und habe Ausrüstung produziert. Der Begriff Instandsetzungswerk sei wohl aus Geheimhaltungsgründen gewählt worden. Produziert worden seien Mopedgepäckträger für die Schwalbe, leicht absetzbare Container, FASTA, PK 16 und Panzerabwehrlenkraketen. Aus dem vom Sozialgericht beigezogenen Sachverständigengutachten gehe eindeutig hervor, dass er in einem Produktionsbetrieb gearbeitet habe.

Der Kläger hat Arbeitsverträge und Urkunden in Ablichtung zur Gerichtsakte gereicht.

Die Beklagte ist im sozialgerichtlichen Verfahren bei der mit dem Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung verblieben.

Das Sozialgericht hat eine Niederschrift aus einer öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Neuruppin in dem Rechtsstreit S 7 RA 283/07, Auskünfte des Landkreises Uckermark vom 12. November 2002, des Militärischen Forschungsamtes Leiter Forschungsbereich IV des MGFA vom 15. November 2002, der D GmbH vom 12. November 2002, des Ministeriums für Wirtschaft des Landes Brandenburg vom 25. November 2002, des Bundesarchivs vom 12. Dezember 2002, der Wehrbereichsverwaltung Ost vom 02. Januar 2003, ein Schreiben der II P GmbH vom 30. September 1991, ein Schreiben der B GmbH i. GV. aus 2003 mit Anlagen, ein Schreiben des Landeshauptarchivs Schwerin vom 21. Januar 2004 sowie ein Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes Frankfurt (Oder) zur Registernummer 110 (VEB Kombinat S D IP) beigezogen. Weiter hat das Sozialgericht vom Bundesarchiv eine Recherche zur Entwicklung des MP von 1945 bis 1990 beigezogen sowie das in dem Rechtsstreit des Sozialgerichts Neuruppin, Aktenzeichen S 7 RA 155/03 erstattete Sachverständigengutachten des Prof. Dr. sc. oek. S S (ohne Datum).

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2005 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2002 verpflichtet, die Zeit vom 10. Februar 1975 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem AVItech und mit den entsprechenden Entgelten festzustellen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf das beigezogene Sachverständigengutachten des Prof. S die Entscheidung damit begründet, dass der Beschäftigungsbetrieb als Hauptzweck eine industrielle Fertigung von Sachgütern z. B. Panzerabwehrlenkraketen und Raketenwerfer gehabt habe. Daneben sei der Betrieb in der industriellen Instandsetzung vor allem an Radar und Raketentechnik tätig gewesen. Die Produktion habe Anfang der 80er Jahre überwogen.

Gegen den ihr am 08. März 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 14. März 2005 Berufung eingelegt. Nachdem sie diese mit Schriftsatz vom 15. April 2006 hinsichtlich des Zeitraumes ab 01. Januar 1986 bis 30. Juni 1990 zurückgenommen hat, macht sie noch geltend, dass nach den weiter vom Senat beigezogenen Unterlagen (Niederschrift Termin zur Beweisaufnahme im Verfahren L 21 R 165/04 des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg) geklärt sei, dass bis 1986 nicht die industrielle Produktion dem Betrieb das Gepräge gegeben habe. Das Betriebsprofil habe sich erst ab 1986 geändert.

Die Beklagte beantragt:

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 28. Februar 2005 abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als mit ihr Feststellungen für den Zeitraum vom 10. Februar 1975 bis 31. Dezember 1985 begehrt worden sind.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und macht weiter geltend, die Beklagte betrachte die Betriebsbezeichnung I zu formal. Dieser Begriff sei eher aus Geheimhaltungsgründen gewählt worden. Das I habe zum Kombinat S D gehört, welches dem Ministerium für Maschinen- und Fahrzeugbau unterstellt gewesen sei. Der Hauptzweck des Betriebes sei von Anfang an die Produktion gewesen, nicht erst ab 1986. Ab diesem Zeitraum sei eine weitere Fertigungsanlage zu den bereits bestehenden Fertigungsanlagen hinzugekommen.

Der Senat hat die Gerichtsakte aus der Gerichtsakte des bei ihm anhängig gewesenen Rechtsstreit L 21 RA 165/04 Ablichtungen gefertigt und als Beiakte zur Gerichtsakte genommen (Beiakte zu Blatt 165 der Gerichtsakten - GA -) sowie die im Rechtsstreit L 21 RA 165/04 (LSG Berlin-Brandenburg) beigezogenen Volkswirtschaftspläne des I (7 Bände) sowie die in dem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Neuruppin zum Aktenzeichen S 7 RA 155/03 erstattete ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. sc. Oec. S S vom 08. November 2004 beigezogen.

Wegen des Inhalts der beigezogen Unterlagen und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wird auf die Gerichtsakte mit Beiakten und auf die vom Senat weiter beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorlegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das Sozialgericht hat teilweise zu Unrecht die Beklagte verpflichtet, den von dem Kläger begehrten Zeitraum insgesamt als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz AVItech und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Teilweise zu Recht hat es die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnt, den Zeitraum vom 10. Februar 1975 bis 31. Dezember 1984 dem Begehren des Klägers entsprechend festzustellen.

