L 4 R 660/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1863/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 660/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 08. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der am 1968 geborene verheiratete Kläger erlernte von 1983 bis 1986 den Beruf eines Fleischers und legte im Oktober 1989 die Meisterprüfung im Fleischerhandwerk ab. Bis Juni 2000 war er als Verkaufsmetzger versicherungspflichtig beschäftigt. Aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden nahm er vom 03. bis 31. Oktober 2000 stationär an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik B. R. teil. Orthopäde Dr. L. nannte im Entlassungsbericht vom 31. Oktober 2000 folgende Diagnosen: Lumbalgien bei Skoliose und Baastrup-Phänomen L 4/5 mit deutlichen Funktionseinschränkungen, Iliosakralgelenk (ISG)-Reizung beidseits durch Beckenschiefstand mit deutlichen Funktionseinschränkungen, Thoracovertebralgien bei Skoliose, beginnende Coxarthrose rechts sowie Adipositas. Der Kläger wurde als arbeitsunfähig entlassen, da er seinen Beruf als Fleischermeister nicht mehr ausüben könne. Es wurde eine Umschulung für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen vorgeschlagen. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten könne der Kläger noch vollschichtig verrichten.

Am 07. Februar 2001 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte dies ab, da der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in ihm zumutbaren Beschäftigungen (als Lagerleiter bei Herstellungsbetrieben von Fleischereigewürzen, als Küchenbuchhalter, z.B. im Öffentlichen Dienst, im Lebensmittelgroßhandel, bei Warengenossenschaften oder in Verpflegungslagern, z.B. Bundeswehr und Krankenhäuser) noch vollschichtig verrichten könne (Bescheid vom 10. Juli 2001, Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsauschusses vom 07. Dezember 2001). Dagegen erhob der Kläger am 04. Januar 2002 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage (Az.: S 7 RA 28/02). Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 05. Oktober 2001 berufsfördernde Leistungen vom 26. März 2001 bis 17. Februar 2003 (Umschulung zum Kaufmann für Grund- und Wohnungswesen) bewilligt; während der Umschulung wurde dem Kläger Übergangsgeld von der Beklagten gewährt. Im Klageverfahren anerkannte die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit vom 04. Juli 2000 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit) bis zum Ende der berufsfördernden Maßnahmen (17. Februar 2003). Der Kläger nahm das Anerkenntnis an. Mit Bescheid vom 10. November 2003 bewilligte die Beklagte Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01. Februar 2001, die sie bis 17. Februar 2003 zahlte. Nach dem Ende der Umschulung war der Kläger arbeitsunfähig und bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs Krankengeld, anschließend Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.