Nachdem die Beklagte die Berufung hinsichtlich der Verurteilung zur Feststellung des Zeitraumes vom 01. Januar 1986 bis 30. Juni 1990 mit Schriftsatz vom 15. April 2006 zurückgenommen hat, ist durch die eingetretene Rechtskraft des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Neuruppin festgestellt, dass das AAÜG für den Kläger anwendbar ist. Zwar folgt eine Geltung des AAÜG für einen Berechtigten nicht bereits daraus, dass die Beklagte mit Feststellungsbescheiden Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anerkennt. Damit wird nämlich in der Regel nicht bindend festgestellt, dass § 1 AAÜG für den Berechtigten Anwendung findet, da in der Regel lediglich Daten nach §§ 5, 8 AAÜG für den Rentenversicherungsträger festgestellt werden. Der bloßen Anwendung von Vorschriften eines Gesetzes kann nicht entnommen werden, dass eine eigenständige Feststellung im Sinne von § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - zur Anwendbarkeit des § 1 AAÜG getroffen wird. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 AAÜG ist dann jeweils gesondert für weitere Zeiträume festzustellen (BSG vom 24. April 2002, B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 2). Mit dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist die Beklagte jedoch nach (Teil-)Rücknahme der auch diesbezüglich eingelegten Berufung rechtskräftig verpflichtet, Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech ab 01. Januar 1986, ausgehend von der festgestellten Anwendbarkeit des AAÜG, festzustellen. Dass das AAÜG für den Kläger Anwendung findet, hat die Beklagte auch mit Schriftsatz vom 15. April 2006 zudem ausdrücklich festgestellt.

Anspruchsnorm für darüber hinaus begehrte Zeiträume der Beschäftigung vor dem 01. Januar 1986 betreffende Feststellungen ist § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG.

Danach hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der an den Rentenversicherungsträger erfolgten Mitteilung über Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die tatsächlich erzielten Entgelte (§ 8 Abs. 1, Abs. 2 AAÜG) durch Bescheid bekannt zu geben. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für weitere Feststellungen nach dem AAÜG besteht ein Anspruch auf einen solchen Verwaltungsakt (BSG vom 20. Dezember 2001, B 4 RA 6/01 R, SozR 3 8570 § 8 Nr. 7 m. w. N.).

Der Kläger hat danach noch einen Anspruch darauf, dass der Zeitraum vom 01. Januar 1985 bis 31. Dezember 1985 nach § 8 Abs. 3 AAÜG als weitere Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech mit den entsprechenden Entgelten festgestellt wird. Die Feststellung weiterer Zeiten hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht abgelehnt.

Maßstabsnorm ist § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Danach gelten als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Diese Norm bestimmt die Gleichstellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung für solche Zeiten, in denen "Versorgungsberechtigte" eine entgeltliche Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt haben und wegen der eine zusätzliche Altersversorgung in einem der in Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten System vorgesehen war. Drei Tatbestandsvoraussetzungen nämlich 1. Ausübung einer Beschäftigung, 2. Entgeltlichkeit der Beschäftigung und 3. Beschäftigung im Rahmen eines Versorgungssystems müssen vorliegen (BSG vom 24. Juli 2003, B 4 RA 40/02 R, veröffentlicht in juris). Auf eine tatsächliche Einbeziehung durch Aushändigung einer Urkunde oder durch einen Verwaltungsakt einer staatlichen Stelle der DDR kommt es nicht an, auch wenn ein solcher Akt nach der jeweiligen Versorgungsordnung erforderlich gewesen sein sollte (BSG vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03, D Spezial 2004, Nr. 8 Seite 8, veröffentlicht in juris). Die Frage der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem und die Frage, ob eine Beschäftigung im Rahmen des Zusatzversorgungssystems ausgeübt worden ist, ist danach zu beantworten, ob eine tatsächlich ausgeübte Beschäftigung ihrer Art nach zu derjenigen gehörte, derentwegen - entsprechend der nach den objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts zu verstehenden Versorgungsordnung und ggf. weiterer einschlägiger genereller und veröffentlichter Erläuterungen hierzu - zu irgendeinem Zeitpunkt das Versorgungssystem errichtet worden ist.

Ausgehend davon bedarf es zur Beantwortung der Frage nach der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem in einem bestimmten Zeitraum des Rückgriffs auf diejenigen Gegebenheiten der DDR, an die das AAÜG anknüpft. Im Falle des § 5 Abs. 1 AAÜG sind dies die Texte der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten und damit insoweit als bundesrechtliche relevante Fakten anerkannten Versorgungsordnung. Nach diesen Grundsätzen ist der streitige Zeitraum bis zum 31. Dezember 1984 nicht als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech festzustellen, weil nach den heranzuziehenden Regelungen, nämlich der VO AVItech vom 17. August 1950 (GBl. 844) und der Zweiten Durchführungsbestimmung 2. DB zur VO AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. 487), der Kläger in dem streitigen Zeitraum nicht ein einzubeziehender Ingenieur gewesen ist.

Der Kläger gehörte erst ab 1985 zur Gruppe derjenigen, die in das System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz obligatorisch einzubeziehen waren. Ob jemand aufgrund seiner Qualifikation und der ausgeübten Beschäftigung zum Kreis der durch die Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz Begünstigten zu zählen ist, lässt sich durch die Heranziehung der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I S. 844) allein nicht klären. Dort heißt es in § 1 nur, für die Angehörigen der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben werde über den Rahmen der Sozialpflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt. Dass es - unter anderem - zur Konkretisierung des nur vage umrissenen Begriffs der Angehörigen der technischen Intelligenz und damit des Kreises der Begünstigten noch näherer Bestimmungen bedurfte, war dem Verordnungsgeber offenbar bewusst, denn § 5 zufolge waren durch das Ministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Industrie und dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Die Ausfüllung des Begriffs "Angehörige der technischen Intelligenz", das heißt die Definition des von der Verordnung erfassten Personenkreises, dem die zusätzliche Versorgungsversicherung zugute kommen sollte, findet sich in der hier ebenfalls heranzuziehenden 2. DB zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR S. 487), durch welche die Erste Durchführungsbestimmung vom 26. September 1950 (GBl. DDR S. 1043) außer Kraft gesetzt wurde. Danach war das Versorgungssystem eingerichtet für Personen, die 1. berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, 2. entsprechende Tätigkeiten tatsächlich ausübten und die 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb tätig waren.

Der Kläger war in dem streitbefangenen Zeitraum berechtigt, den Titel Ingenieur zu führen. Er hat auch eine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Bei dem Kläger lag jedoch die dritte, d. h. die betriebsbezogene Voraussetzung, erst für Beschäftigungszeiten ab 1985 vor. Zuvor war er nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne der Versorgungsordnung beschäftigt.

Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebes muss die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern bzw. die Errichtung (Massenproduktion) von Anlagen gewesen sein (BSG vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, veröffentlicht in juris; Urteil vom 08. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R, veröffentlicht in juris; Urteil vom 10. April 2002, B 4 RA 10/02 R, SozR 3 8570 § 5 Nr. 11).

Abzustellen ist auf den juristisch selbständigen Beschäftigungsbetrieb des Klägers, den VEB I. Dieser Betrieb war als selbständiger Betrieb im Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes Frankfurt/Oder eingetragen, wies sich aus dem vom Sozialgericht beigezogenen Registerauszug ergibt.

Der Kläger war zwar in dem streitbefangenen Zeitraumes durchgehend in einem volkseigenen Betrieb beschäftigt. Erfasst von der Versorgungsordnung waren jedoch nur volkseigene Produktionsbetriebe.

Die Versorgungsordnung begrenzte den Anwendungsbereich auf volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie oder des Bauwesens (BSG vom 09. April 2002, B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8750 § 1 Nr. 6). Hauptzweck muss die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern bzw. die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen gewesen sein (BSG vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, veröffentlicht in juris; Urteil vom 08. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R, veröffentlicht in juris). Notwendige Voraussetzung für die Einbeziehung in das Versorgungssystem AVItech war die Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb (BSG vom 10. April 2002, B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 11). Zwar ist die Differenzierung zwischen den volkseigenen Produktionsbetrieben und anderen volkseigenen Betrieben nicht immer in Verordnungen zum Ausdruck gekommen. In der ehemaligen DDR wurde auch im Wirtschaftsleben unterschieden zwischen auf der einen Seite den volkseigenen Betrieben in der Industrie, im Bauwesen und im Verkehrswesen, für die z. B. die Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und Vereinigungen volkseigener Betriebe vom 28. März 1973 (GBl. I S. 129 - VO 1973 -) unmittelbar galt, und auf der anderen Seite Handelsbetrieben, Betrieben auf dem Gebiet der Dienstleistungen und der Landwirtschaft und Betreiben in anderen Bereichen der Volkswirtschaft. Die Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 08. November 1979 (GBl. I S. 355 - VO 1979 -) stellte den volkseigenen Kombinaten und Kombinatsbetrieben in der Industrie und im Bauwesen die volkseigenen Kombinaten und Kombinatsbetriebe in anderen Bereichen der Volkswirtschaft gegenüber. § 1 Abs. 2 der 2. DB enthält damit eine Klarstellung, dass der volkseigene Betrieb ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens gewesen sein muss (BSG vom 10. April 2002, B 4 RA 10/02 R, a.a.O.).