Am 12. Oktober und 22. November 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung. Zur weiteren Begründung legte er den Bescheid des Versorgungsamts Freiburg vom 24. November 2004 vor, wonach der Grad der Behinderung (GdB) vom 12. März bis 31. Dezember 2003 60 und ab 01. Januar 2004 70 betrage. Die Beklagte erhob das Gutachten des Orthopäden Dr. T. vom 20. April 2005. Er diagnostizierte eine lumbosakrale Übergangsstörung mit fraglichen lumbalgieformen Beschwerden, eine Adipositas, eine myostatische Insuffizienz und eine Angststörung. Das zentrale Problem sei die Somatisierungs-, Angst- und depressive Störung. Auf orthopädischem Fachgebiet lägen keine wesentlichen Erkrankungen vor. Als Kaufmann für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft könne der Kläger noch sechs Stunden und mehr täglich arbeiten. Die Beklagte holte ferner die Auskunft der Dr. M.-B., Fachärztin für Allgemeinmedizin, ein. Diese teilte mit (Auskunft vom 30. Mai 2005), der Kläger leide an einer Angststörung, einer rezidiven depressiven Störung und an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Außerdem bestehe eine Skoliose, ein chronisches Lendenwirbelsyndrom und eine Hypertonie. Wegen einer sehr schweren Erkrankung der Ehefrau sei es zu einer weiteren Destabilisierung des psychischen Befindens gekommen. Der Auskunft lagen weitere Arztbriefe bei (Bl. 382/408 der Verwaltungsakte Bd. III). Die Beklagte erhob noch das Gutachten des Dr. M., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 04. August 2005. Er diagnostizierte eine multiple psychosomatische Reaktionsbildung, eine anankastische Persönlichkeitsstruktur sowie eine Wurzelreizung L5 links. Der Wunsch nach einer Berentung mit erst 37 Jahren entwachse einer erheblichen sozialen Phobie, aber auch aufgrund der ausgeprägten psychosomatischen Beschwerden. Eine Berentung sei jedoch kontraproduktiv. Leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten könne der Kläger sechs Stunden und mehr täglich verrichten, wenn Publikumsverkehr ausgeschlossen sei. Mit Bescheid vom 26. August 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, die Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor, da er noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden tätig zu sein. Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei nach wie vor arbeits- und erwerbsunfähig. Aus der Folgebescheinigung der Dres. K. und Mi. ergebe sich, dass er durchgehend seit 19. März 2003 arbeitsunfähig sei. Zur weiteren Begründung legte er zahlreiche Arztbriefe und Atteste vor (Bl. 458/475 der Verwaltungsakte Bd. III). Die Beklagte holte Arztauskünfte ein. Neurologen und Psychiater Dr. E. berichtete (Auskunft vom 27. Februar 2006), er habe folgende Diagnosen erhoben: Angststörung, somatoforme Schmerzstörung und rezidivierende depressive Störung (derzeit mittelgradige Episode). Dr. M.-B. teilte mit (Auskunft vom 10. Februar 2006), beim Kläger stehe nach wie vor die psychische Erkrankung im Vordergrund. Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, auch die zusätzlich eingeholten Befundberichte hätten keine weitere Einschränkung des festgestellten Leistungsvermögens ergeben. Der Kläger sei in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden erwerbstätig zu sein, sodass eine Erwerbsminderung nicht vorliege (Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2006).

Hiergegen erhob der Kläger am 11. Juli 2006 Klage beim SG. Unter Bezugnahme auf den Inhalt der Widerspruchsbegründung wies der Kläger zusätzlich darauf hin, dass auch die Agentur für Arbeit Leistungen abgelehnt habe, da sie ihn für erwerbsunfähig halte. Er hänge deshalb völlig in der Luft.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und bezog sich auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids. Der Befundbericht des Dr. E. vom 27. Februar 2006 dokumentiere keine Leidensverschlechterung. Eine solche lasse sich auch nicht durch Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigungen objektivieren.

Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. Mi., Fachärztin für Allgemeinmedizin, teilte mit (Auskunft vom 03. November 2006), sie schließe sich der Meinung des Dr. M. an, wonach der Kläger keine Tätigkeit in der Öffentlichkeit ausüben könne. Aufgrund seines Gesamtkrankheitsbilds erscheine eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt höchstens zu etwa 35 bis 40 % (drei Stunden täglich) möglich, wobei die chronische Rückenproblematik hierbei zu berücksichtigen sei. Orthopäde Dr. Sc. schloss sich dem Gutachten des Dr. M. an (Auskunft vom 15. November 2006). Prof. Dr. Ha., Institut für Anästhesiologie im H.-B.-Klinikum, nannte als zusätzliche Diagnosen zum Gutachten des Dr. M.: Angst und depressive Störung, Anpassungsstörung, Zustand nach Opioid-Abhängigkeit, hypertensive Herzerkrankung, arterielle Hypertonie, Adipositas, multiple Allergien und Spondylose mit Radiculopathie im Lumbalbereich. Aufgrund der chronischen Schmerzkrankheit mit bestehender Somatisierungsstörung sei der Kläger nicht in der Lage, die Tätigkeit eines Kaufmanns für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft oder andere Tätigkeiten auszuüben. Im Vordergrund stehe die psychische Erkrankung. Dr. E. berichtete (Auskunft vom 04. Dezember 2006), er stimme hinsichtlich der Leistungseinschätzung dem Gutachten des Dr. M. zu. Orthopäde Dr. He. teilte mit (Auskunft vom 06. Dezember 2006), die letzte Behandlung bei ihm habe im Jahr 2001 stattgefunden.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstellte Dr. En., Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie im H.-B.-Klinikum, das Gutachten vom 23. April 2007. Ohne Mitteilung einer bei der ambulanten Untersuchung am 13. April 2007 erhobenen ausführlichen Anamnese nannte er folgende Diagnosen: Lumbalgien bei Skoliose und Baastrup-Phänomen L 4/5 mit deutlichen Funktionseinschränkungen, ISG-Reizungen beidseits durch Beckenschiefstand mit deutlichen Funktionseinschränkungen, Thorakovertebrachialgien bei Skoliose, beginnende Coxarthrose rechts, Adipositas, hypertensive Herzerkrankung bei langjähriger arterieller Hypertonie, reaktive Depression, Tinnitus beidseits (links stärker als rechts), rezidivierende Spannungskopfschmerzen und diverse Phobien (Agoraphobie, Sozialphobie). Beim Kläger liege eine überstarke Müdigkeit vor, die durch äußere Belastungen nicht erklärt werden könne. Aus der Diagnoseliste lasse sich unschwer ableiten, dass eine vollschichtige Arbeit nicht mehr möglich sei. Eine begrenzte Aufnahmefähigkeit bei erheblicher Konzentrationsschwäche lasse eine Überwachungsaufgabe im Sinne einer Supervision auch in seinem Beruf als Metzger nicht mehr zu. Auch die Überwachung und Kontrolle von Mitarbeitern löse beim Kläger Ängste aus, die zu einem vorschnellen Abbruch seiner Arbeitsleistungen führten. Dies zeige sich auch darin, dass er nicht bereit sei, sich einer konstruktiven Kritik zu stellen. Eine mögliche Erklärung könne darin liegen, dass er erst kurz vor seiner Eheschließung von seinen Eltern erfahren habe, dass er ein Adoptivkind sei. Dies sei für ihn der Anfang einer fortwährenden Unsicherheit gewesen. Der Kläger könne auch keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkord- oder Fließbandtätigkeiten, Arbeiten in Wechselschicht und Arbeiten mit längeren Gehstrecken verrichten. Zu vermeiden seien darüber hinaus Arbeiten mit hoher Lärmbelastung. Die Leistungsfähigkeit sei sehr unterschiedlich und hänge sehr von der aktuellen Tagesform ab. Er (der Gutachter) glaube jedoch nicht, dass der Kläger über längere Zeit drei Stunden eine Arbeit kontinuierlich verrichten könne, die sowohl Konzentrationsfähigkeit und auch eine geringe körperliche Arbeit erfordere. Eine Gehstrecke von ca. 500 m könne der Kläger innerhalb von 20 Minuten viermal täglich zurücklegen. Die Anzahl der Pausen, die der Kläger aus gesundheitlichen Gründen benötige, könne nicht arbeitstäglich genau bestimmt werden. Er gehe davon aus, dass nach spätestens ein bis zwei Stunden eine unterschiedlich lange Pause notwendig sei, um den Belastungen des Arbeitsalltags gerecht zu werden. Eine Pausenregelung, wie sie üblicherweise in der Wirtschaft gepflegt werde, sei für den Kläger nicht vorstellbar. Die genannten Einschränkungen seien etwa seit 2000 bekannt.