Der Begriff der Produktion in der Versorgungsordnung ist dabei vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Versorgungsordnung, nämlich durch versorgungsrechtliche Privilegierung bestimmter Personengruppen in bestimmten Bereichen der DDR-Volkswirtschaft diese abgegrenzten Teile der Wirtschaft, nämlich die industrielle Produktion, zu fördern, auszulegen. Erfasst wurden von der Versorgungsordnung nicht sämtliche volkseigenen Betriebe, sondern nur ausgewählte Betriebe im Bereich des Wirtschaftslebens der ehemaligen DDR. Es sollte nur ein bestimmter Bereich der DDR-Wirtschaft durch versorgungsrechtliche Privilegien gefördert werden und die darin tätigen Personengruppen - auch nicht alle, sondern nur die in der 2. DB genannten Personengruppen - privilegiert werden. Daher ist auch nicht ein weiter Produktionsbegriff, wie vom Kläger angenommen, zugrunde zu legen, sondern nur die engere industrielle Produktion, deren besondere Bedeutung für die Volkswirtschaft der ehemaligen DDR durch die Versorgungsordnung gefördert werden sollte. Unter Produktion wurde in der DDR die Herstellung standardisierter Massenprodukte verstanden. Dies folgt aus § 22 Abs. 1 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Produktionsbetriebe vom 09. Februar 1967 (GBl. II, S. 129). Danach hatte ein Produktionsbetrieb im Rahmen der Festlegungen des übergeordneten Organs seine Produktionsstruktur so zu gestalten, dass eine rationelle Produktion, besonders der Haupterzeugnisse, mit hoher Qualität, in großer Serie und nach modernen Fertigungsprinzipien erfolgte. Auch in der VO 1973 wird von Finalerzeugnissen gesprochen. In der VO 1979 wird die Verantwortung der Kombinate für die Sicherung der bedarfsgerechten Produktion der in den staatlichen Plänen festgelegten "Enderzeugnisse" bestimmt. Das Finalerzeugnis war nach dem Sprachgebrauch der ehemaligen DDR ein "materielles Produkt eines Kombinates oder Betriebes, das als Investitionsgut oder Konsumgut unmittelbar für den Bedarf der Bevölkerung, der Wirtschaft sowie den Export bestimmt ist und nicht wieder als Arbeitsgegenstand in die Produktion eingeht." (Wörterbuch der Ökonomie Sozialismus, Hg. Ehlert, Joswig, Luchterhand u.a., Dietz Verlag Berlin, 5. Aufl. 1983 - Wörterbuch -). Diese Definition spricht zwar zunächst nicht dagegen, auch ein in der Instandsetzung gewonnenes Produkt unter den Begriff eines Finalerzeugnisses zu fassen, wenn es unmittelbar für den Absatz geschaffen worden ist. Bei der Verwendung der Begriffe "Produktion" und "Finalerzeugnis" und "Enderzeugnis" wird aber nicht auf die "Instandsetzung" als Gewinnungsprozess in den zitierten Verordnungen abgestellt, obwohl "Instandsetzung" in der ehemaligen DDR gesondert von der Produktion als Prozess definiert war. Nach dem in der Versorgungsordnung zum Ausdruck gekommenen Sprachgebrauch der DDR war unter einem volkseigenen Produktionsbetrieb vielmehr nur ein Betrieb zur serienmäßigen Herstellung von erstmalig für den Gebrauch bestimmter Endprodukte verstanden worden (so auch: LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Februar 2003, L 4 RA 48/02, E-LSG RA-135; veröffentlicht in juris), nicht aber ein Betrieb der Instandsetzung oder Reparatur, auch wenn diese zur Wiederherstellung eines gebrauchsfähigen Konsumgutes und Absatzproduktes führte. Dies folgt auch daraus, dass die "Instandhaltung" in der ehemaligen DDR als eigenständiger, der Produktion dienender Bereich definiert wurde. Unter Instandhaltung wurde die "Gesamtheit von Maßnahmen zur planmäßigen Erhaltung des Gebrauchswertes, der Einsatzfähigkeit sowie der Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Grundmitteln" (Wörterbuch der Ökonomie, Stichwort Instandhaltung) verstanden. Sie umfasste die laufende Instandhaltung und die Generalreparatur, die als "Modernisierung in Verbindung mit der Wiederherstellung der technischen Nutzungsfähigkeit" definiert wurde (Wörterbuch der Ökonomie, a.a.O.). Im Rahmen der Definition des Begriffes "Produktion" wird auf diesen Bereich nicht verwiesen (vergl.: Wörterbuch der Ökomomie). Dabei war es Ziel, den Instandhaltungsprozess zunehmend zu mechanisieren und zu automatisieren, um dadurch Produktionsausfälle "so gering wie möglich" (Wörterbuch der Ökonomie, Stichwort Instandhaltung) zu halten und in der Instandhaltung beschäftigte Arbeitskräfte für andere wichtige Aufgaben zu gewinnen. Diese Definitionen zeigen, dass in der ehemaligen DDR auch die mechanisierte und automatisierte Instandhaltung zur Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit und die Generalreparatur gerade von der der industriemäßigen (Neu-)Produktion von Sachgütern gesondert definiert wurde. Sie diente auch der Industrieproduktion, war aber ein eigenständiger Bereich, der nicht mit der industriellen Produktion gleichzusetzen war, auf die allein sich die VOAVItech bezog.

Eine industrielle Instandsetzung und Modernisierung von Gütern unterfiel nicht - wie dargestellt - dem Produktionsbegriff im Sinne des fordistischen Produktionsmodells wie er der Versorgungsordnung zugrunde gelegen hat (vgl. Urteil des Senats v. 29. August 2006, Az.: L 21 RA 179/03). Diese serienmäßige Instandsetzung im Rahmen eines industriellen Prozesses war, auch wenn sie hoch spezialisiert von spezialisierten Fachkräften durchgeführt wurde, nicht darauf gerichtet, ein neues Sachgut serienmäßig herzustellen, sondern im Rahmen einer industriemäßigen Organisation nicht mehr gebrauchsfähige Güter, hier Militärtechnik, vornehmlich Raketentechnik, wieder gebrauchsfähig zu machen. Bei der (serienmäßigen) Instandsetzung ist die betriebliche Tätigkeit darauf gerichtet, die Gebrauchsfähigkeit eines schon vorhandenen, hergestellten Wirtschaftsgutes so weit wieder herzustellen, dass es entsprechend der bisherigen Funktion weiter verwendet werden kann. Im Rahmen einer (auch serienmäßig organisierten) Instandsetzung wurde in diesem Prozess keine serienmäßige Neuproduktion vorgenommen. Gefordert von der Versorgungsordnung für eine industrielle Neuproduktion ist aber, dass ein neues Wirtschaftsgut gefertigt wird (LSG Berlin-Brandenburg vom 26. Juni 2007, L 12 RA 110/04, juris). Eine Fertigung (von Baugruppen) unter Verwendung von Altteilen stellt daher keine industrielle Güterproduktion im Sinne der Versorgungsordnung dar (BSG vom 28. April 2008, B 4 RS 31/07 R, bisher nicht veröffentlicht).

Soweit der Sachverständige Prof. S in dem beigezogenen Gutachten und in der ergänzenden Stellungnahme vom 08. November 2004 ausführt, dass der Beschäftigungsbetrieb des Klägers, der VEB I, als Betrieb der speziellen Produktion ein Betrieb der Serienproduktion und Massenproduktion war, so führt dies nach dem Dargestellten nicht dazu, dass der Betrieb in dem gesamten streitbefangenen Zeitraum ein Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung war. Da der Betrieb auch nach den Feststellungen des Sachverständigen und nach der Aussage des Zeugen W und unter Berücksichtigung der beigezogenen Unterlagen, insbesondere der Volkswirtschaftspläne für die Jahre ab 1981 auch Instandsetzungsleistungen erbracht hat, die – wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen S ergibt – zur "speziellen Produktion" gehörten, ist zu differenzieren, was Hauptzweck des Betriebes war. Wie dargestellt mag zwar die (serienmäßige) Instandsetzung nach dem Sprachgebrauch der DDR unter einem weiten Produktionsbegriff zu fassen gewesen sein. An diese "Produktion" knüpft jedoch nicht die VOAVItech hinsichtlich der betriebsbezogenen Voraussetzung an.

Ein industrieller Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung war der VEB I bis 1985 nicht. Schon nach seinem Namen "Instandsetzungswerk" lag der Hauptzweck, auf den abzustellen ist (BSG vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, a.a.O.), in der Instandsetzung von Militärtechnik, vornehmlich – wie sich aus dem Gutachten des Prof. S ergibt (Seite 25) – der Radar- und Raketentechnik. Aus den beigezogenen Volkswirtschaftsplänen ergeben sich die Instandsetzungsleistungen durch die Zusätze "HI" für Hauptinstandsetzung und "MI" für mittlere Instandsetzung bei den Planangaben zu den Warenproduktionen.

Der VEB I gehörte seit seiner Gründung 1964 zur so genannten speziellen Produktion in der ehemaligen DDR, die zur Aufgabe hatte, den Bedarf an Gütern für die Landesverteidigung sicherzustellen. Wie aus dem Gutachten des Prof. S folgt, nahm die Instandsetzung und Modernisierung im Rahmen der speziellen Produktion in der ehemaligen DDR eine herausragende Rolle ein. Die DDR importierte nämlich 90 bis 95 v.H. der Bewaffnung und Ausrüstung vor allem aus der UDSSR, der Anteil der industriell instandgesetzten Technik für die DDR betrug 80 bis 90 v.H. Der VEB I war von Anfang an in diesem Bereich tätig. Hauptzweck war die Modernisierung und Instandsetzung von vorhandener oder importierter Wehrtechnik, wie dies auch der Zeuge W in seiner Aussage im Verfahren L 21 RA 165/04 unter Berücksichtigung des Inhalts der vom Senat beigezogenen Volkswirtschaftspläne angegeben hat. Nach dessen Schilderungen ist der Betrieb bereits als Reparaturwerk für Raketentechnik 1964 gegründet worden. Dieses Betriebsprofil wurde auch nach Eingliederung des Betriebs in das VEB K S D beibehalten. Als selbständiger Kombinatsbetrieb hatte der VEB I damit ab 1971 die Instandsetzung wehrtechnischer Güter zur Aufgabe. Weitere selbständige Kombinatsbetriebe z.B. in D und L hatten die Aufgabe der Flugzeug- und Triebwerksinstandsetzung, wie sich ebenfalls aus dem Gutachten des Prof. S ergibt. Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebes des Klägers war bis 1985 die (industriemäßige) Instandsetzung von Militärtechnik, Wehrgütern. Dies ergibt sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus dem Sachverständigengutachten des Prof. S und der Aussage des Zeugen W. Hauptzweck des Betriebes war bis 1985 daher nicht die (Neu-) Fertigung, Herstellung, Anfertigung und Fabrikation von Sachgütern in Form der Massenproduktion für den Massenabsatz, auch wenn im Rahmen des Instandsetzungsprozesses, der in dem Instandsetzungswerk VEB I serienmäßig erfolgte, Ersatzteile neu hergestellt wurden, um sie im Rahmen der instand zu setzenden Technik zu gebrauchen. Soweit ein Anteil der hergestellten Ersatzteile für den freien Verkehr, das heißt für andere Unternehmen verkauft wurde, war dies jedenfalls nicht der Hauptzweck des Unternehmens.

Auch nach der beigezogenen Recherche zur geschichtlichen Entwicklung des Munitionslagers P von 1945 bis 1990, die vom Sozialgericht aus einem anderen Rechtsstreit über das Bundesarchiv - Militärarchiv - beigezogen worden ist (Blatt 98 der Gerichtsakten), wurde der VEB I als Reparaturwerk für Spezialbewaffnung gegründet, die Aufgaben nach Zuordnung zum Kombinat bestanden weiter in der technologischen Vorbereitung und Durchführung von industriellen Instandsetzungen an FLAK-Raketen, Radartechnik und der Reparatur von elektronischen Messtechniken.