Das SG erhob ferner das Gutachten des Dr. Ha., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Sozialmedizin/Spezielle Schmerztherapie -, vom 26. September 2007, der den Kläger am 26. September 2007 ambulant untersuchte. Er nannte folgende Diagnosen: Angst und depressive Störung (gemischt), anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik, Tinnitus aurium sowie Bluthochdruck. Insgesamt bestehe kein Nachweis für eine tiefergehende depressive Verstimmung, für eine Psychose oder ein hirnorganisches Psychosyndrom von Krankheitswert. Allerdings belaste ihn der Unfall seiner Ehefrau im März 2005, die wegen Becken- und Wirbelsäulenfrakturen auf einen Rollator angewiesen sei. Die geklagten Schmerzen ließen sich jedoch in keiner Weise adäquat organisch erklären. Es bestünden allenfalls gewisse funktionelle Leistungseinschränkungen, jedoch keine zeitliche Leistungsminderung. Unzumutbar seien körperliche Schwerarbeiten, ständige Zwangshaltungen, ständiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel und auch Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die psychische Belastbarkeit. Darüber hinausgehende funktionelle Leistungseinschränkungen ließen sich nicht begründen. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Im Übrigen habe er sich beim Tagesablauf vielseitig interessiert gezeigt, er gehe einkaufen, viel spazieren und beschäftige sich mit Astronomie sowie mit Autos. Er benötige an einem Arbeitstag keine zusätzlichen Pausen aus gesundheitlichen Gründen. Mit dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. M. vom 04. August 2005 bestehe volle Übereinstimmung, ebenso mit dem orthopädischen Gutachten des Dr. T. vom 20. April 2005. Die Ausführungen des Anästhesisten Prof. Dr. Ha. zu bestehenden seelischen Störungen seien für diesen fachfremd und daher nicht relevant. Die Annahme der Dr. Mi. hinsichtlich des aufgehobenen Leistungsvermögens sei nicht begründet.

Mit Gerichtsbescheid vom 08. Januar 2008 wies das SG die Klage ab. Anzuwenden sei im vorliegenden Fall die ab 01. Januar 2001 geltende Gesetzeslage, da der Kläger den Antrag auf Erwerbsminderungsrente am 19. November 2004 gestellt habe und es sich nicht um eine Weitergewährung der Berufsunfähigkeitsrente, die am 17. Februar 2003 beendet worden sei, handle. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, was sich aus dem Gutachten des Dr. Ha. ergebe. Dem Gutachten des Dr. En. sei nicht zu folgen, da dieser so gut wie keine Anamnese durchgeführt bzw. eine solche nicht nachvollziehbar festgehalten habe. Allein bestimmte Befunde oder Diagnosen begründeten keine Erwerbsminderung. Auch werde die Leistungseinschätzung des Dr. Ha. durch das Gutachten des Dr. M. gestützt. Soweit die behandelnden Ärzte zu einer anderen Leistungseinschätzung gelangt seien, komme der Sachverständigenbeurteilung grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. Februar 2008 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass er seit Stellung seines Antrags auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente am 19. November 2004 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Dr. En. habe zwar auf eine ausführliche Darstellung einer Anamnese verzichtet, dem inhaltlichen Wert seiner Ausführungen müsse jedoch mindestens der gleiche Stellenwert zukommen, wie den Ausführungen des Dr. Ha ... Die Tatsache, dass er eine längere Fahrt (einfach 250 km) zum Gutachter Dr. Ha. auf sich genommen habe, könne nicht dazu führen, dass er mehr als drei Stunden täglich erwerbsfähig sei. Es habe ich um einen einmaligen Vorgang gehandelt, der nicht ohne Weiteres wiederholbar sei. Im Übrigen habe sich Dr. Ha. nicht ausführlich mit der Einschätzung des Prof. Dr. Ha. auseinandergesetzt. Zur weiteren Begründung hat der Kläger den Bericht des Dr. E. vom 15. April 2008 vorgelegt, wonach er (der Kläger) seit Jahren arbeitsunfähig sei, des Weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Dres. K. und Mi., wonach voraussichtlich bis 31. Mai 2008 Arbeitsunfähigkeit vorliege.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 08. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2006 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Oktober 2004 Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, es seien keine neuen medizinischen Gesichtspunkte dargelegt worden, die zu einer Änderung der Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers führen könnten. Im Übrigen seien auch die Gutachter Dr. T. und Dr. M. von einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich ausgegangen.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 28. Mai 2008 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Bd. I, II und III), auf die Gerichtsakte der ersten Instanz, die beigezogenen Akten in den Verfahren S 7 RA 28/02 und S 7 RA 2140/04 des SG sowie auf die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht weder ab 01. Oktober 2004 noch ab einem späteren Zeitpunkt Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

1. Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) in der jeweils ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung. Die Voraussetzungen des § 302b Abs. 1 Satz 2 SGB VI, wonach sich der Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Ablauf der Frist nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage richtet, liegen nicht vor. Die bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Anspruchsvoraussetzungen gelten nur dann für jeden weiteren zu befristenden Rentenanspruch oder Dauerrentenanspruch, wenn sich dieser nahtlos an den vorherigen anschließt (vgl. Reinhardt in LPK-SGB VI, § 302b Rdnr. 2). Vorliegend endete jedoch die dem Kläger von der Beklagten bewilligte Rente wegen Berufsunfähigkeit am 17. Februar 2003; der erneute Rentenantrag wurde bei der Beklagten auch erst am 12. Oktober 2004 gestellt, so dass es sich nicht um eine nahtlose Anschlussrente handeln würde.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzen¬anpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßgaben ist der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Bei dem Kläger liegen zwar auf orthopädischem und neurologischem bzw. psychiatrischem Fachgebiet verschiedene Erkrankungen vor; diese sind jedoch nicht so ausgeprägt, dass das Leistungsvermögen so weit gemindert wäre, dass volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliegt.

Der Senat entnimmt dem auf umfassenden Untersuchungen des Klägers beruhenden Gutachten des Dr. Ha. vom 26. September 2007, dass der Kläger an folgenden Gesundheitsstörungen leidet: Angst und depressive Störung (gemischt), anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik, Tinnitus aurium sowie Bluthochdruck. Wegen dieser Erkrankungen kann der Kläger nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Angaben des Dr. Ha. keine körperlich schweren Arbeiten mehr verrichten. Zu vermeiden sind darüber hinaus Arbeiten mit Zwangshaltung, mit ständigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel sowie Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die psychische Belastbarkeit. Trotz der genannten qualitativen Einschränkungen ist der Kläger aber noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger derartige Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat stützt sich hierbei - ebenso wie das SG - auf die Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. Ha. und die von der Beklagten herangezogenen Gutachter Dr. T. und Dr. M ... Sämtliche genannten Gutachter sind nachvollziehbar und schlüssig zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger noch in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen mindestens sechsstündig auszuüben. Dabei hat sich Dr. Ha. differenziert mit den Auskünften der behandelnden Ärzte auseinandergesetzt und für den Senat in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass beim Kläger keine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht besteht. Diese Einschätzung lässt sich im Übrigen auch mit dem vom Kläger bei Dr. Ha. und im Rahmen des Erörterungstermins angegebenen Tagesablauf in Übereinstimmung bringen. Denn er hat angegeben, dass er zahlreiche Aufgaben im Haushalt und bei der Versorgung seiner Ehefrau übernimmt und diese auch zu ihren zahlreichen Arztbesuchen fährt, da diese nicht Autofahren kann. Diese Leistungseinschätzung wurde zudem von den behandelnden Ärzten Dr. Sc. (Auskunft vom 15. November 2006) und von Dr. E. (Auskunft vom 04. Dezember 2006) geteilt.