Soweit in dem VEB I auch Güter neu produziert worden sind, war dies bis Ende 1984 jedenfalls nicht Hauptzweck des Betriebes. Die Neuherstellung von Gütern zur Versorgung der Bevölkerung, die sogenannte Konsumgüterproduktion, die auch von dem Betreib verfolgt wurde (Gepäckträger und Mopedersatzteile), war nicht Hauptzweck des Betriebes und machte, wie sich aus dem Gutachten des Prof. S ergibt, 5.v.H. des Umsatzes aus. Zwar wurden auch Sachgüter, wie z.B. so genannte "EWZ-Sätze" (Ersatzteile, Werkzeuge, Zubehör) für Wehrtechnik in dem Betrieb neu angefertigt, wie sich dies aus den Volkswirtschaftsplänen und der Aussage des Zeugen W ergibt. Hauptaufgabe und Hauptleistung war jedoch die Instandsetzung von Wehrtechnik.

Aus allem folgt demnach, dass Hauptzweck des Betriebes ab Gründung und weiter ab Zuordnung zum K für S D die (industrielle) Instandsetzung von vornehmlich Raketentechnik war, wenn auch ein Teil der Betriebsleistung die Neufertigung von Sachgütern ausmachte.

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers bis 1985, ein Instandsetzungs-/Reparaturwerk, war auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 2. DB, weil er dort nicht genannt ist. Eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme getroffenen Entscheidungen der DDR ist bundesrechtlich nicht erlaubt, auch soweit sie in sich willkürlich sein sollten, da der Einigungsvertrag grundsätzlich nur auf die Übernahme zum 03. Oktober 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften von "Einbezogenen" in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten hat (BSG vom 09. April 2020, B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6). Daher kann auch nicht eine Erweiterung der gleichgestellten Betriebe gemäß § 1 Abs. 2 2. DB erfolgen. Ist ein Betrieb in der 2. DB am 30. Juni 1990 nicht in der Aufzählung genannt, wie z. B. Reparatur- und Instandsetzungsbetriebe, war er auch bis zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme nicht gleichgestellt.

Da – wie dargestellt – der Beschäftigungsbetrieb des Klägers ab Gründung und im weiteren Bestehen mit dem Hauptzweck der Instandsetzung nicht von der Versorgungsordnung erfasst war, setzt ein Anspruch des Klägers voraus, dass dieser Hauptzweck im Laufe der Betriebstätigkeit geändert worden ist.

Eine solche Änderung des Hauptzwecks ist bis 1985 nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht festzustellen. Erforderlich ist eine auf Dauer angelegte Änderung der Ausrichtung des Betriebes. Eine solche Änderung eines Betriebszwecks kann sich aus der Änderung eines Statuts, einer Anweisung eines dem Betreib übergeordneten Organs oder ähnlicher Anweisungen ergeben. Solche Statuten, offiziellen Anweisungen sind nicht vorhanden. Das Sozialgericht hat im Wege der Amtsermittlung erfolglos versucht, von allen in Betracht kommenden Stellen, Betriebsunterlagen wie Statuten, Gründungsanweisungen oder sonstige Betriebsunterlagen beizuziehen. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich.

Ein geänderter Zweck des Betriebes kann sich auch aus einem Auftreten des Betriebes im Wirtschaftsleben, einer veränderten Unternehmensstruktur, Schließung von Betriebsteilen etc. ergeben.

Eine Änderung des Betriebsprofils kann sich zwar auch aus einer Veränderung des Leistungsangebotes ergeben, dies erfordert aber, dass die Veränderung des Leistungsangebots eindeutig auf eine Zweckänderung schließen lässt. Nicht jede vorübergehende Umsatzsteigerung in einem Betriebsbereich, der nicht zum Hauptzweck eines Betriebes gehört, muss eine Abkehr vom eigentlichen Betriebszweck darstellen, ebenso wenig wie ein Rückgang der Umsätze im Bereich des eigentlichen Betriebszwecks. Solche Umstände lassen als solche noch nicht auf eine auf Dauer angelegte Änderung der Ausrichtung des Betriebszwecks schließen. Sie können jedoch Indizien sein. Dies gilt auch für eine Verlagerung des Schwerpunktes des Einsatzes der Betriebsmittel und der Arbeitskräfte, da auch mit einem verhältnismäßig geringen Personalaufwand und geringem Einsatz von Betriebsmitteln der wirtschaftliche Zweck eines Betriebes verfolgt werden kann.

Erfordert die Neuausrichtung eines Betriebes Investitionen in neue Betriebsmittel oder eine Veränderung der Personalstruktur, so kann aus diesbezüglich veranlassten intensiven Investitionen in neue Betriebsmittel, in Personal aus Veränderungen der Standorte auf einen auf Dauer angelegten Wechsel des Betriebszwecks geschlossen werden, weil kostenintensive Veränderungen in der Regel auf der Grundlage einer veränderten Umsatzerwartung erfolgen.

Davon ausgehend ist der Betriebszweck des VEB I ab 1985 geändert worden. Wie sich aus den beigezogenen Volkswirtschaftplänen des Betriebes für die Zeit ab 1981 und aus der Aussage des diesbezüglich vom Senat gehörten Zeugen W, Hauptbuchhalter des Betriebes ab 1982, im Rechtsstreit L 21 RA 165/04 ergibt, wurde ab 1985 überwiegend in die Neuproduktion investiert, drei neue Produktionshallen nebst Bunkern zur Neufertigung von Panzerabwehrlenkraketen – PALR – wurden geschaffen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen S und des Zeugen W sollten die Panzerabwehrlenkraketen - PALR - neu in dem Betrieb hergestellt werden, neben der bereits schon zuvor, Anfang der 80iger Jahre begonnenen (Neu-)Fertigung der Starter für Flakraketen – FASTA – und der Geschosswerfer – PK 16 -.

Nach dem Investitionsplan 1985 sollte mit der Umsetzung der Investitionen für dieses neue Vorhaben mit der Kennzahl "510" ab August 1985 begonnen werden mit einem geplanten Investitionszeitraum bis Ende 1986. Mit dem Plan für das Jahr 1985 wurden für dieses Vorhaben, für das ein Investitionsvolumen von insgesamt annähernd 80 Mio Mark vorgesehen war, insgesamt für Bau- und Ausrüstung ein Investitionsvolumen von 40 550 000 Mark geplant. Der Finanzbedarf für Investitionen für den Gesamtbetrieb wurde für das Jahr mit 43 731 000 Mark geplant, so dass nahezu der gesamte Finanzbedarf für Investitionen für einen Bereich der Neufertigung vorgesehen war.

In keinem der Vorjahrespläne war eine Investition für ein Einzelvorhaben zur Neufertigung von Sachgütern vorgesehen, die auch nur annähernd diesen Umfang erreichte. So war 1984 ein Gesamtbedarf für Investitionen in Höhe von 6 990 000 Mark geplant.1983 wurde die Hauptinvestition für ein Kohleheizwerk (6 597 000 Mark) geplant. Für 1982 wurden 12 024 000 Mark Finanzbedarf für Investitionen in die Planung eingestellt. Für 1981 wurde ein Finanzbedarf für Investitionen in Höhe von insgesamt 13 684 000 Mark geplant, wovon nur ein Anteil von 4 164 000 für Bauinvestitionen vorgesehen war (Rest für Ausrüstungen + Sonstiges), so dass auch für dieses Jahr keine besonders erhöhten Investitionen für neue Produktionseinrichtungen festzustellen sind.

Aus allem folgt, dass allein für die Zeit ab 1985 Investitionen in neue Fertigungsanlagen (Produktionsgebäude) geplant waren, die einen solchen Anteil an den Gesamtinvestitionen des Planjahres hatten und von der Art der geplanten Investitionen der Vorjahre abwichen, dass auf die Änderung des Betriebszweckes von einem Betrieb der (industriellen) Instandsetzung zu einem Betrieb der Neufertigung zu schließen ist.

Dieses Ergebnis korrespondiert auch mit den Feststellungen des Sachverständigen S. Dieser hat nämlich zur Entwicklung des Betriebsprofils angegeben, dieses habe sich im Zeitraum des Bestehens geändert. Zunächst habe dieses überwiegend in der industriellen Instandsetzung bestanden, die noch bis Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre nach seinen Erkenntnissen überwogen hat. In den 80er und 90er Jahren habe sich nach seinen Erkenntnissen das Verhältnis von Instandsetzungsleistungen zu Neuproduktionsleistungen geändert (Seite 31 Gutachten Prof. S). Soweit die Produktion von Panzerabwehrlenkraketen und Raketenwerfern eingesetzt hat, wird von dem Sachverständigen unter Berücksichtung der Aussage des Zeugen W und dem Inhalt der beigezogenen Volkswirtschaftspläne nachvollziehbar angegeben, dass mit Einsetzen der Neuproduktion der PALR die Produktion von Raketenwerfern (PK 16) übertroffen wurde und in den letzten Jahren die Neuproduktion überwogen habe. Überzeugend führt der Sachverständige an, dass sich der Unternehmensgegenstand von anfänglich vorherrschender industrieller Instandsetzung mit der Aufnahme der Produktion von Panzerabwehrlenkraketen "bzw. –teilen für die innovative Militärtechnik" vollzogen hatte (Seite 16 Gutachten Prof. S). Damit beschreibt der Sachverständige nachvollziehbar einen Veränderungsprozess, der mit dem Beginn der Neuproduktion der PALR abgeschlossen war. Vorher war auch nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht die Neuproduktion von Sachgütern Hauptzweck des Betriebes.

Soweit der Zeuge W unter Beachtung der beigezogenen Volkswirtschaftspläne nachvollziehbar den Beginn der Neufertigung von Startern für Flakraketen (FASTA) und die Fertigung von Geschosswerfern (PK 16) in den Jahren 1981 und 1982 angegeben hat, stellte die Aufnahme der (Neu-)Fertigung der FASTA bzw. der PK 16 noch keine Änderung des Betriebszwecks insgesamt dar. Erst durch die (Neu-)Produktion der PALR änderte sich die die Ausrichtung des Betriebes insgesamt. Aus den beigezogenen Volkswirtschaftsplänen ergibt sich für die Zeit ab 1981 bis 1985 nicht nachvollziehbar eine Verlagerung des Hauptzweckes von der industriemäßigen Instandsetzung von Militärtechnik hin zur (Neu-)Produktion. Soweit der Zeuge W auf die Frage, wann die Fertigung im Betrieb überwogen hat, ausgeführt hat, dass die Fertigung PK 16 und FASTA 1983 angefangen habe, ist diese zeitliche Einordnung zum einen nicht nachvollziehbar, zum anderen hat durch die Fertigung von FASTA und PK 16 in den Jahren bis 1985 im Betrieb nicht die Neufertigung von Raketentechnik überwogen. Allein dieser Bereich der Neufertigung hat nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen S den Unternehmenszweck nicht geändert.