Wie das SG vermag auch der Senat dem Gutachten des Dr. En. vom 23. April 2007 nicht zu folgen. Soweit Dr. En. in seinem Gutachten weitere Gesundheitsstörungen (Lumbalgien bei Skoliose und Baastrup-Phänomen L 4/5, ISG-Reizungen beidseits durch Beckenschiefstand, Thorakovertbrachialgien bei Skoliose, beginnende Coxarthrose rechts, Adipositas, hypertensive Herzerkrankung bei langjähriger arterieller Hypertonie und rezidivierende Spannungskopfschmerzen) nennt, ergibt sich aus seinem Gutachten nicht, auf welchen Befunden dies beruht. Denn das Gutachten enthält weder die Wiedergabe der anlässlich der ambulanten Untersuchung erhobenen Anamnese noch der durchgeführten Untersuchungen. Insbesondere soweit Dr. En. "deutliche Funktionseinschränkungen" genannt hat, ist darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich nicht nur genaue Befundangaben fehlen, sondern Dr. Ha. keine Funktionseinschränkungen seitens der Wirbelsäule bzw. des Beckens festgestellt hat. Da Dr. En. keine Befunde angibt, aus denen sich eine derartige zeitliche Leistungseinschränkung ergibt, ist die Leistungsbeurteilung, der Kläger sei nur noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten maximal drei Stunden zu verrichten, nicht überzeugend. Das SG hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass allein die Diagnoseliste, auf die Dr. En. seine Leistungseinschätzung stützt, nicht genügt, um eine Erwerbsminderung zu begründen. Vielmehr kommt es darauf an, welche gesundheitliche Einschränkung auf die Leistungsfähigkeit hieraus resultieren. Im Übrigen hat Dr. En. seine Leistungseinschätzung insofern relativiert, als er davon ausgeht, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers sehr unterschiedlich und sehr von seiner aktuellen Tagesform abhängig sei. Soweit Dr. En. in seinem Gutachten darüber hinausgehende qualitative Einschränkungen nennt, wonach etwa eine Überwachungsaufgabe wegen der begrenzten Aufnahmefähigkeit bei erheblicher Konzentrationsschwäche nicht übernommen werden könne, weist der Senat darauf hin, dass nach den Angaben des Dr. Ha. die Konzentrations- und Merkfähigkeit anlässlich seiner Untersuchung am 26. September 2007 nicht eingeschränkt war. Insofern ist die Einschätzung des Dr. En. auch in diesem Punkt nicht überzeugend.

Der Kläger benötigt auch keine zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen. Zwar hat Dr. En. in seinem Gutachten vom 23. April 2007 angegeben, dass der Kläger spätestens nach ein bis zwei Stunden eine unterschiedlich lange Pause einlegen müsse, um den Belastungen des Arbeitsalltags gerecht zu werden. Diese allgemeine und nicht differenzierte Begründung überzeugt den Senat jedoch ebenfalls nicht, zumal auch Dr. Ha. in seinem Gutachten vom 26. September 2007 das Erfordernis von zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen nicht festgestellt hat. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass dem Kläger nach § 4 Satz 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) bei einer zugrunde gelegten täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden Ruhepausen von mindestens 30 Minuten zustehen, die nach Maßgabe der §§ 4 Satz 2 und 7 ArbZG auch in kleinere Zeitabschnitte aufgeteilt werden können. Im Übrigen ist zu beachten, dass kurze Pausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden beispielsweise im Bereich des Öffentlichen Dienstes nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen gelten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2007 - L 11 R 684/06 - mit weiteren Nachweisen, in juris veröffentlicht).

Soweit Prof. Dr. Ha. in seiner Auskunft vom 28. November 2006 zu der Einschätzung gelangte, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, auch nur wenige Stunden täglich zu arbeiten, vermag diese Einschätzung ebenfalls nicht zu überzeugen. Zum Einen wird die Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht nicht näher begründet und zum Anderen hat er angegeben, dass die psychische Erkrankung im Vordergrund stehe. Da Prof. Dr. Ha. jedoch kein Psychiater ist, misst der Senat der Leistungseinschätzung des Dr. Ha. mehr Gewicht bei.

Auch die Einschätzung der Dr. Mi. vom 03. November 2006, wonach der Kläger nur noch drei Stunden arbeiten könne, ist nicht überzeugend. Auch sie begründet die Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht nicht näher. Darüber hinaus liegt ihrer Ansicht nach das maßgebliche Leiden für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Dr. Ha. hat jedoch - wie bereits dargelegt - eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers nicht feststellen können. Dass Dres. K. und Mi. seit März 2003 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt haben, ist unerheblich. Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung sind rechtlich verschiedene Begriffe. 3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersrente auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Der Kläger kann zwar seinen erlernten Beruf als Fleischermeister nicht mehr ausüben. Da er jedoch am 24. Januar 1968 geboren ist, scheidet die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aus. Vor diesem Hintergrund muss auch nicht entschieden werden, ob als maßgeblicher Bezugsberuf die Umschulungstätigkeit (Grund- und Wohnungswesen) heranzuziehen ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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