Aus der beigezogenen, vom ehemaligen Leiter Erzeugnisplanung und leitenden Technologen des VEB I, U, anhand der Volkswirtschaftspläne gefertigten Aufstellung der Fertigungsleistungen des Betriebes von 1981 bis 1989 ergibt sich auch kein Überwiegen der Neuproduktion/Neufertigung von Raketen bzw. Raketentechnik gegenüber weiteren Leistungen des Betriebes. Da in der Aufstellung auch die so genannte Kosumgüterproduktion der einzelnen Jahren aufgeführt ist, ergibt sich bis einschließlich 1987 für kein Jahr ein Überwiegen der Fertigung mit einem Anteil von über 55 v.H ... Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob in den Volkswirtschaftsplänen unter "Fertigung" auch Güter aufgeführt worden und in der Aufstellung des U enthalten sind, die von dem Betrieb nicht selbst neu hergestellt, sondern "nur" weiterverkauft worden sind. Ein annähernd gleiches Verhältnis von (Neu-)Fertigungsleistungen zu anderen Leistungen im Verhältnis von 50 - 60 v.H. zu 50 - 40 v.H. lässt jedenfalls nicht ein deutliches Überwiegen der Neuproduktion erkennen. Bei einem solchen Verhältnis kann jedenfalls nicht von einer Änderung des Betriebszwecks auf Dauer ausgegangen werden, weil nahezu die Hälfte des Gesamtumsatzes noch der ursprüngliche Unternehmenszweck ausmachte.

Nach allem ist eine Änderung des Betriebszwecks erst ab 1985 mit der Einstellung von annähernd ausschließlich für die Neuanfertigung von PALR vorgesehenen Investitionen festzustellen. Soweit die Beklagte eine solche Änderung des Unternehmensprofils hin zum Hauptzweck der Neuproduktion erst ab 1986 annimmt, ist dem nicht zu folgen. Zwar wurde in 1985 noch nicht die Produktion der PALR aufgenommen. Für eine Änderung des Betriebszwecks ist dies hier jedoch nicht erforderlich. Die Änderung des Unternehmensprofils ist hier dadurch vorgenommen worden, dass fast 100 v.H. der vorgesehenen Investitionsmittel für die Neuproduktion vorgesehen waren. Dies bedeutet, dass der Betrieb bereits 1985 schwerpunktmäßig auf die Neufertigung von Sachgütern ausgerichtet war, weil keine Investitionen in weitere Betriebsbereiche in einem annähernd vergleichbaren Umfang vorgesehen waren. Der hohe Umfang der Investitionen für die Neuproduktion, der Bau von weiteren drei Produktionshallen mit weiteren Kapazitäten lässt erkennen, dass eine auf Dauer angelegte Änderung des Betriebszwecks gewollt war. Auch wenn sich der (geplante) Beginn der tatsächlichen Neuproduktion der PALR erst dem Volkswirtschaftsplan für das Jahr 1987 entnehmen lässt (Rakete 9 M 113 DDR mit einem Volumen von 8 040 000 Mark) kann hieraus nach Überzeugung des Senats nicht hergeleitet werden, dass eine Änderung des Betriebszwecks erst nach 1985, mit Aufnahme der Produktion erfolgt ist. Die Ausrichtung des Betriebes auf die Neuproduktion von Raketen hat dem Betrieb schon im Planjahr 1985 durch die Bereitstellung der Investitionsmittel und durch den Beginn der Schaffung der Produktionsanlagen das Gepräge gegeben, da ab dem Planjahr 1985 in einem verhältnismäßig geringen Umfang in andere Profile des Betriebes, etwa in die Instandsetzung investiert wurde.

Für eine Änderung des Betriebszweckes zu dem von der Beklagten angenommenen Zeitpunkt 1986 findet sich keine Begründung. Zwar war nach der Aussage des Zeugen W für dieses Jahr die Herstellung eines Prototyps der neu zu fertigenden Rakete vorgesehen, eine Aufnahme der Serienproduktion fand aber nach den beigezogenen Unterlagen auch 1986 nicht statt.

Nach allem hat ab 1985 die serienmäßige Herstellung von Raketentechnik, insbesondere die Herstellung von PALR dem Betrieb das Gepräge gegeben, so dass ab diesem Zeitpunkt die Beschäftigungszeiten und das erzielte Entgelt von der Beklagten festzustellen sind. Beschäftigungszeiten bis 1984 sind jedoch nicht festzustellen, insoweit war das Klagebegehren unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. Der Kläger hat die Feststellungen für 15 ½ Jahre (1975 bis 30.06.1990) begehrt und in einem Umfang von 5 ½ Jahren obsiegt. Eine Belastung der Beklagten mit einem Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers ist daher angemessen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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